L 9 B 144/02 KR ER

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
9
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 75 KR 1618/02 ER
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 9 B 144/02 KR ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 30. September 2002 wird zurückgewiesen. Die Beteiligten haben einander auch für das Beschwerdeverfahren keine Kosten zu erstatten.

Gründe:

I.

Die Beteiligten streiten in einem Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes darüber, ob die Antragsgegnerin die Beitragsbemessung zur freiwilligen Krankenversicherung und zur sozialen Pflegeversicherung zutreffend vorgenommen hat.

Der 1936 geborene Antragsteller ist Beamter im Ruhestand und bezieht eine Beamtenpension sowie eine Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung. Daneben erzielt er Einkünfte aus Kapitalvermögen sowie (negative) Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung. Er ist nach eigenen Angaben seit mehr als vier Jahrzehnten Mitglied der Antragsgegnerin, einer gesetzlichen Krankenkasse. Seit dem 1. Januar 1999 ist er freiwilliges Mitglied der Antragsgegnerin. Diese bemisst die Beiträge zur Krankenversicherung u.a. auch auf der Grundlage der Zinseinkünfte sowie gegebenenfalls der Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung und des vollen Beitragssatzes.

Mit Schreiben vom 14. September 2000 wandte sich der Antragsteller an die Antragsgegnerin und beantragte, die Beitragsbemessung nicht mehr unter Zugrundelegung seiner Zinserträge vorzunehmen. Das Bundesverfassungsgericht habe festgestellt, dass dies verfassungswidrig sei. In einem folgenden Schriftwechsel mit der Antragsgegnerin bekräftigte der Antragsteller dieses Verlangen noch mehrfach, zuletzt durch Schreiben vom 10. April 2002. Daraufhin erteilte die Antragsgegnerin dem Antragsteller am 22. April 2002 einen förmlichen Bescheid, in welchem sie festlegte, dass der Antragsteller Beiträge zur freiwilligen Krankenversicherung und zur Pflegeversicherung auch aufgrund seiner Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung sowie seiner Einkünfte aus Kapitalvermögen zu entrichten habe. Den Widerspruch des Antragstellers wies die Antragsgegnerin mit Widerspruchsbescheid vom 28. August 2002 mit der Begründung zurück, aufgrund der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 15. März 2000 sei mit Wirkung vom 1. April 2002 die Vorschrift des § 5 Abs. 1 Nr. 11 Sozialgesetzbuch/Fünftes Buch (SGB V) nicht mehr in der Fassung des Gesundheitsstrukturgesetzes, sondern in der vorangegangenen Fassung des Gesundheitsreformgesetzes anzuwenden. Hierdurch sei zwar der Zugang zur Krankenversicherung der Rentner erweitert worden, die Beitragsbemessung für freiwillig Versicherte habe sich nicht geändert. Nach § 240 Abs. 1 SGB V bzw. § 57 Abs. 4 Satz 1 Sozialgesetzbuch/Elftes Buch (SGB XI) seien die Beiträge entsprechend der gesamten wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des Versicherten zu bemessen. Hierbei seien auch die Einkünfte aus Kapitalvermögen sowie aus Vermietung und Verpachtung einzubeziehen. Die gegen diesen Bescheid zum Sozialgericht Berlin unter dem Aktenzeichen S 75 KR 1618/02 ER erhobene Klage ist noch anhängig.

Gleichzeitig mit der Erhebung der Klage hat der Antragsteller am 10. September 2002 den von ihm so bezeichneten Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gestellt. Mit Beschluss vom 30. September 2002 hat das Sozialgericht den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abgelehnt: Die Gewährung des einstweiligen Rechtsschutzes richte sich nach § 86 b Abs. 1 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG). Dem Antragsteller gehe es um die Anordnung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage gegen die angefochtenen Bescheide. Eine solche Anordnung setze jedoch voraus, dass bei summarischer Prüfung ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Bescheide bestünde. Dies könne vorliegend nicht festgestellt werden. Auch sonst spreche die Interessenabwägung nicht dafür, dem Aufschubinteresse des Antragstellers den Vorrang gegenüber der Vollziehung der angefochtenen Bescheide einzuräumen.

Gegen diesen ihm am 8. Oktober 2002 zugestellten Beschluss hat der Antragsteller am 10. Oktober 2002 Beschwerde zum Landessozialgericht eingelegt. Er meint, durch die Beitragsbemessung, die von der Beitragsbemessung gegenüber Angehörigen der Krankenversicherung der Rentner (KVdR) vorgenommen werde, werde er in gleichheitswidriger Weise benachteiligt. Er müsse höhere Krankenversicherungsbeiträge zahlen, könne andererseits aber trotz seiner Beamtenpension keine Beihilfe erhalten, weil ihm Krankenversicherungsschutz durch die Antragsgegnerin gewährt werde. Ebenso wie bei Versicherten der KVdR dürfe sein Beitragssatz nicht mehr als 6,85 % betragen.

Der Antragsteller beantragt sinngemäß,

den Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 30. September 2002 aufzuheben und die aufschiebende Wirkung seiner Klage vor dem Sozialgericht Berlin gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 22. April 2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28. August 2002 anzuordnen.

Die Antragsgegnerin beantragt,

den Antrag zurückzuweisen.

Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze sowie die Verwaltungsakten der Antragsgegnerin Bezug genommen, welche bei der Entscheidung vorgelegen haben.

II.

Die Beschwerde ist zulässig, jedoch nicht begründet. Zu Recht hat das Sozialgericht den Antrag zurückgewiesen, denn die Voraussetzungen nach § 86 b Abs. 1 Satz 2 SGG für die Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen die angefochtenen Bescheide liegen nicht vor. Nach der allein möglichen und gebotenen summarischen Prüfung bestehen keine ernstlichen Zweifel hinsichtlich der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Bescheide.

Nach § 250 Abs. 2 SGB V tragen freiwillige Mitglieder ihren Beitrag zur Krankenversicherung allein, sie haben ihn nach § 252 Satz 1 SGB V auch selbst zu zahlen. Nach § 240 Abs. 1 SGB V wird für freiwillige Mitglieder die Beitragsbemessung durch die Satzung der Krankenkasse geregelt (Satz 1). Dabei ist sicherzustellen, dass die Beitragsbelastung die gesamte wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des freiwilligen Mitglieds berücksichtigt (Satz 2). Nach § 19 der Satzung der Antragsgegnerin unterliegen der Beitragsbemessung u.a. auch alle laufenden Einnahmen und Geldmittel, die für den Lebensunterhalt verbraucht werden oder verbraucht werden könnten, ohne Rücksicht auf ihre steuerliche Behandlung. Dies hat zur Folge, dass vorliegend auch die Einkünfte aus Kapitalvermögen (Zinserträge) sowie gegebenenfalls auch die Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung heranzuziehen sind.

Entgegen der Auffassung des Antragstellers sind diese Regelungen auch nicht verfassungswidrig. Insbesondere hat das Bundesverfassungsgericht in der vom Antragsteller zitierten Entscheidung vom 15. März 2000 (BGBl. I S. 1300 = SozR 3-2500 § 5 Nr. 42) nicht etwa die Verfassungswidrigkeit des § 240 SGB V oder entsprechender Satzungsbestimmungen festgestellt. Vielmehr hat das Bundesverfassungsgericht lediglich ausgesprochen, dass die Vorschrift des § 5 Abs. 1 Nr. 11 SGB V in der Fassung des Gesundheitsstrukturgesetzes verfassungswidrig ist. Diese Regelung schloss langjährig freiwillig versicherte Mitglieder der Krankenkassen von der Mitgliedschaft in der Krankenversicherung der Rentner aus, was mittelbar zu einer höheren Beitragsbelastung dieses Personenkreises führte, weil diese nur als freiwillige Mitglieder den jeweiligen Krankenkassen angehören konnten und dort für die Beitragsbemessung andere Grundlagen gelten als in der Krankenversicherung der Rentner. Hieraus hat das Bundesverfassungsgericht gefolgert, der Gesetzgeber besitze zwei Möglichkeiten, um den verfassungswidrigen Zustand zu beenden. Er könne entweder - mit einer Übergangsfrist bis zum 31. März 2002 - den Zugang von langjährig freiwillig Versicherten zur Krankenversicherung der Rentner wieder ermöglichen, oder er könne umgekehrt die Beitragsbemessung für freiwillige Mitglieder günstiger gestalten, so dass gegenüber einer Zugehörigkeit zur KVdR keine Nachteile entstünden. Keine dieser Möglichkeiten hat der Gesetzgeber gewählt, sondern er ist nicht tätig geworden. Für diesen Fall hat das Bundesverfassungsgericht in seiner genannten Entscheidung vorgesehen, dass dann mit Wirkung vom 1. April 2002 § 5 Abs. 1 Nr. 1 SGB V wieder in seiner früheren Fassung des Gesundheitsreformgesetzes gälte, so dass langjährig freiwillig versicherten Mitgliedern der gesetzlichen Krankenkassen nunmehr der Zugang zur KVdR wieder grundsätzlich ermöglicht worden ist.

Hieraus folgt, dass auch in der Fallgestaltung des Antragstellers kein verfassungswidriger Zustand mehr besteht. Auch nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts sind die Krankenkassen berechtigt und verpflichtet, die Beitragsbemessung für freiwillig versicherte Rentner und Pensionsbezieher nach den bereits vorher geltenden Regelungen des § 240 SGB V und damit auch unter Zugrundelegung von Einkünften aus Kapitalerträgen (z.B. Zinsen) oder aus Vermietung und Verpachtung zu bemessen. Ebenso ist die Zugrundelegung des vollen Beitragssatzes nicht zu beanstanden. Soweit sich der Antragsteller auf einen Satz von 6,85 % bezieht, beruht dies allein auf einem Rechenbeispiel in einem Informationsblatt. Im Übrigen hat der Antragsteller auch nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts keinen Anspruch auf Einbeziehung in die KVdR oder gar auf Entrichtung eines hälftigen Beitragssatzes in der freiwilligen Krankenversicherung.

Die Antragsgegnerin hat auch die Beitragsbemessung zur sozialen Pflegeversicherung nach summarischer Prüfung zutreffend und insbesondere ohne Verstoß gegen Bestimmungen des Grundgesetzes vorgenommen. Nach § 57 Abs. 4 Satz 1 SGB XI ist bei freiwilligen Mitgliedern der gesetzlichen Krankenversicherung für die Beitragsbemessung in der Pflegeversicherung § 240 SGB V entsprechend anzuwenden, gemäß § 60 Abs. 1 Satz 1 SGB XI haben freiwillig versicherte Mitglieder der gesetzlichen Krankenkasse ihre Beiträge an die Pflegeversicherung selbst zu zahlen. Auch diese Vorschriften sind im Falle des Antragstellers erfüllt und führen auch im Hinblick auf die Beiträge zur sozialen Pflegeversicherung dazu, dass die Einkünfte aus Kapitalvermögen sowie die Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung der Beitragsbemessung zugrunde zu legen sind.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG analog und entspricht dem Ausgang des Verfahrens in der Sache selbst.

Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden, § 177 SGG.
Rechtskraft
Aus
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