L 10 R 5524/13

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
10
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 12 R 1764/11
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 10 R 5524/13
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 21.11.2013 wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass auf die Klage der Klägerin auch der Bescheid vom 19.07.2010, mit dem die Beklagte der Beigeladenen große Witwenrente bewilligte, aufgehoben wird.

Die Beklagte hat der Klägerin auch die außergerichtlichen Kosten des Berufungsverfahrens zu erstatten. Im Übrigen sind auch im Berufungsverfahren außergerichtliche Kosten nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Klägerin eine ungeteilte Witwenrente nach dem verstorbenen E. (künftig: Versicherter) zusteht; streitig ist in diesem Zusammenhang das Recht der Beigeladenen auf eine sogenannte Geschiedenenwitwenrente.

Die 1929 geborene Klägerin ist die zweite Ehefrau des 1914 geborenen und am 04.01.2010 verstorbenen Versicherten. Die Ehe wurde am 20.02.1981 geschlossen. Der Versicherte war in erster Ehe mit der Beigeladenen verheiratet. Diese, am 04.09.1941 geschlossene Ehe wurde mit Urteil des Landgericht L. vom 30.03.1977 mit Rechtskraft vom selben Tag aufgrund Verschulden des Versicherten geschieden. Aus der ersten Ehe gingen drei gemeinsame Töchter hervor. Die Beigeladene ging in der Folgezeit keine neue Ehe oder Lebenspartnerschaft mehr ein.

Mit notariell beglaubigter Urkunde vom 20.09.1983 bewilligte der Versicherte die - später erfolgte - Eintragung einer Reallast für die Beigeladene im Grundbuch von F. Bl. 2958, Abtl. II (T. 16 bis 18, 468 Quadratmeter, bebaut mit zwei Mietshäusern) mit folgendem Inhalt: "Die Berechtigte erhält eine lebenslange Rente von monatlich DM 2.212,00, beginnend mit dem 1. Oktober 1983, jeweils monatlich im Voraus fällig." Weiterhin wurde eine Dynamisierung der Rente entsprechend künftigen Rentenanpassungen der gesetzlichen Rentenversicherung geregelt.

Am 20.09.2002 beurkundete der Notar Dr. M. einen "Überlassungsvertrag" zwischen dem Versicherten einerseits und den drei Töchtern aus erster Ehe und der Beigeladenen andererseits, wobei sämtliche Beteiligte durch vollmachtlose Vertreterinnen vertreten wurden. Nach Nr. 1 dieses Überlassungsvertrags verpflichtete sich der Versicherte gegenüber den drei Töchtern als Gesamtgläubigerinnen, ihnen sein Alleineigentum an dem Überlassungsgegenstand, dem Grundstück T. 16 bis 18, zu je einem ideellen Drittel zu übertragen. Die Töchter verpflichteten sich gegenüber dem Versicherten als Gesamtschuldnerinnen, einen Betrag in Höhe von 100.000,00 EUR zu zahlen. Die Parteien des Überlassungsvertrags beantragten weiterhin die Löschung der in Abteilung II des Grundbuchs zugunsten der Beigeladenen eingetragenen Reallast (§ 4 Abs. 2 des Überlassungsvertrags). Unter § 5 des Vertrags vereinbarten die Parteien eine Schuldübernahme "gemäß § 415 Abs. 1 BGB" mit folgendem Wortlaut: "(1) Die Vertragsparteien sind sich darüber einig, dass die Übernehmerinnen die Unterhaltsverpflichtung des Überlassers gegenüber Frau I. E. gemäß Leibrentenvertrag vom 20.09.1983 ... als Gesamtschuldnerinnen mit befreiender Wirkung übernehmen, sodass der Überlasser keinerlei Unterhaltsverpflichtungen gegenüber Frau I. E. mehr hat." Die Töchter unterwarfen sich weiterhin wegen der übernommenen Unterhaltsverpflichtungen gegenüber der Beigeladenen der sofortigen Zwangsvollstreckung in ihr gesamtes Vermögen (§ 5 Abs. 2 des Überlassungsvertrags) und die Beigeladene bewilligte die Löschung der in Abteilung II zu ihren Gunsten eingetragenen Reallast (§ 5 Abs. 3 des Überlassungsvertrags). Hinsichtlich der Einzelheiten des Vertrages wird auf Bl. 43 ff VA Bd. I Bezug genommen. Sämtliche Parteien des Überlassungsvertrags genehmigten in der Folgezeit den Überlassungsvertrag, die Beigeladene mit notariell beglaubigter Urkunde vom September 2002.

Auf den Antrag der Klägerin auf Gewährung von Witwenrente vom 25.01.2010 hin bewilligte die Beklagte mit Bescheid vom 23.04.2010 dieser eine große Witwenrente ab 01.02.2010 in Höhe von monatlich 1.517,99 EUR bis 30.04.2010, danach monatlich 910,79 EUR (jeweils brutto wie netto).

Am 29.03.2010 beantragte auch die Beigeladene die Gewährung einer Witwenrente. Gestützt auf die Angabe der Beigeladenen im Antragsvordruck, der Versicherte sei der Beigeladenen gegenüber nicht unterhaltsverpflichtet gewesen, lehnte die Beklagte den Antrag zunächst mit Bescheid vom 16.04.2010 ab. Die Beigeladene legte daraufhin die Urkunde über die Gewährung einer Reallast von 1983 sowie Kontoauszüge, aus denen sich Zahlungen der gemeinsamen Töchter an die Beigeladene in Höhe von zusammen 1.749,00 EUR (Februar bzw. Juni 2009) bzw. 1.791,00 (Januar 2010) ergaben, vor. Die Tochter H. E. teilte ergänzend mit, seit Übertragung der Immobilie würde die Unterhaltsverpflichtung des Versicherten an die Beigeladene monatlich per Dauerauftrag durch die drei Töchter (im Umfang von jeweils einem Drittel) übernommen. Mit Bescheid vom 19.07.2010 bewilligte die Beklagte der Beigeladenen große Witwenrente an Geschiedene ab 01.04.2010 in Höhe von monatlich 501,82 EUR (brutto). Da die Rente mit einer anderen Rente zusammentreffe, sei sie entsprechend dem Verhältnis der Dauer der Ehe mit dem Versicherten (472 Monate) zu der Dauer aller Ehen (775 Monate) aufzuteilen gewesen.

Der Klägerin teilte die Beklagte mit Bescheid vom 23.07.2010 die Rentenbewilligung an die Beigeladene mit und hob unter Neuberechnung der Rente (ab 01.09.2010 nunmehr monatlich 408,97 EUR) den Rentenbescheid vom 23.04.2010 hinsichtlich der Rentenhöhe mit Wirkung für die Zukunft ab 01.09.2010 nach § 48 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) auf wogegen die Klägerin Widerspruch einlegte. Mit Bescheid, vom 08.10.2010 hob die Beklagte den Rentenbescheid vom 23.04.2010 unter Neuberechnung der Rente (Rentenbetrag für April 2010 wie bisher, danach monatlich 408,97 EUR) mit Wirkung ab 01.04.2010 auf und wurde verlangte die Erstattung eines überzahlten Betrags in Höhe von 2.007,28 EUR. Auf Einwände der Klägerin hin stellte die Beklagte mit Bescheid vom 23.11.2010 die monatliche Rente bis 30.06.2010 in der ursprünglichen Höhe fest und reduzierte die geltend gemachte Überzahlung auf 1.003,46 EUR. Mit Widerspruchsbescheid vom 08.03.2011 wies die Beklagte den Widerspruch im Übrigen zurück. Der Versicherte habe der Beigeladenen mit Urkunde aus dem Jahr 1983 einen lebenslangen Unterhaltsanspruch in Form einer Leibrente zuerkannt. Dieser Anspruch habe bis zum Tod des Versicherten fortbestanden, da die Urkunde auch mit der weiteren Urkunde vom September 2002 nicht aufgehoben worden sei. Diese hätte lediglich zu Veränderungen im Rahmen der Absicherung der Zahlung dieses Leibrentenanspruchs geführt. Bei den von den Töchtern geleisteten Zahlungen habe es sich um Unterhaltszahlungen aufgrund der Leibrentenurkunde gehandelt; insoweit hätten die Töchter als Vertreter bzw. Beauftragte des Versicherten zu dessen Lasten gehandelt. Damit sei im letzten wirtschaftlichen Dauerzustand eine tatsächliche Unterhaltszahlung des Versicherten durch beauftragte Dritte an die Beigeladene erfolgt und die Aufteilung der Hinterbliebenenrente nach § 91 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) vorzunehmen gewesen. Da die Klägerin mit Schreiben vom 28.06.2010 hierauf hingewiesen worden sei, seien die Voraussetzungen für eine Aufhebung gemäß § 48 SGB X somit ab 01.07.2010 erfüllt gewesen und die Klägerin zur Erstattung der für den Zeitraum vom 01.07.2010 bis 31.08.2010 erfolgten Überzahlung in Höhe von 1.003,64 EUR verpflichtet gewesen.

Die Klägerin hat hiergegen am 05.04.2011 Klage beim Sozialgericht Freiburg erhoben und zur Begründung ausgeführt, weder habe der Versicherte im letzten Jahr vor seinem Tod Unterhalt für die Beigeladene geleistet, noch hätte eine solche Verpflichtung dieser gegenüber bestanden. Die Töchter hätten aufgrund einer eigenen vertraglichen Pflicht, zu deren Absicherung sie sich selbst zur sofortigen Zwangsvollstreckung in ihr gesamtes Vermögen unterworfen hätten, an die Beigeladene Zahlungen erbracht. Die Übernahme der Unterhaltsverpflichtung des Vaters durch die Töchter sei im Wege der Schuldübernahme mit befreiender Wirkung erfolgt. Die Beklagte hat an ihrer Einschätzung im Verwaltungsverfahren festgehalten. Durch den Überlassungsvertrag seien Veränderungen lediglich im Rahmen der Absicherung der Zahlung des Leibrentenanspruchs eingetreten. Dass die Übernahme der Auszahlung der Leibrente nach wie vor zu Lasten des Versicherten erfolgte, belege auch der niedrige Kaufpreis (100.000,00 EUR), der zusammen mit dem auf dem Haus lastenden Verbindlichkeiten von ca. 100.000,00 EUR weniger als die Hälfte des Verkehrswertes des Hauses von 590.000,00 EUR betrage. Die vom Sozialgericht notwendig Beigeladene hat sich der Beurteilung durch die Beklagte angeschlossen. Ergänzend hat sie vorgetragen, sie gehe davon aus, dass darüber hinaus auch ein Anspruch auf Unterhalt gegenüber dem Versicherten bestanden habe. Jedenfalls bei wirtschaftlicher Betrachtung habe sich im Ergebnis bei den Zahlungen der Töchter um Leistungen des Versicherten gehandelt, was sich ohne Weiteres aus einem Vergleich des Verkehrswertes des an die Töchter übertragenen Grundstückes mit der Zahlung ergeben würde. Mit Bescheid vom 17.06.2011 hat die Beklagte eine Rentenanpassung der Witwenrente der Klägerin ab 01.02.2010 auf 413,03 EUR vorgenommen.

Mit Urteil vom 21.11.2013 hat das Sozialgericht Freiburg den Bescheid vom 23.07.2010 in Gestalt der Bescheide vom 08.10.2010 und 23.11.2010, sämtliche in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 08.03.2011 aufgehoben. Keine der beiden alternativen Voraussetzungen des § 243 Abs. 2 Nr. 3 SGB VI seien in Gestalt der Beigeladenen erfüllt, weshalb diese keinen Anspruch auf Witwenrente habe. Im Hinblick auf die erste Alternative komme es allein auf die unterhaltsrechtlichen tatsächlichen Beziehungen zwischen dem Versicherten und dem geschiedenen Ehegatten an. Unterhaltszahlungen Dritter würden von § 243 SGB VI nicht erfasst, so das Bundessozialgericht in seinen Urteilen vom 05.11.1980 (11 RA 92/79, SozR 2200 § 1265 Nr. 52) und vom 29.01.1981 (11 RA 18/80, juris). Die in § 5 Abs. 1 des Überlassungsvertrags geregelte, befreiend ausgestaltete Schuldübernahme führe dazu, dass der Versicherte keinerlei eigene Verpflichtung gegenüber der Beigeladenen hatte. Auch die zweite Alternative des § 243 Abs. 2 Nr. 3 SGB VI sei auf Grund der wirksamen Schuldübernahme mit befreiender Wirkung nicht erfüllt.

Gegen das der Beklagten am 27.11.2013 zugestellte Urteil hat diese am 23.12.2013 Berufung eingelegt und zu deren Begründung im Wesentlichen ihr Vorbringen aus erster Instanz wiederholt und vertieft. Der hier zu beurteilende Sachverhalt unterscheide sich im Hinblick auf denjenigen, über welchen das BSG in seiner Entscheidung vom 05.11.1980 (a.a.O.) zu entscheiden gehabt habe, dadurch, dass die Beigeladene hier nicht auf Unterhalt verzichtet habe, sondern vielmehr lediglich der Löschung der zur Sicherung der Unterhaltszahlung eingetragenen Reallast zugestimmt habe.

Sie beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 21.11.2013 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin hat gleichfalls an ihrer bisherigen Auffassung festgehalten. Sie beantragt sinngemäß,

die Berufung der Beklagten mit der Maßgabe zurückzuweisen, dass auf ihre Klage auch der Bescheid vom 19.07.2010, mit dem die Beklagte der Beigeladenen große Witwenrente bewilligte, aufgehoben wird.

Die Beigeladene hat sich den Ausführungen der Beklagten angeschlossen und beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 21.11.2013 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Verwaltungsakten der Beklagten sowie der Akten beider Rechtszüge Bezug genommen.

Die Beteiligten haben auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet.

Entscheidungsgründe:

Die gemäß § 151 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und fristgerecht eingelegte und gemäß den §§ 143, 144 SGG statthafte Berufung der Beklagten, über die der Senat mit dem Einverständnis der Beteiligten gemäß § 124 Abs. 2 SGG ohne mündliche Verhandlung entscheidet, ist zulässig, aber unbegründet.

Entgegen der Auffassung des Sozialgerichts sind Gegenstand des Rechtsstreites vorliegend nicht nur die an die Klägerin ergangenen Bescheide vom 23.07.2010 sowie der Bescheid vom 08.10.2010 in Gestalt des Teilabhilfebescheides vom 23.11.2010, alle in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 08.03.2011. Gegenstand des Rechtsstreits ist vielmehr auch der gegenüber der Beigeladenen ergangene Rentenbescheid vom 19.07.2010. Richtet sich nämlich die Klage einer Witwe gegen die Aufteilung einer Rente zwischen ihr und der geschiedenen ersten Ehefrau des Versicherten (§ 91 SGB VI), so ficht sie damit nach ständiger Rechtsprechung des Bundessozialgerichts nicht nur den ihr gegenüber ergangenen Aufhebungs- und Erstattungsbescheid an, sondern mit einer weiteren Anfechtungsklage auch den der geschiedenen Ehefrau erteilten Rentenbescheid (grundlegend BSG, Urteil vom 23.06.1964, 11/1 RA 90/62, SozR Nr. 5 zu § 1268 RVO; ebenso - nach Inkrafttreten des § 91 SGB VI - BSG, Urteil vom 31.08.2000, B 4 RA 44/99 R, juris, Urteil vom 25.02.2010, B 13 R 147/08 R, SozR 4-2600 § 243 Nr. 4). Die an die Klägerin ergangenen Teilaufhebungsbescheide ("Aufteilungsbescheide") und der Rentenbewilligungsbescheid gegenüber der Beigeladenen stellen nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts eine einheitliche Entscheidung der Beklagten dar. Danach ist im Falle der erstmaligen oder späteren Beschränkung einer Witwenrente wegen des Vorhandenseins einer weiteren Berechtigten über die den beiden Hinterbliebenen erteilten Bescheide einheitlich zu entscheiden (BSG vom 25.02.2010 a.a.O, auch zum Nachfolgenden.). Das Bundessozialgericht hat den Sinn und Zweck der materiell-rechtlichen Aufteilungsregelung nach den Vorläufervorschriften (§ 45 Abs. 4 Satz 1 Angestelltenversicherungsgesetz [AVG] bzw. § 1268 Abs. 4 Satz 1 Reichsversicherungsordnung [RVO]) darin gesehen, dass die Versichertengemeinschaft nicht dadurch belastet werden sollte, dass der Versicherte mehrere Ehen eingegangen war. Der Tod des Versicherten sollte betragsmäßig nur eine Hinterbliebenenrente für die Witwe und etwaige frühere Ehefrauen auslösen. Die Aufteilung nur einer (einzigen) aus dem Versichertenverhältnis erworbenen Hinterbliebenenrente wurde dabei durch eine verfahrensrechtliche Spezialermächtigung sichergestellt (§ 45 Abs. 4 Satz 2 AVG = § 1268 Abs. 4 Satz 2 RVO). Danach waren Hinterbliebenenrenten (nur) mit Wirkung für die Zukunft neu festzustellen (aufzuteilen), wenn nach der Bewilligung offenbar wurde, dass ein weiterer Berechtigter zu berücksichtigen war. Diese vom Bundessozialgericht zur früheren materiell-rechtlichen Aufteilungsregelung in § 45 Abs. 4 AVG bzw. § 1268 Abs. 4 RVO entwickelte Rechtsprechung findet, so das Bundessozialgericht in der genannten Entscheidung, auch für die Nachfolgevorschrift in § 91 SGB VI Anwendung. Zwar fehlt es mit der Eingliederung des Rentenrechts in das SGB VI nunmehr an einer verfahrensrechtlichen Spezialermächtigung, wie sie ursprünglich in § 45 Abs. 4 Satz 2 AVG bzw. § 1268 Abs. 4 Satz 2 RVO enthalten war. Hieraus folgt jedoch lediglich, dass an deren Stelle im Falle der Neufestsetzung von Witwenrenten nunmehr die allgemeinen Regeln über die Aufhebung von Verwaltungsakten des SGB X getreten sind. Eine Änderung des mit der Aufteilung beabsichtigten Gesetzeszwecks ist hingegen nicht erfolgt. Vielmehr ist der Gesetzesbegründung zu entnehmen, dass die Aufteilung entsprechend dem geltenden Recht erfolgen sollte (vgl. BT-Drucks. 11/4124, S. 174 zu Art. 1 § 90 und S. 199 zu Art. 1 § 238 des Entwurfs eines Rentenreformgesetzes). Aus Wortlaut, Entstehungsgeschichte und Gesetzeszweck der Aufteilungsvorschrift des § 91 Satz 1 SGB VI folgt daher, so das Bundessozialgericht in der genannten Entscheidung, dass die Ansprüche auf Witwen- bzw. Geschiedenenwitwenrente nach wie vor unauflöslich miteinander verknüpft sind. Diese enge Verknüpfung wird verfahrensrechtlich nunmehr über die Regelungen über die Drittbetroffenheit gemäß § 49 SGB X sichergestellt. Denn soweit die Rentenberechtigung der geschiedenen ersten Frau des Versicherten nach § 243 SGB VI für die Witwe die Teilung der Hinterbliebenenrente gemäß § 91 SGB VI zur Folge hat, wird sie in ihren Rechten drittbetroffen und beschwert (§ 54 SGG), mit der Folge, dass auf ihren Widerspruch bzw. ihre Klage über die Rechtmäßigkeit beider Bescheide zu entscheiden ist. Entgegen der Auffassung der Beigeladenen kommt es deshalb auf die von der Klägerin bislang formulierten Anträge nicht an (vgl. § 123 SGG).

Nicht Gegenstand des Verfahrens ist dagegen der Bescheid über die Rentenanpassung vom 17.06.2011. Mit diesem Bescheid ist lediglich eine Rentenanpassung umgesetzt worden. Rentenanpassungen betreffen indes allein die wertmäßige Fortschreibung eines bereits zuerkannten Wertes des Rechts auf Rente und bilden jeweils selbstständige Streitgegenstände; denn insoweit wird nicht über den Geldwert des Rechts auf Rente, sondern ausschließlich über den Grad der Anpassung entschieden (BSG, Urteil vom 10.04.2003, B 4 RA 41/02 R, SozR 4-2600 § 260 Nr. 1). Der Grad der Anpassung wird aber von der Klägerin nicht in Zweifel gezogen; dieser ist vorliegend nicht streitgegenständlich.

Die demnach streitgegenständlichen an die Klägerin ergangenen Aufhebungs- und Erstattungsbescheide sowie der an die Beigeladene ergangene Rentenbescheid sind rechtswidrig und daher aufzuheben. Sowohl die Aufhebungs- und Erstattungsbescheide der Beklagten vom 23.07.2010, 08.10.2020 und 23.11.2010, alle in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 08.03.2011, wie auch der Bewilligungsbescheid vom 19.07.2010 wären nur dann rechtmäßig, wenn der Beigeladenen eine Witwenrente gemäß § 243 SGB VI zustünde. Nur dann wäre infolge der rechtmäßigen Bewilligung von Geschiedenenwitwenrente mit dem Hinzutreten einer weiteren Berechtigten im Sinne des § 91 SGB VI eine wesentliche Änderung im Sinne des § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X eingetreten, welche die Beklagte auch zur teilweisen Aufhebung der der Klägerin bereits zuerkannten Witwenrente, gegebenenfalls mit Wirkung für die Vergangenheit, berechtigt und eine Erstattungsforderung nach § 50 Abs. 1 SGB X begründet hätte.

Die Beigeladene hat indessen keinen Anspruch auf Geschiedenenwitwenrente. Die Berufung der Beklagten ist daher mit der Maßgabe zurückzuweisen, dass auf die Klage der Klägerin auch der Bescheid vom 19.07.2010, mit dem die Beklagte der Beigeladenen Rente bewilligte, aufgehoben wird.

Die Beigeladene hat entgegen der Auffassung der Beklagten keinen Anspruch auf kleine oder große Witwenrente. Gemäß § 243 Abs. 1 bzw. Abs. 2 SGB VI in der hier anzuwendenden Fassung vom 20.04.2007 setzt der Anspruch auf kleine Witwenrente bzw. auf große Witwenrente für geschiedene Ehegatten u.a. voraus, dass 1. deren Ehe vor dem 01.07.1977 geschieden ist, 2. sie weder wieder geheiratet noch eine Lebenspartnerschaft begründet haben und 3. sie im letzten Jahr vor dem Tod des geschiedenen Ehegatten (Versicherter) Unterhalt von diesem erhalten haben oder im letzten wirtschaftlichen Dauerzustand vor dessen Tod einen Anspruch hierauf hatten. Darüber hinaus muss der Versicherte die allgemeine Wartezeit erfüllt haben und nach dem 30.04.1942 gestorben sein. Unstreitig liegen bei der Beigeladenen die Voraussetzungen nach Nr. 1 und Nr. 2 vor und erfüllte der Versicherte die allgemeine Wartezeit im Zeitpunkt seines Todes am 04.01.2010. Die Beigeladene erhielt indes weder im letzten Jahr vor dem Tod des Versicherten Unterhalt von diesem, noch hatte sie im letzten wirtschaftlichen Dauerzustand vor dessen Tod einen Anspruch hierauf. Diese Voraussetzung ist auch nicht nach Maßgabe des § 243 Abs. 3 SGB VI entbehrlich, da ein Unterhaltsanspruch nicht aus den dort genannten Gründen (vgl. § 243 Abs. 3 Nr. 1 SGBVI) nicht bestand.

Nach der ersten Alternative - "Unterhalt von diesem erhalten" - ist Voraussetzung, dass der Versicherte für die Dauer eines Jahres tatsächlich Unterhalt an seine geschiedene Ehefrau gezahlt hat (BSG vom 31.08.2000 a.a.O.). Der Versicherte selbst zahlte entsprechend den im Überlassungsvertrag von 2002 getroffenen Vereinbarungen keinen Unterhalt an die Beigeladene; dies ist zwischen den Beteiligten auch unstreitig. Entgegen der Auffassung der Beklagten sowie der Beigeladenen können indes auch die Unterhaltszahlungen der Töchter des Versicherten diesem nicht als eigene Unterhaltsleistung zugerechnet werden. Zwar kann ein Versicherter Unterhalt auch mit Hilfe eines Dritten leisten; Unterhalt leistet in diesem Falle der Versicherte selbst aber nur dann, wenn der Dritte als Vertreter oder Beauftragter des Versicherten zu dessen Lasten handelt (BSG vom 05.11.1980 a.a.O. sowie vom 29.01.1981 a.a.O., auch zum Nachfolgenden). Hat der Versicherte dagegen an den Zahlungen des Dritten nicht mitgewirkt und haben diese allein das Vermögen des Dritten vermindert, liegt eine Unterhaltsleistung im Sinne des § 243 SGB VI nicht vor. Da bei dieser Alternative nur das tatsächliche Geschehen, das tatsächliche Unterhaltleisten durch den Versicherten maßgebend ist, genügt es nicht, Leistungen Dritter dem Versicherten im wirtschaftlichen Ergebnis zuzurechnen, weil sie auf einer früheren Disposition des Versicherten beruhen. Diese zu § 42 Satz 1 AVG entwickelte Rechtsprechung des Bundessozialgerichts beansprucht für die hier zu beurteilende inhaltsgleiche Regelung in § 243 SGB VI gleichermaßen Geltung.

Die Töchter handelten bei den jeweiligen Zahlungen an die Beigeladene weder als Vertreter noch als Beauftragte des Versicherten zu dessen Lasten. Weder wirkte der Versicherte an den Zahlungen der Töchter in seinem letzten Lebensjahr an die Beigeladene mit, noch verminderten die Zahlungen der Töchter das Vermögen des Versicherten, sondern alleinig deren Vermögen (vgl. zur Relevanz dieser beiden Kriterien BSG vom 05.11.1980 a.a.O. sowie vom 29.01.1981 a.a.O.). Vielmehr zahlten die Töchter an die Beigeladene in Erfüllung der eigenen schuldrechtlichen Verpflichtung aufgrund der Übernahme der Unterhaltsverpflichtung des Versicherten gegenüber der Beigeladenen gemäß § 5 Abs. 1 des Überlassungsvertrags. Es kann dabei dahingestellt bleiben, ob, wie die Beklagte und die Beigeladene vortragen, mit der Grundstücksübertragung an die Töchter weit unter Verkehrswert im Überlassungsvertrag (auch) die weitere Unterhaltszahlung an die Beigeladene gesichert werden sollte, ohne dabei den Töchtern eine finanzielle Belastung aufzuerlegen, oder ausschließlich Gesichtspunkte einer vorgenommenen Erbfolge hierfür maßgeblich waren, so die Klägerin. Dies ändert nichts daran, dass jedenfalls im letzten Jahr vor seinem Tod der Versicherte, wie bereits ausgeführt, an den Zahlungen der Töchter an die Beigeladene weder mitwirkte noch sein Vermögen durch diese Zahlungen vermindert wurde. Die im Jahre 2002 vorgenommene vermögensrechtliche Disposition des Versicherten könnte demnach allenfalls eine Zuordnung der Unterhaltszahlungen aus rein wirtschaftlicher Sicht rechtfertigen. Dies genügt aber, wie zuvor dargelegt, gerade nicht (BSG a.a.O.). Ebenso wie in dem der Entscheidung des Bundessozialgericht vom 05.11.1980 zugrunde liegenden Fall (BSG vom 05.11.1980 a.a.O.), bestand auch hier die Zuwendung des Versicherten an die Beigeladene (lediglich) in der durch den Überlassungsvertrag 2002 verschafften Position, die der Beigeladenen aufgrund der Schuldübernahme durch die Töchter einen eigenen Anspruch auf Unterhaltszahlungen diesen gegenüber einräumte. Soweit die Beklagte eine Übertragbarkeit der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts auf den vorliegenden Fall dennoch ablehnt, weil ein hier abweichender Sachverhalt der Gestalt vorliege, dass die Beigeladene nicht auf Unterhalt verzichtet habe, sondern lediglich der Löschung der zur Sicherung der Unterhaltszahlung eingetragenen Reallast zugestimmt habe, kann dem ungeachtet der Frage der Relevanz, nicht gefolgt werden. Denn im vorliegenden Fall stimmte die Beigeladene weitergehend dem Übergang der Unterhaltsverpflichtung mit schuldbefreiender Wirkung auf die Töchter sogar ausdrücklich zu, wohingegen im vom Bundessozialgericht 1980 zu entscheidenden Fall die geschiedene Ehefrau von der entsprechenden Vereinbarung lediglich Kenntnis genommen hatte (BSG a.a.O.).

Die Beigeladene besaß im letzten wirtschaftlichen Dauerzustand vor dem Tod des Versicherten auch keinen Anspruch auf Unterhalt gegen diesen (§ 243 Abs. 1 und 2 Nr. 3 2. Alt. SGB VI). Denn die gemeinsamen Töchter übernahmen im Überlassungsvertrag sämtliche Unterhaltsverpflichtungen des Versicherten gegenüber der Beigeladenen mit schuldbefreiender Wirkung diesem gegenüber (§ 5 Abs. 1 Satz 1 des Überlassungsvertrags). Entgegen der Auffassung der Beklagten wurde eben nicht lediglich die dingliche Absicherung der Unterhaltsverpflichtung gemäß der Urkunde vom 20.09.1983 aufgehoben. Es erfolgte vor allem ein Austausch der Schuldner: An die Stelle des Versicherten als bisherigen Schuldner traten mit Genehmigung des Überlassungsvertrags durch sämtliche Parteien, auch durch die Beigeladene, die Töchter. Die durch Vertrag zwischen Töchter (= Übernehmer) und Versichertem (= Schuldner) vereinbarte Schuldübernahme ist durch Genehmigung der Beigeladenen (= Gläubigerin der Unterhaltsverpflichtungen) gemäß § 415 Abs. 1 Satz 1 BGB wirksam geworden. Damit sind die Töchter bezüglich der Unterhaltsverpflichtungen an die Stelle des Versicherten als bisherigen Schuldner getreten (§ 414 BGB); der Versicherte wurde von seiner Schuld dagegen frei (Stürner, in Jauernig, Kommentar zum BSG, 15. Aufl. 2014, Vorbemerkungen vor § 414 Rdnr. 1). Diesem Schuldneraustausch standen im Übrigen auch nicht die hier anzuwendenden Vorschriften über den Unterhaltsanspruch eines Ehegatten nach Scheidung entgegen. Die mit Ablauf des 30.06.1977 außer Kraft getretenen Vorschriften des Ehegesetzes (EheG) über den Unterhaltsanspruch eines Ehegatten finden hier noch Anwendung, weil die Ehe noch vor dem Inkrafttreten des 1. Gesetzes zur Reform des Ehe- und Familienrechts (1. EheRG) durch Urteil vom 30.03.1977 geschieden worden ist (vgl. Art. 12 Nr. 3 Satz 2 1. EheRG). Zwar sah § 58 Abs. 1 EheG eine Unterhaltsverpflichtung des alleine oder überwiegend für schuldig erklärten Mannes der geschiedenen Ehefrau unter den dort genannten weiteren Voraussetzungen vor. Ein Verzicht auf diesen nachehelichen Unterhalt war indes nach § 72 Satz 1 EheG zulässig und steht dem Anspruch auf Geschiedenenwitwenrente entgegen (vgl. BSG vom 25.02.2010 a.a.O.).

Ein Anspruch nach § 243 Abs. 3 SGB VI (Witwenrente ohne vorangegangenen Unterhaltsanspruch) scheitert bereits am Witwenrentenanspruch der Klägerin sowie am Unterhaltsverzicht der Beigeladenen gegenüber dem Versicherten (Gürtner, in Kasseler Kommentar, Sozialversicherungsrecht, § 243 SGB VI Rdnr. 65).

Steht der Beigeladenen damit kein Anspruch auf Geschiedenenwitwenrente zu, so ist nach dem Vorgesagten, wonach sich Widerspruch und Klage der Klägerin zugleich auch gegen die Rentenbewilligung für die Beigeladene richtet, auch der Bescheid vom 19.07.2010 über die Bewilligung einer großen Witwenrente an Geschiedene an die Beigeladene im Wege einer Maßgabeentscheidung aufzuheben (BSG, Urteil vom 23.06.1964, a.a.O.). Die von der Beigeladenen geltend ge¬machten Gründe des Bestandsschutzes bzw. des Vertrauensschutzes stehen der Rücknahme des Bescheides vom 19.07.2010 nicht entgegen. Bestandsschutz kommt bereits deshalb nicht in Betracht, weil Widerspruch und Klage der Klägerin sich nach der dargelegten Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zugleich auch zwingend gegen den Bewilligungsbescheid der Beigeladenen richteten und den Eintritt von Bestandskraft hinderten. Der Rücknahme des anfänglich rechts¬widrigen Bewilligungsbescheides vom 19.07.2010 steht auch nicht § 45 SGB X als gesetzliche Ausprägung des Vertrauensschutzes entgegen. Denn § 49 SGB X, der - wie bereits dargelegt - aufgrund der engen Verknüpfung von Witwen- und Geschiedenenwitwenrente hier Anwendung findet (BSG vom 25.02.2010 a.a.O.), schließt die Anwendung des § 45 SGB X u.a. aus, wenn wie vorliegend ein Verwaltungsakt mit Drittbetroffenheit im sozialgerichtlichen Verfahren aufgehoben und dadurch der Klage stattgegeben wird. Nachdem es somit bereits an einer wirksamen (teilweisen) Aufhebung der Bewilligung von Witwenrente gegenüber der Klägerin fehlt, kann auch die Erstattungsforderung in den angefochtenen Bescheiden kein Bestand haben (§ 50 Abs. 1 SGB X).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Für die Zulassung der Revision besteht keine Veranlassung.
Rechtskraft
Aus
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