L 16 R 278/14 B

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
16
1. Instanz
SG München (FSB)
Aktenzeichen
S 26 R 340/12
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 16 R 278/14 B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
Im Statusfeststellungsverfahren nach § 7 a SGB IV ist der Streitwert nach § 52 Abs 1 GKG festzusetzen, wenn sich aus dem Antrag des Klägers ohne weitere Ermittlungen, objektiv über die Höhe des Gesamtsozialversicherungsbeitrags ergibt oder dieser nach § 61 GKG als Sreitwert angegeben wurde.
Ein Rückgriff auf § 52 Abs. 2 GKG ist dann nicht mehr möglich.
I. Auf die Beschwerde der Klägerin wird Ziffer III. des Urteils des Sozialgerichts München vom 13. Februar 2014 abgeändert und der Streitwert auf 67.693,50 EUR festgesetzt.

II. Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.

Gründe:

I.

Gegenstand des zwischen den Beteiligten geführten Rechtsstreits vor dem Sozialgericht München war ein Statusfeststellungsverfahren nach § 7a Sozialgesetzbuch Viertes Buch (SGB IV).

Die Beklagte stellte mit Bescheid vom 08.06.2011 fest, dass der Beigeladene seit dem 30.03.2010 im Rahmen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses tätig geworden sei. Der eingelegte Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 27.01.2012 zurückgewiesen.

Am 16.02.2012 erhob der Bevollmächtigte der Klägerin Klage zum Sozialgericht München. Mit Schreiben vom 29.02.2012 bezifferte er den Streitwert mit 68.633,94 Euro. Hierzu führte die Beklagte aus, dass für Statusfeststellungsverfahren der Regelstreitwert maßgeblich sei. Mit Urteil vom 13.02.2014 wies das Sozialgericht die Klage ab und setzte unter Ziffer III den Streitwert nach § 52 Abs. 2 Gerichtskostengesetz (GKG) auf 5.000 EUR fest.

Gegen Ziffer III des Urteils hat die Klägerin Beschwerde zum Bayerischen Landessozialgericht eingelegt. Sie ist der Auffassung, es seien genügend Anhaltspunkte vorhanden, den Streitwert nach der sich aus dem Antrag der Klägerin ergebenden Bedeutung zu bestimmen. Die Klägerin hat auf der Grundlage der monatlichen Bezüge des Beigeladenen von 7.080 EUR und unter Annahme eines Dreijahreszeitraums sowie einer Beitragslast zur Sozialversicherung im Jahr 2010 von insgesamt 40,35 % ein für sie bestehendes Kostenrisiko in Gestalt von nachzuzahlenden Sozialversicherungsbeiträgen in Höhe von 68.663,94 EUR errechnet. Ergänzend hat sie auf Entscheidungen des Bayerischen Landessozialgericht verwiesen, wonach sich der Streitwert in Anfrageverfahren nach dem Beitragsrisiko richte (Bayerisches Landessozialgericht, Beschluss vom 22.11.2012, L 5 KR 313/12 B und vom 07.03.2011, L 5 R 647/10 B).

Die Klägerin beantragt, die Abänderung des Streitwertes auf 68.633,94 EUR.

Die Beklagte beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.

Sie ist der Ansicht, bei einem Streit über den sozialversicherungsrechtlichen Status nach § 7a SGB IV sei ein Regelstreitwert von 5.000 EUR festzusetzen. Sie sehe sich insoweit in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (zuletzt: Entscheidung des Bundessozialgerichts vom 05.06.2009, B 12 R 6/08 R, vom 05.03.2010, B 12 R 8/09 R und vom 02.04.2013, B 12 R 32/12 B). Mit der Feststellung über die Versicherungspflicht werde noch keine Entscheidung über künftige Beiträge getroffen, dies sei dem Verfahren der Beitragsfestsetzung vorbehalten. Im Übrigen dürften Ermittlungen, die zur Entscheidung in der Hauptsache nicht erforderlich seien, nicht im Rahmen der Streitwertbestimmung durchgeführt werden. Die Höhe des Streitwertes werde in das Ermessen des Auftraggebers gestellt, der im Einzelfall entscheiden könnte, ob entsprechende Angaben getroffen werden oder nicht. Wegen der Willkürfreiheit gerichtlicher Entscheidungen sollten bei der Streitwertbemessung keine gerichtlichen Schätzungen oder Ermittlungen angestellt werden. Außerdem habe das Bundessozialgericht im Beschluss vom 08.12.2008, B 12 R 37/07 B ausdrücklich ausgeführt, dass hinreichende Anhaltspunkte für die wirtschaftliche Bedeutung des Beschwerdeverfahrens fehlen würden, um einen Streitwert in vom Regelstreitwert abweichender Höhe festzusetzen. Diese Feststellung sei getroffen worden, obwohl Beiträge bereits festgestellt und gefordert worden seien.

Das Sozialgericht hat entschieden, der Beschwerde nicht abzuhelfen.

Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf die beigezogene Verwaltungsakte der Beklagten und die Gerichtsakten beider Rechtszüge Bezug genommen.

II.

Die Beschwerde ist zulässig (§ 68 GKG). Sie hat auch in der Sache Erfolg. Das Sozialgericht hat den Streitwert zu Unrecht auf 5.000 EUR festgesetzt.

Ist ein Verfahren nach § 197a Sozialgerichtgesetz (SGG) kostenpflichtig, finden die Vorschriften des Gerichtskostengesetzes Anwendung. Nach § 52 Abs. 1 GKG ist der Streitwert in Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit, soweit nichts anderes bestimmt ist, nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen.

Zur Bestimmung des Streitwertes ist zunächst zu prüfen, ob § 52 Abs. 3 GKG anwendbar ist. Betrifft der Antrag des Klägers eine bezifferte Geldleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt, so ist deren Höhe maßgebend. Ist dies nicht der Fall, ist § 52 Abs. 1 GKG zu prüfen. Nur wenn der Sach- und Streitstand für die Bestimmung des Streitwerts keine genügenden Anhaltspunkte bietet, ist nach § 52 Abs. 2 GKG ein Streitwert von 5000 EUR anzunehmen (Auffangwert).

Der Antrag des Klägers ist in Statusfeststellungsverfahren regelmäßig nicht auf eine bezifferte Geldleistung gerichtet. Vielmehr wird in der Regel im Rahmen einer Anfechtungsklage die Aufhebung der von der Beklagten getroffenen Entscheidung über das Vorliegen einer Beschäftigung und das Bestehen einer Versicherungspflicht in den einzelnen Zweigen der gesetzlichen Sozialversicherung begehrt. Die Entscheidung nach § 7a SGB IV enthält keine konkrete Forderung. Der Gesamtsozialversicherungsbeitrag wird erst später fällig, nämlich zu dem Zeitpunkt, zu dem die Entscheidung, dass eine Beschäftigung tatsächlich vorliegt, unanfechtbar geworden ist (§ 7a Abs. 6 S. 2 SGB IV). Die genaue Feststellung der Höhe der Beiträge und deren Einzug obliegt nach § 28h SGB IV der Einzugsstelle.

In Statusfeststellungsverfahren nach § 7a SGB IV ist die Grundregel des § 52 Abs. 1 GKG anwendbar, wenn sich aus dem Antrag des Klägers bei objektiver Beurteilung unter Berücksichtigung der vorliegenden Unterlagen, aber ohne weitere Ermittlungen, die für den Kläger ergebende Bedeutung der Sache erschließt. Die Bedeutung entspricht dem Interesse an der angestrebten Entscheidung.

Aus der Entscheidung der Beklagten ergibt sich in Statusfeststellungsverfahren das Bestehen der Versicherungspflicht in verschiedenen Zweigen der Sozialversicherung, womit zwangsläufig die Pflicht des Arbeitgebers zur Zahlung des Gesamtsozialversicherungsbeitrags gemäß § 28e Abs. 1 Satz 1 SGB IV verbunden ist, was allerdings erst in einem zeitlich nachgelagerten Verfahren vollzogen wird. Bei dieser Konstellation im Statusfeststellungsverfahren wäre es nicht angemessen, die Pflicht zur Zahlung des Gesamtsozialversicherungsbeitrags als nicht berücksichtigungsfähiges weitergehendes Interesse des Arbeitgebers zu werten. Gerade darum geht es nämlich in der Regel den Beteiligten eines solchen Verfahrens. Bei der Bestimmung der sich gemäß § 52 Abs. 1 GKG aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache an die Höhe des Gesamtsozialversicherungsbeitrags anzuknüpfen, ist daher jedenfalls dann gerechtfertigt, wenn der Kläger bei der Antragstellung und vor der Beendigung einer Instanz entsprechende Streitwertangaben gemacht hat. Anhand der Streitwertangabe kann dann auch der Gerichtskostenvorschuss festgesetzt werden. Liegen entsprechende Angaben des Klägers vor, kommt ein Rückgriff auf den Auffangwert des § 52 Abs. 2 GKG nicht mehr in Betracht.

Eine entgegenstehende Rechtsprechung des Bundessozialgerichts ist nicht erkennbar. Das Bundessozialgericht hat, soweit ersichtlich, keinen Rechtssatz aufgestellt, dass in Statusfeststellungsverfahren nach § 7a SGB IV der Streitwert stets nach § 52 Abs. 2 GKG festzusetzen ist.

Bei Annahme einer Versicherungspflicht in der gesetzlichen Renten-, Kranken- und Pflegeversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung sind für das Jahr 2010 39,55 %, nicht jedoch 40,35 %, wovon der Bevollmächtigte der Klägerin ausgeht, des Bruttoarbeitsentgelts von Arbeitgeber und Arbeitnehmer gemeinsam zu tragen. Schuldner des an die Einzugsstelle abzuführenden Gesamtsozialversicherungsbeitrages ist nach § 28e Abs. 1 S. 1 GKG nur der Arbeitgeber. Dieser muss seinen Anspruch gegen den Beschäftigten auf den von diesem zu tragenden Anteil geltend machen. Ein in der Vergangenheit unterbliebener Abzug von den Lohn- oder Gehaltszahlungen kann nicht mehr nachgeholt werden (§ 28g S. 3 SGB IV). Daher erscheint es angemessen, bei der Bestimmung einer sich aus dem Statusfeststellungsverfahren für den klagenden Arbeitgeber ergebenden wirtschaftlichen Bedeutung die Gesamtsozialversicherungsbeiträge in ihrem vollen Umfang (Arbeitgeber- und Arbeitnehmeranteil) als Beitragsrisiko zugrunde zu legen.

Als Bemessungsgrundlage dienen die monatlichen Bezüge des Beigeladenen in Höhe von 7080 EUR. Mit diesem monatlichen Einkommen werden die Beitragsbemessungsgrenzen in den einzelnen Zweigen der Sozialversicherung überschritten (vgl. § 341 Abs. 3 S. 1 Drittes Buch Sozialgesetzbuch, § 181 Abs. 2 S.1 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch, § 223 Abs. 3 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch und § 57 Abs. 1 S. 1 Elftes Buch Sozialgesetzbuch). Im Jahr 2010 beläuft sich der Jahresbeitrag in der Rentenversicherung auf 13.134 EUR (19,9 % von 66.000 EUR), der zur Arbeitslosenversicherung auf 1848 EUR (2,8 % von 66.000 EUR), der zur Krankenversicherung auf 6705 EUR (14,9 % von 44.550 EUR) und in der privaten Pflegeversicherung auf 868,73 EUR (1,95 % von 44.550 EUR). Insgesamt beträgt damit der im Jahr 2010 geschuldete Gesamtsozialversicherungsbeitrag 22.564,50 EUR.

Nach § 42 Abs. 1 S.1 GKG ist in Verfahren vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit, in denen Ansprüche auf wiederkehrende Leistungen dem Grunde oder der Höhe nach geltend gemacht oder abgewehrt werden, der dreifache Jahresbetrag der wiederkehrenden Leistungen maßgebend. Da Gegenstand des Klageverfahrens die sozialversicherungsrechtliche Beurteilung der Tätigkeit des Beigeladenen ohne zeitliche Einschränkung ist, war der Streitwertberechnung ein Zeitraum von drei Jahren zugrunde zu legen.

Aufgrund der hier vorliegenden Angaben ist eine konkrete Bestimmung des Streitwertes nach § 52 Abs. 1 GKG möglich. § 52 Abs. 2 GKG war daher nicht anzuwenden. Daher ist Ziffer III des Urteils des Sozialgerichts München abzuändern und der Streitwert auf 67.693,50 EUR festzusetzen. Die Beschwerde ist im Übrigen zurückzuweisen, soweit beantragt wurde den Streitwert auf 68.633,94 EUR festzusetzten, da dieser Wert auf einer unzutreffenden Beitragslast im Jahr 2010 beruht.

Diese Entscheidung ergeht gebührenfrei (§ 68 Abs. 3 GKG).

Die Beschwerde an das Bundessozialgericht findet nicht statt (§ 68 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 66 Abs. 3 S. 3 GKG).
Rechtskraft
Aus
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