Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Düsseldorf (NRW)
Sachgebiet
Vertragsarztangelegenheiten
Abteilung
2
1. Instanz
SG Düsseldorf (NRW)
Aktenzeichen
S 2 KA 492/14
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 11 KA 84/15
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Klage wird abgewiesen. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Tatbestand:
Streitig ist der Umfang einer Anstellungsgenehmigung.
Die Klägerin ist als Medizinisches Versorgungszentrum (MVZ) in T1 zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen und u.a. Trägerin des MVZ T1/B Straße. Dort war bis zum 30.06.2013 der ausschließlich psychotherapeutische Arzt E L1 mit 30 Stunden/Woche (Anrechnungsfaktor 0,75) als angestellter Arzt beschäftigt gewesen. Ferner war dort bis zum 19.03.2014 der ausschließlich psychotherapeutische Arzt L2 T2 mit 10 Stunden/Woche (Anrechnungsfaktor 0,25) als angestellter Arzt beschäftigt gewesen.
Unter dem 15.05.2014 beantragte die Klägerin die Genehmigung der Anstellung des ausschließlich psychotherapeutischen Arztes X T3 ab 01.07.2014 in Vollzeit. Mit Schreiben vom 12.06.2014 reduzierte sie diesen Antrag auf eine Beschäftigung von 20 Stunden/Woche.
Mit Beschluss vom 16.06.2014 beendete der Zulassungsausschuss für Ärzte Köln die Genehmigung zur Beschäftigung des Arztes L2 T2 mit dem 19.03.1014 und genehmigte zugleich die Beschäftigung des Arztes X T3 mit Wirkung zum 01.07.2014 in Teilzeit zu 10 Stunden/Woche (Anrechnungsfaktor 0,25). Den Antrag auf Genehmigung der Beschäftigung des Herrn T3 in Teilzeit zu 20 Stunden/Woche (Anrechnungsfaktor 0,5) lehnte der Ausschuss ab: Die Anstellung des Herrn L1 habe mit dem 30.06.2013 geendet. Eine Nachbesetzung sei nicht innerhalb von 6 Monaten erfolgt. Die Verlängerung der Nachbesetzungsfrist sei nicht beantragt worden. Der Angestelltensitz sei daher von Amts wegen aus der Bedarfsplanung genommen worden.
Insoweit widersprach die Klägerin dem Bescheid. Mit dem Schreiben vom 12.06.2014 sei zugleich ein Fristverlängerungsantrag gestellt worden, aus dem hervorgehe, dass die Nachbesetzung der Stelle des Herrn L1 trotz erkennbaren Bemühens bis zur Anstellung des Herrn T3 nicht gelungen sei. Unabhängig davon könne die Stelle des Herrn L1 allenfalls zu ½ weggefallen sein, da Zulassungsentziehungen nur in vollem oder hälftigem Umfang in Frage kämen. Vakanzen im Umfang von ¼ blieben sanktionslos; in diesem Umfang könnten Stellen fristungebunden nachbesetzt werden. Auf dieses ¼ der Stelle des Herrn L1 sei die Anstellungsgenehmigung des Herrn T3 - zusätzlich zur genehmigten Anstellung auf der ¼-Stelle des Herrn T2 - zu erweitern.
Mit Beschluss vom 05.11.2014, ausgefertigt als Bescheid am 28.11.2014, wies der Beklagte den Widerspruch zurück:
Die Klägerin habe nicht rechtzeitig einen Verlängerungsantrag für die Nachbesetzung der Stelle von Herrn L1 gestellt. Dessen Anstellung habe mit dem 30.06.2013 geendet. Eine Nachbesetzung innerhalb von 6 Monaten sei nicht erfolgt. Der Fristverlängerungsantrag sei frühestens mit Schreiben vom 12.06.2014 gestellt worden. Zwar könne die 6-Monats-Frist unter engen Voraussetzungen noch einmal verlängert werden; dies könne jedoch nicht beliebig zu irgendeinem Zeitpunkt geschehen, sondern müsse im Anschluss an den Ablauf der ersten 6-Monats-Frist erfolgen.
Der Auffassung, dass in der Stelle von Herrn L1 im Umfang von ¼ eine Nachbesetzungsmöglichkeit verbleibe, sei nicht zu folgen. Die von diesem Arzt gehaltene Stelle könne nicht so segmentiert werden, dass hieraus eine ¼-Arztstelle herausgenommen werden könne, was im Ergebnis dazu führen würde, dass drei ¼-Arztstellen noch vorhanden wären, die nicht der 6-Monats-Frist unterliegen würden.
Hiergegen richtet sich die am 19.12.2014 erhobene Klage.
Die Klägerin hat zunächst im Hauptantrag die Anstellungsgenehmigung für Herrn T3 im Umgang von zusätzlich 10 Stunden/Woche (Anrechnungsfaktor 0,25) auf einem ¼-Stellenanteil des ausgeschiedenen Herrn L1 begehrt. Sie hält ihren Nachbesetzungsantrag vom 12.06.2014 für rechtzeitig gestellt. Es gebe werde eine gesetzliche Grundlage für eine Ausschlussfrist noch sei der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) zu entnehmen, innerhalb welcher Frist der Antrag zu stellen sei. Vielmehr gehe das LSG NRW davon aus, dass der Fristverlängerungsantrag auch nach Ablauf der 6-Monats-Frist gestellt werden könne.
Unabhängig davon habe Herr T3 im Umfang von ¼-Stelle dem ausgeschiedenen Herrn L1 nachfolgen können. Zwar verfalle eine halbe Stelle durch Ablauf der sechsmonatigen Frist, jedoch bleibe die ¼-Stelle, die über die halbe Stelle hinausgehe, sanktionslos bestehen. Da diese restliche ¼-Stelle für sich genommen nicht ausgeschrieben werden könne, könnten Stellen im Umfang von ¼ auch nicht zum Abbau der Überversorgung wegfallen und blieben letztlich auch über den befristeten Zeitraum hinaus frei.
In der mündlichen Verhandlung vor der Kammer am 14.10.2015 ist ein Beschluss des Zulassungsausschusses für Ärzte Köln vom 17.08.2015 zu den Akten gereicht worden. Aus diesem geht hervor, dass die Tätigkeit des Herrn T3 als angestellter Arzt in Teilzeit zu 30 Stunden/Woche (Anrechnungsfaktor 0,75) mit dem 30.09.2015 endete und die Beschäftigung des Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie L3 P ab 01.10.2015 im Umfang von 30 Stunden/Woche (Anrechnungsfaktor 0,75) in der Nachfolge von Herrn T3 genehmigt wurde. Die Beteiligten haben hierzu klargestellt, dass der zusätzliche Stellenanteil von 0,5 für Herrn T3 aus dem Ankauf eines weiteren halben Sitzes Psychotherapeutische Medizin durch die Klägerin resultiere. Außerdem ist ein Beschluss des Zulassungsausschusses für Ärzte Köln vom 15.06.2015 vorgelegt worden, mit dem die Beschäftigung des Herrn X T3 im MVZ Zentrum für Naturheilkunde + integrative Medizin gGmbH N in Vollzeit zu 31 Stunden/Woche (Anrechnungsfaktor 1,0) als angestellten Arzt mit Wirkung zum 01.07.2015 genehmigt wurde.
Die Klägerin beantragt nunmehr,
1. den Beschluss des Beklagten in der Widerspruchssache Nr. 29/14 vom 15.11.2014 aufzuheben, soweit durch den Beschluss ihr Widerspruch gegen den Beschluss des Zulassungsausschusses vom 15.06.2014 zurückgewiesen wurde;
2. den Beklagten zu verpflichten, ihrem Antrag entsprechend die Beschäftigung des Facharztes für Psychotherapeutische Medizin L3 P in einem zusätzlichen Umfang von 10 Stunden pro Woche (Anrechnungs-Faktor 0,25) zu genehmigen, hilfsweise, insoweit unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichtes neu zu entscheiden;
3. festzustellen, dass die Versagung der Genehmigung zur Beschäftigung des Facharztes für Psychotherapeutische Medizin X T3 als angestellten Arzt in Teilzeit in einem zusätzlichen Umfang von 10 Stunden pro Woche (Anrechnungs-Faktor 0,25) rechtwidrig gewesen ist.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er verteidigt seinen Bescheid.
Die Beigeladene zu 7) beantragt ebenfalls,
die Klage abzuweisen.
Es sei schon zweifelhaft, ob das Schreiben der Klägerin vom 12.06.2014 als Fristverlängerungsantrag auszulegen sei. Jedenfalls müsse aufgrund des Sinngehaltes einer Frist ein Verlängerungsantrag spätestens am letzten Tag des Fristablaufs vorliegen. Nach bisheriger Rechtsprechung könne die fristungebundene Nachbesetzung von ¼-Stellen nur dann in Betracht kommen, wenn solche offenen Stellen tatsächlich bestünden. Das gelte jedoch dann nicht, wenn sie aus einer über den Umfang von 0,25 hinaus gehenden Stelle herausgelöst und separiert würden, um sodann die Besonderheit einer ¼-Arztstelle darzustellen.
Die übrigen Beteiligten stellen keine Klageanträge.
Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf den übrigen Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen Verwaltungsakten des Beklagten, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist zulässig, aber unbegründet. Die Klägerin ist durch den angefochtenen Bescheid des Beklagten nicht beschwert im Sinne des § 54 Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG), da dieser rechtmäßig ist. Rechtsfehlerfrei hat es der Beklagte abgelehnt, eine Anstellungsgenehmigung für eine weitere ¼-Arztstelle zu erteilen.
Soweit es die mit dem Klageantrag zu 2) begehrte Anstellungsgenehmigung für den Facharzt für Psychotherapeutische Medizin L3 P betrifft, hat der Beklagte, der nach seiner Anrufung funktionell ausschließlich zuständig ist (BSG, Urteil vom 13.05.2015 - B 6 KA 25/14 R - RdNr. 42), in dem angefochtenen Beschluss vom 05.11.2014 keine ablehnende Entscheidung über eine weitere ¼-Arztstelle getroffen. Eine gerichtliche Überprüfung scheidet daher insofern aus.
Hinsichtlich der Anstellungsgenehmigung für den Arzt X T3 kann die Klägerin ihr ursprünglich im Wege der Anfechtungs- und Verpflichtungsklage verfolgtes Begehren in der Form einer Fortsetzungsfeststellungsklage im Sinne des § 131 Abs. 1 Satz 3 SGG (vgl. dazu BSG, Urteil vom 13.05.2015 - B 6 KA 23/14 R - RdNr. 16) weiter verfolgen. Der ablehnende Bescheid hat sich mit Beendigung der Anstellung dieses Arztes bei der Klägerin zum 30.09.2015 auf andere Weise im Sinne des § 39 Abs. 2 Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz (SGB X) erledigt. Das gemäß § 131 Abs. 1 Satz 3 SGG erforderliche Fortsetzungsfeststellungsinteresse ist unter dem Gesichtspunkt gegeben, dass die Klägerin ein rechtliches und wirtschaftliches Interesse daran hat, dass der ¼-Stellenanteil nicht aus der Bedarfsplanung genommen wird, sondern ihr zur Nachbesetzung weiterhin zur Verfügung steht.
Auch dieser Klageantrag zu 3) ist jedoch unbegründet.
Rechtsgrundlage für die Nachbesetzung einer in einem MVZ frei gewordenen Arztstelle ist § 95 Abs. 2 Satz 8 i.V.m. Satz 5 Sozialgesetzbuch - Gesetzliche Krankenversicherung (SGB V). Daraus ergibt sich, dass die Genehmigung für die Anstellung eines Arztes in einem zugelassenen MVZ zu erteilen ist, wenn der Arzt im Arztregister eingetragen ist und der fachübergreifende Charakter des MVZ erhalten bleibt. Für Planungsbereiche, die - wie hier - wegen Überversorgung für Neuzulassungen gesperrt sind, ist weiterhin § 103 Abs. 4a Satz 5 SGB V zu beachten, wonach auch in gesperrten Planungsbereichen die Nachbesetzung einer in einem MVZ frei gewordenen Arztstelle möglich ist. Dabei ist anders als im Praxisnachfolgeverfahren gemäß § 103 Abs. 4 SGB V kein Ausschreibungs- und Bewerberauswahlverfahren vorgesehen; der Verzicht hierauf steht im Zusammenhang mit dem Ziel, das "Ausbluten" eines MVZ zu verhindern.
Indes kann das Recht auf Nachbesetzung einer Stelle gemäß § 103 Abs. 4a Satz 5 SGB V nur für einen begrenzten Zeitraum nach dem Freiwerden der Stelle bestehen. Als Frist, binnen derer die Nachbesetzung noch möglich ist, ist von sechs Monaten auszugehen. Dies ergibt sich aus einer Anlehnung an die in § 95 Abs. 6 Satz 3 SGB V bestimmte Sechs-Monats-Frist. Zwar steht diese Regelung insofern in einem anderen Kontext, als dort bestimmt wird, wann einem MVZ die Zulassung zu entziehen ist, bei dem die Gründungsvoraussetzungen durch Ausscheiden eines Arztes weggefallen sind. Diese Vorschrift bietet aber insofern einen geeigneten Anknüpfungspunkt, als sie speziell Medizinische Versorgungszentren betrifft: Sie zeigt, dass der Gesetzgeber im Hinblick auf die Zielvorgabe, ein "Ausbluten" von Medizinischen Versorgungszentren zu verhindern (vgl. BT-Drucks. 15/1525 S. 112) und diesen auch sonst einen möglichst breiten Aktionsrahmen mit möglichst wenig Hindernissen einzuräumen (vgl. BT-Drucks. 15/1525 S. 74 i.V.m. S. 107 f.), für eine Wiederbesetzung nach einem Personalausfall aber doch eine Toleranzgrenze bei sechs Monaten zieht. Bei Wegfall der Gründungsvoraussetzungen für ein MVZ nimmt das Gesetz für sechs Monate eine Abweichung von den normativen Vorgaben in Kauf, bringt aber auch zum Ausdruck, dass er erwartet, dass binnen dieser Vorgaben und Realität wieder in Übereinstimmung gebracht werden. Dies ist entsprechend auf Nachbesetzungen gemäß § 103 Abs. 4a Satz 5 SGB V zu übertragen, sodass auch hier von einer Höchstfrist von sechs Monaten für Vakanzen auszugehen ist (BSG, Urteil vom 19.10.2011 - B 6 KA 23/11 R - RdNr. 25; Beschluss vom 14.05.2014 - B 6 KA 67/13 B - RdNr. 9).
Diese Sechs-Monats-Frist für die Stellung eines Antrages auf Nachbesetzung der Stelle des Herrn L1 ist hier nicht gewahrt. Nach der Beendigung seines Anstellungsverhältnisses zum 30.06.2013 reichte die Frist bis zum 30.12.2013. Bis zu diesem Zeitpunkt ging kein Antrag beim Zulassungsausschuss ein, in dem ein konkreter Arzt als sein Nachfolger benannt wurde.
Wird die Sechs-Monats-Frist nicht eingehalten, so erlischt das Recht auf Nachbesetzung. Allerdings ist dem Zulassungsausschuss die Befugnis einzuräumen, die Frist in besonderen Fällen des Misslingens rechtzeitiger Nachbesetzbarkeit trotz erkennbar ernstlichen Bemühens nochmals um höchstens weitere sechs Monate zu verlängern (BSG, Urteil vom 19.10.2011, a.a.O., RdNr. 26; nicht aufgegriffen im Beschluss vom 14.05.2014, a.a.O.). Damit der Zulassungsausschuss insofern ein Verwaltungsverfahren einleitet, ist eine rechtzeitige Antragstellung erforderlich. Die Rechtzeitigkeit bemisst sich nach Sinn und Zweck der Nachbesetzungsfrist.
Das BSG hat in seinem Urteil vom 19.10.2011, a.a.O. (RdNr. 23), betont, dass eine Regelung, die - wie § 103 Abs. 4a Satz 5 SGB V - von dem Ziel abweiche, Überversorgung abzubauen, eng ausgelegt werden müsse, und darauf hingewiesen, dass es unverträglich wäre, wenn das MVZ eine frei werdende Arztstelle "auf Vorrat" vorhalten und nach seinem Belieben erst später (oder gar nicht) wiederbesetzen könnte. Ein längeres Offenhalten einer Arztstelle durch das MVZ liefe - abgesehen von der Hintanstellung der Interessen außenstehender Bewerber - nicht nur dem Ziel des Abbaus von Überversorgung im gesperrten Planungsbereich zuwider, sondern wäre auch aus der Sicht sachgerechter Bedarfsplanung sowie realitätsnaher Berechnung des Versorgungsgrades schwerlich tolerabel: Arztstellen, die vorhanden seien, aber nicht besetzt würden, müssten in der Bedarfsplanung wohl wie besetzte Stellen gewertet werden; sie würden den Versorgungsgrad rechnerisch - aber der Realität zuwider - erhöhen und somit das Bild der tatsächlichen Versorgung verfälschen. Aus diesen Gesichtspunkten folge, dass das Recht auf Nachbesetzung einer Stelle gemäß § 103 Abs. 4a Satz 5 SGB V nur für eine begrenzte Frist von sechs Monaten nach dem Freiwerden der Stelle bestehen könne.
Wenn das BSG vor diesem Hintergrund der engen Auslegung des § 103 Abs. 4a Satz 5 SGB V unter nochmals engeren Voraussetzungen den Zulassungsgremien eine weitere Fristverlängerung von sechs Monaten einräumt, nämlich in besonderen Fällen des Misslingens rechtzeitiger Nachbesetzbarkeit trotz erkennbar ernstlichen Bemühens, dann muss ein Fristverlängerungsantrag spätestens unmittelbar vor Ablauf der (ersten) Sechs-Monats-Frist gestellt werden. Denn nur zu diesem Zeitpunkt hat der Zulassungsausschuss noch eine Entscheidungsmöglichkeit, den Fristverlängerungsantrag abzulehnen, wenn er dessen Voraussetzungen als nicht erfüllt erachtet. Diese Möglichkeit würde ihm genommen, wenn der Verlängerungsantrag erst am letzten Tag der (zweiten) Sechs-Monats-Frist gestellt werden dürfte. Die Vorstellung der Klägerin läuft im Ergebnis darauf hinaus, dass die nachzubesetzende Stelle letztlich ein ganzes Jahr offen gehalten bleiben soll und es allein vom Willen des MVZ abhängt, ob die Stelle dann wegfällt oder nicht. Damit verkennt die Klägerin zum einen die Rollenverteilung zwischen Antragsteller und entscheidender Behörde und zum anderen den besonderen Ausnahmecharakter der (zweiten) Sechs-Monats-Frist. Auf die Frage, ob das Schreiben der Klägerin vom 12.06.2014 überhaupt als Fristverlängerungsantrag zu verstehen ist, kommt es daher nicht mehr entscheidungserheblich an.
Die Klägerin kann sich nicht mit Erfolg darauf berufen, von der Entscheidung des BSG vom 19.11.2011 keine Kenntnis gehabt zu haben. Mit dem LSG NRW (Beschluss vom 27.03.2013 - L 11 KA 96/12 B ER -) geht die Kammer davon aus, dass die vom BSG entwickelte Frist erst nach Bekanntwerden dieser Entscheidung greift. Für Juristen ist das Urteil des BSG in ZMGR 2012, 46 ff. (Januar 2012) und in GesR 2012, 179 ff. (März 2012) veröffentlicht worden. Für Ärzte ist im Deutschen Ärzteblatt 2012, A-390/B-338/C-334 (24.02.2012) in der Rubrik "Rechtsreport" unter der Überschrift: "Nachbesetzung von Arztstellen binnen sechs Monaten" auf das Urteil des BSG vom 19.10.2011 - B 6 KA 23/11 R - detailliert hingewiesen worden mit dem einleitenden Satz: " Die Nachbesetzung einer Arztstelle bei einem Medizinischen Versorgungszentrum (MVZ) gemäß § 103 Absatz 4a Satz 5 (jetzt Satz 3) Sozialgesetzbuch (SGB) V darf nicht beliebig hinausgezögert werden. Dies hat das Bundessozialgericht (BSG) entschieden." Das hätte der Klägerin bei Ausscheiden von Herrn L1 zum 30.06.2013 Veranlassung geben müssen, sich mit den rechtlichen Konsequenzen einer Nachbesetzung näher zu befassen.
Die Klägerin dringt auch nicht mit ihrer Rechtsauffassung durch, Herr T3 habe fristungebunden im Umfang von ¼-Arztstelle dem ausgeschiedenen Herrn L nachfolgen können. Zwar verfalle eine halbe Stelle durch Ablauf der sechsmonatigen Frist, jedoch bleibe die ¼-Stelle, die über die halbe Stelle hinausgehe, sanktionslos bestehen. Eine solche Rechtslage ergibt sich aus der bisher ergangenen Rechtsprechung nicht. Der Entscheidung des BSG vom 19.10.2011, a.a.O., lag die Situation zugrunde, dass nur eine Arztstelle mit einem Beschäftigungsumfang von ¼ zur Verfügung stand (RdNr. 27). Nur bei insofern vakant gewordenen ¼-Arztstellen ist das Recht auf Nachbesetzung zeitlich nicht begrenzt (RdNr. 29). Auch in dem vom Bayer. LSG entschiedenen Fall (Urteil vom 20.05.2015 - L 12 KA 175/14 -) ergab sich ein ¼-Stellenanteil durch mehrfache Stundenreduzierungen eines Arztes. Nicht anders verhält es sich mit dem Sachverhalt der Entscheidung des SG Marburg vom 14.11.2012 - S 12 KA 515/11 -. Auch dort ging ein Stellenanteil im Umfang von ¼ aus der Stundenreduzierung eines Arztes hervor. In keinem bisher entschiedenen Fall ist eine ¼-Stelle durch Abtrennung aus einem größeren Stellenumfang generiert worden. Das hält auch die erkennende Kammer nicht für zulässig. Wenn eine ¾-Arztstelle nicht rechtzeitig nachbesetzt wird, dann fällt sie in diesem Zuschnitt aus der Bedarfsplanung heraus. Eine Segmentierung in drei ¼-Stellen oder eine ½-Stelle + eine ¼-Stelle widerspricht bedarfsplanerischen Gesichtspunkten.
Es muss daher vorliegend bei den gesetzlichen Konsequenzen verbleiben. In überversorgten Planungsbereichen ist aufgrund angeordneter Zulassungsbeschränkungen ein Hinzutreten weiterer Vertragsärzte grundsätzlich ausgeschlossen (vgl. § 95 Abs. 2 Satz 9 i.V.m. § 103 Abs. 1 Satz 2 SGB V). Nach der gesetzlichen Konzeption ist in diesen Planungsbereichen auch die Nachbesetzung von Vertragsarztsitzen unerwünscht. Das Ausscheiden eines Arztes aus der vertragsärztlichen Versorgung in einem für Neuzulassungen wegen Überversorgung gesperrten Planungsbereich führt grundsätzlich dazu, dass der Vertragsarztsitz dieses Arztes entfällt, weil dieser nicht zur Versorgung der Versicherten benötigt wird (BSG, Urteil vom 20.03.2013 - B 6 KA 19/12 R- RdNr. 27). Das gilt in gleicher Weise für die Anstellung von Ärzten im MVZ.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 197a Abs. 1 SGG in Verbindung mit §§ 154 Abs. 1, 2, 162 Abs. 1 VwGO.
Tatbestand:
Streitig ist der Umfang einer Anstellungsgenehmigung.
Die Klägerin ist als Medizinisches Versorgungszentrum (MVZ) in T1 zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen und u.a. Trägerin des MVZ T1/B Straße. Dort war bis zum 30.06.2013 der ausschließlich psychotherapeutische Arzt E L1 mit 30 Stunden/Woche (Anrechnungsfaktor 0,75) als angestellter Arzt beschäftigt gewesen. Ferner war dort bis zum 19.03.2014 der ausschließlich psychotherapeutische Arzt L2 T2 mit 10 Stunden/Woche (Anrechnungsfaktor 0,25) als angestellter Arzt beschäftigt gewesen.
Unter dem 15.05.2014 beantragte die Klägerin die Genehmigung der Anstellung des ausschließlich psychotherapeutischen Arztes X T3 ab 01.07.2014 in Vollzeit. Mit Schreiben vom 12.06.2014 reduzierte sie diesen Antrag auf eine Beschäftigung von 20 Stunden/Woche.
Mit Beschluss vom 16.06.2014 beendete der Zulassungsausschuss für Ärzte Köln die Genehmigung zur Beschäftigung des Arztes L2 T2 mit dem 19.03.1014 und genehmigte zugleich die Beschäftigung des Arztes X T3 mit Wirkung zum 01.07.2014 in Teilzeit zu 10 Stunden/Woche (Anrechnungsfaktor 0,25). Den Antrag auf Genehmigung der Beschäftigung des Herrn T3 in Teilzeit zu 20 Stunden/Woche (Anrechnungsfaktor 0,5) lehnte der Ausschuss ab: Die Anstellung des Herrn L1 habe mit dem 30.06.2013 geendet. Eine Nachbesetzung sei nicht innerhalb von 6 Monaten erfolgt. Die Verlängerung der Nachbesetzungsfrist sei nicht beantragt worden. Der Angestelltensitz sei daher von Amts wegen aus der Bedarfsplanung genommen worden.
Insoweit widersprach die Klägerin dem Bescheid. Mit dem Schreiben vom 12.06.2014 sei zugleich ein Fristverlängerungsantrag gestellt worden, aus dem hervorgehe, dass die Nachbesetzung der Stelle des Herrn L1 trotz erkennbaren Bemühens bis zur Anstellung des Herrn T3 nicht gelungen sei. Unabhängig davon könne die Stelle des Herrn L1 allenfalls zu ½ weggefallen sein, da Zulassungsentziehungen nur in vollem oder hälftigem Umfang in Frage kämen. Vakanzen im Umfang von ¼ blieben sanktionslos; in diesem Umfang könnten Stellen fristungebunden nachbesetzt werden. Auf dieses ¼ der Stelle des Herrn L1 sei die Anstellungsgenehmigung des Herrn T3 - zusätzlich zur genehmigten Anstellung auf der ¼-Stelle des Herrn T2 - zu erweitern.
Mit Beschluss vom 05.11.2014, ausgefertigt als Bescheid am 28.11.2014, wies der Beklagte den Widerspruch zurück:
Die Klägerin habe nicht rechtzeitig einen Verlängerungsantrag für die Nachbesetzung der Stelle von Herrn L1 gestellt. Dessen Anstellung habe mit dem 30.06.2013 geendet. Eine Nachbesetzung innerhalb von 6 Monaten sei nicht erfolgt. Der Fristverlängerungsantrag sei frühestens mit Schreiben vom 12.06.2014 gestellt worden. Zwar könne die 6-Monats-Frist unter engen Voraussetzungen noch einmal verlängert werden; dies könne jedoch nicht beliebig zu irgendeinem Zeitpunkt geschehen, sondern müsse im Anschluss an den Ablauf der ersten 6-Monats-Frist erfolgen.
Der Auffassung, dass in der Stelle von Herrn L1 im Umfang von ¼ eine Nachbesetzungsmöglichkeit verbleibe, sei nicht zu folgen. Die von diesem Arzt gehaltene Stelle könne nicht so segmentiert werden, dass hieraus eine ¼-Arztstelle herausgenommen werden könne, was im Ergebnis dazu führen würde, dass drei ¼-Arztstellen noch vorhanden wären, die nicht der 6-Monats-Frist unterliegen würden.
Hiergegen richtet sich die am 19.12.2014 erhobene Klage.
Die Klägerin hat zunächst im Hauptantrag die Anstellungsgenehmigung für Herrn T3 im Umgang von zusätzlich 10 Stunden/Woche (Anrechnungsfaktor 0,25) auf einem ¼-Stellenanteil des ausgeschiedenen Herrn L1 begehrt. Sie hält ihren Nachbesetzungsantrag vom 12.06.2014 für rechtzeitig gestellt. Es gebe werde eine gesetzliche Grundlage für eine Ausschlussfrist noch sei der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) zu entnehmen, innerhalb welcher Frist der Antrag zu stellen sei. Vielmehr gehe das LSG NRW davon aus, dass der Fristverlängerungsantrag auch nach Ablauf der 6-Monats-Frist gestellt werden könne.
Unabhängig davon habe Herr T3 im Umfang von ¼-Stelle dem ausgeschiedenen Herrn L1 nachfolgen können. Zwar verfalle eine halbe Stelle durch Ablauf der sechsmonatigen Frist, jedoch bleibe die ¼-Stelle, die über die halbe Stelle hinausgehe, sanktionslos bestehen. Da diese restliche ¼-Stelle für sich genommen nicht ausgeschrieben werden könne, könnten Stellen im Umfang von ¼ auch nicht zum Abbau der Überversorgung wegfallen und blieben letztlich auch über den befristeten Zeitraum hinaus frei.
In der mündlichen Verhandlung vor der Kammer am 14.10.2015 ist ein Beschluss des Zulassungsausschusses für Ärzte Köln vom 17.08.2015 zu den Akten gereicht worden. Aus diesem geht hervor, dass die Tätigkeit des Herrn T3 als angestellter Arzt in Teilzeit zu 30 Stunden/Woche (Anrechnungsfaktor 0,75) mit dem 30.09.2015 endete und die Beschäftigung des Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie L3 P ab 01.10.2015 im Umfang von 30 Stunden/Woche (Anrechnungsfaktor 0,75) in der Nachfolge von Herrn T3 genehmigt wurde. Die Beteiligten haben hierzu klargestellt, dass der zusätzliche Stellenanteil von 0,5 für Herrn T3 aus dem Ankauf eines weiteren halben Sitzes Psychotherapeutische Medizin durch die Klägerin resultiere. Außerdem ist ein Beschluss des Zulassungsausschusses für Ärzte Köln vom 15.06.2015 vorgelegt worden, mit dem die Beschäftigung des Herrn X T3 im MVZ Zentrum für Naturheilkunde + integrative Medizin gGmbH N in Vollzeit zu 31 Stunden/Woche (Anrechnungsfaktor 1,0) als angestellten Arzt mit Wirkung zum 01.07.2015 genehmigt wurde.
Die Klägerin beantragt nunmehr,
1. den Beschluss des Beklagten in der Widerspruchssache Nr. 29/14 vom 15.11.2014 aufzuheben, soweit durch den Beschluss ihr Widerspruch gegen den Beschluss des Zulassungsausschusses vom 15.06.2014 zurückgewiesen wurde;
2. den Beklagten zu verpflichten, ihrem Antrag entsprechend die Beschäftigung des Facharztes für Psychotherapeutische Medizin L3 P in einem zusätzlichen Umfang von 10 Stunden pro Woche (Anrechnungs-Faktor 0,25) zu genehmigen, hilfsweise, insoweit unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichtes neu zu entscheiden;
3. festzustellen, dass die Versagung der Genehmigung zur Beschäftigung des Facharztes für Psychotherapeutische Medizin X T3 als angestellten Arzt in Teilzeit in einem zusätzlichen Umfang von 10 Stunden pro Woche (Anrechnungs-Faktor 0,25) rechtwidrig gewesen ist.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er verteidigt seinen Bescheid.
Die Beigeladene zu 7) beantragt ebenfalls,
die Klage abzuweisen.
Es sei schon zweifelhaft, ob das Schreiben der Klägerin vom 12.06.2014 als Fristverlängerungsantrag auszulegen sei. Jedenfalls müsse aufgrund des Sinngehaltes einer Frist ein Verlängerungsantrag spätestens am letzten Tag des Fristablaufs vorliegen. Nach bisheriger Rechtsprechung könne die fristungebundene Nachbesetzung von ¼-Stellen nur dann in Betracht kommen, wenn solche offenen Stellen tatsächlich bestünden. Das gelte jedoch dann nicht, wenn sie aus einer über den Umfang von 0,25 hinaus gehenden Stelle herausgelöst und separiert würden, um sodann die Besonderheit einer ¼-Arztstelle darzustellen.
Die übrigen Beteiligten stellen keine Klageanträge.
Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf den übrigen Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen Verwaltungsakten des Beklagten, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist zulässig, aber unbegründet. Die Klägerin ist durch den angefochtenen Bescheid des Beklagten nicht beschwert im Sinne des § 54 Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG), da dieser rechtmäßig ist. Rechtsfehlerfrei hat es der Beklagte abgelehnt, eine Anstellungsgenehmigung für eine weitere ¼-Arztstelle zu erteilen.
Soweit es die mit dem Klageantrag zu 2) begehrte Anstellungsgenehmigung für den Facharzt für Psychotherapeutische Medizin L3 P betrifft, hat der Beklagte, der nach seiner Anrufung funktionell ausschließlich zuständig ist (BSG, Urteil vom 13.05.2015 - B 6 KA 25/14 R - RdNr. 42), in dem angefochtenen Beschluss vom 05.11.2014 keine ablehnende Entscheidung über eine weitere ¼-Arztstelle getroffen. Eine gerichtliche Überprüfung scheidet daher insofern aus.
Hinsichtlich der Anstellungsgenehmigung für den Arzt X T3 kann die Klägerin ihr ursprünglich im Wege der Anfechtungs- und Verpflichtungsklage verfolgtes Begehren in der Form einer Fortsetzungsfeststellungsklage im Sinne des § 131 Abs. 1 Satz 3 SGG (vgl. dazu BSG, Urteil vom 13.05.2015 - B 6 KA 23/14 R - RdNr. 16) weiter verfolgen. Der ablehnende Bescheid hat sich mit Beendigung der Anstellung dieses Arztes bei der Klägerin zum 30.09.2015 auf andere Weise im Sinne des § 39 Abs. 2 Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz (SGB X) erledigt. Das gemäß § 131 Abs. 1 Satz 3 SGG erforderliche Fortsetzungsfeststellungsinteresse ist unter dem Gesichtspunkt gegeben, dass die Klägerin ein rechtliches und wirtschaftliches Interesse daran hat, dass der ¼-Stellenanteil nicht aus der Bedarfsplanung genommen wird, sondern ihr zur Nachbesetzung weiterhin zur Verfügung steht.
Auch dieser Klageantrag zu 3) ist jedoch unbegründet.
Rechtsgrundlage für die Nachbesetzung einer in einem MVZ frei gewordenen Arztstelle ist § 95 Abs. 2 Satz 8 i.V.m. Satz 5 Sozialgesetzbuch - Gesetzliche Krankenversicherung (SGB V). Daraus ergibt sich, dass die Genehmigung für die Anstellung eines Arztes in einem zugelassenen MVZ zu erteilen ist, wenn der Arzt im Arztregister eingetragen ist und der fachübergreifende Charakter des MVZ erhalten bleibt. Für Planungsbereiche, die - wie hier - wegen Überversorgung für Neuzulassungen gesperrt sind, ist weiterhin § 103 Abs. 4a Satz 5 SGB V zu beachten, wonach auch in gesperrten Planungsbereichen die Nachbesetzung einer in einem MVZ frei gewordenen Arztstelle möglich ist. Dabei ist anders als im Praxisnachfolgeverfahren gemäß § 103 Abs. 4 SGB V kein Ausschreibungs- und Bewerberauswahlverfahren vorgesehen; der Verzicht hierauf steht im Zusammenhang mit dem Ziel, das "Ausbluten" eines MVZ zu verhindern.
Indes kann das Recht auf Nachbesetzung einer Stelle gemäß § 103 Abs. 4a Satz 5 SGB V nur für einen begrenzten Zeitraum nach dem Freiwerden der Stelle bestehen. Als Frist, binnen derer die Nachbesetzung noch möglich ist, ist von sechs Monaten auszugehen. Dies ergibt sich aus einer Anlehnung an die in § 95 Abs. 6 Satz 3 SGB V bestimmte Sechs-Monats-Frist. Zwar steht diese Regelung insofern in einem anderen Kontext, als dort bestimmt wird, wann einem MVZ die Zulassung zu entziehen ist, bei dem die Gründungsvoraussetzungen durch Ausscheiden eines Arztes weggefallen sind. Diese Vorschrift bietet aber insofern einen geeigneten Anknüpfungspunkt, als sie speziell Medizinische Versorgungszentren betrifft: Sie zeigt, dass der Gesetzgeber im Hinblick auf die Zielvorgabe, ein "Ausbluten" von Medizinischen Versorgungszentren zu verhindern (vgl. BT-Drucks. 15/1525 S. 112) und diesen auch sonst einen möglichst breiten Aktionsrahmen mit möglichst wenig Hindernissen einzuräumen (vgl. BT-Drucks. 15/1525 S. 74 i.V.m. S. 107 f.), für eine Wiederbesetzung nach einem Personalausfall aber doch eine Toleranzgrenze bei sechs Monaten zieht. Bei Wegfall der Gründungsvoraussetzungen für ein MVZ nimmt das Gesetz für sechs Monate eine Abweichung von den normativen Vorgaben in Kauf, bringt aber auch zum Ausdruck, dass er erwartet, dass binnen dieser Vorgaben und Realität wieder in Übereinstimmung gebracht werden. Dies ist entsprechend auf Nachbesetzungen gemäß § 103 Abs. 4a Satz 5 SGB V zu übertragen, sodass auch hier von einer Höchstfrist von sechs Monaten für Vakanzen auszugehen ist (BSG, Urteil vom 19.10.2011 - B 6 KA 23/11 R - RdNr. 25; Beschluss vom 14.05.2014 - B 6 KA 67/13 B - RdNr. 9).
Diese Sechs-Monats-Frist für die Stellung eines Antrages auf Nachbesetzung der Stelle des Herrn L1 ist hier nicht gewahrt. Nach der Beendigung seines Anstellungsverhältnisses zum 30.06.2013 reichte die Frist bis zum 30.12.2013. Bis zu diesem Zeitpunkt ging kein Antrag beim Zulassungsausschuss ein, in dem ein konkreter Arzt als sein Nachfolger benannt wurde.
Wird die Sechs-Monats-Frist nicht eingehalten, so erlischt das Recht auf Nachbesetzung. Allerdings ist dem Zulassungsausschuss die Befugnis einzuräumen, die Frist in besonderen Fällen des Misslingens rechtzeitiger Nachbesetzbarkeit trotz erkennbar ernstlichen Bemühens nochmals um höchstens weitere sechs Monate zu verlängern (BSG, Urteil vom 19.10.2011, a.a.O., RdNr. 26; nicht aufgegriffen im Beschluss vom 14.05.2014, a.a.O.). Damit der Zulassungsausschuss insofern ein Verwaltungsverfahren einleitet, ist eine rechtzeitige Antragstellung erforderlich. Die Rechtzeitigkeit bemisst sich nach Sinn und Zweck der Nachbesetzungsfrist.
Das BSG hat in seinem Urteil vom 19.10.2011, a.a.O. (RdNr. 23), betont, dass eine Regelung, die - wie § 103 Abs. 4a Satz 5 SGB V - von dem Ziel abweiche, Überversorgung abzubauen, eng ausgelegt werden müsse, und darauf hingewiesen, dass es unverträglich wäre, wenn das MVZ eine frei werdende Arztstelle "auf Vorrat" vorhalten und nach seinem Belieben erst später (oder gar nicht) wiederbesetzen könnte. Ein längeres Offenhalten einer Arztstelle durch das MVZ liefe - abgesehen von der Hintanstellung der Interessen außenstehender Bewerber - nicht nur dem Ziel des Abbaus von Überversorgung im gesperrten Planungsbereich zuwider, sondern wäre auch aus der Sicht sachgerechter Bedarfsplanung sowie realitätsnaher Berechnung des Versorgungsgrades schwerlich tolerabel: Arztstellen, die vorhanden seien, aber nicht besetzt würden, müssten in der Bedarfsplanung wohl wie besetzte Stellen gewertet werden; sie würden den Versorgungsgrad rechnerisch - aber der Realität zuwider - erhöhen und somit das Bild der tatsächlichen Versorgung verfälschen. Aus diesen Gesichtspunkten folge, dass das Recht auf Nachbesetzung einer Stelle gemäß § 103 Abs. 4a Satz 5 SGB V nur für eine begrenzte Frist von sechs Monaten nach dem Freiwerden der Stelle bestehen könne.
Wenn das BSG vor diesem Hintergrund der engen Auslegung des § 103 Abs. 4a Satz 5 SGB V unter nochmals engeren Voraussetzungen den Zulassungsgremien eine weitere Fristverlängerung von sechs Monaten einräumt, nämlich in besonderen Fällen des Misslingens rechtzeitiger Nachbesetzbarkeit trotz erkennbar ernstlichen Bemühens, dann muss ein Fristverlängerungsantrag spätestens unmittelbar vor Ablauf der (ersten) Sechs-Monats-Frist gestellt werden. Denn nur zu diesem Zeitpunkt hat der Zulassungsausschuss noch eine Entscheidungsmöglichkeit, den Fristverlängerungsantrag abzulehnen, wenn er dessen Voraussetzungen als nicht erfüllt erachtet. Diese Möglichkeit würde ihm genommen, wenn der Verlängerungsantrag erst am letzten Tag der (zweiten) Sechs-Monats-Frist gestellt werden dürfte. Die Vorstellung der Klägerin läuft im Ergebnis darauf hinaus, dass die nachzubesetzende Stelle letztlich ein ganzes Jahr offen gehalten bleiben soll und es allein vom Willen des MVZ abhängt, ob die Stelle dann wegfällt oder nicht. Damit verkennt die Klägerin zum einen die Rollenverteilung zwischen Antragsteller und entscheidender Behörde und zum anderen den besonderen Ausnahmecharakter der (zweiten) Sechs-Monats-Frist. Auf die Frage, ob das Schreiben der Klägerin vom 12.06.2014 überhaupt als Fristverlängerungsantrag zu verstehen ist, kommt es daher nicht mehr entscheidungserheblich an.
Die Klägerin kann sich nicht mit Erfolg darauf berufen, von der Entscheidung des BSG vom 19.11.2011 keine Kenntnis gehabt zu haben. Mit dem LSG NRW (Beschluss vom 27.03.2013 - L 11 KA 96/12 B ER -) geht die Kammer davon aus, dass die vom BSG entwickelte Frist erst nach Bekanntwerden dieser Entscheidung greift. Für Juristen ist das Urteil des BSG in ZMGR 2012, 46 ff. (Januar 2012) und in GesR 2012, 179 ff. (März 2012) veröffentlicht worden. Für Ärzte ist im Deutschen Ärzteblatt 2012, A-390/B-338/C-334 (24.02.2012) in der Rubrik "Rechtsreport" unter der Überschrift: "Nachbesetzung von Arztstellen binnen sechs Monaten" auf das Urteil des BSG vom 19.10.2011 - B 6 KA 23/11 R - detailliert hingewiesen worden mit dem einleitenden Satz: " Die Nachbesetzung einer Arztstelle bei einem Medizinischen Versorgungszentrum (MVZ) gemäß § 103 Absatz 4a Satz 5 (jetzt Satz 3) Sozialgesetzbuch (SGB) V darf nicht beliebig hinausgezögert werden. Dies hat das Bundessozialgericht (BSG) entschieden." Das hätte der Klägerin bei Ausscheiden von Herrn L1 zum 30.06.2013 Veranlassung geben müssen, sich mit den rechtlichen Konsequenzen einer Nachbesetzung näher zu befassen.
Die Klägerin dringt auch nicht mit ihrer Rechtsauffassung durch, Herr T3 habe fristungebunden im Umfang von ¼-Arztstelle dem ausgeschiedenen Herrn L nachfolgen können. Zwar verfalle eine halbe Stelle durch Ablauf der sechsmonatigen Frist, jedoch bleibe die ¼-Stelle, die über die halbe Stelle hinausgehe, sanktionslos bestehen. Eine solche Rechtslage ergibt sich aus der bisher ergangenen Rechtsprechung nicht. Der Entscheidung des BSG vom 19.10.2011, a.a.O., lag die Situation zugrunde, dass nur eine Arztstelle mit einem Beschäftigungsumfang von ¼ zur Verfügung stand (RdNr. 27). Nur bei insofern vakant gewordenen ¼-Arztstellen ist das Recht auf Nachbesetzung zeitlich nicht begrenzt (RdNr. 29). Auch in dem vom Bayer. LSG entschiedenen Fall (Urteil vom 20.05.2015 - L 12 KA 175/14 -) ergab sich ein ¼-Stellenanteil durch mehrfache Stundenreduzierungen eines Arztes. Nicht anders verhält es sich mit dem Sachverhalt der Entscheidung des SG Marburg vom 14.11.2012 - S 12 KA 515/11 -. Auch dort ging ein Stellenanteil im Umfang von ¼ aus der Stundenreduzierung eines Arztes hervor. In keinem bisher entschiedenen Fall ist eine ¼-Stelle durch Abtrennung aus einem größeren Stellenumfang generiert worden. Das hält auch die erkennende Kammer nicht für zulässig. Wenn eine ¾-Arztstelle nicht rechtzeitig nachbesetzt wird, dann fällt sie in diesem Zuschnitt aus der Bedarfsplanung heraus. Eine Segmentierung in drei ¼-Stellen oder eine ½-Stelle + eine ¼-Stelle widerspricht bedarfsplanerischen Gesichtspunkten.
Es muss daher vorliegend bei den gesetzlichen Konsequenzen verbleiben. In überversorgten Planungsbereichen ist aufgrund angeordneter Zulassungsbeschränkungen ein Hinzutreten weiterer Vertragsärzte grundsätzlich ausgeschlossen (vgl. § 95 Abs. 2 Satz 9 i.V.m. § 103 Abs. 1 Satz 2 SGB V). Nach der gesetzlichen Konzeption ist in diesen Planungsbereichen auch die Nachbesetzung von Vertragsarztsitzen unerwünscht. Das Ausscheiden eines Arztes aus der vertragsärztlichen Versorgung in einem für Neuzulassungen wegen Überversorgung gesperrten Planungsbereich führt grundsätzlich dazu, dass der Vertragsarztsitz dieses Arztes entfällt, weil dieser nicht zur Versorgung der Versicherten benötigt wird (BSG, Urteil vom 20.03.2013 - B 6 KA 19/12 R- RdNr. 27). Das gilt in gleicher Weise für die Anstellung von Ärzten im MVZ.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 197a Abs. 1 SGG in Verbindung mit §§ 154 Abs. 1, 2, 162 Abs. 1 VwGO.
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