Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
32
1. Instanz
SG Frankfurt (Oder) (BRB)
Aktenzeichen
S 16 AS 1079/15 ER
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 32 AS 1845/15 B ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Bemerkung
auch L 32 AS 1846/15 B ER PKH
Die Beschwerde der Antragstellerinnen gegen den Beschluss des Sozialgerichts Frankfurt (Oder) vom 10. Juli 2015 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch für das Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten. Der Antrag, den Antragstellerinnen Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren zu bewilligen, wird abgelehnt.
Gründe:
I.
Die Antragstellerinnen begehren vom Antragsgegner höhere Kosten der Unterkunft und Heizung für die Zeit vom 1. März 2015 bis 31. August 2015.
Die im September 1984 geborene Antragstellerin zu 1 und ihre am 16. Juli 2003 geborene Tochter, die Antragstellerin zu 2, bezogen bis 28. Februar 2015 Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) vom Jobcenter Berlin-Pankow (Änderungsbescheid vom 22. November 2014). Das Jobcenter Berlin-Pankow hatte deren Antrag auf Erteilung einer Zusicherung zum Umzug abgelehnt (Bescheid vom 9. Dezember 2014).
Die Antragstellerin zu 1 als Untermieterin und ihr Vater J H als Hauptmieter hatten am 9. November 2014 einen Untermietvertrag über Wohnräume im Erdgeschoss in der Bstraße in P geschlossen. Danach sind der Antragstellerin zu 1 ab 1. März 2015 2 der insgesamt 3 Zimmer und zur gemeinsamen Mitbenutzung Küche, Bad und WC bei einer Kaltmiete von 300 Euro und einer Nebenkostenpauschale von 150 Euro, insgesamt 450 Euro monatlich vermietet. Bei einer Gesamtwohnfläche von 140 m2 umfassen der untervermietete Wohnflächenanteil 26,21 m2 und die zur Mitbenutzung überlassenen Räume insgesamt 14,87 m2.
Die Antragstellerinnen bewohnen seit 1. März 2015 in Bedarfsgemeinschaft die gemietete Wohnung. In den Wohnräumen des Hauptmieters J H lebt auch noch seine Ehefrau B H.
Den im Januar 2015 von den Antragstellerinnen gestellten Antrag lehnte der Antragsgegner mit Bescheid vom 20. März 2015 für die Zeit vom 1. März 2015 bis 31. August 2015 ab: Aufgrund der Höhe des anzurechnenden Einkommens seien die Antragstellerinnen nicht hilfebedürftig. Eigentümer des genutzten Wohnraumes seien die Eltern. Die Antragstellerin stehe keiner ernsthaften zivilrechtlichen Forderung gegenüber und habe daher keinen Anspruch auf Übernahme der beantragten Kosten der Unterkunft. Die Hauslasten seien jeweils im Monat ihrer Fälligkeit in den Bedarf aufgenommen worden. Diese seien, soweit sie angemessen seien, im Fall der Antragsteller zu 50 v. H. berücksichtigt worden.
Mit dem dagegen eingelegten Widerspruch machten die Antragstellerinnen geltend, die Kosten der Unterkunft seien nur mit durchschnittlich 53,14 Euro in Ansatz gebracht worden, obwohl die Mietpauschale nach dem Mietvertrag 450 Euro betrage.
Mit Bescheid vom 27. Mai 2015 bewilligte der Antragsgegner den Antragstellerinnen für die Zeit vom 1. März 2015 bis 31. August 2015 vorläufig Leistungen für März 2015 von 125,30 Euro, für Juli 2015 von 33,01 Euro und für August 2015 von 176,15 Euro. Für die anderen Monate lehnte er Leistungen ab. Das zu berücksichtigende Einkommen aus Erwerbstätigkeit ermittelte er ab Mai 2015 ausschließlich vorläufig aus dem Durchschnitt der Monate Oktober 2014 bis März 2015. Kosten der Unterkunft (und Heizung) berücksichtigte er lediglich für März 2015 mit 49,12 Euro, für Mai 2015 mit 53,14 Euro und für August 2015 mit 53,14 Euro.
Mit dem am 29. Mai 2015 beim Sozialgericht Frankfurt (Oder) eingegangenen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung beanspruchten die Antragstellerinnen, den Antragsgegner vorläufig zu verpflichten, ihnen gegebenenfalls darlehensweise Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts zu bewilligen. Sie haben vorgetragen, der Gesamtbedarf betrage 713,88 Euro zuzüglich 450 Euro (Miete), mithin 1.163,88 Euro. Abzüglich des vom Antragsgegner berechneten Einkommens von 799,29 Euro ergebe sich ein Bedarf von ca. 364,59 Euro, so dass der Antragsgegner zu verpflichten sei, diesen Betrag vorläufig zu bewilligen. Die Antragstellerinnen haben darauf hingewiesen, dass ihnen inzwischen der Vermieter mit dem beigefügten Schreiben vom 15. Mai 2015 mitgeteilt habe, dass bis zum Monat Mai 2015 ein Rückstandsbetrag in Höhe von 1.800 Euro offen sei, und angekündigt habe, den Mietvertrag zu kündigen.
Der Antragsgegner hat gemeint, es bestehe keine gegenwärtige akute Notlage. Der Mietvertrag werde nicht gelebt. Es sprächen wichtige Gründe dafür anzunehmen, dass der Mietvertrag jedenfalls nicht in der gehörigen Form tatsächlich vollzogen werde, wie dies üblicherweise im Rahmen von gegenseitigen Schuldverhältnissen üblich sei. Zur Glaubhaftmachung der gegenteiligen Position sei nichts Substantielles beigebracht worden.
Mit Widerspruchsbescheid vom 5. Juni 2015, gegen den die Antragstellerinnen Klage beim Sozialgericht Frankfurt (Oder) erhoben haben, wies der Antragsgegner den Widerspruch zurück: Es bestünden ernsthafte Zweifel an der Wirksamkeit des Mietvertrages. Es sprächen überwiegende Gründe für den Umstand eines Vertrages zu Lasten Dritter. Es ergebe sich bei einer Wohnfläche von ca. 26 m2 zuzüglich Mitbenutzung von Küche, Bad und Flur von insgesamt ca. 9,4 m2 (flächenmäßig zur Hälfte berücksichtigt) bei einem Kaltmietpreis von 300 Euro ein Kaltmietpreis von 8,47 Euro je m2, was in etwa dem Zweifachen des angemessenen Betrages entspräche. Eine ernsthafte Mietforderung in dieser Höhe sei örtlich unüblich und offensichtlich auch außerhalb des Rechtskreises des SGB II unangemessen. Bei verständiger Würdigung der Lebensumstände hätte wohl kein fremder Dritter einen solchen Vertrag zu diesen Konditionen abgeschlossen. Mithin erfolge die Berücksichtigung der Kosten für Unterkunft und Heizung analog eines Eigenheims. An Unterkunftskosten seien bisher lediglich die Gebühren für Wasser und Abwasser nachgewiesen worden. Die Kosten würden im März in Höhe von 98,23 Euro und im Mai und August jeweils in Höhe von 90 Euro berücksichtigt. Bedarfe für Unterkunft und Heizung würden unabhängig vom Alter der Haushaltsmitglieder nach Kopfzahl der Wohnungsbewohner zu gleichen Teilen aufgeteilt. Da neben den leistungsberechtigten Personen der Bedarfsgemeinschaft noch zwei weitere Personen in der Hausgemeinschaft lebten, betrage der für die Bedarfsgemeinschaft anteilige Bedarf 49,12 Euro im März sowie jeweils 45 Euro im Mai und August 2015.
Mit Beschluss vom 10. Juli 2015 hat das Sozialgericht die Anträge auf Erlass einer einstweiligen Anordnung und auf Gewährung von Prozesskostenhilfe abgelehnt: Den Antragstellerinnen sei es bereits nicht gelungen, einen Anordnungsgrund hinsichtlich der Übernahme weiterer Kosten für Unterkunft und Heizung glaubhaft zu machen. Soweit die Antragstellerinnen solche Kosten in Höhe von insgesamt 450 Euro begehrten, seien sie darauf zu verweisen, dass im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes eine Bedürftigkeit für Unterkunftskosten nur dann anzunehmen sei, wenn Obdachlosigkeit drohe bzw. eine Räumungsklage anhängig sei, mithin die Unterkunft aktuell gefährdet sei. Eine solche Gefährdung sei in der Regel frühestens ab Zustellung einer Räumungsklage anzunehmen. Nach Erhebung und Zustellung der Räumungsklage bliebe noch zwei Monate Zeit, den Verlust der Wohnung abzuwenden. Gemäß § 569 Abs. 3 Nr. 2 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) werde die auf die Mietrückstände gestützte außerordentliche fristlose Kündigung unwirksam, wenn der Vermieter spätestens bis zum Ablauf von 2 Monaten nach Eintritt der Rechtshängigkeit des Räumungsanspruches hinsichtlich der fälligen Miete und der fälligen Entschädigung nach § 546 a Abs. 1 BGB befriedigt werde oder sich eine öffentliche Stellung zur Befriedigung verpflichte. Eine Räumungsklage sei weder ersichtlich noch werde sie behauptet. Insoweit nach dem gerichtlichen Hinweis von den Antragstellerinnen vorgebracht worden sei, dass der Vermieter, der Vater der Antragstellerin zu 1, am 15. Juni 2015 schriftlich angekündigt habe, den Mietvertrag wegen bestehender Mietrückstände zu kündigen, sei darauf hinzuweisen, dass das alleinige Bestehen eines (außerordentlichen fristlosen) Kündigungsgrundes, vorliegend nicht genüge. Zwar gelte es zu beachten, dass der Ausgleich der Mietrückstände innerhalb der Frist des § 569 Abs. 3 Nr. 2 BGB nicht ohne Weiteres eine fristgemäße Kündigung unwirksam werden lasse. Allerdings sei eine solche ordentliche Kündigung mit Blick auf das Schreiben vom 15. Juni 2015 bisher noch nicht ausgesprochen. Der Vater der Antragstellerin zu 1 stelle eine Kündigung nämlich bislang nur für September 2015 in Aussicht, sofern die Antragstellerin zu 1 nicht in der Lage sei, das Mietkonto umgehend zu begleichen. Unabhängig hiervon erscheine es derweil als fragwürdig, ob in Anbetracht der engen verwandtschaftlichen Beziehung tatsächlich eine Kündigung im September 2015 erfolgen werde. Dabei gelte es zu berücksichtigen, dass die Antragstellerin zu 1 Einkommen aus abhängiger Erwerbstätigkeit erziele, welches der Freibetragsregelung des § 11 b SGB II unterfalle. Teile hiervon könne sie bereits jetzt zumindest zur anteiligen Begleichung des Mietzinzes bzw. der angefallenen Mietschulden bei ihren Eltern verwenden und so quasi im Kompromisswege einer etwaigen Kündigung entgegenwirken.
Gegen den ihrem Verfahrensbevollmächtigten am 14. Juli 2015 zugestellten Beschluss richtet sich die am 21. Juli 2015 eingelegte Beschwerde der Antragstellerinnen, mit der zugleich Bewilligung von Prozesskostenhilfe beantragt worden ist.
Sie sind der Ansicht, jedenfalls für die Zeit ab Inanspruchnahme des einstweiligen Rechtsschutzes am 27.Mai 2015 sei eine erhebliche wirtschaftliche Notlage glaubhaft gemacht worden. Das Ausbleiben der Leistungen für die Kosten der Unterkunft führe zu Mietschulden, die generell geeignet seien, den Erhalt der Unterkunft zu gefährden. Auch wenn im vorliegenden Fall der Vermieter das Mietverhältnis nicht gekündigt habe, habe er jedoch mit Schreiben vom 15. Juni 2015 die ausstehenden Mietzahlungen angemahnt und dadurch zu erkennen gegeben, dass er nicht bereit sei, auf Mietzahlungen zu verzichten. Er habe außerdem angedroht, nach dem September 2015 die Wohnung zu kündigen. Der Leistungsanspruch der Antragstellerinnen ergebe sich aus den Berechnungen des Bewilligungsbescheides, soweit ihm gefolgt werden könne.
Die Antragstellerinnen beantragen,
den Beschluss des Sozialgerichts Frankfurt (Oder) vom 10. Juli 2015 aufzuheben und den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, den Antragstellerinnen vorläufig weitere Leistungen für die Kosten der Unterkunft in Höhe von insgesamt 364,59 Euro monatlich im Zeitraum von April, Juni und Juli 2015, im März 2015 315,47 Euro (364,59 Euro minus 49,12 Euro) und im Mai und August 2015 311,54 Euro (364,59 Euro minus 53,14 Euro) zu gewähren und den Antragstellerinnen für das erstinstanzliche und das Beschwerdeverfahren Prozesskostenhilfe zu bewilligen.
Der Antragsgegner beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Er bezieht sich auf die Ausführungen des angefochtenen Beschlusses.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Verfahrensstandes sowie des sonstigen Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten und die beigezogene Verwaltungsakte des Antragsgegners (), die bei der Entscheidung vorgelegen haben, verwiesen.
II.
Die zulässige Beschwerde ist unbegründet.
Das Sozialgericht hat den Erlass einer einstweiligen Anordnung und den dazu gestellten Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe im Ergebnis zu Recht abgelehnt. Ein Anordnungsanspruch ist nicht glaubhaft gemacht. Ein Anordnungsgrund wäre hingegen entgegen der Ansicht des Sozialgerichts und auch entgegen der bisher vom Senat vertretenen Rechtsansicht, an der er nicht mehr festhält, glaubhaft gemacht.
Nach § 86 b Abs. 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) kann das Gericht der Hauptsache eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis treffen, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint (so genannte Regelungsanordnung). Voraussetzung sind ein Anordnungsanspruch und ein Anordnungsgrund, welche glaubhaft zu machen sind (§ 86 b Abs. 2 Satz 4 i. V. m. § 920 Abs. 2 Zivilprozessordnung - ZPO). Ein Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund sind glaubhaft gemacht, wenn die tatsächlichen Voraussetzungen überwiegend wahrscheinlich sind, dies erfordert, dass mehr für als gegen die Richtigkeit der Angaben spricht (vgl. Keller in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Auflage § 86 b Rdnr. 16 b).
In einem auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gerichteten Verfahren beurteilt sich das Vorliegen eines Anordnungsgrundes nach dem Zeitpunkt, in dem das Gericht über den Antrag entscheidet. Im Beschwerdeverfahren ist dies der Zeitpunkt der Beschwerdeentscheidung (Landessozialgericht - LSG - Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 27. September 2006 - L 7 B 18/06 KA ER; unter Hinweis darauf Sächsisches LSG, Beschluss vom 06. Februar 2008 - L 2 B 601/07 AS-ER; vgl. auch LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 04. Januar 2008 - L 28 B 2130/07 AS ER und Sächsisches LSG, Beschluss vom 25. März 2008 - L 2 B 51/08 AS-ER, jeweils m. w. N.; LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 17. August 2005 - L 7 SO 2117/05 ER-B unter Hinweis auf seine weiteren Beschlüssen vom 15. Juni 2005 - L 7 SO 1594/05 ER-B und vom 01. August 2005 - L 7 AS 2875/05 ER-B jeweils m. w. N.). Dies ergibt sich daraus, dass in dem Erfordernis eines Anordnungsgrundes ein spezifisches Dringlichkeitselement enthalten ist, welches im Grundsatz nur Wirkungen für die Zukunft entfalten kann. Die rückwirkende Feststellung einer - einen zurückliegenden Zeitraum betreffenden - besonderen Dringlichkeit ist zwar rechtlich möglich. Sie kann jedoch in aller Regel nicht mehr zur Bejahung eines Anordnungsgrundes führen. Denn die prozessuale Funktion des einstweiligen Rechtsschutzes besteht vor dem Hintergrund des Art. 19 Abs. 4 GG darin, in dringenden Fällen effektiven Rechtsschutz zu gewährleisten, in denen eine Entscheidung im - grundsätzlich vorrangigen - Verfahren der Hauptsache zu spät käme, weil ohne sie schwere und unzumutbare, anders nicht abwendbare Nachteile entstünden, zu deren nachträglicher Beseitigung die Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr in der Lage wäre. Dies bedeutet aber zugleich, dass die Annahme einer besonderen Dringlichkeit und dementsprechend die Bejahung eines Anordnungsgrundes ausscheidet, soweit diese Dringlichkeit vor dem Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung vorgelegen hat, denn insoweit ist die besondere Dringlichkeit durch den Zeitablauf überholt. Das Abwarten einer Entscheidung im Verfahren der Hauptsache über den zurückliegenden Zeitraum ist dem Rechtssuchenden insoweit zumutbar (so LSG Berlin-Brandenburg, Beschlüsse vom 27. September 2006 - L 7 B 18/06 KA ER, vom 04. Januar 2008 - L 28 B 2130/07 AS ER und vom 04. März 2015 – L 32 AS 346/15 B ER). Ausnahmsweise kann das Gebot des effektiven Rechtsschutzes nach Art. 19 Abs. 4 GG auch die Annahme eines Anordnungsgrundes für zurückliegende Zeiträume verlangen, so insbesondere dann, wenn anderenfalls effektiver Rechtsschutz im Hauptsacheverfahren nicht erlangt werden kann, weil bis zur Entscheidung im Verfahren der Hauptsache Fakten zum Nachteil des Rechtssuchenden geschaffen worden sind, die sich durch eine stattgebende Entscheidung im Verfahren der Hauptsache nicht oder nicht hinreichend rückgängig machen lassen (LSG Berlin-Brandenburg, Beschlüsse vom 27. September 2006 und vom 04. Januar 2008). Dasselbe kann gelten, wenn ein besonderer Nachholbedarf besteht, wenn also die Nichtgewährung der begehrten Leistung in der Vergangenheit noch in die Zukunft fortwirkt und daher eine weiterhin gegenwärtige, die einstweilige Anordnung rechtfertigende Notlage begründet. Dies kann gegeben sein, wenn der Antragsteller zur Bestreitung seines notwendigen Lebensunterhalts Verbindlichkeiten eingegangen ist, deren Tilgung unmittelbar bevorsteht. Es ist ferner denkbar, dass im vergangenen Zeitraum vorgenommene Einsparungen nachwirken (Sächsisches LSG, Beschluss vom 25. März 2008 - L 2 B 51/08 AS-ER m. w. N.). Ebenso kann dies gegeben sein, wenn ein Vermieter die Räumungsklage angestrengt hat und der Antragsteller den Verlust seiner Wohnung befürchten muss (so auch Hessisches Landessozialgericht, 7. Senat, Beschluss vom 20. Juni 2005 – L 7 AL 100/05 ER; LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 04. März 2015 – L 32 AS 346/15 B ER).
Ausgehend davon kämen im Hinblick auf einen Anordnungsgrund (höhere) Leistungen für Unterkunft und Heizung zwar erst ab dem Zeitpunkt der Entscheidung im Beschwerdeverfahren in Betracht. Für eine Zeit davor könnten solche Leistungen nicht vorläufig zugesprochen werden, weil dies in der Regel nur zur Behebung einer gegenwärtigen Notlage zu erfolgen hat. Allerdings könnte vorliegend ein besonderer Nachholbedarf bestehen, denn die Nichtgewährung der begehrten Leistungen für die Vergangenheit könnte deswegen in die Zukunft fortwirken, weil ansonsten der Verlust der Wohnung droht.
Zwar kann gemäß § 569 Abs. 3 Nr. 2 Satz 1 BGB die fristlose Kündigung mit Begleichung der Mietschulden abgewandt werden, wenn der Vermieter spätestens bis zum Ablauf von 2 Monaten nach Eintritt der Rechtshängigkeit des Räumungsanspruchs hinsichtlich der fälligen Miete und der fälligen Entschädigung nach § 546 a Abs. 1 BGB befriedigt wird oder sich eine öffentliche Stellung zur Befriedigung verpflichtet hat, worauf das Sozialgericht zutreffend hingewiesen hat. Allerdings kann damit die ordentliche Kündigung nicht abgewendet werden, denn die Vorschrift ist nicht anwendbar bei einer Kündigung gemäß § 573 Abs. 2 Nr. 1 BGB. Danach kann der Vermieter kündigen, wenn er ein berechtigtes Interesses an der Beendigung des Mietverhältnisses hat, wobei ein berechtigtes Interesse insbesondere vorliegt, wenn der Mieter seine vertraglichen Pflichten schuldhaft nicht unerheblich verletzt hat. Soweit der Kündigungsgrund des § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 BGB erfüllt wird, ist die Kündigung auf jeden Fall gerechtfertigt (Bundesgerichtshof – BGH - Urteil vom 25. Oktober 2006 – VIII ZR 102/06, Rdnr. 9, zitiert nach juris, abgedruckt in NJW 2007, 428). Nach dieser Vorschrift gilt: Ein wichtiger Grund liegt insbesondere vor, wenn der Mieter a) für zwei aufeinanderfolgende Termine mit der Entrichtung der Miete oder eines nicht unerheblichen Teils der Miete in Verzug ist oder b) in einem Zeitraum, der sich über mehr als 2 Termine erstreckt, mit der Entrichtung der Miete in Höhe eines Betrages in Verzug ist, der die Miete für zwei Monate erreicht.
Die Voraussetzungen dieser Vorschrift sind glaubhaft gemacht, da nach dem Schreiben des Vermieters J H vom 15. Juni 2015 bis zum Monat Mai 2015 ein (Miet)Betrag in Höhe von 1.800 Euro offen ist. Bei einer monatlichen Miete von 450 Euro ist die Antragstellerin zu 1 als Untermieterin für zwei aufeinanderfolgende Termine und auch in Höhe eines Betrages, der die Miete für zwei Monate erreicht, in Verzug.
Wird die ordentliche Kündigung ausgesprochen, kann die Befriedigung des Vermieters hinsichtlich der fälligen Miete nicht zur Unwirksamkeit der Kündigung des Mietverhältnisses führen, denn § 569 Abs. 3 Nr. 2 Satz 1 BGB findet nach der Rechtsprechung des BGH bei einer Kündigung nach § 573 Abs. 1 Satz 1 BGB keine Anwendung (BGH, Urteil vom 25. Oktober 2006 – VIII ZR 102/06, Rdnr. 11, zitiert nach juris, m. w. N.).
Die im Schreiben des Vermieters vom 15. Juni 2015 angekündigte Kündigung zum September 2015 wäre nicht nur als fristlose Kündigung, sondern auch als ordentliche Kündigung möglich. Nach § 573 c Abs. 1 BGB ist die Kündigung spätestens am dritten Werktag eines Kalendermonats zum Ablauf des übernächsten Monats zulässig. Die Kündigungsfrist für den Vermieter verlängert sich nach 5 und 8 Jahren seit der Überlassung des Wohnraums um jeweils drei Monate. Eine bis zum dritten Werktag des Juli 2015 erklärte ordentliche Kündigung hätte damit eine Beendigung des Untermietvertrages zum 30. September 2015 zur Folge gehabt. Es ist daher zu erwarten, auch wenn eine solche ordentliche Kündigung bisher noch nicht ausgesprochen wurde, dass eine solche jederzeit erklärt werden kann. Soweit das Sozialgericht gemeint hat, eine solche ordentliche Kündigung sei bislang noch nicht ausgesprochen, steht dies der Annahme eines Anordnungsgrundes gerade nicht entgegen. Vielmehr wäre eine schon erfolgte ordentliche Kündigung der maßgebende Gesichtspunkt, einen Anordnungsgrund zu verneinen, denn auch eine Zahlung der insbesondere für die Vergangenheit ausstehenden Mietschulden könnte die durch die wirksame Kündigung eintretende Obdachlosigkeit nicht verhindern.
Ein Anordnungsanspruch ist allerdings nicht glaubhaft gemacht. Es ist nicht überwiegend wahrscheinlich, dass dem am 9. November 2014 geschlossenen Untermietvertrag ernstlich gemeinte Willenserklärungen zugrunde liegen. Wird eine Willenserklärung, die einem anderen gegenüber abzugeben ist, mit dessen Einverständnis nur zum Schein abgegeben, so ist sie nach § 117 Abs. 1 BGB nichtig.
Ein solcher Sachverhalt ist hier naheliegend. Um der Gefahr eines Missbrauchs von Steuermitteln entgegenzuwirken, ist es geboten, an den Nachweis und die Ernstlichkeit eines Vertrages unter Verwandten strenge Anforderungen zu stellen. Die Wahrung von im Geschäftsverkehr üblichen Modalitäten kann dabei als ein Indiz dafür gewertet werden, dass ein Vertrag wirklich gewollt wird. Es ist dabei jedoch nicht erforderlich, dass sowohl die Gestaltung als auch die Durchführung des Vereinbarten in jedem Punkte dem zwischen Fremden Üblichen zu entsprechen hat. Die mit dem strengen Fremdvergleich verbundenen Beschränkungen für die Vertragsgestaltung würden weder den tatsächlichen Verhältnissen noch der grundsätzlich gebotenen Respektierung familiärer Vertrauensbeziehungen gerecht. Demgegenüber kann gegen die Glaubhaftigkeit eines Vertrages sprechen, dass sich für die mit ihm getroffenen Regelungen ein plausibler Grund nicht feststellen lässt. Es sind insoweit alle relevanten Umstände des Einzelfalls einzustellen. Weil und soweit der für den Hilfebedürftigen günstige Umstand, dass eine vereinbarte, aber bisher in keiner Weise vollzogene Verpflichtung, seine Sphäre trifft, obliegen ihm bei der Aufklärung der erforderlichen Tatsachen Mitwirkungspflichten; die Nichterweislichkeit der Tatsachen geht zu seinen Lasten (vgl. zum Darlehen unter Verwandten: BSG, Urteil vom 17. Juni 2010 – B 14 AS 46/09 R, Rdnrn. 21 und 22 zitiert nach juris, abgedruckt in BSGE, 106, 185 = SozR 4-4200 § 11 Nr. 30).
Nach Maßgabe dessen hält es der Senat nicht für überwiegend wahrscheinlich, dass der Untermietvertrag vom 9. November 2014 ernstlich gewollt ist. Der Antragsgegner weist zu Recht in seinem Widerspruchsbescheid vom 5. Juni 2015 daraufhin, dass der nach dem Untermietvertrag sich rechnerisch ergebende Kaltmietpreis Euro je m2 bei einem Kaltmietpreis von 300 Euro ersichtlich unangemessen und unüblich ist. Bei einer Wohnfläche von 26,21 m2 zuzüglich der mitbenutzten Fläche für Küche, Bad und WC von 7,44 m2 (14,87 m2 geteilt durch 2) und einem Kaltmietpreis von 300 Euro entspricht dies einem Kaltmietpreis je m2 von 8,91 Euro je m2. Dies ist auch unter Berücksichtigung der Randmietlage zu Berlin ein unangemessener Mietpreis. Nach der Berliner Mietspiegeltabelle 2015 werden Netto-Kaltmieten in dieser Höhe allenfalls bei Neubauten der Jahre 2003 bis 2013 gezahlt. Ansonsten betragen danach Netto-Kaltmieten lediglich für Neubauten zwischen 1973 bis 1990 Ost bei einer Wohnfläche bis unter 40 m2 und guter Wohnlage und Ausstattung von durchschnittlich 7,88 Euro je m2, während die Netto-Kaltmieten des gesamten übrigen Wohnbestandes (abgesehen von Neubauten der Jahre 1991 bis 2002) deutlich darunter liegen und allenfalls höchstens bei durchschnittlich 6 Euro bis 6,50 Euro je m2 anzusiedeln sind. Es ist zusätzlich zu berücksichtigen, dass die nach der Berliner Mietspiegeltabelle 2015 genannten Netto-Kaltmieten im an Berlin angrenzenden Umland wie in Panketal ohnehin nicht erreicht werden und es sich vorliegend um einen Untermietvertrag handelt, der keine in sich abgeschlossene Wohnung umfasst. Diese Gesichtspunkte lassen eine noch niedrigere Netto-Kaltmiete für eine Wohnung wie die der Antragstellerinnen erwarten. Ist mithin ein Kaltmietpreis von 8,91 Euro je m2 für die Vermietung der von den Antragstellerinnen bewohnten Wohnung an einen fremden Dritten bereits ungewöhnlich, gilt dieses erst Recht für eine Vermietung an Verwandte, wie im vorliegenden Fall die eigene Tochter des Vermieters. Es mag zwar nicht ausgeschlossen sein, dass eine Wohnung an einen solch nahen Verwandten zu demselben Kaltmietpreis wie an einen fremden Dritten vermietet wird. Ob es allerdings die Regel darstellt, dass sich Eltern und Großeltern gegenüber ihren Kindern und Enkelkindern in dieser Art und Weise angesichts derer Mittellosigkeit tatsächlich verhalten, mag dahinstehen. Es erscheint jedoch völlig unverständlich, eine nicht einmal von einem fremden Dritten erzielbare Netto-Kaltmiete von einem solchen nahen Angehörigen in einer solchen finanziellen Notlage zu verlangen. Die Vereinbarung einer unangemessenen Miete erklärt sich in dieser Situation allein vor dem Hintergrund, einen anderen für eine solche Miete aufkommen zu lassen. Ist dies jedoch der Zweck dieser Vereinbarung, erweist sie sich als nichtig, weil die Personen, die diese Vereinbarung geschlossen haben, sie ohne diesen Zweck überhaupt nicht geschlossen hätten. Es gibt zudem keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass die Antragstellerinnen sich bemüht hätten, die geforderte Miete wenigstens teilweise zu begleichen. Das Sozialgericht hat den Weg aufgezeigt, wie dies hätte geschehen können. Angesichts der sich aus der Nichtzahlung der Miete ergebenden Gefährdung des Mietverhältnisses hätte ein Mieter, der nicht mit dem Vermieter verwandtschaftlich verbunden ist, wohl zumindest, um seinen guten Willen an der Ernsthaftigkeit, den Mietvertrag doch letztendlich zu erfüllen, einen solchen Weg gewählt und zumindest ratenweise Teilzahlungen der Miete vorgenommen. Die Antragstellerinnen haben sich trotz der Ausführungen des Antragsgegners im Bescheid vom 20. März 2015 und im Widerspruchsbescheid vom 5. Juni 2015 und trotz des entsprechenden Vorbringens des Antragsgegners im gerichtlichen Verfahren zu dem Sachverhalt einer nicht ernsthaft gewollten Verpflichtung zur Mietzahlung in keiner Weise geäußert. Mithin sind Argumente dafür, dass der Untermietvertrag vom 9. November 2014 einem auch zwischen Fremden geschlossenen Untermietvertrag gerecht werden könnte, nicht ersichtlich.
Die Beschwerde muss somit, soweit sie den Erlass einer einstweiligen Anordnung betrifft, erfolglos bleiben. Dasselbe gilt, soweit die Bewilligung von Prozesskostenhilfe abgelehnt worden ist.
Nach § 73 a Abs. 1 Satz 1 SGG in Verbindung mit § 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO erhält auf Antrag Prozesskostenhilfe ein Beteiligter, der nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig (§ 114 Abs. 2 ZPO) erscheint.
Hinreichende Erfolgsaussicht ist anzunehmen, wenn der Erfolg eine gewisse Wahrscheinlichkeit für sich hat. Dies ist der Fall, wenn der Rechtsstandpunkt des Prozesskostenhilfe beantragenden Beteiligten für zutreffend oder zumindest für vertretbar gehalten werden kann und somit die Möglichkeit seines Obsiegens ebenso wahrscheinlich wie sein Unterliegen ist (vgl. Meyer-Ladewig, a. a. O., § 73a Rdnrn. 7a und 7d).
Wie ausgeführt haben die genannten Voraussetzungen nicht vorgelegen.
Nach alledem kommt auch die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren nicht in Betracht.
Die Kostenentscheidung folgt aus der entsprechenden Anwendung des § 193 Abs. 1 SGG und entspricht dem Ergebnis des Beschwerdeverfahrens. Kosten des Beschwerdeverfahrens, soweit sie die Ablehnung der Bewilligung von Prozesskostenhilfe betreffen, werden ohnehin nicht erstattet (§ 73 Abs. 1 Satz 1 SGG i. V. m. § 127 Abs. 4 ZPO).
Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden (§ 177 SGG).
Gründe:
I.
Die Antragstellerinnen begehren vom Antragsgegner höhere Kosten der Unterkunft und Heizung für die Zeit vom 1. März 2015 bis 31. August 2015.
Die im September 1984 geborene Antragstellerin zu 1 und ihre am 16. Juli 2003 geborene Tochter, die Antragstellerin zu 2, bezogen bis 28. Februar 2015 Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) vom Jobcenter Berlin-Pankow (Änderungsbescheid vom 22. November 2014). Das Jobcenter Berlin-Pankow hatte deren Antrag auf Erteilung einer Zusicherung zum Umzug abgelehnt (Bescheid vom 9. Dezember 2014).
Die Antragstellerin zu 1 als Untermieterin und ihr Vater J H als Hauptmieter hatten am 9. November 2014 einen Untermietvertrag über Wohnräume im Erdgeschoss in der Bstraße in P geschlossen. Danach sind der Antragstellerin zu 1 ab 1. März 2015 2 der insgesamt 3 Zimmer und zur gemeinsamen Mitbenutzung Küche, Bad und WC bei einer Kaltmiete von 300 Euro und einer Nebenkostenpauschale von 150 Euro, insgesamt 450 Euro monatlich vermietet. Bei einer Gesamtwohnfläche von 140 m2 umfassen der untervermietete Wohnflächenanteil 26,21 m2 und die zur Mitbenutzung überlassenen Räume insgesamt 14,87 m2.
Die Antragstellerinnen bewohnen seit 1. März 2015 in Bedarfsgemeinschaft die gemietete Wohnung. In den Wohnräumen des Hauptmieters J H lebt auch noch seine Ehefrau B H.
Den im Januar 2015 von den Antragstellerinnen gestellten Antrag lehnte der Antragsgegner mit Bescheid vom 20. März 2015 für die Zeit vom 1. März 2015 bis 31. August 2015 ab: Aufgrund der Höhe des anzurechnenden Einkommens seien die Antragstellerinnen nicht hilfebedürftig. Eigentümer des genutzten Wohnraumes seien die Eltern. Die Antragstellerin stehe keiner ernsthaften zivilrechtlichen Forderung gegenüber und habe daher keinen Anspruch auf Übernahme der beantragten Kosten der Unterkunft. Die Hauslasten seien jeweils im Monat ihrer Fälligkeit in den Bedarf aufgenommen worden. Diese seien, soweit sie angemessen seien, im Fall der Antragsteller zu 50 v. H. berücksichtigt worden.
Mit dem dagegen eingelegten Widerspruch machten die Antragstellerinnen geltend, die Kosten der Unterkunft seien nur mit durchschnittlich 53,14 Euro in Ansatz gebracht worden, obwohl die Mietpauschale nach dem Mietvertrag 450 Euro betrage.
Mit Bescheid vom 27. Mai 2015 bewilligte der Antragsgegner den Antragstellerinnen für die Zeit vom 1. März 2015 bis 31. August 2015 vorläufig Leistungen für März 2015 von 125,30 Euro, für Juli 2015 von 33,01 Euro und für August 2015 von 176,15 Euro. Für die anderen Monate lehnte er Leistungen ab. Das zu berücksichtigende Einkommen aus Erwerbstätigkeit ermittelte er ab Mai 2015 ausschließlich vorläufig aus dem Durchschnitt der Monate Oktober 2014 bis März 2015. Kosten der Unterkunft (und Heizung) berücksichtigte er lediglich für März 2015 mit 49,12 Euro, für Mai 2015 mit 53,14 Euro und für August 2015 mit 53,14 Euro.
Mit dem am 29. Mai 2015 beim Sozialgericht Frankfurt (Oder) eingegangenen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung beanspruchten die Antragstellerinnen, den Antragsgegner vorläufig zu verpflichten, ihnen gegebenenfalls darlehensweise Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts zu bewilligen. Sie haben vorgetragen, der Gesamtbedarf betrage 713,88 Euro zuzüglich 450 Euro (Miete), mithin 1.163,88 Euro. Abzüglich des vom Antragsgegner berechneten Einkommens von 799,29 Euro ergebe sich ein Bedarf von ca. 364,59 Euro, so dass der Antragsgegner zu verpflichten sei, diesen Betrag vorläufig zu bewilligen. Die Antragstellerinnen haben darauf hingewiesen, dass ihnen inzwischen der Vermieter mit dem beigefügten Schreiben vom 15. Mai 2015 mitgeteilt habe, dass bis zum Monat Mai 2015 ein Rückstandsbetrag in Höhe von 1.800 Euro offen sei, und angekündigt habe, den Mietvertrag zu kündigen.
Der Antragsgegner hat gemeint, es bestehe keine gegenwärtige akute Notlage. Der Mietvertrag werde nicht gelebt. Es sprächen wichtige Gründe dafür anzunehmen, dass der Mietvertrag jedenfalls nicht in der gehörigen Form tatsächlich vollzogen werde, wie dies üblicherweise im Rahmen von gegenseitigen Schuldverhältnissen üblich sei. Zur Glaubhaftmachung der gegenteiligen Position sei nichts Substantielles beigebracht worden.
Mit Widerspruchsbescheid vom 5. Juni 2015, gegen den die Antragstellerinnen Klage beim Sozialgericht Frankfurt (Oder) erhoben haben, wies der Antragsgegner den Widerspruch zurück: Es bestünden ernsthafte Zweifel an der Wirksamkeit des Mietvertrages. Es sprächen überwiegende Gründe für den Umstand eines Vertrages zu Lasten Dritter. Es ergebe sich bei einer Wohnfläche von ca. 26 m2 zuzüglich Mitbenutzung von Küche, Bad und Flur von insgesamt ca. 9,4 m2 (flächenmäßig zur Hälfte berücksichtigt) bei einem Kaltmietpreis von 300 Euro ein Kaltmietpreis von 8,47 Euro je m2, was in etwa dem Zweifachen des angemessenen Betrages entspräche. Eine ernsthafte Mietforderung in dieser Höhe sei örtlich unüblich und offensichtlich auch außerhalb des Rechtskreises des SGB II unangemessen. Bei verständiger Würdigung der Lebensumstände hätte wohl kein fremder Dritter einen solchen Vertrag zu diesen Konditionen abgeschlossen. Mithin erfolge die Berücksichtigung der Kosten für Unterkunft und Heizung analog eines Eigenheims. An Unterkunftskosten seien bisher lediglich die Gebühren für Wasser und Abwasser nachgewiesen worden. Die Kosten würden im März in Höhe von 98,23 Euro und im Mai und August jeweils in Höhe von 90 Euro berücksichtigt. Bedarfe für Unterkunft und Heizung würden unabhängig vom Alter der Haushaltsmitglieder nach Kopfzahl der Wohnungsbewohner zu gleichen Teilen aufgeteilt. Da neben den leistungsberechtigten Personen der Bedarfsgemeinschaft noch zwei weitere Personen in der Hausgemeinschaft lebten, betrage der für die Bedarfsgemeinschaft anteilige Bedarf 49,12 Euro im März sowie jeweils 45 Euro im Mai und August 2015.
Mit Beschluss vom 10. Juli 2015 hat das Sozialgericht die Anträge auf Erlass einer einstweiligen Anordnung und auf Gewährung von Prozesskostenhilfe abgelehnt: Den Antragstellerinnen sei es bereits nicht gelungen, einen Anordnungsgrund hinsichtlich der Übernahme weiterer Kosten für Unterkunft und Heizung glaubhaft zu machen. Soweit die Antragstellerinnen solche Kosten in Höhe von insgesamt 450 Euro begehrten, seien sie darauf zu verweisen, dass im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes eine Bedürftigkeit für Unterkunftskosten nur dann anzunehmen sei, wenn Obdachlosigkeit drohe bzw. eine Räumungsklage anhängig sei, mithin die Unterkunft aktuell gefährdet sei. Eine solche Gefährdung sei in der Regel frühestens ab Zustellung einer Räumungsklage anzunehmen. Nach Erhebung und Zustellung der Räumungsklage bliebe noch zwei Monate Zeit, den Verlust der Wohnung abzuwenden. Gemäß § 569 Abs. 3 Nr. 2 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) werde die auf die Mietrückstände gestützte außerordentliche fristlose Kündigung unwirksam, wenn der Vermieter spätestens bis zum Ablauf von 2 Monaten nach Eintritt der Rechtshängigkeit des Räumungsanspruches hinsichtlich der fälligen Miete und der fälligen Entschädigung nach § 546 a Abs. 1 BGB befriedigt werde oder sich eine öffentliche Stellung zur Befriedigung verpflichte. Eine Räumungsklage sei weder ersichtlich noch werde sie behauptet. Insoweit nach dem gerichtlichen Hinweis von den Antragstellerinnen vorgebracht worden sei, dass der Vermieter, der Vater der Antragstellerin zu 1, am 15. Juni 2015 schriftlich angekündigt habe, den Mietvertrag wegen bestehender Mietrückstände zu kündigen, sei darauf hinzuweisen, dass das alleinige Bestehen eines (außerordentlichen fristlosen) Kündigungsgrundes, vorliegend nicht genüge. Zwar gelte es zu beachten, dass der Ausgleich der Mietrückstände innerhalb der Frist des § 569 Abs. 3 Nr. 2 BGB nicht ohne Weiteres eine fristgemäße Kündigung unwirksam werden lasse. Allerdings sei eine solche ordentliche Kündigung mit Blick auf das Schreiben vom 15. Juni 2015 bisher noch nicht ausgesprochen. Der Vater der Antragstellerin zu 1 stelle eine Kündigung nämlich bislang nur für September 2015 in Aussicht, sofern die Antragstellerin zu 1 nicht in der Lage sei, das Mietkonto umgehend zu begleichen. Unabhängig hiervon erscheine es derweil als fragwürdig, ob in Anbetracht der engen verwandtschaftlichen Beziehung tatsächlich eine Kündigung im September 2015 erfolgen werde. Dabei gelte es zu berücksichtigen, dass die Antragstellerin zu 1 Einkommen aus abhängiger Erwerbstätigkeit erziele, welches der Freibetragsregelung des § 11 b SGB II unterfalle. Teile hiervon könne sie bereits jetzt zumindest zur anteiligen Begleichung des Mietzinzes bzw. der angefallenen Mietschulden bei ihren Eltern verwenden und so quasi im Kompromisswege einer etwaigen Kündigung entgegenwirken.
Gegen den ihrem Verfahrensbevollmächtigten am 14. Juli 2015 zugestellten Beschluss richtet sich die am 21. Juli 2015 eingelegte Beschwerde der Antragstellerinnen, mit der zugleich Bewilligung von Prozesskostenhilfe beantragt worden ist.
Sie sind der Ansicht, jedenfalls für die Zeit ab Inanspruchnahme des einstweiligen Rechtsschutzes am 27.Mai 2015 sei eine erhebliche wirtschaftliche Notlage glaubhaft gemacht worden. Das Ausbleiben der Leistungen für die Kosten der Unterkunft führe zu Mietschulden, die generell geeignet seien, den Erhalt der Unterkunft zu gefährden. Auch wenn im vorliegenden Fall der Vermieter das Mietverhältnis nicht gekündigt habe, habe er jedoch mit Schreiben vom 15. Juni 2015 die ausstehenden Mietzahlungen angemahnt und dadurch zu erkennen gegeben, dass er nicht bereit sei, auf Mietzahlungen zu verzichten. Er habe außerdem angedroht, nach dem September 2015 die Wohnung zu kündigen. Der Leistungsanspruch der Antragstellerinnen ergebe sich aus den Berechnungen des Bewilligungsbescheides, soweit ihm gefolgt werden könne.
Die Antragstellerinnen beantragen,
den Beschluss des Sozialgerichts Frankfurt (Oder) vom 10. Juli 2015 aufzuheben und den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, den Antragstellerinnen vorläufig weitere Leistungen für die Kosten der Unterkunft in Höhe von insgesamt 364,59 Euro monatlich im Zeitraum von April, Juni und Juli 2015, im März 2015 315,47 Euro (364,59 Euro minus 49,12 Euro) und im Mai und August 2015 311,54 Euro (364,59 Euro minus 53,14 Euro) zu gewähren und den Antragstellerinnen für das erstinstanzliche und das Beschwerdeverfahren Prozesskostenhilfe zu bewilligen.
Der Antragsgegner beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Er bezieht sich auf die Ausführungen des angefochtenen Beschlusses.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Verfahrensstandes sowie des sonstigen Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten und die beigezogene Verwaltungsakte des Antragsgegners (), die bei der Entscheidung vorgelegen haben, verwiesen.
II.
Die zulässige Beschwerde ist unbegründet.
Das Sozialgericht hat den Erlass einer einstweiligen Anordnung und den dazu gestellten Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe im Ergebnis zu Recht abgelehnt. Ein Anordnungsanspruch ist nicht glaubhaft gemacht. Ein Anordnungsgrund wäre hingegen entgegen der Ansicht des Sozialgerichts und auch entgegen der bisher vom Senat vertretenen Rechtsansicht, an der er nicht mehr festhält, glaubhaft gemacht.
Nach § 86 b Abs. 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) kann das Gericht der Hauptsache eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis treffen, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint (so genannte Regelungsanordnung). Voraussetzung sind ein Anordnungsanspruch und ein Anordnungsgrund, welche glaubhaft zu machen sind (§ 86 b Abs. 2 Satz 4 i. V. m. § 920 Abs. 2 Zivilprozessordnung - ZPO). Ein Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund sind glaubhaft gemacht, wenn die tatsächlichen Voraussetzungen überwiegend wahrscheinlich sind, dies erfordert, dass mehr für als gegen die Richtigkeit der Angaben spricht (vgl. Keller in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Auflage § 86 b Rdnr. 16 b).
In einem auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gerichteten Verfahren beurteilt sich das Vorliegen eines Anordnungsgrundes nach dem Zeitpunkt, in dem das Gericht über den Antrag entscheidet. Im Beschwerdeverfahren ist dies der Zeitpunkt der Beschwerdeentscheidung (Landessozialgericht - LSG - Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 27. September 2006 - L 7 B 18/06 KA ER; unter Hinweis darauf Sächsisches LSG, Beschluss vom 06. Februar 2008 - L 2 B 601/07 AS-ER; vgl. auch LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 04. Januar 2008 - L 28 B 2130/07 AS ER und Sächsisches LSG, Beschluss vom 25. März 2008 - L 2 B 51/08 AS-ER, jeweils m. w. N.; LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 17. August 2005 - L 7 SO 2117/05 ER-B unter Hinweis auf seine weiteren Beschlüssen vom 15. Juni 2005 - L 7 SO 1594/05 ER-B und vom 01. August 2005 - L 7 AS 2875/05 ER-B jeweils m. w. N.). Dies ergibt sich daraus, dass in dem Erfordernis eines Anordnungsgrundes ein spezifisches Dringlichkeitselement enthalten ist, welches im Grundsatz nur Wirkungen für die Zukunft entfalten kann. Die rückwirkende Feststellung einer - einen zurückliegenden Zeitraum betreffenden - besonderen Dringlichkeit ist zwar rechtlich möglich. Sie kann jedoch in aller Regel nicht mehr zur Bejahung eines Anordnungsgrundes führen. Denn die prozessuale Funktion des einstweiligen Rechtsschutzes besteht vor dem Hintergrund des Art. 19 Abs. 4 GG darin, in dringenden Fällen effektiven Rechtsschutz zu gewährleisten, in denen eine Entscheidung im - grundsätzlich vorrangigen - Verfahren der Hauptsache zu spät käme, weil ohne sie schwere und unzumutbare, anders nicht abwendbare Nachteile entstünden, zu deren nachträglicher Beseitigung die Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr in der Lage wäre. Dies bedeutet aber zugleich, dass die Annahme einer besonderen Dringlichkeit und dementsprechend die Bejahung eines Anordnungsgrundes ausscheidet, soweit diese Dringlichkeit vor dem Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung vorgelegen hat, denn insoweit ist die besondere Dringlichkeit durch den Zeitablauf überholt. Das Abwarten einer Entscheidung im Verfahren der Hauptsache über den zurückliegenden Zeitraum ist dem Rechtssuchenden insoweit zumutbar (so LSG Berlin-Brandenburg, Beschlüsse vom 27. September 2006 - L 7 B 18/06 KA ER, vom 04. Januar 2008 - L 28 B 2130/07 AS ER und vom 04. März 2015 – L 32 AS 346/15 B ER). Ausnahmsweise kann das Gebot des effektiven Rechtsschutzes nach Art. 19 Abs. 4 GG auch die Annahme eines Anordnungsgrundes für zurückliegende Zeiträume verlangen, so insbesondere dann, wenn anderenfalls effektiver Rechtsschutz im Hauptsacheverfahren nicht erlangt werden kann, weil bis zur Entscheidung im Verfahren der Hauptsache Fakten zum Nachteil des Rechtssuchenden geschaffen worden sind, die sich durch eine stattgebende Entscheidung im Verfahren der Hauptsache nicht oder nicht hinreichend rückgängig machen lassen (LSG Berlin-Brandenburg, Beschlüsse vom 27. September 2006 und vom 04. Januar 2008). Dasselbe kann gelten, wenn ein besonderer Nachholbedarf besteht, wenn also die Nichtgewährung der begehrten Leistung in der Vergangenheit noch in die Zukunft fortwirkt und daher eine weiterhin gegenwärtige, die einstweilige Anordnung rechtfertigende Notlage begründet. Dies kann gegeben sein, wenn der Antragsteller zur Bestreitung seines notwendigen Lebensunterhalts Verbindlichkeiten eingegangen ist, deren Tilgung unmittelbar bevorsteht. Es ist ferner denkbar, dass im vergangenen Zeitraum vorgenommene Einsparungen nachwirken (Sächsisches LSG, Beschluss vom 25. März 2008 - L 2 B 51/08 AS-ER m. w. N.). Ebenso kann dies gegeben sein, wenn ein Vermieter die Räumungsklage angestrengt hat und der Antragsteller den Verlust seiner Wohnung befürchten muss (so auch Hessisches Landessozialgericht, 7. Senat, Beschluss vom 20. Juni 2005 – L 7 AL 100/05 ER; LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 04. März 2015 – L 32 AS 346/15 B ER).
Ausgehend davon kämen im Hinblick auf einen Anordnungsgrund (höhere) Leistungen für Unterkunft und Heizung zwar erst ab dem Zeitpunkt der Entscheidung im Beschwerdeverfahren in Betracht. Für eine Zeit davor könnten solche Leistungen nicht vorläufig zugesprochen werden, weil dies in der Regel nur zur Behebung einer gegenwärtigen Notlage zu erfolgen hat. Allerdings könnte vorliegend ein besonderer Nachholbedarf bestehen, denn die Nichtgewährung der begehrten Leistungen für die Vergangenheit könnte deswegen in die Zukunft fortwirken, weil ansonsten der Verlust der Wohnung droht.
Zwar kann gemäß § 569 Abs. 3 Nr. 2 Satz 1 BGB die fristlose Kündigung mit Begleichung der Mietschulden abgewandt werden, wenn der Vermieter spätestens bis zum Ablauf von 2 Monaten nach Eintritt der Rechtshängigkeit des Räumungsanspruchs hinsichtlich der fälligen Miete und der fälligen Entschädigung nach § 546 a Abs. 1 BGB befriedigt wird oder sich eine öffentliche Stellung zur Befriedigung verpflichtet hat, worauf das Sozialgericht zutreffend hingewiesen hat. Allerdings kann damit die ordentliche Kündigung nicht abgewendet werden, denn die Vorschrift ist nicht anwendbar bei einer Kündigung gemäß § 573 Abs. 2 Nr. 1 BGB. Danach kann der Vermieter kündigen, wenn er ein berechtigtes Interesses an der Beendigung des Mietverhältnisses hat, wobei ein berechtigtes Interesse insbesondere vorliegt, wenn der Mieter seine vertraglichen Pflichten schuldhaft nicht unerheblich verletzt hat. Soweit der Kündigungsgrund des § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 BGB erfüllt wird, ist die Kündigung auf jeden Fall gerechtfertigt (Bundesgerichtshof – BGH - Urteil vom 25. Oktober 2006 – VIII ZR 102/06, Rdnr. 9, zitiert nach juris, abgedruckt in NJW 2007, 428). Nach dieser Vorschrift gilt: Ein wichtiger Grund liegt insbesondere vor, wenn der Mieter a) für zwei aufeinanderfolgende Termine mit der Entrichtung der Miete oder eines nicht unerheblichen Teils der Miete in Verzug ist oder b) in einem Zeitraum, der sich über mehr als 2 Termine erstreckt, mit der Entrichtung der Miete in Höhe eines Betrages in Verzug ist, der die Miete für zwei Monate erreicht.
Die Voraussetzungen dieser Vorschrift sind glaubhaft gemacht, da nach dem Schreiben des Vermieters J H vom 15. Juni 2015 bis zum Monat Mai 2015 ein (Miet)Betrag in Höhe von 1.800 Euro offen ist. Bei einer monatlichen Miete von 450 Euro ist die Antragstellerin zu 1 als Untermieterin für zwei aufeinanderfolgende Termine und auch in Höhe eines Betrages, der die Miete für zwei Monate erreicht, in Verzug.
Wird die ordentliche Kündigung ausgesprochen, kann die Befriedigung des Vermieters hinsichtlich der fälligen Miete nicht zur Unwirksamkeit der Kündigung des Mietverhältnisses führen, denn § 569 Abs. 3 Nr. 2 Satz 1 BGB findet nach der Rechtsprechung des BGH bei einer Kündigung nach § 573 Abs. 1 Satz 1 BGB keine Anwendung (BGH, Urteil vom 25. Oktober 2006 – VIII ZR 102/06, Rdnr. 11, zitiert nach juris, m. w. N.).
Die im Schreiben des Vermieters vom 15. Juni 2015 angekündigte Kündigung zum September 2015 wäre nicht nur als fristlose Kündigung, sondern auch als ordentliche Kündigung möglich. Nach § 573 c Abs. 1 BGB ist die Kündigung spätestens am dritten Werktag eines Kalendermonats zum Ablauf des übernächsten Monats zulässig. Die Kündigungsfrist für den Vermieter verlängert sich nach 5 und 8 Jahren seit der Überlassung des Wohnraums um jeweils drei Monate. Eine bis zum dritten Werktag des Juli 2015 erklärte ordentliche Kündigung hätte damit eine Beendigung des Untermietvertrages zum 30. September 2015 zur Folge gehabt. Es ist daher zu erwarten, auch wenn eine solche ordentliche Kündigung bisher noch nicht ausgesprochen wurde, dass eine solche jederzeit erklärt werden kann. Soweit das Sozialgericht gemeint hat, eine solche ordentliche Kündigung sei bislang noch nicht ausgesprochen, steht dies der Annahme eines Anordnungsgrundes gerade nicht entgegen. Vielmehr wäre eine schon erfolgte ordentliche Kündigung der maßgebende Gesichtspunkt, einen Anordnungsgrund zu verneinen, denn auch eine Zahlung der insbesondere für die Vergangenheit ausstehenden Mietschulden könnte die durch die wirksame Kündigung eintretende Obdachlosigkeit nicht verhindern.
Ein Anordnungsanspruch ist allerdings nicht glaubhaft gemacht. Es ist nicht überwiegend wahrscheinlich, dass dem am 9. November 2014 geschlossenen Untermietvertrag ernstlich gemeinte Willenserklärungen zugrunde liegen. Wird eine Willenserklärung, die einem anderen gegenüber abzugeben ist, mit dessen Einverständnis nur zum Schein abgegeben, so ist sie nach § 117 Abs. 1 BGB nichtig.
Ein solcher Sachverhalt ist hier naheliegend. Um der Gefahr eines Missbrauchs von Steuermitteln entgegenzuwirken, ist es geboten, an den Nachweis und die Ernstlichkeit eines Vertrages unter Verwandten strenge Anforderungen zu stellen. Die Wahrung von im Geschäftsverkehr üblichen Modalitäten kann dabei als ein Indiz dafür gewertet werden, dass ein Vertrag wirklich gewollt wird. Es ist dabei jedoch nicht erforderlich, dass sowohl die Gestaltung als auch die Durchführung des Vereinbarten in jedem Punkte dem zwischen Fremden Üblichen zu entsprechen hat. Die mit dem strengen Fremdvergleich verbundenen Beschränkungen für die Vertragsgestaltung würden weder den tatsächlichen Verhältnissen noch der grundsätzlich gebotenen Respektierung familiärer Vertrauensbeziehungen gerecht. Demgegenüber kann gegen die Glaubhaftigkeit eines Vertrages sprechen, dass sich für die mit ihm getroffenen Regelungen ein plausibler Grund nicht feststellen lässt. Es sind insoweit alle relevanten Umstände des Einzelfalls einzustellen. Weil und soweit der für den Hilfebedürftigen günstige Umstand, dass eine vereinbarte, aber bisher in keiner Weise vollzogene Verpflichtung, seine Sphäre trifft, obliegen ihm bei der Aufklärung der erforderlichen Tatsachen Mitwirkungspflichten; die Nichterweislichkeit der Tatsachen geht zu seinen Lasten (vgl. zum Darlehen unter Verwandten: BSG, Urteil vom 17. Juni 2010 – B 14 AS 46/09 R, Rdnrn. 21 und 22 zitiert nach juris, abgedruckt in BSGE, 106, 185 = SozR 4-4200 § 11 Nr. 30).
Nach Maßgabe dessen hält es der Senat nicht für überwiegend wahrscheinlich, dass der Untermietvertrag vom 9. November 2014 ernstlich gewollt ist. Der Antragsgegner weist zu Recht in seinem Widerspruchsbescheid vom 5. Juni 2015 daraufhin, dass der nach dem Untermietvertrag sich rechnerisch ergebende Kaltmietpreis Euro je m2 bei einem Kaltmietpreis von 300 Euro ersichtlich unangemessen und unüblich ist. Bei einer Wohnfläche von 26,21 m2 zuzüglich der mitbenutzten Fläche für Küche, Bad und WC von 7,44 m2 (14,87 m2 geteilt durch 2) und einem Kaltmietpreis von 300 Euro entspricht dies einem Kaltmietpreis je m2 von 8,91 Euro je m2. Dies ist auch unter Berücksichtigung der Randmietlage zu Berlin ein unangemessener Mietpreis. Nach der Berliner Mietspiegeltabelle 2015 werden Netto-Kaltmieten in dieser Höhe allenfalls bei Neubauten der Jahre 2003 bis 2013 gezahlt. Ansonsten betragen danach Netto-Kaltmieten lediglich für Neubauten zwischen 1973 bis 1990 Ost bei einer Wohnfläche bis unter 40 m2 und guter Wohnlage und Ausstattung von durchschnittlich 7,88 Euro je m2, während die Netto-Kaltmieten des gesamten übrigen Wohnbestandes (abgesehen von Neubauten der Jahre 1991 bis 2002) deutlich darunter liegen und allenfalls höchstens bei durchschnittlich 6 Euro bis 6,50 Euro je m2 anzusiedeln sind. Es ist zusätzlich zu berücksichtigen, dass die nach der Berliner Mietspiegeltabelle 2015 genannten Netto-Kaltmieten im an Berlin angrenzenden Umland wie in Panketal ohnehin nicht erreicht werden und es sich vorliegend um einen Untermietvertrag handelt, der keine in sich abgeschlossene Wohnung umfasst. Diese Gesichtspunkte lassen eine noch niedrigere Netto-Kaltmiete für eine Wohnung wie die der Antragstellerinnen erwarten. Ist mithin ein Kaltmietpreis von 8,91 Euro je m2 für die Vermietung der von den Antragstellerinnen bewohnten Wohnung an einen fremden Dritten bereits ungewöhnlich, gilt dieses erst Recht für eine Vermietung an Verwandte, wie im vorliegenden Fall die eigene Tochter des Vermieters. Es mag zwar nicht ausgeschlossen sein, dass eine Wohnung an einen solch nahen Verwandten zu demselben Kaltmietpreis wie an einen fremden Dritten vermietet wird. Ob es allerdings die Regel darstellt, dass sich Eltern und Großeltern gegenüber ihren Kindern und Enkelkindern in dieser Art und Weise angesichts derer Mittellosigkeit tatsächlich verhalten, mag dahinstehen. Es erscheint jedoch völlig unverständlich, eine nicht einmal von einem fremden Dritten erzielbare Netto-Kaltmiete von einem solchen nahen Angehörigen in einer solchen finanziellen Notlage zu verlangen. Die Vereinbarung einer unangemessenen Miete erklärt sich in dieser Situation allein vor dem Hintergrund, einen anderen für eine solche Miete aufkommen zu lassen. Ist dies jedoch der Zweck dieser Vereinbarung, erweist sie sich als nichtig, weil die Personen, die diese Vereinbarung geschlossen haben, sie ohne diesen Zweck überhaupt nicht geschlossen hätten. Es gibt zudem keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass die Antragstellerinnen sich bemüht hätten, die geforderte Miete wenigstens teilweise zu begleichen. Das Sozialgericht hat den Weg aufgezeigt, wie dies hätte geschehen können. Angesichts der sich aus der Nichtzahlung der Miete ergebenden Gefährdung des Mietverhältnisses hätte ein Mieter, der nicht mit dem Vermieter verwandtschaftlich verbunden ist, wohl zumindest, um seinen guten Willen an der Ernsthaftigkeit, den Mietvertrag doch letztendlich zu erfüllen, einen solchen Weg gewählt und zumindest ratenweise Teilzahlungen der Miete vorgenommen. Die Antragstellerinnen haben sich trotz der Ausführungen des Antragsgegners im Bescheid vom 20. März 2015 und im Widerspruchsbescheid vom 5. Juni 2015 und trotz des entsprechenden Vorbringens des Antragsgegners im gerichtlichen Verfahren zu dem Sachverhalt einer nicht ernsthaft gewollten Verpflichtung zur Mietzahlung in keiner Weise geäußert. Mithin sind Argumente dafür, dass der Untermietvertrag vom 9. November 2014 einem auch zwischen Fremden geschlossenen Untermietvertrag gerecht werden könnte, nicht ersichtlich.
Die Beschwerde muss somit, soweit sie den Erlass einer einstweiligen Anordnung betrifft, erfolglos bleiben. Dasselbe gilt, soweit die Bewilligung von Prozesskostenhilfe abgelehnt worden ist.
Nach § 73 a Abs. 1 Satz 1 SGG in Verbindung mit § 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO erhält auf Antrag Prozesskostenhilfe ein Beteiligter, der nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig (§ 114 Abs. 2 ZPO) erscheint.
Hinreichende Erfolgsaussicht ist anzunehmen, wenn der Erfolg eine gewisse Wahrscheinlichkeit für sich hat. Dies ist der Fall, wenn der Rechtsstandpunkt des Prozesskostenhilfe beantragenden Beteiligten für zutreffend oder zumindest für vertretbar gehalten werden kann und somit die Möglichkeit seines Obsiegens ebenso wahrscheinlich wie sein Unterliegen ist (vgl. Meyer-Ladewig, a. a. O., § 73a Rdnrn. 7a und 7d).
Wie ausgeführt haben die genannten Voraussetzungen nicht vorgelegen.
Nach alledem kommt auch die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren nicht in Betracht.
Die Kostenentscheidung folgt aus der entsprechenden Anwendung des § 193 Abs. 1 SGG und entspricht dem Ergebnis des Beschwerdeverfahrens. Kosten des Beschwerdeverfahrens, soweit sie die Ablehnung der Bewilligung von Prozesskostenhilfe betreffen, werden ohnehin nicht erstattet (§ 73 Abs. 1 Satz 1 SGG i. V. m. § 127 Abs. 4 ZPO).
Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden (§ 177 SGG).
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