Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
2
1. Instanz
SG Frankfurt (HES)
Aktenzeichen
S 6 R 148/13
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 2 R 153/14
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 13 R 25/15 R
Datum
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 20. März 2014 wird zurückgewiesen.
II. Die Beklagte hat auch die Kosten des Berufungsverfahrens zu erstatten.
III. Der Streitwert wird auf 1.702,61 EUR festgesetzt.
IV. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Rücküberweisung von über den Tod einer Berechtigten hinaus gezahlten Rentenbeträgen.
Die 2012 verstorbene Rentnerin C. C. bezog Witwenrente aus der Versicherung ihres verstorbenen Ehemannes D. C. sowie eine Rente aus eigener Versicherung. Die Renten wurden auf das Konto der Rentnerin bei der Beklagten überwiesen. Am 28. November 2012 teilte der Rentenservice der Klägerin mit, dass die Rentnerin C. am xx. xxx 2012 verstorben sei. Überzahlt worden seien für den Monat Dezember 2012 772,18 EUR an Witwenrente sowie 930,43 EUR an Rente aus eigener Versicherung. Mit Schreiben vom 17. Januar 2013 forderte die Klägerin von der Beklagten den überzahlten Betrag in Höhe von 772,18 EUR zurück. Hierauf teilte die Beklagte der Klägerin mit Schreiben vom 29. Januar 2013 mit, der Kontostand habe zum Zeitpunkt des Renteneingangs am 30. November 2012 1.690,77 EUR betragen. Bei Eingang der Rückforderung habe der Kontostand 71,14 EUR am 29. Januar 2013 betragen. Einen Rückruf seitens des Postrentenservices habe die Beklagte nicht erhalten. Sie habe am 4. Dezember 2012 Kenntnis vom Tod der Rentenberechtigten erhalten. Es seien Bargeldabhebungen am Geldautomaten erfolgt. Verfügungsberechtigt über das Konto der Rentnerin sei Dr. E. C. gewesen. Die Beklagte legte Kontoauszüge zum Konto der C. C. vom 30. November 2012 bis 28. Januar 2013 vor. Mit Schreiben vom 17. Januar 2013 machte die Klägerin gegenüber der Beklagten zusätzlich die Rückforderung der für Dezember 2012 gezahlten Versichertenrente geltend. Mit Schreiben vom 29. Januar 2013 und 5. März 2013 forderte die Klägerin von der Beklagten die Überweisung des Gesamtbetrages in Höhe von 1.702,61 EUR (772,18 EUR + 930,43 EUR). Die Beklagte lehnte die Rücküberweisung mit Schreiben vom 7. März 2013 ab, weil zum Zeitpunkt der Rückforderung kein ausreichendes Guthaben auf dem Konto mehr vorhanden gewesen sei, aus welchem eine Rücküberweisung habe erfolgen können.
Am 26. März 2013 erhob die Klägerin beim Sozialgericht Frankfurt am Main Klage gegen die Beklagte. Die Beklagte habe sich hinsichtlich der Verfügungen ab dem 5. Dezember 2012 auf Auszahlung berufen. Zu diesem Zeitpunkt habe sie jedoch nach eigenen Angaben bereits Kenntnis vom Tod der Berechtigten gehabt. Die Verfügungen ab dem 5. Dezember 2012 seien somit keine den Rücküberweisungsanspruch mindernden anderweitigen Verfügungen. Die Beklagte könne sich nicht auf Auszahlung berufen. Es bestehe ein Rücküberweisungsanspruch in Höhe von insgesamt 1.702,61 EUR. Mit Urteil vom 20. März 2014 verurteilte das Sozialgericht die Beklagte, an die Klägerin 1.702,61 EUR zu zahlen. Zur Begründung seiner Entscheidung führte das Sozialgericht aus, soweit ein Geldinstitut vor Kenntnis des Rückforderungsverlangens und somit vor Kenntnis der Rechtswidrigkeit der Rentenleistung im Rahmen banküblicher Kontoführung anderweitige Verfügungen ausgeführt habe, solle es den Ausfall des Rentenversicherungsträgers nicht ersetzen müssen. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts sei die vom Gesetz ausdrücklich vorgeschriebene Berücksichtigung anderweitiger Verfügungen bis zum Zeitpunkt des Eingangs des Rückforderungsbegehrens so zu verstehen, dass sie auf der unterstellten Unkenntnis des Geldinstituts vom Tod des Leistungsberechtigten beruhe, weil ein Geldinstitut bis zum Eingang des Rücküberweisungsverlangens typischerweise weder vom Ableben des Kontoinhabers noch vom Vorbehalt zugunsten des Rentenversicherungsträgers wisse. Der Grund für die Berücksichtigung anderweitiger Verfügungen entfalle aber dann, wenn die dem Geldinstitut als fehlend unterstellte Kenntnis des gesetzlichen Vorbehaltes ausnahmsweise doch vorliege, so dass es ihn zu beachten in der Lage sei, wenn es also vom Ableben des Rentenempfängers bereits vor dem Rücküberweisungsverlangen des Rentenversicherungsträgers gewusst habe und zu einer entsprechenden Prüfung Anlass bestanden hätte (Hess. Landessozialgericht, Urteil vom 19. Februar 2013, Az.: L 2 R 262/12). Diese Rechtsansicht werde inzwischen von einer Vielzahl von Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit vertreten. Dem Bankinstitut würden auch keine unzumutbaren Prüfpflichten auferlegt. Lediglich bei Kenntnis vom Tod des Rentenempfängers sei es dem Bankinstitut auferlegt, entsprechend dem Vorbehalt des § 118 Abs. 3 Satz 1 Sozialgesetzbuch VI (SGB VI) zu handeln. Zwar sei das Rücküberweisungsverlangen erst am 29. Januar 2013 bei der Beklagten eingegangen, nach den eigenen Angaben der Beklagten habe diese jedoch seit 4. Dezember 2012 Kenntnis vom Tod der Rentenberechtigten gehabt. Die Beklagte sei daher in der Lage gewesen, die unter Vorbehalt gezahlte Rente für Dezember 2012 vor Verfügungen Dritter zu schützen. Damit hafte die Beklagte vorliegend für die nach Kenntniserlangung vom Tod der Versicherten vorgenommenen Eingriffe in den Rentenschutzbetrag durch Ausführung verschiedenster Lastschriften und Überweisungen.
Am 28. April 2014 hat die Beklagte gegen das ihr am 26. März 2014 zugestellte Urteil Berufung eingelegt. Die Beklagte hat im Einzelnen umfangreich ausgeführt, dass die Kenntnis des Bankinstituts vom Tod des Rentenberechtigten kein Haftungsgrund sei. Eine andere Auslegung des § 118 Abs. 3 SGB VI widerspräche dem Willen des Gesetzgebers. Die Rechtsansicht des Sozialgerichts im angefochtenen Urteil sei unter keinem Gesichtspunkt haltbar, sondern widersprüchlich und fehlerhaft. Zum Vortrag der Beklagten im Einzelnen wird auf den Berufungsbegründungsschriftsatz vom 14. Mai 2014 verwiesen. Die von der Klägerin vorgenommene unsubstantiierte Auflistung von Gerichtsentscheidungen, mit der diese ihre Rechtsansicht zu untermauern versuche, sei nicht geeignet, den Anspruch der Klägerin zu begründen. Einem Ruhen des Verfahrens wegen des beim Bundessozialgericht (BSG) anhängigen Revisionsverfahrens B 5 R 26/14 R stimme die Beklagte nicht zu. Die Beklagte erstrebe ein eigenes Revisionsverfahren vor dem BSG, um alle von ihr aufgeführten Argumente vortragen und diese höchstrichterlich bewerten zu lassen.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 20. März 2014 aufzuheben und die Klage abzuweisen, soweit die Beklagte über einen Betrag in Höhe von 71,14 EUR hinaus zur Zahlung an die Klägerin verurteilt worden ist.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Klägerin hält das erstinstanzliche Urteil für zutreffend und verweist auf eine Vielzahl von Gerichtsentscheidungen, die ihre Ansicht stützten. Hierzu wird auf den Schriftsatz der Klägerin vom 29. Juli 2014 verwiesen.
Wegen der Einzelheiten im Übrigen wird auf die Gerichts- und Rentenakten, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist zulässig, aber unbegründet.
Das Sozialgericht hat mit dem angefochtenen Urteil zu Recht entschieden, dass die Beklagte verpflichtet ist, an die Klägerin 1.702,61 EUR zu zahlen.
Zur Begründung seiner Entscheidung bezieht sich der Senat gem. § 153 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils, denen er sich in vollem Umfang anschließt. Mit Urteil vom 19. Februar 2013 (Az.: L 2 R 262/12) hat der Senat bereits in einem gleichgelagerten Fall entschieden, dass ein Geldinstitut bereits vor Eingang des Rückforderungsverlangens des Rentenversicherungsträgers für Eingriffe in den Rentenschutzbetrag haftet, wenn es zuvor Kenntnis vom Tod des Rentenberechtigten hat. Der Senat sieht vorliegend keine Veranlassung, seine Rechtsansicht zu ändern.
Nach § 118 Abs. 3 SGB VI gelten Geldleistungen, die für die Zeit nach dem Tod des Berechtigten auf ein Konto bei einem Geldinstitut überwiesen werden, als unter Vorbehalt erbracht. Das Geldinstitut hat sie der überweisenden Stelle oder dem Träger der Rentenversicherung zurück zu überweisen, wenn diese sie als zu Unrecht erbracht zurückfordern. Eine Verpflichtung zur Rücküberweisung besteht nicht, soweit über den entsprechenden Betrag bei Eingang der Rückforderung bereits anderweitig verfügt wurde, es sei denn, dass die Rücküberweisung aus einem Guthaben erfolgen kann. Das Geldinstitut darf den überwiesenen Betrag auch nicht zur Befriedigung eigener Forderungen verwenden. Nach der Rechtsprechung des BSG zum Charakter des Vorbehalts nach § 118 Abs. 3 Satz 1 SGB VI bewirkt dieser die materielle Rechtswidrigkeit jeder Verfügung. Dies steht einem Auszahlungs- bzw. Entreicherungseinwand des Geldinstituts durch anderweitige Verfügungen entgegen. So lange jedoch das Geldinstitut vom Ableben des Rentenempfängers nichts weiß, ist es nicht in der Lage, diesen Vorbehalt zu kennen und ihm entsprechend zu handeln. Das BSG hat ausdrücklich dargelegt, dass die im Gesetz vorgeschriebene Berücksichtigung anderweitiger Verfügungen auf der unterstellten Unkenntnis vom Ableben des Rentenempfängers beruht. Wenn das Geldinstitut in Unkenntnis des gesetzlichen Vorbehaltes seine banküblichen Aufgaben als Zahlungsvermittler wahrnimmt und die faktische Zugriffsmöglichkeit auf den Rentenbetrag endgültig verliert, indem es ihn im Rahmen anderweitiger Verfügungen weiterleitet bzw. auszahlt, wird es von seiner Verpflichtung zur Rücküberweisung frei. Dem Kontoführungsvertrag entsprechende Verfügungen sind zu berücksichtigen, solange das Geldinstitut vom Ableben des Kontoinhabers nichts weiß (BSG, Urteil vom 22. April 2008, Az.: B 5a/4 R 79/06 R). Diese Erwägungen bedeuten aber im Umkehrschluss, dass das Geldinstitut mit der Kenntnis vom Tod des Berechtigten in der Lage ist, den Vorbehalt zu (er-)kennen. Damit kann es sich ab diesem Zeitpunkt nicht mehr auf den Auszahlungseinwand einer anderweitigen Verfügung berufen. Dem entspricht, dass das BSG auch im Rahmen seiner Urteile zur anonymen Barabhebung bzw. durch Vorlage des Sparbuchs darauf hingewiesen hat, dass die Annahme einer anderweitigen entlastenden Verfügung daran scheitern kann, dass bei dem Geldinstitut Kenntnis bzw. grobe Nichtkenntnis vorliegt (BSG, Urteil vom 5. Februar 2009, Az.: B 13 R 59/08 R). § 118 Abs. 3 Satz 3 1. Halbs. SGB VI ist zwar auch eine Schutzvorschrift für das Geldinstitut. Die Schutzwürdigkeit kann aber bei grober Fahrlässigkeit entfallen. Schutzwürdige Interessen des Geldinstituts liegen ebenso wenig vor, wenn dieses nach Kenntnis vom Tod des Berechtigten sehenden Auges weitere Verfügungen bzw. die Auflösung des Kontos zulässt. Mögliche zivilrechtliche Ansprüche des neuen Kontoinhabers bzw. zivilrechtliche Auszahlungsverpflichtungen des Geldinstituts greifen nicht, weil die Absätze 3 und 4 des § 118 SGB VI insoweit vorgehen (BSG, Urteil vom 22. April 2008, a.a.O.; Pflüger in jurisPK – SGB VI, 2. Aufl. 2013, § 118 SGB VI, Rdnr. 117 bis 121).
Auf der Grundlage der vorstehenden Ausführungen steht der Klägerin gegenüber der Beklagten der geltend gemachte Rücküberweisungsanspruch zu. Denn nach ihren eigenen Angaben hatte die Beklagte seit 4. Dezember 2012 Kenntnis vom Tod der C. C. Ab diesem Zeitpunkt wäre es der Beklagten möglich gewesen, die auf dem Konto der Verstorbenen eingehenden Rentenbeträge vor Zugriffen Dritter zu schützen. Eine potentielle Rücküberweisung wäre ausweislich der von der Beklagten vorgelegten Kontoauszüge auch seinerzeit aus einem Guthaben möglich gewesen.
Nach alledem konnte die Berufung keinen Erfolg haben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 SGG. Der Streitwert ergibt sich aus der Höhe der streitigen Geldsumme (§ 52 Gerichtskostengesetz).
Der Senat hat die Revision nach § 160 Abs. 2 SGG zugelassen.
II. Die Beklagte hat auch die Kosten des Berufungsverfahrens zu erstatten.
III. Der Streitwert wird auf 1.702,61 EUR festgesetzt.
IV. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Rücküberweisung von über den Tod einer Berechtigten hinaus gezahlten Rentenbeträgen.
Die 2012 verstorbene Rentnerin C. C. bezog Witwenrente aus der Versicherung ihres verstorbenen Ehemannes D. C. sowie eine Rente aus eigener Versicherung. Die Renten wurden auf das Konto der Rentnerin bei der Beklagten überwiesen. Am 28. November 2012 teilte der Rentenservice der Klägerin mit, dass die Rentnerin C. am xx. xxx 2012 verstorben sei. Überzahlt worden seien für den Monat Dezember 2012 772,18 EUR an Witwenrente sowie 930,43 EUR an Rente aus eigener Versicherung. Mit Schreiben vom 17. Januar 2013 forderte die Klägerin von der Beklagten den überzahlten Betrag in Höhe von 772,18 EUR zurück. Hierauf teilte die Beklagte der Klägerin mit Schreiben vom 29. Januar 2013 mit, der Kontostand habe zum Zeitpunkt des Renteneingangs am 30. November 2012 1.690,77 EUR betragen. Bei Eingang der Rückforderung habe der Kontostand 71,14 EUR am 29. Januar 2013 betragen. Einen Rückruf seitens des Postrentenservices habe die Beklagte nicht erhalten. Sie habe am 4. Dezember 2012 Kenntnis vom Tod der Rentenberechtigten erhalten. Es seien Bargeldabhebungen am Geldautomaten erfolgt. Verfügungsberechtigt über das Konto der Rentnerin sei Dr. E. C. gewesen. Die Beklagte legte Kontoauszüge zum Konto der C. C. vom 30. November 2012 bis 28. Januar 2013 vor. Mit Schreiben vom 17. Januar 2013 machte die Klägerin gegenüber der Beklagten zusätzlich die Rückforderung der für Dezember 2012 gezahlten Versichertenrente geltend. Mit Schreiben vom 29. Januar 2013 und 5. März 2013 forderte die Klägerin von der Beklagten die Überweisung des Gesamtbetrages in Höhe von 1.702,61 EUR (772,18 EUR + 930,43 EUR). Die Beklagte lehnte die Rücküberweisung mit Schreiben vom 7. März 2013 ab, weil zum Zeitpunkt der Rückforderung kein ausreichendes Guthaben auf dem Konto mehr vorhanden gewesen sei, aus welchem eine Rücküberweisung habe erfolgen können.
Am 26. März 2013 erhob die Klägerin beim Sozialgericht Frankfurt am Main Klage gegen die Beklagte. Die Beklagte habe sich hinsichtlich der Verfügungen ab dem 5. Dezember 2012 auf Auszahlung berufen. Zu diesem Zeitpunkt habe sie jedoch nach eigenen Angaben bereits Kenntnis vom Tod der Berechtigten gehabt. Die Verfügungen ab dem 5. Dezember 2012 seien somit keine den Rücküberweisungsanspruch mindernden anderweitigen Verfügungen. Die Beklagte könne sich nicht auf Auszahlung berufen. Es bestehe ein Rücküberweisungsanspruch in Höhe von insgesamt 1.702,61 EUR. Mit Urteil vom 20. März 2014 verurteilte das Sozialgericht die Beklagte, an die Klägerin 1.702,61 EUR zu zahlen. Zur Begründung seiner Entscheidung führte das Sozialgericht aus, soweit ein Geldinstitut vor Kenntnis des Rückforderungsverlangens und somit vor Kenntnis der Rechtswidrigkeit der Rentenleistung im Rahmen banküblicher Kontoführung anderweitige Verfügungen ausgeführt habe, solle es den Ausfall des Rentenversicherungsträgers nicht ersetzen müssen. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts sei die vom Gesetz ausdrücklich vorgeschriebene Berücksichtigung anderweitiger Verfügungen bis zum Zeitpunkt des Eingangs des Rückforderungsbegehrens so zu verstehen, dass sie auf der unterstellten Unkenntnis des Geldinstituts vom Tod des Leistungsberechtigten beruhe, weil ein Geldinstitut bis zum Eingang des Rücküberweisungsverlangens typischerweise weder vom Ableben des Kontoinhabers noch vom Vorbehalt zugunsten des Rentenversicherungsträgers wisse. Der Grund für die Berücksichtigung anderweitiger Verfügungen entfalle aber dann, wenn die dem Geldinstitut als fehlend unterstellte Kenntnis des gesetzlichen Vorbehaltes ausnahmsweise doch vorliege, so dass es ihn zu beachten in der Lage sei, wenn es also vom Ableben des Rentenempfängers bereits vor dem Rücküberweisungsverlangen des Rentenversicherungsträgers gewusst habe und zu einer entsprechenden Prüfung Anlass bestanden hätte (Hess. Landessozialgericht, Urteil vom 19. Februar 2013, Az.: L 2 R 262/12). Diese Rechtsansicht werde inzwischen von einer Vielzahl von Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit vertreten. Dem Bankinstitut würden auch keine unzumutbaren Prüfpflichten auferlegt. Lediglich bei Kenntnis vom Tod des Rentenempfängers sei es dem Bankinstitut auferlegt, entsprechend dem Vorbehalt des § 118 Abs. 3 Satz 1 Sozialgesetzbuch VI (SGB VI) zu handeln. Zwar sei das Rücküberweisungsverlangen erst am 29. Januar 2013 bei der Beklagten eingegangen, nach den eigenen Angaben der Beklagten habe diese jedoch seit 4. Dezember 2012 Kenntnis vom Tod der Rentenberechtigten gehabt. Die Beklagte sei daher in der Lage gewesen, die unter Vorbehalt gezahlte Rente für Dezember 2012 vor Verfügungen Dritter zu schützen. Damit hafte die Beklagte vorliegend für die nach Kenntniserlangung vom Tod der Versicherten vorgenommenen Eingriffe in den Rentenschutzbetrag durch Ausführung verschiedenster Lastschriften und Überweisungen.
Am 28. April 2014 hat die Beklagte gegen das ihr am 26. März 2014 zugestellte Urteil Berufung eingelegt. Die Beklagte hat im Einzelnen umfangreich ausgeführt, dass die Kenntnis des Bankinstituts vom Tod des Rentenberechtigten kein Haftungsgrund sei. Eine andere Auslegung des § 118 Abs. 3 SGB VI widerspräche dem Willen des Gesetzgebers. Die Rechtsansicht des Sozialgerichts im angefochtenen Urteil sei unter keinem Gesichtspunkt haltbar, sondern widersprüchlich und fehlerhaft. Zum Vortrag der Beklagten im Einzelnen wird auf den Berufungsbegründungsschriftsatz vom 14. Mai 2014 verwiesen. Die von der Klägerin vorgenommene unsubstantiierte Auflistung von Gerichtsentscheidungen, mit der diese ihre Rechtsansicht zu untermauern versuche, sei nicht geeignet, den Anspruch der Klägerin zu begründen. Einem Ruhen des Verfahrens wegen des beim Bundessozialgericht (BSG) anhängigen Revisionsverfahrens B 5 R 26/14 R stimme die Beklagte nicht zu. Die Beklagte erstrebe ein eigenes Revisionsverfahren vor dem BSG, um alle von ihr aufgeführten Argumente vortragen und diese höchstrichterlich bewerten zu lassen.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 20. März 2014 aufzuheben und die Klage abzuweisen, soweit die Beklagte über einen Betrag in Höhe von 71,14 EUR hinaus zur Zahlung an die Klägerin verurteilt worden ist.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Klägerin hält das erstinstanzliche Urteil für zutreffend und verweist auf eine Vielzahl von Gerichtsentscheidungen, die ihre Ansicht stützten. Hierzu wird auf den Schriftsatz der Klägerin vom 29. Juli 2014 verwiesen.
Wegen der Einzelheiten im Übrigen wird auf die Gerichts- und Rentenakten, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist zulässig, aber unbegründet.
Das Sozialgericht hat mit dem angefochtenen Urteil zu Recht entschieden, dass die Beklagte verpflichtet ist, an die Klägerin 1.702,61 EUR zu zahlen.
Zur Begründung seiner Entscheidung bezieht sich der Senat gem. § 153 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils, denen er sich in vollem Umfang anschließt. Mit Urteil vom 19. Februar 2013 (Az.: L 2 R 262/12) hat der Senat bereits in einem gleichgelagerten Fall entschieden, dass ein Geldinstitut bereits vor Eingang des Rückforderungsverlangens des Rentenversicherungsträgers für Eingriffe in den Rentenschutzbetrag haftet, wenn es zuvor Kenntnis vom Tod des Rentenberechtigten hat. Der Senat sieht vorliegend keine Veranlassung, seine Rechtsansicht zu ändern.
Nach § 118 Abs. 3 SGB VI gelten Geldleistungen, die für die Zeit nach dem Tod des Berechtigten auf ein Konto bei einem Geldinstitut überwiesen werden, als unter Vorbehalt erbracht. Das Geldinstitut hat sie der überweisenden Stelle oder dem Träger der Rentenversicherung zurück zu überweisen, wenn diese sie als zu Unrecht erbracht zurückfordern. Eine Verpflichtung zur Rücküberweisung besteht nicht, soweit über den entsprechenden Betrag bei Eingang der Rückforderung bereits anderweitig verfügt wurde, es sei denn, dass die Rücküberweisung aus einem Guthaben erfolgen kann. Das Geldinstitut darf den überwiesenen Betrag auch nicht zur Befriedigung eigener Forderungen verwenden. Nach der Rechtsprechung des BSG zum Charakter des Vorbehalts nach § 118 Abs. 3 Satz 1 SGB VI bewirkt dieser die materielle Rechtswidrigkeit jeder Verfügung. Dies steht einem Auszahlungs- bzw. Entreicherungseinwand des Geldinstituts durch anderweitige Verfügungen entgegen. So lange jedoch das Geldinstitut vom Ableben des Rentenempfängers nichts weiß, ist es nicht in der Lage, diesen Vorbehalt zu kennen und ihm entsprechend zu handeln. Das BSG hat ausdrücklich dargelegt, dass die im Gesetz vorgeschriebene Berücksichtigung anderweitiger Verfügungen auf der unterstellten Unkenntnis vom Ableben des Rentenempfängers beruht. Wenn das Geldinstitut in Unkenntnis des gesetzlichen Vorbehaltes seine banküblichen Aufgaben als Zahlungsvermittler wahrnimmt und die faktische Zugriffsmöglichkeit auf den Rentenbetrag endgültig verliert, indem es ihn im Rahmen anderweitiger Verfügungen weiterleitet bzw. auszahlt, wird es von seiner Verpflichtung zur Rücküberweisung frei. Dem Kontoführungsvertrag entsprechende Verfügungen sind zu berücksichtigen, solange das Geldinstitut vom Ableben des Kontoinhabers nichts weiß (BSG, Urteil vom 22. April 2008, Az.: B 5a/4 R 79/06 R). Diese Erwägungen bedeuten aber im Umkehrschluss, dass das Geldinstitut mit der Kenntnis vom Tod des Berechtigten in der Lage ist, den Vorbehalt zu (er-)kennen. Damit kann es sich ab diesem Zeitpunkt nicht mehr auf den Auszahlungseinwand einer anderweitigen Verfügung berufen. Dem entspricht, dass das BSG auch im Rahmen seiner Urteile zur anonymen Barabhebung bzw. durch Vorlage des Sparbuchs darauf hingewiesen hat, dass die Annahme einer anderweitigen entlastenden Verfügung daran scheitern kann, dass bei dem Geldinstitut Kenntnis bzw. grobe Nichtkenntnis vorliegt (BSG, Urteil vom 5. Februar 2009, Az.: B 13 R 59/08 R). § 118 Abs. 3 Satz 3 1. Halbs. SGB VI ist zwar auch eine Schutzvorschrift für das Geldinstitut. Die Schutzwürdigkeit kann aber bei grober Fahrlässigkeit entfallen. Schutzwürdige Interessen des Geldinstituts liegen ebenso wenig vor, wenn dieses nach Kenntnis vom Tod des Berechtigten sehenden Auges weitere Verfügungen bzw. die Auflösung des Kontos zulässt. Mögliche zivilrechtliche Ansprüche des neuen Kontoinhabers bzw. zivilrechtliche Auszahlungsverpflichtungen des Geldinstituts greifen nicht, weil die Absätze 3 und 4 des § 118 SGB VI insoweit vorgehen (BSG, Urteil vom 22. April 2008, a.a.O.; Pflüger in jurisPK – SGB VI, 2. Aufl. 2013, § 118 SGB VI, Rdnr. 117 bis 121).
Auf der Grundlage der vorstehenden Ausführungen steht der Klägerin gegenüber der Beklagten der geltend gemachte Rücküberweisungsanspruch zu. Denn nach ihren eigenen Angaben hatte die Beklagte seit 4. Dezember 2012 Kenntnis vom Tod der C. C. Ab diesem Zeitpunkt wäre es der Beklagten möglich gewesen, die auf dem Konto der Verstorbenen eingehenden Rentenbeträge vor Zugriffen Dritter zu schützen. Eine potentielle Rücküberweisung wäre ausweislich der von der Beklagten vorgelegten Kontoauszüge auch seinerzeit aus einem Guthaben möglich gewesen.
Nach alledem konnte die Berufung keinen Erfolg haben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 SGG. Der Streitwert ergibt sich aus der Höhe der streitigen Geldsumme (§ 52 Gerichtskostengesetz).
Der Senat hat die Revision nach § 160 Abs. 2 SGG zugelassen.
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