L 15 SF 363/13 E

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Sonstige Angelegenheiten
Abteilung
15
1. Instanz
SG Würzburg (FSB)
Aktenzeichen
S 13 SF 137/13 E
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 15 SF 363/13 E
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Kostenbeschluss
Leitsätze
Die Erledigungsgebühr nach Nr. 1005 i.V.m. Nr. 1002 VV RVG (Erledigung einer Rechtssache nach Aufhebung oder Änderung eines angefochtenen Verwaltungsakts) entsteht nur dann, wenn die anwaltliche Mitwirkung bzgl. der Erledigung im konkreten Verfahren stattfindet. Ein Tätigwerden in einem anderen Verfahren reicht regelmäßig nicht aus.
Auf die Beschwerde wird der Beschluss des Sozialgerichts Würzburg vom 22. Oktober 2013 abgeändert. Für das Klageverfahren Aktenzeichen S 7 AL 123/12 wird die zu erstattende Vergütung auf 451,01 EUR festgesetzt.

Gründe:

I.

Gegenstand des Verfahrens ist die Höhe des Rechtsanwaltshonorars nach dem Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG), das der Beschwerdegegnerin nach Beiordnung im Rahmen der Bewilligung von Prozesskostenhilfe (PKH) aus der Staatskasse (Beschwerdeführer) zusteht. Streitig ist die Erledigungsgebühr. Im Klageverfahren vor dem Sozialgericht Würzburg (SG), Aktenzeichen S 7 AL 123/12 (anfängliches Az.: S 7 AL 226/09), ging es um die Gewährung von Arbeitslosengeld I auch im Zeitraum eines generellen Beschäftigungsverbots der Klägerin. Am 14.08.2009 erhob die Klägerin über ihre Bevollmächtigte, die Beschwerdegegnerin, Klage und beantragte die Gewährung von PKH. Diesem Antrag wurde mit gerichtlichem Beschluss vom 21.02.2011 entsprochen; die Beschwerdegegnerin wurde beigeordnet. Im Jahr 2011 wurde das Verfahren erstmals ruhend gestellt. Nach Fortsetzung fand am 27.02.2013 eine mündliche Verhandlung statt, in der der Kammervorsitzende u.a. die Auffassung vertrat, dass bei der Klägerin ein absolutes Beschäftigungsverbot bestanden habe und sie Anspruch auf Krankengeld habe, den sie bei ihrer Krankenkasse geltend machen solle. Der Rechtsstreit wurde durch Beschluss erneut zum Ruhen gebracht. In der Folgezeit trat die Beschwerdegegnerin mit der Krankenkasse der Klägerin (AOK Bayern) in Kontakt. Am 08.08.2013 teilte sie mit, dass aufgrund ihrer weiteren Tätigkeit die Krankenkasse nunmehr Krankengeld bewillige, womit sich der vorliegende Rechtsstreit erledigt habe.

Am 14.08.2013 beantragte die Beschwerdegegnerin die Festsetzung der Vergütung gegen die Staatskasse in Höhe von insgesamt 981,75 EUR. Mit Kostenfestsetzungsbeschluss vom 10.09.2013 setzte die zuständige Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle die Vergütung der Beschwerdegegnerin auf 451,01 EUR, im Einzelnen wie folgt fest:
Verfahrensgebühr, Nr. 3102, 3103 VV RVG: 204,00 EUR
Terminsgebühr, Nr. 3106 VV RVG: 150,00 EUR
Erledigungsgebühr, Nr. 1002, 1005 VV RVG: - EUR
Post- u. Telekom.pauschale, Nr. 7002 VV RVG: 20,00 EUR
Dokumentenpauschale, Nr. 7000 Nr. 1a VV RVG: 5,00 EUR
Zwischensumme: 379,00 EUR
19 % Mehrwertsteuer, Nr. 7008 VV RVG: 72,01 EUR
Summe: 451,01 EUR

Die von der Beschwerdegegnerin angesetzte Erledigungsgebühr in Höhe von 300,00 EUR sei, so die Kostenbeamtin, nicht entstanden. Vorliegend habe die anwaltliche Tätigkeit durch Gespräche mit der Krankenkasse der Klägerin dazu geführt, dass die Beschwerdegegnerin die Klage als erledigt erklären habe können. Diese Erledigung entspreche nicht der Bedingung für eine Erledigungsgebühr, denn die Klage habe sich nicht durch Aufhebung und Änderung des angefochtenen Verwaltungsaktes erledigt. Auch eine Einigungsgebühr sei nicht entstanden, da keine Einigung zwischen den Parteien erzielt worden sei.

Gegen diese Kostenfestsetzung hat die Beschwerdegegnerin am 13.09.2013 Erinnerung eingelegt und zur Begründung auf die Ausführungen im Kostenfestsetzungsantrag verwiesen. Hier hatte die Beschwerdegegnerin im Einzelnen ihre Tätigkeit im Hinblick auf die Verhandlungen mit der Krankenkasse der Klägerin dargelegt und den Ansatz der einzelnen Gebührenhöhen - u.a. für die Erledigungsgebühr - begründet.

Mit Beschluss vom 22.10.2013 hat das SG den Kostenfestsetzungsbeschluss vom 10.09.2013 abgeändert und die von der Staatskasse an die Beschwerdegegnerin zu erstattenden außergerichtlichen Kosten auf insgesamt 808,01 EUR festgesetzt. Die Erinnerung sei lediglich hinsichtlich der Erledigungsgebühr begründet; im Hinblick auf die Höhe der Verfahrens- sowie der Terminsgebühr hat sich der Kostenrichter der Auffassung der Kostenbeamtin angeschlossen. Die Erledigungsgebühr sei jedoch entgegen deren Auffassung entstanden. Dabei hat der Kostenrichter auf den Sinn und Zweck der Vorschrift verwiesen, wonach ein Verhalten des Bevollmächtigten honoriert werden solle, das zu einer Erledigung der Streitsache ohne gerichtliche Entscheidung führe. Der Gebührentatbestand Nr. 1002 VV RVG sei dahingehend auszulegen, dass die Gebühr auch dann entstehe, wenn sich eine Rechtssache nicht nur nach Aufhebung oder Änderung des mit einem Rechtsbehelf angefochtenen Verwaltungsakts durch die anwaltliche Mitwirkung, sondern gerade auch dann, wenn sich das Verfahren allgemein durch die anwaltliche Tätigkeit erledige. Denn nur mit dieser weiten, auf Spezialfälle beschränkten Auslegung der genannten Vorschrift könne der Gebührentatbestand seinen Sinn und Zweck auch erfüllen. Zudem wäre höchst befremdlich, wenn der Bevollmächtigte ein weit über das übliche Maß hinausgehendes Engagement zur Erledigung des Rechtsstreits zeige, um dem Gericht eine Entscheidung zu ersparen und im Gegenzug wegen der lediglich wortgetreuen Auslegung von Nr. 1002 VV RVG eine Erledigungsgebühr nicht erhalten würde.

Hiergegen hat der Beschwerdeführer am 05.11.2013 Beschwerde erhoben und beantragt, die aus der Staatskasse zu zahlende Vergütung auf 451,01 EUR festzusetzen. Dabei hat er auf Entscheidungen des Bundessozialgerichts (BSG) und des Verwaltungsgerichts (VG) Berlin verwiesen. Weiter hat er Beschlüsse des Bayerischen Landessozialgerichts (BayLSG) hervorgehoben, nach denen Gebührentatbestände (zum Gerichtskostengesetz) weder auslegungsfähig noch auslegungsbedürftig seien.

Der Beschwerdegegnerin ist Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben worden.

Im Übrigen wird ergänzend auf den Inhalt der Gerichtsakten dieses Verfahrens sowie des Erinnerungsverfahrens und des erstinstanzlichen Klageverfahrens des SG verwiesen.

II.

Die Beschwerde hat Erfolg.

Zuständig für die Entscheidung ist der Einzelrichter gemäß § 56 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 33 Abs. 8 Satz 1 RVG.

Zur Anwendung kommen im vorliegenden Fall gemäß der Übergangsvorschrift des § 60 Abs. 1 RVG auch nach Erlass des Zweiten Gesetzes zur Modernisierung des Kostenrechts (Zweites Kostenrechtsmodernisierungsgesetz - 2. KostRMoG) vom 23.07.2013 (BGBl S. 2586, 2681 ff.) die Regelungen des RVG in der bis 31.07.2013 geltenden Fassung. Denn der unbedingte Auftrag im Sinne der genannten Vorschrift ist der Beschwerdegegnerin vor diesem Zeitpunkt erteilt worden.

1. Die Beschwerde ist zulässig.

Sie ist statthaft, da der Wert des Beschwerdegegenstands 200,00 EUR übersteigt (§ 56 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 33 Abs. 3 Satz 1 RVG). Die Beschwerde ist auch fristgerecht innerhalb der Zweiwochenfrist des § 56 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 33 Abs. 3 Satz 3 RVG eingelegt worden.

2. Die Beschwerde ist auch begründet.

Das SG hat die Vergütung der Beschwerdegegnerin zu hoch festgesetzt. Der dieser zuerkannte Vergütungsanspruch gegen die Staatskasse beruht auf §§ 45 ff RVG. Streitig ist noch allein die Erledigungsgebühr gemäß Nr. 1005 i.V.m. Nr. 1002 VV RVG. Wie der Beschwerdeführer zu Recht annimmt, steht der Beschwerdegegnerin eine solche Gebühr nicht zu, da die tatbestandlichen Voraussetzungen nicht gegeben sind.

Nach der Rechtsprechung des BSG (Urteil vom 05.05.2010, Az.: B 11 AL 14/09 R) entsteht die Gebühr nach Nr. 1005 i.V.m. Nr. 1002 VV RVG bei Erledigung einer Rechtssache nach Aufhebung oder Änderung eines angefochtenen Verwaltungsakts, woraus deutlich wird, dass die anwaltliche Mitwirkung im konkreten Verfahren stattfinden muss und dass ein Tätigwerden in einem anderen Verfahren regelmäßig nicht ausreicht (vgl. z.B. auch Hartmann, Kostengesetze, 45. Aufl., Nr. 1002 VV RVG, Rdnr. 12, m.w.N.). Wie das VG zutreffend hervorgehoben hat, setzt Nr. 1002 VV RVG gerade voraus, dass der die Erledigung herbeiführende Verwaltungsakt von dem Beklagten in dem betreffenden Rechtsstreit erlassen wird und nicht - wie vorliegend - von einer dritten Behörde (Beschluss vom 25.07.2012, Az.: 35 KE 7.12, 27 L 197.10). Dieser Rechtsprechung schließt sich der Kostensenat im Hinblick auf den klaren Wortlaut des Gebührentatbestands an, so dass für weitere - grundsätzlich sicher nachvollziehbare - Erwägungen, wie sie z.B. durch das SG dargelegt worden sind, kein Raum bleibt. Eine Honorierung von weit über das übliche Maß hinausgehenden Engagements zur Erledigung eines Rechtsstreits im Rahmen der Erledigungsgebühr zu ermöglichen, wäre Aufgabe des Gesetzgebers, nicht aber der rechtsprechenden Staatsgewalt.

Die der Beschwerdegegnerin zustehende Vergütung ist somit wie durch die Kostenbeamtin erfolgt festzusetzen. Der angefochtene Beschluss des SG ist abzuändern.

Das Verfahren ist gebührenfrei, Kosten werden nicht erstattet (§ 56 Abs. 2 Sätze 2 und 3 RVG).

Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 56 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 33 Abs. 4 Satz 3 RVG).
Rechtskraft
Aus
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