L 7 KA 33/12 KL WA

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Vertragsarztangelegenheiten
Abteilung
7
1. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 7 KA 33/12 KL WA
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 6 KA 25/15 R
Datum
Kategorie
Urteil
Leitsätze
1. Die Änderung oder der Wegfall der Ermächtigungsgrundlage einer untergesetzlichen Norm berühren nicht per se deren Rechtswirksamkeit; so werden auch die Detailregelungen der Arzneimittel-Richtlinien nicht durch jede Korrektur des Gesetzgebers am Wortlaut der Ermächtigungsnorm gegenstandslos.
2. Die ATC-Klassifikation eines Arzneimittels nach § 73 Abs. 8 SGB V entfaltet rechtliche Bindungswirkung für seine begriffliche Einordnung (hier: oral zu verabreichendes Otovowen® als „Otologikum“).
3. Die arzneimittelrechtliche Zulassung eines Arzneimittels folgt anderen Erfordernissen als seine krankenversicherungsrechtliche Nutzenbewertung.
Bemerkung
BSG: Revision zurückgewiesen
Die Klage wird abgewiesen. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die Verordnungsfähigkeit von Otovowen® für versicherte Kinder bis zum vollendeten 12. Lebensjahr und für versicherte Jugendliche bis zum vollendeten 18. Lebensjahr mit Entwicklungsstörungen zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung.

Die Klägerin ist ein pharmazeutisches Unternehmen und Herstellerin des apothekenpflichtigen und verschreibungsfrei erhältlichen homöopathischen Kombinationsarzneimittels Otovowen®.

Das Anwendungsgebiet von Otovowen® ist laut der Fachinformation (Stand 08/2012) wie folgt umschrieben: "Die Anwendungsgebiete leiten sich von den homöopathischen Arzneimittelbildern ab, dazu gehört: Besserung der Beschwerden bei Mittelohrentzündung, Schnupfen." Otovowen® ist in flüssiger Tropfenform oral einzunehmen.

Je 10 ml enthält Otovowen® zehn arzneilich wirksame Bestandteile:

Aconitum napellus Dil. D6 0,075 ml Capsicum annuum Dil. D4 0,075 ml Chamomilla recutita Ø 0,225 ml Echinacea purpurea Ø 0,75 ml Hydrargyrum bicyanatum Dil. D6 0,075 ml Hydrastis canadensis Dil. D4 0,075 ml Iodum Dil. D4 0,075 ml Natrium tetraboracicum Dil. D4 0,075 ml Sambucus nigra Ø 0,225 ml Sanguinaria canadensis Ø 0,075 ml

Als nicht verschreibungspflichtiges Arzneimittel ist Otovowen® grundsätzlich nicht zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung verordnungsfähig (§ 34 Abs. 1 Satz 1 SGB V). Dieser gesetzliche Ausschluss gilt indessen nicht für versicherte Kinder bis zum vollendeten 12. Lebensjahr und versicherte Jugendliche bis zum vollendeten 18. Lebensjahr mit Entwicklungsstörungen (§ 34 Abs. 1 Satz 5 SGB V).

Nach Nr. 38 der Anlage III der Arzneimittel-Richtlinie (AM-RL) in der seit 1. April 2009 geltenden Fassung (Beschluss des Beklagten vom 18. Dezember 2008/22. Januar 2009) i.V.m. § 16 Abs. 1 bis 3 der AM-RL sind von der Verordnung zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung allerdings ausgeschlossen

"Otologika – ausgenommen Antibiotika oder Corticosteroide bei Entzündungen des äußeren Gehörganges".

In den tragenden Gründen zum Beschluss des Beklagten über die Einleitung eines Stellungnahmeverfahrens zur Neufassung der AM-RL vom 13. März 2008 heißt es dazu:

"Bei nicht verschreibungspflichtigen Arzneimitteln ist von der genannten Ausnahme abgesehen eine Verordnung auch für Kinder bis zum vollendeten 12. Lebensjahr und für Jugendliche mit Entwicklungsstörungen unwirtschaftlich. Mittel- und/oder Innenohrentzündungen sind durch externe Applikation nicht behandelbar, da sie nicht in die Paukenhöhle eindringen (z.B. Patientenleitlinie zur Mittelohrentzündung des medizinischen Netzwerkes www.evidence.de der Universität Witten/Herdecke)."

Mit Beschluss vom 19. Mai 2011 änderte der Beklagte Nr. 38 der Anlage III der AM-RL, die seitdem folgenden Wortlaut hat:

"Otologika - ausgenommen Antibiotika und Corticosteroide auch in fixer Kombination untereinander zur lokalen Anwendung bei Entzündungen des äußeren Gehörganges - ausgenommen Ciprofloxacin zur lokalen Anwendung als alleinige Therapie bei chronisch eitriger Entzündung des Mittelohrs mit Trommelfelldefekt (Trommelfellperforation)"

Der Beklagte vertritt die Auffassung, dass auch Otovowen® als oral einzunehmendes Arzneimittel und Homöopathikum ein Otologikum in diesem Sinne sei und daher auch für versicherte Kinder bis zum vollendeten 12. Lebensjahr und versicherte Jugendliche bis zum vollendeten 18. Lebensjahr mit Entwicklungsstörungen ein vollständiger Verordnungsausschluss gelte. Diese Auffassung vertreten auch die Kassenärztliche Bundesvereinigung und der GKV-Spitzenverband.

Ein von der Klägerin insoweit gegen die Kassenärztliche Bundesvereinigung geführtes Eilverfahren mit dem hiesigen Beklagten als Beigeladenem (Sozialgericht Berlin, S 71 KA 441/09 ER, Beschluss vom 17. August 2009) hatte keinen Erfolg. Darin hatte die Klägerin begehrt, es der Kassenärztlichen Bundesvereinigung zu untersagen zu behaupten, der Verordnungsausschluss für Otologika in Nr. 38 der Anlage III der AM-RL beziehe sich auch auf oral zu applizierende Arzneimittel.

Mit der am 16. April 2010 erhobenen Klage verfolgt die Klägerin das Ziel, die Verordnungsfähigkeit von Otovowen® im Hinblick auf versicherte Kinder bis zum vollendeten 12. Lebensjahr und versicherte Jugendliche bis zum vollendeten 18. Lebensjahr mit Entwicklungsstörungen zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung zu erreichen. Zur Begründung trägt sie im Wesentlichen vor:

Otovowen® falle nicht unter den Verordnungsausschluss in Nr. 38 der Anlage III der AM-RL, weil es als oral einzunehmendes Arzneimittel kein Otologikum darstelle. Belegt werde dies durch das Sachverständigengutachten des Fachapothekers für pharmazeutische Technologie Dr. Holger Reimann vom 16. Dezember 2009. Dort werde hergeleitet, dass Otologika aus fachwissenschaftlicher Sicht ausschließlich der lokalen Anwendung am Ohr dienten. Zudem werde Otovowen® seit Anfang 2013 in der ROTEN LISTE nicht mehr in der Hauptgruppe "69. Otologika", sondern in der Hauptgruppe "23. Antiphlogistika" geführt. Diese Umgruppierung diene der Arzneimittelsicherheit, denn in der Vergangenheit hätten sich Meldungen über Fehlanwendungen oral einzunehmender Arzneimittel zur Behandlung der Mittelohrentzündung gehäuft (Applikation ins Ohr statt orale Gabe). Dies belege das in der medizinischen Wissenschaft vorherrschende Begriffsverständnis des Wortes "Otologika", das alle Arzneimittel bezeichne, die im äußeren Gehörgang angewendet würden. Der Beklagte habe oral einzunehmende Arzneimittel bei Einführung des Verordnungsausschlusses für Otologika nicht im Blick gehabt, sondern sich nur auf die Unzweckmäßigkeit externer (topischer) Applikationen gestützt. Hierfür spreche auch die Formulierung der beiden Ausnahmetatbestände ("zur lokalen Anwendung"). Angesichts der medizinischen Erkenntnisse habe der Beklagte unmöglich die Absicht haben können, sämtliche Arzneimittel der Ohrenheilkunde von der Verordnung auszuschließen.

Sofern der Beklagte aber tatsächlich auch oral einzunehmende Arzneimittel wie Otovowen® aus dem Leistungskatalog habe ausschließen wollen – wofür nichts ersichtlich sei –, sei dies rechtswidrig. Insoweit sei schon gar kein Stellungnahmeverfahren durchgeführt worden. Die Auffassung des Beklagten zu einer nicht bestehenden Begründungspflicht bei Einführung eines Verordnungsausschlusses verstoße gegen § 7 Abs. 1 der Transparenz-Richtlinie. Die konkrete Begründung des Verordnungsausschlusses für Otologika in den Tragenden Gründen zum Beschluss des Beklagten über die Einleitung eines Stellungnahmeverfahrens vom 13. März 2008 beziehe sich ausschließlich auf extern zu applizierende Otologika und sei damit in Bezug auf Otovowen® defizitär; der Wortlaut einer Gesetzesbegründung sei aber maßgeblich für das Verständnis vom Norminhalt.

Wirksamkeit und Wirtschaftlichkeit von Otovowen® seien hinreichend belegt, so dass ein Verordnungsausschluss rechtswidrig sei. Die zehn arzneilich wirksamen Bestandteile von Otovowen® seien vom Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) sämtlich positiv monographiert. Die therapeutische Wirksamkeit sei durch die Arzneimittelzulassung erwiesen. Eine Studie (Wustrow et al. 2004) zeige, dass die alternative Behandlung mit Otovowen® bei der unkompliziert verlaufenden Otitis media zu einem geringeren Antibiotika- und Schmerzmittelverbrauch im Vergleich zur konventionell behandelten Gruppe führe und die Therapie mit Otovowen® besser vertragen werde. Die DEGAM-Leitlinie Nr. 7 "Ohrenschmerzen" bezeichne die homöopathische Behandlung allgemein als "den etablierten medikamentös interventionellen Ansätzen ebenbürtig". Der "Praxisleitfaden Allgemeinmedizin" (Hrg. Gesenhues/Ziesché) schließlich empfehle Otovowen® bei Mittelohrerkrankungen. Insgesamt bestehe Einmütigkeit über die Zweckmäßigkeit einer zunächst abwartenden Behandlung mit einem Homöopathikum wie Otovowen®.

Schließlich hätte der Beklagte bei seiner Entscheidung auch die Besonderheiten der Homöopathie berücksichtigen müssen. Zu Unrecht beziehe der Beklagte sich auf eine grundsätzliche Unzweckmäßigkeit von Präparaten mit Wirkstoffkombinationen (§ 16 Abs. 2 Nr. 5 AM-RL). Die Kombination mehrerer homöopathischer Wirkstoffe werde dem Syndrom der Otitis media besonders gut gerecht.

Die Klägerin beantragt,

festzustellen, dass das Arzneimittel Otovowen® nicht vom Verordnungs- bzw. Erstattungsausschluss in Nr. 38 der Anlage III der AM-RL in den seit 1. April 2009 geltenden Fassungen betroffen ist,

hilfsweise festzustellen, dass Nr. 38 der Anlage III der AM-RL in den seit 1. April 2009 geltenden Fassungen rechtswidrig und damit nichtig ist,

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die von der Klägerin vorgenommene einschränkende Auslegung des Begriffs der Otologika sei nicht tragfähig. Otologie sei nach sprachlicher Auslegung die Lehre vom Ohr und seinen Erkrankungen. Dementsprechend dienten Otologika ganz allgemein der Behandlung von Ohrenleiden. So betone auch die Gebrauchsinformation für Otovowen®, dass es sich um ein "homöopathisches Arzneimittel bei Mittelohrentzündung" handele. Hätten nur bestimmte Darreichungsformen für den Verordnungsausschluss erfasst werden sollen, so wäre dies – wie auch andernorts in der AM-RL – beispielsweise durch die Formulierung "Otologika, topisch" erfolgt. Hiervon habe man aber abgesehen. Nicht entgegen gehalten werden dürfe dem Beklagten, in den Tragenden Gründen des Beschlusses über die Einleitung des Stellungnahmeverfahrens zur Neufassung der AM-RL vom 13. März 2008 keinen Bezug auf systemisch wirkende Pharmakotherapien genommen zu haben. Die Schlussfolgerung, dass der Beklagte nur lokal bzw. topisch wirkende Arzneimittel in den Verordnungsausschluss habe aufnehmen wollen, verbiete sich; das Gegenteil sei der Fall. Ohnehin unterliege das Wirken des Beklagten als Normgeber keiner Begründungspflicht.

Die Umgruppierung des Eintrags von Otovowen® in der ROTEN LISTE könne nichts an dessen Eigenschaft als Otologikum ändern. Die ROTE LISTE entfalte keine normative Bindung und sei grundsätzlich nicht geeignet zur Auslegung von Bestimmungen der AM-RL. Sie solle nur zur Überschaubarkeit des Arzneimittelangebots beitragen. Ausdrücklich weise die ROTE LISTE in ihrem § 3 darauf hin, dass verwendete Begrifflichkeiten nicht den Stellenwert eines arzneimittelrechtlichen Indikationsanspruchs hätten. Von der gewählten Kategorisierung könne nicht auf Zweckmäßigkeit oder Wirtschaftlichkeit geschlossen werden. Im Gegensatz dazu stelle die auch in der ROTEN LISTE aufgeführte ATC-Klassifikation (anatomisch-therapeutische-chemische Klassifikation, § 73 Abs. 8 Satz 4 und 5 SGB V) eine zu beachtende Grundlage für die Beurteilung der Wirtschaftlichkeit eines Arzneimittels dar. Die aktuell gültige ATC-Klassifikation von Otovowen® laute S02DH20 und verweise in der derzeit gültigen amtlichen Fassung des ATC-Index mit DDD-Angaben für Deutschland im Jahre 2014 auf Otologika und hier auf homöopathische und anthroposophische Otologika in "Kombinationen". Weil die ATC-Klassifikation Wirkstoffe in verschiedene Gruppen nach dem Organ oder Organsystem, auf das sie einwirkten, einteile, sei es statthaft, Otovowen® als Otologikum im Sinne von Nr. 38 der Anlage III der AM-RL anzusehen.

Das Gutachten von Dr. R ändere daran nichts. Er setze die Begrifflichkeiten Otologika und Auricularia unstatthafter Weise gleich; nur letztere seien ausschließlich zur äußerlichen Anwendung am Ohr bestimmt. Das Stellungnahmeverfahren sei ordnungsgemäß durchgeführt worden. Wenn die Klägerin von einer Stellungnahme abgesehen habe, so müsse dies auf einer Fehlannahme beruht haben. Schon angesichts der eindeutigen ATC-Klassifizierung hätte die Klägerin die Gelegenheit nutzen können, sich im Stellungnahmeverfahren zu äußern.

Dem Verordnungsausschluss für Otologika liege eine Analyse maßgeblicher Leitlinien zugrunde (DEGAM-Leitlinie Nr. 7, Ohrenschmerzen; Therapieempfehlungen der Arzneimittelkommission der Deutschen Ärzteschaft; Patientenleitlinie der Universität Witten/Herdecke). Diesen Leitlinien liege durchweg die Annahme zugrunde, dass es sich bei der Otitis media um eine überwiegend unkompliziert verlaufende und selbstlimitierende Erkrankung handele, bei der pharmakotherapeutische Maßnahmen erst einzuleiten seien, wenn im Heilungsprozess Komplikationen aufträten. Für diesen Fall werde einmütig eine kausale Therapie unter Einsatz von Antibiotika empfohlen, verbunden mit einer symptomatischen Schmerztherapie. Der Einsatz von Otologika werde durchweg nicht empfohlen. Daher seien diese generell nicht als Therapiestandard anzusehen. Der therapeutische Nutzen sei damit nicht erwiesen; im Gegenteil sei sogar die Unzweckmäßigkeit von Otovowen® erwiesen, denn es sei kein als Standardtherapeutikum anerkanntes Arzneimittel. Bedenken gegen die Zweckmäßigkeit von Otovowen® bestünden auch im Lichte von § 16 Abs. 2 Nr. 5 der AM-RL, wonach fixe Wirkstoffkombinationen als unzweckmäßig anzusehen seien, wenn das angestrebte Behandlungsziel mit therapeutisch gleichwertigen Monopräparaten medizinisch zweckmäßiger und/oder kostengünstiger zu erreichen sei; dieser Gedanke sei nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts auch auf homöopathische Präparate anwendbar (Hinweis auf B 6 KA 29/10 R, "Monapax"). Klinische Studien für eine Zweckmäßigkeit der Wirkstoffkombination bei Otovowen® lägen nicht vor.

Daraus, dass es sich bei Otovowen® um ein homöopathisches Arzneimittel handele, ergebe sich nichts anderes. Etwa die DEGAM-Leitlinie befasse sich ausdrücklich mit dem Einsatz von Homöopathika. Sofern dort – worauf auch die Klägerin sich berufe – eine homöopathische Behandlung als mit etablierten Ansätzen "ebenbürtig" bezeichnet werde, zeige eine Einzelanalyse der in der DEGAM-Leitlinie zitierten Fundstellen, dass durchweg homöopathische Einzelmittel untersucht worden seien, nicht aber ein homöopathisches Komplexarzneimittel wie Otovowen®. Die Anwendungsbedingungen für homöopathische Einzelarzneimittel unterschieden sich aber erheblich von denen homöopathischer Komplexarzneimittel. Überdies wiesen die in der DEGAM-Leitlinie zitierten Studien deutliche methodische Limitationen auf. Dasselbe gelte für die von der Klägerin angeführte Studie von Wustrow et al. (2004), denn diese Studie sei weder randomisiert noch verblindet durchgeführt worden, so dass sie nicht dafür geeignet sei, eine belastbare Aussage zum therapeutischen Nutzen von Otovowen® zu treffen.

Gegen § 92 Abs. 2 Satz 2 SGB V werde mit dieser Beurteilung nicht verstoßen, denn der Verordnungsausschluss wegen Unzweckmäßigkeit widerspreche nicht den Aussagen der Zulassungsbehörde über Qualität, Wirksamkeit und Unbedenklichkeit des Arzneimittels. Überprüft und als maßgeblich angesehen worden sei lediglich der therapeutische Stellenwert von Otovowen® im Verhältnis zur Standardtherapie in der Behandlung der Otitis media. Dieser Bewertungsansatz gehe über die in der Arzneimittelzulassung zu prüfenden Aspekte hinaus.

Wegen des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird im Übrigen auf den Inhalt der Gerichtsakte und der vom Beklagten erstellten Normsetzungsdokumentation Bezug genommen, der, soweit wesentlich, Gegenstand der Erörterung in der mündlichen Verhandlung und der Entscheidungsfindung war.

Entscheidungsgründe:

Die Klage hat weder mit dem Hauptantrag noch mit dem Hilfsantrag Erfolg.

A. Für die Klage ist das Landessozialgericht Berlin-Brandenburg erstinstanzlich zuständig, § 29 Abs. 4 Nr. 3 Sozialgerichtsgesetz (SGG), denn die Klägerin wendet sich gegen eine Entscheidung des Gemeinsamen Bundesausschusses in Bezug auf einen Verordnungsausschluss in Anlage III der Arzneimittel-Richtlinie.

Der Senat behandelt die Streitsache als eine Angelegenheit des Vertragsarztrechts im Sinne der §§ 10 Abs. 2 Nr. 1, 31 Abs. 2 SGG (siehe auch Abschnitt B II 1 a [2] des "zusammenfassenden Standpunktes des 1., 3. und 6. Senats des Bundessozialgerichts zu § 10 Abs. 2 SGG").

B. Der Hauptantrag, mit dem die Feststellung begehrt wird, dass das Arzneimittel Otovowen® nicht vom Verordnungsausschluss für Otologika in Nr. 38 der Anlage III der AM-RL in den seit 1. April 2009 geltenden Fassungen betroffen ist, ist zulässig.

Die Beteiligten streiten insoweit um das "Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses". Aufgrund der Notwendigkeit der Gewährung effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 Grundgesetz [GG], vgl. Bundessozialgericht, Urteil vom 14. Dezember 2011, B 6 KA 29/10 R, zitiert nach juris, dort Rdnr. 19-24 [Monapax]) kann mit einer fachgerichtlichen Feststellungsklage nach §§ 29 Abs. 4 Nr. 3, 55 Abs. 1 Nr. 1 SGG nicht nur die Unwirksamkeit einer untergesetzlichen Rechtsnorm, sondern auch deren fehlerhafte Auslegung oder Anwendung geltend gemacht werden. Hieran gemessen hat der Hauptantrag statthaften Inhalt, denn er zielt auf die Auslegung von Nr. 38 der Anlage III der AM-RL mit dem Ziel der Feststellung, dass das Arzneimittel der Klägerin nicht vom Verordnungsausschluss erfasst sei.

Die Klägerin auch ist klagebefugt, § 54 Abs. 2 SGG, und verfügt über ein berechtigtes Interesse an der Feststellung, § 55 Abs. 1, 2. Halbs. SGG, denn es ist nicht schlechthin ausgeschlossen, dass der Beklagte einen Verordnungsausschluss für Otovowen® zu Unrecht behauptet; jedenfalls berührt ein Verordnungsausschluss die Klägerin als Herstellerin des fraglichen Arzneimittels in ihrem Grundrecht auf freie Berufsausübung aus Art. 12 Abs. 1 GG (vgl. Beck in jurisPK SGB V, Rdnr. 41 zu § 34).

C. Der Hauptantrag ist jedoch unbegründet. Zur Überzeugung des Senats ist das Arzneimittel Otovowen® als Otologikum vom Verordnungsausschluss in Nr. 38 der Anlage III der AM-RL in den seit 1. April 2009 geltenden Fassungen umfasst. Dies ergibt sich schon aus Rechtsgründen aufgrund der ATC-Klassifikation von Otovowen® (unten I.), ferner auch im Ergebnis einer am Wortlaut (unten II.) und an der Systematik der AM-RL (unten III.) orientierten Auslegung. Ob der Beklagte bei Einführung des Verordnungsausschlusses für Otologika gegebenenfalls nur topisch zu verabreichende Arzneimittel im Blick hatte, ist vor diesem Hintergrund im Rahmen der Auslegung nicht von maßgeblichem Gewicht (unten IV.). Unerheblich ist in diesem Zusammenhang auch die Eingruppierung von Otovowen® in der Roten Liste (unten V.).

I. Entscheidende rechtliche Bindungswirkung besitzt insoweit schon die "ATC-Klassifikation" von Otovowen®. Sie lautet "S02DH20". Die Hauptgruppe "S" steht dabei für Sinnesorgane, die Untergruppe "S02" für Otologika allgemein, "S02DH" für homöopathische und anthroposophische Otologika, und "S02DH20" schließlich weist das Arzneimittel der Gruppe der "homöopathischen und anthroposophischen Otologika" in "Kombinationen" zu.

Die ATC-Klassifikation stellt eine amtliche Klassifikation für pharmakologische Wirkstoffe dar: Wirkstoffe werden nach dem Organ oder Organsystem, auf das sie einwirken, und nach ihren chemischen, pharmakologischen und therapeutischen Eigenschaften in verschiedene Gruppen eingeteilt. Den Wirkstoffen ist eine definierte Tagesdosis (DDD) zugeordnet. Diese DDD ist die angenommene mittlere tägliche Erhaltungsdosis für die Hauptindikation eines Wirkstoffes bei Erwachsenen. Das ATC/DDD-System gewährleistet für die Präparate einen einheitlichen Bezug zur Angabe von Tagestherapiekosten und erleichtert Vergleiche zwischen Arzneimitteln (vgl. http://www.dimdi.de/static/de/amg/atcddd/index.htm).

Ihre rechtliche Grundlage findet die ATC-Klassifikation in § 73 Abs. 8 SGB V. Danach haben die Kassenärztlichen Vereinigungen und die Kassenärztlichen Bundesvereinigungen sowie die Krankenkassen und ihre Verbände die Vertragsärzte zur Sicherung der wirtschaftlichen Verordnungsweise (auch) vergleichend über preisgünstige verordnungsfähige Leistungen und Bezugsquellen, einschließlich der jeweiligen Preise und Entgelte zu informieren sowie nach dem allgemeinen anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse Hinweise zu Indikation und therapeutischen Nutzen zu geben (Satz 1). Die Kosten der Arzneimittel je Tagesdosis sind nach den Angaben der anatomisch-therapeutisch-chemischen Klassifikation anzugeben (Satz 4). Es gilt insoweit verbindlich die vom Deutschen Institut für medizinische Dokumentation und Information (DIMDI) im Auftrage des Bundesministeriums für Gesundheit herausgegebene Klassifikation in der jeweils gültigen Fassung (Satz 5). Die Übersicht ist für einen Stichtag zu erstellen und in geeigneten Zeitabständen, im Regelfall jährlich, zu aktualisieren (Satz 6).

Das DIMDI gibt auf dieser Grundlage seit 2004 die amtliche Fassung der Anatomisch-Therapeutisch-Chemischen (ATC) Klassifikation mit definierten Tagesdosen (DDD) heraus (abrufbar unter www.dimdi.de). Sie wird jährlich aktualisiert und tritt jeweils zum 1. Januar in Kraft. Die Klassifikation besitzt aufgrund der Regelungen in § 73 Abs. 8 SGB V rechtliche Verbindlichkeit (vgl. Bundessozialgericht, Urteil vom 1. März 2011, B 1 KR 7/10 R, zitiert nach juris, dort Rdnr. 38 [Atorvastatin]).

II. Unabhängig davon lässt auch eine wortlautorientierte Auslegung den Senat Otovowen® als Otologikum im Sinne des Verordnungsausschlusses in Nr. 38 der Anlage III der AM-RL begreifen.

Der Wortlaut des Verordnungsausschlusses mit der Begrifflichkeit "Otologika" (Plural des Begriffs "Otologikum") ist eindeutig: Ein Otologikum ist ein Arzneimittel zur Behandlung von Ohrenleiden, vgl. etwa http://fremdworterbuchbung.deacademic.com/56100/Otologikum; http://www.enzyklo.de/Begriff/Otologikum; http://naturheilkundelexikon.de/Otologikum-953476,l-en.html. Sprachlich eng verwandt ist der Begriff des Otologikums mit dem der Otologie (Lehre von den Ohrenkrankheiten) und dem des Otologen (Ohrenarzt, vgl. https://woerterbuch.langenscheidt.de/ssc/search/free.html). Der Begriff des Otologikums bezeichnet also einen krankheitsbezogenen Anwendungsbereich, vergleichbar etwa mit dem des Ophthalmikums (Mittel gegen Erkrankungen der Augen) oder des Urologikums (Mittel gegen Erkrankungen der Harnwege). Nicht hingegen bezeichnet der Begriff des Otologikums eine typische Weise der Verabreichung (Applikation). So sind auch in der ROTEN LISTE unter der Hauptgruppe 69 der Otologika ganz verschieden zu applizierende Arzneimittel aufgeführt, nämlich etwa in den äußeren Gehörgang zu applizierende Tropfen oder oral einzunehmende Tabletten.

Nicht hingegen ist der Begriff des Otologikums gleichzusetzen mit dem des Auriculariums. Die Wurzel dieses Begriffs ist der lateinische Ausdruck auricula (Ohr¬muschel), nicht etwa nur auris (Ohr). "Auricularium" bedeutet "Zubereitung zur Anwendung am Ohr" (vgl. http://www.pharmawiki.ch/wiki/index.php?wiki= Zubereitungen zur Anwendung am Ohr). So wird "Auricularium" auch im Europäischen Arzneibuch (Teil des Arzneibuchs nach § 55 Arzneimittelgesetz) definiert. Der Begriff des Auriculariums ist damit anwendungsbezogen und systematisch vergleichbar etwa mit dem des Oculariums (Zubereitung zur Anwendung am Auge) oder des Rectaliums (Zubereitung zur rektalen Anwendung).

Die Ausführungen des von der Klägerin angeführten Fachapothekers Dr. R, der "Otologikum" und "Auricularium" vollständig synonym behandelt, können den Senat daher nicht überzeugen.

Insgesamt dürften Auricularia eine sehr große Teilmenge der Otologika ausmachen; jedes Auricularium ist ein Otologikum, aber nicht jedes Otologikum ist zugleich ein Auricularium. So definiert auch das von Dr. R angeführte Pharmazeutische Wörterbuch (Hunnius, 9. Aufl.) Otologika primär als "Ohrenheilmittel" und führt weiter an: "vgl. Auricularia". "Vgl." bedeutet nicht Begriffs¬identität, sondern einen Hinweis auf einen sachverwandten Begriff. "Auricularia" ihrerseits sind nach demselben Pharmazeutischen Wörterbuch "Zubereitungen zur Anwendung im Ohr".

Die Fachinformation von Otovowen® (Stand: 08/2012) führt als Anwendungsgebiet ausdrücklich an, dass Otovowen® der "Besserung der Beschwerden bei Mittelohrentzündung" diene. Ohne Zweifel ist Otovowen® damit ein Arzneimittel zur Behandlung von Ohrenleiden, mithin ein Otologikum.

III. Eine systematische Auslegung der AM-RL untermauert dieses Ergebnis: Alles spricht dafür, dass der Begriff der Otologika in Nr. 38 der Anlage III der AM-RL in einem von der Art der Applikation unabhängigen Sinne zu verstehen ist. Ein systematisches Verständnis der Anlage III der AM-RL zeigt nämlich, dass der Beklagte dort, wo er den Verordnungsausschluss für Arzneimittel auf bestimmte Applikationsformen beschränken wollte, dies auch ausdrücklich getan hat, so z.B. in Nr. 11 "Antidiabetika, orale", Nr. 14 "Antihistaminika, zur Anwendung auf der Haut", Nr. 16 "Antihypotonika, orale" und Nr. 40 "Rheumamittel (Analgetika/ Antiphlogistika/ Antirheumatika) zur externen Anwendung". Mit anderen Worten: Eine systematische Auslegung der Anlage III der AM-RL zeigt, dass der Verordnungsausschluss für Otologika Ohrenheilmittel aller Applikationsformen - und damit auch Otovowen® - umfasst, weil er nicht ausdrücklich auf bestimmte Applikationsformen beschränkt ist. Nichts anderes ergibt sich aus der Formulierung der beiden Ausnahmen vom Verordnungsausschluss in Nr. 38 der AM-RL (Antibiotika, Corticosteroide und Ciprofloxacin "zur lokalen Anwendung"); der dort gewählte Wortlaut zeigt gerade die Genauigkeit des Normgebers und lässt keinen Rückschluss darauf zu, dass er etwa unter den grundsätzlich von der Verordnungsfähigkeit ausgeschlossenen Otologika nur lokal zu applizierende verstehen wollte.

IV. Otovowen® ist danach aus rechtlich zwingenden Gründen sowie im Ergebnis einer am Wortlaut und an der Systematik von Nr. 38 der Anlage III der AM-RL orientierten Auslegung als Otologikum zu begreifen. Vor diesem Hintergrund ist es unerheblich, ob der Beklagte als Normgeber bei Einführung des Verordnungsausschlusses gegebenenfalls nur topisch zu verabreichende Otologika vor Augen hatte. Hierauf deuten die Formulierungen in den tragenden Gründen zum Beschluss des Beklagten über die Einleitung eines Stellungnahmeverfahrens zur Neufassung der AM-RL vom 13. März 2008, die ausschließlich die Nachteile extern zu applizierender Otologika erläutern. Dies kann jedoch auf sich beruhen, weil die ATC-Klassifikation von Otovowen® für den Senat rechtlich bindend ist und weil das eindeutige Ergebnis einer an Wortlaut und Systematik orientierten Auslegung des Begriffs "Otologika" nicht durch einen Rückgriff auf den (vermeintlichen) Willen des Gesetzgebers "gekippt" werden kann. Der (hier: eindeutig zu bestimmende) Wortsinn des Begriffs "Otologika" bildet die Grenze der Auslegung (vgl. Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 6. Aufl. 1991, S. 324; Zippelius, juristische Methodenlehre, 11. Aufl. 2012, S. 50). Hinzu kommt: Sofern die am Wortlaut und an der Systematik der Norm orientierte Auslegung – wie hier – zu einem eindeutigen Ergebnis führt, verbietet es sich, den mutmaßlichen Willen des Gesetzgebers als bindende Richtschnur für die Auslegung heranzuziehen, "weil die Normvorstellungen der Gesetzesverfasser regelmäßig hinter den Anwendungsmöglichkeiten der Norm zurückbleiben" (Larenz, a.a.O., S. 329; s.a. BVerfG Plenum, Beschluss vom 11. Juni 1980, 1 PBvU 1/79, zitiert nach juris, dort Rdnr. 60). Ob die zur Überzeugung des Senats gegebene Einbeziehung von Otovowen® in den Verordnungsausschluss für Otologika nach Nr. 38 der Anlage III der AM-RL rechtlich beanstandungsfrei ist, ist im Rahmen des Hilfsantrages der Klägerin zu beurteilen (unten D.).

V. Unabhängig von der rechtlichen Verbindlichkeit der ROTEN LISTE ist es unerheblich, dass Otovowen® dort jüngst umgruppiert wurde und nunmehr in der Hauptgruppe 23 "Antiphlogistika" aufgeführt ist. Denn diese Bezeichnung ändert nichts an der Tatsache, dass Otovowen® zugleich ein Otologikum darstellt. Mit Antiphlogistikum ist nämlich nur die Wirkrichtung eines Arzneimittels be¬schrie¬ben, in diesem Falle "entzündungshemmend" (vgl. http://flexikon.doccheck.com/de/Antiphlogistikum;http://de.wikipedia.org/wiki/Antiphlogistikum). Systematisch vergleichbar ist der Begriff des Antiphlogistikums damit etwa mit dem des Analgetikums (Schmerzmittel) oder des Antiallergikums (Allergiemittel).

D. Ohne Erfolg bleibt die Klage auch mit dem Hilfsantrag festzustellen, dass Nr. 38 der Anlage III der AM-RL in den seit 1. April 2009 geltenden Fassungen rechtswidrig und damit nichtig ist.

An der Zulässigkeit des Hilfsantrages bestehen, gemessen an den oben unter B. aufgeführten Kriterien, keine Bedenken.

Der Hilfsantrag ist jedoch unbegründet. Zur Überzeugung des Senats bestehen keine durchgreifenden Anhaltspunkte für eine Rechtswidrigkeit bzw. Nichtigkeit von Nr. 38 der Anlage III der AM-RL in den seit dem 1. April 2009 geltenden Fassungen. Insbesondere ist rechtlich nicht zu beanstanden, dass der Verordnungsausschluss auch Otovowen® umfasst.

I. Rechtsgrundlage für den seit dem 1. April 2009 geltenden Verordnungsausschluss für Otologika durch Nr. 38 der Anlage III der AM-RL ist § 92 Abs. 1 Satz 1, Halbs. 1 und 3 Sozialgesetzbuch/Fünftes Buch (SGB V) in der bis zum 31. Dezember 2010 geltenden Fassung, der lautete:

(1) Der Gemeinsame Bundesausschuss beschließt die zur Sicherung der ärztlichen Versorgung erforderlichen Richtlinien über die Gewährung für eine ausreichende, zweckmäßige und wirtschaftliche Versorgung der Versicherten; ( ) er kann dabei die Erbringung und Verordnung von Leistungen einschließlich Arzneimitteln oder Maßnahmen einschränken oder ausschließen, wenn nach allgemein anerkanntem Stand der medizinischen Erkenntnisse der diagnostische oder therapeutische Nutzen, die medizinische Notwendigkeit oder die Wirtschaftlichkeit nicht nachgewiesen sind sowie wenn insbesondere ein Arzneimittel unzweckmäßig oder eine andere, wirtschaftlichere Behandlungsmöglichkeit mit vergleichbarem diagnostischen oder therapeutischen Nutzen verfügbar ist.

Es bedarf keiner weiteren Begründung, dass der Verordnungsausschluss in Nr. 38 der Anlage III der AM-RL in der seit 1. April 2009 geltenden Fassung (Beschluss des Beklagten vom 18. Dezember 2008/22. Januar 2009, "Otologika – ausgenommen Antibiotika oder Corticosteroide bei Entzündungen des äußeren Gehörganges") sich an dieser Fassung des Gesetzes messen lassen muss (vgl. hierzu und zum Folgenden das rechtskräftige Urteil des Senats vom 15. Mai 2013, L 7 KA 113/10 KL [Otobacid®], zitiert nach juris, dort Rdnr. 34 bis 50).

II. Ohne maßgebliche Auswirkungen bleiben insoweit die Änderungen, die § 92 Abs. 1 SGB V durch das Arzneimittelmarktneuordnungsgesetz (AMNOG) vom 22. Dezember 2010 (BGBl. I S. 2262) mit Wirkung vom 1. Januar 2011 erfahren hat.

1. § 92 Abs. 1 Satz 1, Halbs. 1 und 4 SGB V lautet nunmehr:

(1) Der Gemeinsame Bundesausschuss beschließt die zur Sicherung der ärztlichen Versorgung erforderlichen Richtlinien über die Gewährung für eine ausreichende, zweckmäßige und wirtschaftliche Versorgung der Versicherten; ( ) er kann die Verordnung von Arzneimitteln einschränken oder ausschließen, wenn die Unzweckmäßigkeit erwiesen oder eine andere, wirtschaftlichere Behandlungsmöglichkeit mit vergleichbarem diagnostischen oder therapeutischen Nutzen verfügbar ist.

Der vom AMNOG gewählte Wortlaut § 92 Abs. 1 SGB V knüpft einen Verordnungsausschluss für Arzneimittel damit an teilweise strengere Voraussetzungen. Während der Verordnungsausschluss nach beiden Fassungen des Gesetzes erfolgen darf, "wenn eine andere, wirtschaftlichere Behandlungsmöglichkeit mit vergleichbarem diagnostischen oder therapeutischen Nutzen verfügbar ist", ist der Aspekt der Unzweckmäßigkeit des Arzneimittels unterschiedlich geregelt. Nach § 92 Abs. 1 Satz 1, Halbs. 3 SGB V a.F. durfte ein Verordnungsausschluss auch erfolgen, "wenn insbesondere ein Arzneimittel unzweckmäßig ( ) ist". Der vom AMNOG gewählte Wortlaut erfordert dagegen, dass "die Unzweckmäßigkeit erwiesen ( ) ist". Hierin liegt ein Unterschied und eine Verschärfung zu Lasten des Beklagten. Bei Verordnungsausschlüssen auf der Grundlage des § 92 Abs. 1 SGB V n.F. kehrt sich die Beweislast nämlich um: Nicht schon der mangelnde Nachweis der Notwendigkeit und Wirtschaftlichkeit, sondern erst der Beweis der Unzweckmäßigkeit oder Unwirtschaftlichkeit durch den Beklagten erlauben es ihm, neue Ausschlüsse von Arzneimittelverordnungen zu regeln (vgl. Hauck, GesR 2011, S. 70 f.).

Die Umformulierung beruht auf einer Beschlussempfehlung des Ausschusses für Gesundheit (BT-Drs. 17/3698, S. 19) auf der Grundlage folgender Erwägungen (a.a.O., S. 52):

Der Gemeinsame Bundesausschuss kann die Verordnungsfähigkeit von Arzneimitteln nur dann ausschließen, wenn deren Unzweckmäßigkeit erwiesen ist, oder wenn es wirtschaftlichere Behandlungsmöglichkeiten gibt. Ein Verordnungsausschluss wegen fehlenden Nutzennachweises ist ausgeschlossen, weil bei Arzneimitteln – im Unterschied zu anderen medizinischen Methoden oder Produkten – die Qualität, Wirksamkeit und Unbedenklichkeit bereits bei der arzneimittelrechtlichen Zulassung von den zuständigen Zulassungsbehörden geprüft werden. Diese Kriterien darf der Gemeinsame Bundesausschuss unter dem Aspekt des medizinischen Nutzens eines Arzneimittels nicht abweichend von der Beurteilung der Zulassungsbehörde bewerten. Im Unterschied zu anderen medizinischen Methoden oder Produkten stellt bei Arzneimitteln die arzneimittelrechtliche Zulassung sicher, dass Arzneimittel grundsätzlich für die Behandlung der zugelassenen Indikationen geeignet sind. Der Gemeinsame Bundesausschuss kann darüber hinaus den Zusatznutzen gegenüber Therapiealternativen bewerten. Dieser Aspekt wird bei der arzneimittelrechtlichen Zulassung nicht geprüft. Lässt sich nicht nachweisen, dass ein Arzneimittel einen Zu- satznutzen hat, es jedoch höhere Kosten verursacht, kann der Gemeinsame Bundesausschuss die Verordnungsfähigkeit einschränken oder ausschließen. Das gilt auch, wenn der Gemeinsame Bundesausschuss nachweisen kann, dass ein Arzneimittel unzweckmäßig ist. Der Nachweis der Unzweckmäßigkeit muss dabei mit hoher Sicherheit erbracht sein. Für den Nachweis gelten die in § 35 Absatz 1b Satz 4 und 5 genannten Anforderungen entsprechend. Bei unsicherer Datenlage ist ein Verordnungsausschluss nicht verhältnismäßig. In diesem Fall kann der Gemeinsame Bundesausschuss einen Therapiehinweis nach Absatz 2 beschließen. (Unterstreichung hier)

In diesem Zusammenhang ist dem Beklagten das Recht eingeräumt, den Beweis der Unzweckmäßigkeit oder der Unwirtschaftlichkeit eines Arzneimittels zu führen, indem er dem Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) Aufträge zur Bewertung des Nutzens und der Kosten des Arzneimittels nach § 139b SGB V erteilt. Nach § 92 Abs. 2 Satz 10 SGB V n.F. beschließt der Beklagte Verordnungseinschränkungen und -ausschlüsse für Arzneimittel gesondert in Richtlinien außerhalb von Therapiehinweisen; zwischen Verordnungseinschränkungen und -ausschlüssen einerseits und Therapiehinweisen andererseits ist also streng zu unterscheiden. Zudem darf der Beklagte nach § 92 Abs. 2 Satz 11 SGB V n.F. Verordnungseinschränkungen und -aus¬schlüs¬se nur vornehmen, wenn die Wirtschaftlichkeit nicht durch einen Festbetrag nach § 35 SGB V oder durch die Vereinbarung eines Erstattungsbetrages nach § 130b SGB V hergestellt werden kann. § 92 Abs. 2 Satz 12 SGB V n.F. schließlich regelt ausdrücklich, dass Verordnungseinschränkungen oder -ausschlüsse eines Arzneimittels wegen Unzweckmäßigkeit nach § 92 Abs. 1 Satz 1 den Feststellungen der Zulassungsbehörde über Qualität, Wirksamkeit und Unbedenklichkeit eines Arzneimittels nicht widersprechen dürfen.

2. Bei alledem gilt allerdings grundsätzlich, dass bislang auf Grundlage des § 92 Abs. 1 SGB V a.F. geregelte rechtmäßige Verordnungsausschlüsse von Arzneimitteln durch den Beklagten auch nach Inkrafttreten des AMNOG bestehen bleiben (vgl. Hauck, a.a.O., S. 70). Die Änderung oder der Wegfall der Ermächtigungsgrundlage einer untergesetzlichen Norm berührten nämlich nicht per se deren Rechtswirksamkeit (vgl. Bundessozialgericht, Urteil vom 1. März 2011, B 1 KR 10/10 R, zitiert nach juris, dort Rdnr. 58 [Sortis], unter Hinweis auf die Rechtsprechung des Bundesverwaltungs- und des Bundesverfassungsgerichts); so werden auch die Detailregelungen der Arzneimittel-Richtlinien nicht durch jede Korrektur des Gesetzgebers am Wortlaut der Ermächtigungsnorm gegen¬standslos. Dies widerspräche dem Grundsatz der Normenkontinuität. Damit bleibt es auch nach Inkrafttreten des AMNOG zum 1. Januar 2011 dabei, dass als Rechtsgrundlage für Nr. 38 der Anlage III der AM-RL weiter § 92 Abs. 1 SGB V in der bis zum 31. Dezember 2010 geltenden Fassung zugrunde zu legen ist, zumal am grundsätzlich bestehenden Verordnungsausschluss für Otologika nach Inkrafttreten des AMNOG keine Änderung eingetreten ist.

III. Hieran ändert sich auch dadurch nichts, dass der Beklagte unter Geltung des AMNOG mit Beschluss vom 19. Mai 2011 Nr. 38 der Anlage III der AM-RL dahin gehend modifiziert hat, dass er – bei fortbestehendem Verordnungsausschluss für Otologika – die Ausnahmebestimmung erweitert hat, indem nunmehr (neben dem neu hinzu getretenen Ciproflaxin) "Antibiotika und Corticosteroide auch in fixer Kombination untereinander zur lokalen Anwendung bei Entzündungen des äußeren Gehörganges" verordnungsfähig sein sollen (Unterstreichung hier).

Aus Sicht der Versicherten führt diese Umformulierung zu einer Abmilderung des Verordnungsausschlusses, weil als Otologika nunmehr ausnahmsweise und anders als zuvor auch aus Antibiotika und Corticosteroiden bestehende Kombipräparate verordnungsfähig sind; Grund für diese Erweiterung der Ausnahmebestimmung waren die evidenzgestützte Einsicht, dass Patienten von einer solchen fixen Kombination profitieren können sowie die Tatsache, dass keine Otologika verfügbar waren, die ausschließlich ein Corticosteroid zur Behandlung von Entzündungen des äußeren Gehörganges enthielten (Tragende Gründe zum Beschluss vom 10. August 2010, Seite 3). Damit hat der Beklagte den unter Geltung von § 92 Abs. 1 SGB V in der bis zum 31. Dezember 2010 geltenden Fassung eingeführten Verordnungsausschluss für Otologika lediglich abgemildert.

Aus diesem Grund muss sich der Verordnungsausschluss an sich aber nun nicht etwa an § 92 SGB V in der Fassung des AMNOG messen lassen. Dies wäre nur der Fall, wenn der Beklagte den Verordnungsausschluss nach Inkrafttreten des AMNOG verschärft hätte, indem die Ausnahmebestimmung – anders als hier – enger formuliert worden wäre. Dass die Einführung neuer Verordnungsausschlüsse nach dem 1. Januar 2011 den Regelungen des AMNOG standhalten muss, versteht sich dagegen von selbst; ein solcher Fall liegt hier aber nicht vor.

IV. Nr. 38 der Anlage III der AM-RL in den beiden seit dem 1. April 2009 geltenden Fassungen ist mit § 92 Abs. 1 Satz 1, Halbs. 1 und 3 a.F. vereinbar. Die gesetzlichen Voraussetzungen für einen Verordnungsausschluss liegen vor; dass der Verordnungsausschluss auch Otovowen® umfasst, ist rechtlich nicht zu beanstanden. Denn auch zur Überzeugung des Senats sind der therapeutische Nutzen von Otovowen® bzw. die Zweckmäßigkeit dieses Arzneimittels nicht nachgewiesen.

1. Die an den Regelungen des SGB V orientierte Frage nach Nutzen und Zweckmäßigkeit eines Arzneimittels steht dabei eigenständig neben der arzneimittelrechtlichen Zulassung eines Arzneimittels, denn von letzterer darf nicht automatisch auf seine Zweckmäßigkeit im krankenversicherungsrechtlichen Sinne geschlossen werden. Eine rechtsgebietsübergreifende Bindung in dem Sinne, dass all dasjenige, was arzneimittelrechtlich zulässig ist, zwingend auch zur krankenversicherungsrechtlichen Leistungspflicht der Krankenkassen führen müsste, ist gesetzlich nämlich nicht angeordnet worden (so ausdrücklich Bundessozialgericht, Urteil vom 27. September 2005, B 1 KR 6/04 R, zitiert nach juris, dort Rdnr. 22). Das Krankenversicherungsrecht stellt vielmehr zusätzliche, über das Arzneimittelrecht hinausgehende Anspruchsvoraussetzungen für die Pflicht zur Leistungsgewährung auf. Die arzneimittelrechtliche Zulässigkeit einer Arzneimittelanwendung stellt in diesem Sinne für die gesetzliche Krankenversicherung immer nur ein Mindestsicherheits- und Qualitätserfordernis dar und ist nur "negativ vorgreiflich", weil eine erforderliche, aber nicht vorhandene Zulassung auch die Verordnungsfähigkeit stets ausschließt (Bundessozialgericht, a.a.O.; vgl. auch Urteil vom 14. Dezember 2011, B 6 KA 29/10 R [Monapax], zitiert nach juris, dort Rdnr. 48; zur arzneimittelrechtlichen Zulassung von Homöopathika: Urteil vom 22. Oktober 2014, B 6 KA 34/13 R, zitiert nach juris, dort Rdnr. 61 bis 58 [Vertigoheel®]; Urteil des Senats vom 7. Juni 2013, L 7 KA 164/09 KL, zitiert nach juris, dort Rdnr. 87 bis 91 [servier]).

Zugleich darf der Verordnungsausschluss wegen Unzweckmäßigkeit den Feststellungen der Zulassungsbehörde über Qualität, Wirksamkeit und Unbedenklichkeit des betroffenen Arzneimittels nicht widersprechen (§ 92 Abs. 2 Satz 12 SGB V). Hieran gemessen ist der Verordnungsausschluss für Otovowen® beanstandungsfrei, denn die Entscheidung des Beklagten bzw. seine Ausführungen im vorliegenden Verfahren nehmen ausschließlich die Zweckmäßigkeit und damit die Wirtschaftlichkeit von Otovowen® in den Blick und stellen die bei der arzneimittelrechtlichen Zulassung zu prüfenden Kriterien nicht in Frage.

2. Ein Nachweis für den therapeutischen Nutzen von Otovowen® bzw. seine Zweckmäßigkeit besteht nicht.

a) Evidenzbasierte Studien hinreichender Qualität liegen insoweit nicht vor.

Einzig greifbar ist die von der Klägerin finanzierte prospektive offene Parallelgruppenstudie der "Otovowen Study Group" (T. Wustrow et alt.), veröffentlicht im International Journal of clinical pharmacology and therapeutics 2004, S. 110 (Anlage K 22; zusammenfassender Aufsatz hierzu von T. Wustrow in päd (10) 2004, S. 1, "Konventionelle versus naturheilkundliche Behandlung bei der kindlichen unkomplizierten akuten Otitis media"). Diese vergleicht eine primär naturheilkundliche Strategie unter Einsatz von Otovowen® mit einer konventionellen Therapiestrategie und sieht im Ergebnis bessere Verträglichkeit von Otovowen® sowie keine überzeugenden Vorteile für eine konventionelle Behandlung. Als alternative first-line Therapie sei Otovowen® nützlich zumindest in unkomplizierten Fällen, komme den Elternwünschen nach einer direkt vorgehenden Therapie entgegen und diene einer zunächst abwartenden Behandlung.

Zu Recht hat der Beklagte insoweit eingewandt, dass insbesondere die methodischen Mängel dieser Studie gegen ihre Berücksichtigung sprächen. Fehlende Randomisierung und fehlende Verblindung beeinträchtigten die Aussagekraft der Studie erheblich. Der Senat sieht in dieser Einschätzung des Beklagten keinen Beurteilungsfehler. Die kritische Würdigung der Studie im Schriftsatz des Beklagten vom 11. Dezember 2014 folgt den methodischen Grund¬sätzen der evidenzbasierten Medizin, wie sie insbesondere das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) in seiner Veröffentlichung über "Allgemeine Methoden" (Version 4.2 vom 22. April 2015) definiert hat (https://www.iqwig.de/download/IQWiG Methoden Version 4-2.pdf). Außer Frage steht danach, dass nur eine randomisierte und verblindete Studie den Grundsätzen der evidenzbasierten Medizin hinreichend Rechnung trägt.

Gravierende Zweifel an der Qualität der genannten Studie formuliert auch D. Adam in Arzneiverordnung in der Praxis 2005, S. 13: Weil das Behandlungsregime in der Studie weder randomisiert noch verblindet gewesen sei, seien die Ergebnisse wenigstens zum Teil der Voreingenommenheit der Beobachter zuzuschreiben. Auch seien die Zahlen klein. Es handele sich um einen "leider schlechten Lösungsansatz für eine gute Frage". Eine Otitis media acuta benötige mit und ohne Antibiotika etwa den gleichen Zeitrahmen zur Ausheilung. Dies sei lange bekannt und werde durch die Studie trotz ihrer Unzulänglichkeit unterstrichen. Dennoch solle man aus Sicherheitsgründen den Empfehlungen der Fachgesellschaft folgen, nämlich bei Verdacht auf eine eitrige akute Otitis media ein Kind im Alter von ( zwei Jahren von Beginn an mit Antibiotika zu behandeln. Offen bleibe die Frage, ob Otovowen® "in seiner reichlich obskuren Zusammensetzung eine über den Placebo-Effekt hinausgehende Wirkung" habe. Hierzu sei eine weitere Studie erforderlich.

b) Eine Analyse der für den Senat greifbaren wissenschaftlichen Leitlinien zur akuten Otitis media (Mittelohrentzündung) ergibt nichts anderes. Otovowen® bzw. Otologika allgemein werden als Therapieoption durchweg nicht ausdrücklich empfohlen.

Eine AWMF-Leitlinie zur Akuten Otitis Media existiert noch nicht und ist im Stadium der Erstellung (vgl. http://www.awmf.org/leitlinien/detail/anmeldung /1/ll/017-005.html).

Die evidenzbasierte Studie zur Mittelohrentzündung bei Kindern (Version Januar 2006), entwickelt durch das medizinische Wissensnetzwerk "evidence.de" der Universität Witten/Herdecke (http://www.patientenleitlinien.de/Mittelohrentzuendung/mittelohrentzuendung.html), diskutiert als Therapieoptionen systemische Analgetika, lokale Analgetika, Adrenergika, Antihistaminika und Antibiotika. Die Therapie mit Otologika wird nicht empfohlen.

Die Therapieempfehlungen der Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft zu Atemwegsinfektionen (3. Aufl. 2013) weisen auf Antibiotikatherapie und symptomatische Behandlung.

Die DEGAM-Leitlinie Nr. 7, Ohrenschmerzen schließlich nennt als primäre Therapieoption ebenfalls symptomatische und antibiotische Therapie. Allerdings stellt diese Leitlinie die homöopathische Behandlung bei der unkompliziert verlaufenden Otiotis media als "den etablierten medikamentös-interventionellen Ansätzen ebenbürtig" dar. Hieraus kann indessen keine Schlussfolgerung auf die Zweckmäßigkeit von Otovowen® gezogen werden, denn die von der DEGAM-Leitlinie zum Beleg zitierten Veröffentlichungen betreffen durchweg nicht Otovowen®, sondern homöopathische Einzelmittel. Die Ausführungen des Beklagten in seinem Schriftsatz vom 11. Dezember 2014 sind insoweit frei von Beurteilungsfehlern. Überzeugend ist der Hinweis darauf, dass homöopathische Einzelmittel und homöopathische Komplexarzneimittel wie Otovowen® grundlegend unterschiedliche Verordnungsbedingungen aufweisen: Gleich einem allopathischen Arzneimittel sei Otovowen® für ein konkret umschriebenes Anwendungsgebiet zugelassen, während homöopathische Einzelmittel nicht diagnosebezogen, sondern patientenindividuell angewandt werden. Danach lässt die DEGAM Leitlinie keinen verlässlichen Rückschluss auf die Zweckmäßigkeit von Otovowen® zu.

c) Sehr unspezifisch bleibt schließlich der von der Klägerin angeführte "Praxisleitfaden Allgemeinmedizin". Aus ihm kann nichts für die Zweckmäßigkeit von Otovowen® abgeleitet werden, da der Leitfaden eher enzyklopädisch aufzählt, welche Therapieoptionen konventioneller, naturheilkundlicher und homöopathischer Art bei Mittelohrerkrankungen zur Verfügung stehen, ohne dabei irgendeine Empfehlung abzugeben.

d) Offen lassen kann der Senat danach, ob die Unzweckmäßigkeit von Otovowen® sich, wie vom Beklagten angenommen, aus seiner Eigenschaft als Kombinationspräparat ableitet. Die Unzweckmäßigkeit des Arzneimittels muss der Beklagte – wie gezeigt – nicht beweisen, weil es auf § 92 Abs. 1 Satz 1, Halbs. 1 und 3 Sozialgesetzbuch/Fünftes Buch (SGB V) in der bis zum 31. Dezember 2010 geltenden Fassung ankommt und nicht auf die Neufassung dieser Vorschrift. Nach dem bisher Gesagten fehlt es zur Überzeugung des Senats schon an einem Beleg für Zweckmäßigkeit und Wirtschaftlichkeit von Otovowen®, so dass auf die Eigenschaft als Kombinationspräparat nicht weiter einzugehen ist.

3. Zugleich hat die Klägerin keinen Anspruch darauf, dass ihrem Arzneimittel im vorliegenden Zusammenhang eine Sonderposition in Gestalt geringerer Anforderungen an den Nachweis der Zweckmäßigkeit eingeräumt wird, weil es sich um ein Homöopathikum handelt. In Zusammenhang etwa mit dem Verordnungsausschluss müssen sich der therapeutische Nutzen von Otovowen® und seine Zweckmäßigkeit an denselben Kriterien messen lassen wie Allopathika. Auch vor dem Hintergrund von § 34 Abs. 1 Satz 3 SGB V, wonach der Beklagte bei Erlass der AM-RL der therapeutischen Vielfalt Rechnung zu tragen hat, sind auch bei den besonderen Therapierichtungen das Wirtschaftlichkeitsgebot sowie die Qualitätssicherung zu beachten; eine Begünstigung von Arzneimitteln der besonderen Therapierichtungen mit der Folge, dass Qualität und Wirksamkeit der Leistungen nicht dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprechen, widerspräche den gesetzlichen Vorgaben (vgl. Bundessozialgericht, Urteil vom 14. Dezember 2011, B 6 KA 29/10 R [Monapax®], zitiert nach juris, dort Rdnr. 36 m.w.N.; bestätigend: Urteil vom 22. Oktober 2014, B 6 KA 34/13 R, zitiert nach juris, dort Rdnr. 56 bis 58 [Vertigoheel®]). Grundsätzlich kann daher der Hersteller eines homöopathischen Arzneimittels nicht verlangen, von den Verordnungs-einschränkungen und -ausschlüssen, die für alle (sonstigen) Arzneimittel gelten, freigestellt zu werden (a.a.O. [Monapax®], Rdnr. 37).

V. Auch sonst bestehen keine Bedenken an der Rechtmäßigkeit von Nr. 38 der Anlage III der AM-RL in den beiden seit dem 1. April 2009 geltenden Fassungen. Insbesondere ist der Verordnungsausschluss von Otologika hinreichend begründet.

Als Bestandteil von Anlage III der AM-RL sind Beschlüsse über Verordnungsausschlüsse im Bundesanzeiger und ihre tragenden Gründe im Internet bekanntzumachen. Die Bekanntmachung der Richtlinien muss auch einen Hinweis auf die Fundstelle der Veröffentlichung der tragenden Gründe im Internet enthalten (§ 94 Abs. 2 SGB V; vgl. hierzu und zum Folgenden Bundessozialgericht, Urteil vom 17. September 2013, B 1 KR 54/12 R, zitiert nach juris, dort Rdnr. 22 bis 24 [Invega] ).Die Bekanntmachung der tragenden Gründe nach § 94 Abs. 2 Satz 1 SGB V erfordert nach dem begrifflichen Gehalt von "tragend" weder die Angabe aller Unterlagen, Erwägungen und Gründe noch eine umfassende Begründung mit allen wissenschaftlichen Belegen in Bezug auf alle vorgetragenen Argumente, noch gar eine darüber hinausgehende Auseinandersetzung mit allen weiteren denkmöglichen Argumenten und Problemkonstellationen. Es genügt insoweit die Mitteilung der Gründe, die aus der Sicht des Beklagten tragend sind, ihn also veranlasst haben, einen Beschluss mit einem bestimmten Inhalt zu fassen. Nach dem Zweck der förmlichen Begründung, den Normsetzungsakt transparent zu machen (vgl. Begründung des GKV-WSG-Gesetzentwurfs, BT-Drucks. 16/3100, S. 135)schuldet der Beklagte mithin nur ein ernsthaftes Bemühen, die von ihm für maßgeblich gehaltenen Gesichtspunkte mitzuteilen. Unerheblich ist dagegen, ob die bekanntgemachten tragenden Gründe im Einklang mit den inhaltlichen Anforderungen an die Rechtmäßigkeit des Beschlusses stehen (so ausdrücklich Bundessozialgericht a.a.O., Rdnr. 23).

Seine förmliche Begründungspflicht hat der Beklagte erfüllt. Den tragenden Gründen zum Beschluss über die Neufassung der AM-RL vom 18. Dezember 2008, dort Bl. 188 bis 191, ist zu entnehmen, dass er sich ausführlich mit den Stellungnahmen derjenigen Unternehmen und Verbände auseinandergesetzt hat, die sich an dem Stellungnahmeverfahren nach § 92 Abs. 3a SGB V beteiligt haben. Mit der Veröffentlichung der tragenden Gründe im Internet hat der Beklagte zugleich dem sich aus Art. 7 Nr. 1 Transparenz-Richtlinie (Richtlinie 89/105/EWG vom 21. Dezember 1988, ABl. L 40 vom 11. Februar 1989) ergebenden Begründungserfordernis entsprochen (vgl. Beschluss des Senats vom 27. Februar 2008, L 7 B 112/07 KA ER [Acomplia ®], zitiert nach juris, dort Rdnr. 26; vgl. auch Urteil des Senats vom 10. Dezember 2014, L 7 KA 79/12 KL, zitiert nach juris, dort Rdnr. 126 bis 132 [Lacteol®]).

Nicht zu beanstanden ist auch das Stellungnahmeverfahren nach § 92 Abs. 3a SGB V an sich. Zu Unrecht wendet die Klägerin hier ein, es sei nur durchgeführt worden im Hinblick auf einen beabsichtigten Verordnungsausschluss für am Ohr zu applizierende Otologika, weshalb sie nicht mit einer Geltung des Verordnungsausschlusses auch für Otovowen® habe rechnen müssen. Dieser Sichtweise der Klägerin liegt ein (der Klägerin zur Last fallendes) Missverständnis vom Begriff des Otologikums zugrunde. Schon die Anhörungsfassung von Nr. 38 der Anlage III zur AM-RL (Beschluss des Beklagten vom 13. März 2008, GA Bl. 183) – und ihr folgend sämtliche Verlautbarungen des Beklagten in Zusammenhang mit dem Verordnungsausschluss – verwendete den Begriff des Otologikums ohne Einschränkung auf eine bestimmte Applikationsweise. Dass in der Folgezeit ausschließlich die Zweckmäßigkeit von Ohrentropfen diskutiert wurde, mag daran liegen, dass Auricularia den größten Anteil der verordneten bzw. verkauften und verwendeten Otologika ausmachen. Eine Einschränkung auf am Ohr zu applizierende Otologika hat der Beklagte indessen nie vorgenommen, so dass die Klägerin auch nie davon ausgehen durfte, dass ihr Arzneimittel nicht von dem Verordnungsausschluss erfasst sein werde.

E. Die Kostenentscheidung folgt aus § 197 a Abs. 1 Satz 1 SGG in Verbindung mit § 154 Abs. 1 VwGO. Wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Sache hat der Senat die Revision zugelassen, § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG.
Rechtskraft
Aus
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