Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
9
1. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 9 KR 54/12 KL
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 3 KR 28/15 R
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
1. Eine nur für einen bestimmten Zeitraum rechtswidrige Festbetragsfestsetzung für bestimmte Hilfsmittel (hier: für Hörhilfen) verletzt Versicherte, die einen Anspruch für solche Hilfsmittel haben, nicht in ihren subjektiven Rechten, wenn die Hilfsmittelversorgung vor oder nach diesem Zeitraum erfolgt.
2. Fechten Versicherte unmittelbar eine Festbetragsfestsetzung an (hier: für Hörhilfen), können sie sich weder auf individuelle Versorgungsbedarfe noch eine atypische Bedarfslage noch Aspekte der Infrastruktursicherheit berufen.
2. Fechten Versicherte unmittelbar eine Festbetragsfestsetzung an (hier: für Hörhilfen), können sie sich weder auf individuelle Versorgungsbedarfe noch eine atypische Bedarfslage noch Aspekte der Infrastruktursicherheit berufen.
Bemerkung
BSG: Revision zurückgenommen
Die Klage wird abgewiesen. Außergerichtliche Kosten des Rechtsstreits sind nicht zu erstatten. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Die Klägerin wendet sich gegen einen vom Beklagten festgesetzten Festbetrag.
Der beklagte Spitzenverband Bund der Krankenkassen (Eigenbezeichnung: GKV-Spitzenverband) beschloss am 12. Dezember 2011 folgendes "Festbetragsgruppensystem für Hörhilfen", welches am 1. Februar 2012 im Bundesanzeiger veröffentlicht wurde und am 1. März 2012 in Kraft trat:
I. Allgemeine Erläuterungen zum Festbetragsgruppensystem und zu den Festbeträgen
Der GKV-Spitzenverband bestimmt gemäß § 36 Abs. 1 SGB V Hilfsmittel, für die Festbeträge festgesetzt werden. Die Festbeträge für Hörhilfen wurden mit Wirkung vom 1. Januar 2005 auf der Bundesebene durch die ehemaligen Spitzenverbände der Krankenkassen festgesetzt und zum 1. Januar 2007 angepasst. Sie gelten bis zur Festsetzung von neuen Festbeträgen durch den GKV-Spitzenverband unverändert weiter.
Für die Versorgung von an Taubheit grenzenden Patienten wird eine neue Abrechnungsposition gebildet. Der neue Festbetrag tritt am 1. März 2012 in Kraft. Maßgeblich für die Anwendung des neuen Festbetrages ist der Zeitpunkt der Leistungserbringung. Für das Festbetragsgruppensystem gelten die medizinischen, technischen und sonstigen Anforderungen der Produktgruppe 13 "Hörhilfen" des Hilfsmittelverzeichnisses nach § 139 SGB V.
Der Festbetrag umfasst sämtliche Leistungen, die im Zusammenhang mit der Abgabe der Produkte entstehen. Ausgenommen hiervon sind Kosten, für die bereits separate Festbeträge existieren (zum Beispiel Ohrpassstücke). Der Festbetrag wird jeweils für eine Hörhilfe in einfacher Stückzahl festgelegt. Bei dem Festbetrag für an Taubheit grenzende Versicherte handelt es sich um einen Nettobetrag. Der Festbetrag gilt für die Versorgung von Erwachsenen ab dem vollendeten 18. Lebensjahr.
Mit dem Festbetrag sind im Einzelnen folgende Leistungen abgegolten, die mit der Bereitstellung der Produkte an den Versicherten entstehen: • Anamnese, Daten zur Schwerhörigkeit, Erfassung der sozialen Umfeldsituation, Dokumentation durch den Hörgeräteakustiker • Betrachtung der äußeren Ohren, der Gehörgänge und der Trommelfelle • Ermittlung der Kenndaten, Audiometrie • Kontrollotoskopie • Gehörgangstamponade • Kontrollotoskopie • Voreinstellung der ausgewählten Geräte, Geräteeinstellung z.B. PC, AGC, Frequenzen, Kanaligkeit etc. • Filter im Hörkanal (Einstellung) • Rückkoppelungsmanagement (Einstellung) • Störgeräuschunterdrückende Software • Hörprogrammanpassung • Mehrmikrofontechnik-Anpassung • Vergleichende Hörgeräteanpassung • Toleranztest • Erste Einweisung im Rahmen der Hörgeräteauslieferung, Bedienung und Handhabung • Rezeptabrechnung
Die Definition der an Taubheit grenzenden Patienten erfolgt auf der Basis der WHO-Definition von 2001Table of grades of hearing impairment (Tonaudiogramm). Hörgeräte, die für die Versorgung von an Taubheit grenzenden Patienten abgegeben werden, müssen über folgende Features verfügen: • Digitaltechnik • Mehrkanaligkeit (mindestens 4 Kanäle) • Rückkoppelungs- und Störschallunterdrückung • Mindestens 3 Hörprogramme • Verstärkungsleistung &8805; 75 dB
Der GKV-Spitzenverband setzt gemäß § 36 Abs. 2 SGB V folgenden Festbetrag für die Versorgung von an Taubheit grenzenden Versicherten fest:
II. Festbeträge für Hörhilfen
Positionsnummer Bezeichnung Festbetrag
13.20.10 Hörgerät für an Taubheit grenzende Versicherte 786,86 EUR 13.99.99.1006 Abschlag in EUR für das zweite Hörgerät (13.20.10) bei beidohriger (binauraler) Versorgung 157,37 EUR
Dem ging Folgendes voraus: Mit Wirkung zum 1. Januar 2005 setzten die damaligen Spitzenverbände der Krankenkassen erstmals bundesweit geltende Festbeträge für Hörhilfen fest (Beschluss vom 1. Dezember 2004), für ein- und mehrkanalige Hinter-dem-Ohr-(HdO-) und Im-Ohr-(IO-)Geräte (mit und ohne AGC [Automatic Gain Control = automatische Verstärkungsregelung]) auf 421,28 Euro je Gerät. Der Beschluss der Spitzenverbände vom 23. Oktober 2006 änderte hieran nichts. Aufgrund des Urteils des Bundessozialgerichts (BSG) vom 17. Dezember 2009 (Az.: B 3 KR 20/08 R), dem der Kostenerstattungsantrag einer Versicherten mit an Taubheit grenzender Schwerhörigkeit zugrunde lag, gelangte der Beklagte zum Schluss, dass das bisherige Festbetragssystem und der einheitliche Festbetrag für Hörhilfen für Versicherte mit an Taubheit grenzender Schwerhörigkeit unzureichend seien. Er erfragte bei zahlreichen Herstellern die Abgabepreise für von ihnen produzierte Hörgeräte mit den im o.g. Beschluss genannten technischen Anforderungen (Schreiben vom 2. Juni 2010). Nach Eingang der Antworten – nicht alle angeschriebenen Hersteller reagierten auf die Anfrage – wählte der Beklagte 37 der erfragten Hörgeräte aus, ordnete sie nach der Preishöhe und ging davon aus, dass das untere Preisdrittel bei 485,- Euro ende. Zusätzlich berücksichtigte er bei der Kalkulation der Festbeträge auch einen zwischen den Beteiligten unstreitigen Festrabatt von 10 % sowie einen Dienstleistungsanteil, dem er eine Arbeitszeit von 254,50 Minuten und einen Stundenverrechnungssatz von 45,50 Euro zugrunde legte; diesen Wert entnahm er der von der Handwerkskammer Region Stuttgart herausgegebenen Broschüre "Wie viel kostet eine Handwerkerstunde?" (Stand: Februar 2010). Am 12. Mai 2011, veröffentlicht im Bundesanzeiger am 26. Mai 2011, machte der Beklagte das Stellungnahmeverfahren "zur Festsetzung von Festbeträgen für Hörhilfen für an Taubheit grenzende Schwer¬hö¬rige zum geänderten Festbetragsgruppensystem für Hörhilfen" bekannt. In der Folgezeit nahmen u.a. die Bundesinnung der Hörgeräteakustiker (biha) und der Bundesverband der Hörgeräteindustrie e.V. Stellung (Schreiben vom 17. Juni 2011). Die biha verwies bezüglich der erforderlichen Arbeitszeit auf ihre Angaben in einem früheren Stellungnahmeverfahren (Schreiben vom 18. Oktober 2004), wonach bei erwachsenen Schwerhörigen über die gesamte Versorgungslaufzeit von 6 Jahren ein Arbeitsaufwand von 1.146 Minuten (19,12 Stunden) entstehe. Ferner machte sie geltend, technische Vorgaben wie Mehrmikrofontechnik, Mehrkanaligkeit (mindestens 4 Kanäle), mindestens 3 Hörprogramme, Verstärkungsleistung &8805; 75 dB und Filter im Hörkanal ließen sich dem o.g. Urteil des BSG nicht entnehmen. Daraufhin ging der Beklagte bei seiner Kalkulation von einem Arbeitsaufwand von 461 Minuten (1.146 Minuten abzüglich der mit der Nachbetreuung nach den Angaben der biha verbundenen 685 Minuten) aus.
Am 10. Juli 2013 hat der Beklagte nach Durchführung eines neuen Stellungnahmeverfahrens mit Wirkung zum 1. November 2013 folgenden weiteren Beschluss gefasst:
I. Festbetragsgruppensystem
Der GKV-Spitzenverband bestimmt gemäß § 36 Abs. 1 SGB V Hilfsmittel, für die Festbeträge festgesetzt werden. Dabei sollen unter Berücksichtigung des Hilfsmittelverzeichnisses nach § 139 SGB V in ihrer Funktion gleichartige und gleichwertige Mittel in Gruppen zusammengefasst und die Einzelheiten der Versorgung festgelegt werden.
Für die Versorgung von schwerhörigen Versicherten mit Ausnahme der an Taubheit grenzenden schwerhörigen Versicherten wird eine neue Festbetragsgruppe gebildet.
Hörgeräte, die für schwerhörige Versicherte, ausgenommen für an Taubheit grenzend schwerhörige Versicherte, abgegeben werden, müssen über folgende Features verfügen: - Digitaltechnik - Mehrkanaligkeit (mindestens 4 Kanäle) - Rückkoppelungs- und Störschallunterdrückung - Mindestens 3 Hörprogramme - Verstärkungsleistung ( 75 dB
Mit dem Festbetrag sind im Einzelnen folgende Leistungen abgegolten, die mit der Bereitstellung der Produkte an den Versicherten und bei dessen Versorgung grundsätzlich erforderlich sind: - Anamnese, Erfassung der sozialen Umfeldsituation - Otoskopie im Rahmen der Statuserhebung (Betrachtung der äußeren Ohren, Gehörgänge und Trommelfelle) - Erhebung der Ton- und Sprachaudiometrie - Vorauswahl geeigneter Hörgeräte - Voreinstellung der ausgewählten Geräte entsprechend dem individuellen Hörverlust, z. B. Peak Clipping, Frequenzen, Kanaligkeit, Rückkopplungsmanagement, Störgeräuschunterdrückung [mittels Software und/oder Hardware (z. B. Mehrmikrofontechnik)], Hörprogrammanpassung - Vergleichende Hörgeräteanpassung - Toleranztest - Einweisung in die Bedienung und Handhabung - Feinanpassung - Dokumentation durch den Hörgeräteakustiker, auch der Messergebnisse im Störschall - Rezeptabrechnung
II. Festbeträge
Der Festbetrag wird jeweils für eine Hörhilfe in einfacher Stückzahl festgelegt. Bei dem Festbetrag handelt es sich um einen Nettobetrag. Der Festbetrag gilt für die Versorgung von Erwachsenen ab dem vollendeten 18. Lebensjahr.
Der neue Festbetrag tritt am 1. November 2013 in Kraft. Bis dahin gelten die mit Wirkung vom 1. Januar 2005 auf der Bundesebene durch die ehemaligen Spitzenverbände der Krankenkassen festgesetzten und zum 1. Januar 2007 angepassten Festbeträge zu den Festbetragsgruppen 13.20.01, 13.20.02, 13.20.03, 13.99.99.1002, 13.99.99.1003 und 13.99.99.1004 unverändert weiter und verlieren anschließend ihre Gültigkeit. Maßgeblich für die Anwendung des neuen Festbetrages ist der Zeitpunkt der Leistungserbringung.
Der GKV-Spitzenverband setzt gemäß § 36 Abs. 2 SGB V folgenden Festbetrag für die Versorgung von schwerhörigen Versicherten mit Ausnahme der an Taubheit grenzenden schwerhörigen Versicherten fest:
III. Festbetragsgruppen und Festbetrag
Festbetragsgruppe (Positionsnummer) Bezeichnung Festbetrag
13.20.12 Hörgerät für schwerhörige Versicherte, ausgenommen für an Taubheit grenzend schwerhörige Versicherte 733,59 EUR 13.99.99.1007 Abschlag in EUR für das zweite Hörgerät (13.20.12) bei beidohriger (binauraler) Versorgung 146,72 EUR
Dieser Beschluss wird u.a. von drei Versicherten vor dem 1. Senat des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg mit einer Klage angefochten (Az.: L 1 KR 241/13 KL), über die noch nicht entschieden ist.
Die 1961 geborene Klägerin leidet an hochgradiger, an Taubheit grenzende Schwerhörigkeit in Form einer beidseitigen Innenohrschwerhörigkeit. Ihr verordnete die HNO-Ärztin Dr. K am 10. September 2010 neue Hörhilfen, weil die bisherigen "aufgebraucht" seien, und bescheinigte zugleich, dass eine ausreichende Versorgung der Klägerin nur mit "Hochleistungshörgeräten" gewährleistet werden könne. Die Klägerin testete daraufhin – so ihre Angaben – zahlreiche Hörgeräteversorgungen, darunter auch zuzahlungsfreie Angebote, und entschied sich schließlich für das Modell "Widex Senso Vita SV 38 SN". Dieses Modell verfügt über folgende technische Kenndaten: Es handelt sich um ein volldigitales High Power HdO-Hörgerät mit digitalem Signalprozessor, erweiterter Dynamikbereichs-Kompression, Störlärmunterdrückung und Sprachfokussierung in drei Kanälen, Direkt-Audiometrie in vier Frequenzbändern sowie automatischem Rückkopplungsmanagement; die Eingangssignale werden bis zu 1000 dB SPL linear ohne Sättigung/Verzerrung verarbeitet. Die maximalen akustischen Verstärkungswerte liegen bei Messungen über Ein-Ohr-Simulator nach DIN IEZ 118-0 bei 72 dB, die Ausgangspegel bei 143 dB. Die Firma S Hörgeräte-Akustik, die der Klägerin dieses Modell vorgeschlagen hatte, erstellte für diese Versorgung unter dem 24. Februar 2011 einen Kostenvoranschlag i.H.v. insgesamt 3.828,60 Euro (incl. Otoplastik [SE-Ring] und Reparaturpauschale), wovon die Klägerin einschließlich der gesetzlichen Zuzahlung 2.655,80 Euro übernehmen sollte. Seit diesem Tag nutzt die Klägerin dieses Modell – dessen Eignung Dr. K am 24. Juni 2011 bestätigte –, hat es jedoch nach eigenen Angaben noch nicht gekauft. Das wegen der begehrten vollen Kostenübernahme betriebene Klageverfahren der Klägerin gegen ihre Krankenkasse ruht im Hinblick auf einen weiteren Rechtsstreit der Klägerin gegen ihren Rentenversicherungsträger vor dem Sozialgericht Wiesbaden mit demselben Ziel.
Ihre am 21. Februar 2012 erhobene Klage begründet die Klägerin wie folgt: Die ihr zuzahlungsfrei angebotenen Hörgeräteversorgungen hätten sich unter Berücksichtigung aller wesentlichen Mess- und Anpassdaten sowie unter Berücksichtigung des individuellen Hörempfindens, insbesondere im Hinblick auf Rückkopplungseffekte, als ungeeignet erwiesen. Als Adressatin der angefochtenen Allgemeinverfügung sei sie klagebefugt. Im Hinblick auf die Reichweite einer anderweitigen Inzidentprüfung bzw. auf die präjudizierende Wirkung der hier angefochtenen Allgemeinverfügung herrsche Rechtsunsicherheit. Ihre Klagebefugnis ergebe sich auch aus Art. 3 Abs. 3 Satz 2 Grundgesetz (GG) sowie aus Art. 2 Abs. 2 GG. Für die Erfüllung der staatlichen Pflicht, das Leben und die körperliche Unversehrtheit des Einzelnen zu schützen, bestehe zwar ein erheblicher Spielraum. Die im vorliegenden Fall ergriffenen Maßnahmen seien jedoch gänzlich ungeeignet und völlig unzulänglich. Der Beklagte habe die generellen Kriterien der Festbetragsfestsetzung missachtet. Wirtschaftslenkende Handlungsspielräume seien ihm nicht eröffnet. Seine Entscheidung beruhe auf falschen und unvollständigen Tatsachengrundlagen, wobei sachfremde und willkürliche Erwägungen angestellt worden seien. Dies gelte insbesondere bezüglich der Auswahl der Hersteller, der technischen Kenndaten, der Aktualisierung der Preise, der Kalkulationsmodelle und hinsichtlich der Gruppenbildung ("an Taubheit grenzend"). Der Beklagte habe nicht dafür gesorgt, dass der Festbetrag "im Allgemeinen" eine ausreichende, zweckmäßige und wirtschaftliche sowie in der Qualität gesicherte Versorgung gewährleiste. Er hätte eine Abgrenzung vornehmen müssen zwischen seinen Aufgaben gemäß § 36 Sozialgesetzbuch/Fünftes Buch (SGB V) einerseits und einem Korrektiv andererseits, das sich am individuellen Versorgungsbedarf des einzelnen Versicherten orientiere. Ohne eine solche Abgrenzung sei im Leistungsfall nicht verlässlich einzuschätzen, ob gegebenenfalls eine atypische Bedarfslage vorliege. Die Statuierung von Festbeträgen sei nur für solche Hilfsmittel sinnvoll, die nicht individuell angefertigt würden, da bei diesen der Dienstleistungsanteil nicht standardisierbar sei. Bei Hörgeräten handele es sich jedoch um "Hilfsmittel, die für einen bestimmten Ver¬sicherten individuell angefertigt werden, oder Versorgung mit hohem Dienstleistungsanteil". Es gelte das Gebot der Effektivität von Sozialleistungen. Diese objektiv-rechtliche Verpflichtung beinhalte, dass es auf "patientenrelevante Endpunkte" ankomme (wesentliche Gebrauchsvorteile des Hörgeräts). Werde dieser Endpunkt nicht erreicht, sei dies auch unvereinbar mit dem Wirtschaftlichkeitsgebot. Bei der Bildung von Festbetragsgruppen habe der Beklagte auch Aspekte der Infrastruktursicherheit zu berücksichtigen, damit eine kleinteilige Anbieterstruktur bewahrt werde und Wahlmöglichkeiten gewährleistet blieben, die einen Wettbewerb, aber keine Verdrängung erzeugten. Das gesetzlich geforderte Mindestmaß an Beteiligung der Hersteller und Leistungserbringer sei nicht erreicht worden, weil der Beklagte nicht die erforderlichen Informationen angefordert, geschweige denn erhalten habe. Er habe ferner wesentliche Informationen zurückgehalten, insbesondere indem er seine Beteiligungspflichten im Hinblick auf den zum Schluss etwas nach oben korrigierten Dienstleistungsanteil bei der Anpassung der Hörhilfen verletzt habe. Es sei willkürlich, dass der Beklagte einen Gesamtaufwand von 1.146 Minuten zugrunde gelegt und diesen "um die kalkulierte Nachbetreuungszeit (685 Minuten) reduziert" habe. Willkürlich sei auch die Auswahl der verschiedenen Hörgeräteversorgungen. Unberücksichtigt sei geblieben, dass die Hörgeräteversorgung Ge¬genstand eines einheitlichen Teilhabeanspruchs des hörbehinderten Menschen sei, zu dem auch die Eignung zum mittelbaren Behinderungsausgleich gehöre. Dem hörbehinderten Menschen hälfen Geräte nicht, die keine Einsatzerweiterung für externe Zusatzgeräte (z. B. aus beruflichen Gründen) ermöglichten. Es sei nicht nachvollziehbar, auf welcher Basis der Beklagte die "Obergrenze des gewichteten unteren Preisdrittels" bestimmen wolle. § 35 Abs. 5 Satz 4 SGB V sei auf Hilfsmittel nicht übertragbar. Der Versorgungsbedarf hörbehinderter Versicherter mit an Taubheit grenzender Schwerhörigkeit könne mit Hörgeräten zum hier streitgegenständlichen Festbetrag nicht ausreichend und nicht wirksam gemäß § 10 Abs. 1 Satz 2 Sozialgesetzbuch/Neuntes Buch (SGB IX) versorgt werden. Die technischen Ausstattungsmerkmale des von der Klägerin begehrten Modells seien für die Versicherten zu einem Festbetrag i.H.v. 786,86 Euro pro Ohr nicht erhältlich. Im Übrigen habe das Bundessozialgericht (BSG) darauf hingewiesen, dass Gebrauchsvorteile teurerer Geräte mit objektivierbaren Verfahren nicht immer ausreichend messbar sein. Darüber hinaus macht sich die Klägerin das klägerische Vorbringen in den Parallelverfahren L 9 KR 67/12 KL und L 9 KR 69/12 KL zu eigen.
Die Klägerin beantragt,
den Beschluss des Beklagten vom 12. Dezember 2011 betreffend die Hörgeräte aufzuheben.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er hält seinen Beschluss vom 12. Dezember 2011 für rechtmäßig. Nach seiner Kenntnis verfüge das von der Klägerin begehrte Hörgerät lediglich über drei Kanäle, kein Rückkopplungsmanagement und eine Verstärkungsleistung von 56 dB und sei somit für die Versorgung hochgradig Schwerhöriger ungeeignet. Die Klägerin müsse konkret Mängel bei der Festbetragsgruppenbildung und der Bestimmung der entsprechenden Festbeträge benennen, um eine Stellungnahme hierzu zu ermöglichen.
Der Berichterstatter hat die Sach- und Rechtslage mit den Beteiligten am 16. Januar 2015 erörtert.
Wegen des Sach- und Streitstandes im Einzelnen sowie wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakte sowie die beigezogene Verwaltungsakte, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung war, verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist zulässig, aber unbegründet. Die angefochtene Festbetragsfestsetzung ist zwar für die Zeit bis zum 30. Juni 2014 rechtswidrig. Hierdurch wird die Klägerin aber nicht in eigenen Rechten verletzt.
A. Rechtsgrundlage für die streitgegenständliche Festbetragsfestsetzung für Hörhilfen ist § 36 SGB V. Diese Vorschrift lautet:
(1) Der Spitzenverband Bund der Krankenkassen bestimmt Hilfsmittel, für die Festbeträge festgesetzt werden. Dabei sollen unter Berücksichtigung des Hilfsmittelverzeichnisses nach § 139 in ihrer Funktion gleichartige und gleichwertige Mittel in Gruppen zusammengefasst und die Einzelheiten der Versorgung festgelegt werden. Den Spitzenorganisationen der betroffenen Hersteller und Leistungserbringer ist unter Übermittlung der hierfür erforderlichen Informationen innerhalb einer angemessenen Frist vor der Entscheidung Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben; die Stellungnahmen sind in die Entscheidung einzubeziehen.
(2) Der Spitzenverband Bund der Krankenkassen setzt für die Versorgung mit den nach Absatz 1 bestimmten Hilfsmitteln einheitliche Festbeträge fest. Absatz 1 Satz 3 gilt entsprechend. Die Hersteller und Leistungserbringer sind verpflichtet, dem Spitzenverband Bund der Krankenkassen auf Verlangen die zur Wahrnehmung der Aufgaben nach Satz 1 und nach Absatz 1 Satz 1 und 2 erforderlichen Informationen und Auskünfte, insbesondere auch zu den Abgabepreisen der Hilfsmittel, zu erteilen.
(3) § 35 Abs. 5 und 7 gilt entsprechend.
Nach § 35 Abs. 5 und 7 SGB V gilt:
(5) Die Festbeträge sind so festzusetzen, dass sie im allgemeinen eine ausreichende, zweckmäßige und wirtschaftliche sowie in der Qualität gesicherte Versorgung gewährleisten. Sie haben Wirtschaftlichkeitsreserven auszuschöpfen, sollen einen wirksamen Preiswettbewerb auslösen und haben sich deshalb an möglichst preisgünstigen Versorgungsmöglichkeiten auszurichten; soweit wie möglich ist eine für die Therapie hinreichende Arzneimittelauswahl sicherzustellen. Die Festbeträge sind mindestens einmal im Jahr zu überprüfen; sie sind in geeigneten Zeitabständen an eine veränderte Marktlage anzupassen. Der Festbetrag für die Arzneimittel in einer Festbetragsgruppe nach Absatz 1 Satz 2 soll den höchsten Abgabepreis des unteren Drittels des Intervalls zwischen dem niedrigsten und dem höchsten Preis einer Standardpackung nicht übersteigen. Dabei müssen mindestens ein Fünftel aller Verordnungen und mindestens ein Fünftel aller Packungen zum Festbetrag verfügbar sein; zugleich darf die Summe der jeweiligen Vomhundertsätze der Verordnungen und Packungen, die nicht zum Festbetrag erhältlich sind, den Wert von 160 nicht überschreiten. Bei der Berechnung nach Satz 4 sind hochpreisige Packungen mit einem Anteil von weniger als 1 vom Hundert an den verordneten Packungen in der Festbetragsgruppe nicht zu berücksichtigen. Für die Zahl der Verordnungen sind die zum Zeitpunkt des Berechnungsstichtages zuletzt verfügbaren Jahresdaten nach § 84 Abs. 5 zu Grunde zu legen. (6) (7) Die Festbeträge sind im Bundesanzeiger bekanntzumachen. Klagen gegen die Festsetzung der Festbeträge haben keine aufschiebende Wirkung. Ein Vorverfahren findet nicht statt. Eine gesonderte Klage gegen die Gruppeneinteilung nach Absatz 1 Satz 1 bis 3, gegen die rechnerischen mittleren Tages- oder Einzeldosen oder anderen geeigneten Vergleichsgrößen nach Absatz 1 Satz 4 oder gegen sonstige Bestandteile der Festsetzung der Festbeträge ist unzulässig.
Hieran gemessen erweist sich die Klage als zulässig, aber unbegründet.
B. Die Klage ist zulässig.
I. Statthafte Klageart ist die (isolierte) Anfechtungsklage (§ 54 Abs. 1 Satz 1 SGG). Denn Festbetragsfestsetzungen sind Verwaltungsakte in der Form von Allgemeinverfügungen nach § 31 Satz 2 Sozialgesetzbuch / Zehntes Buch - SGB X - (BVerfG, Urteil vom 17. Dezember 2002 - 1 BvL 28/95, 1 BvL 29/95, 1 BvL 30/95 - ["Festbeträge"], BVerfGE 106, 275; BSG, Urteile vom 01. März 2011 - B 1 KR 7/10 R, B 1 KR 10/10 R und B 1 KR 13/10 R - ["Sortis"] und vom 17. Dezember 2009 - B 3 KR 20/08 R -, juris, m.w.N.). Einer zusätzlichen Verpflichtungsklage bedarf es nicht. Hätte die Anfechtungsklage Erfolg, gälte für Versicherte mit an Taubheit grenzender Schwerhörigkeit keinerlei Festbetrag. Dies ergibt sich aus Folgendem: Durch den Beschluss vom 1. Dezember 2004 wurden Festbeträge für Hörhilfen unbefristet – dies ist rechtlich zulässig (BSG, Urteil vom 22. November 2012 - B 3 KR 19/11 R - ["Festbeträge Einlagen"], juris) – festgesetzt. Mit einer neuen Allgemeinverfügung wird dann grundsätzlich die zeitlich vorhergehende Allgemeinverfügung für die Zeit ab Inkrafttreten der neuen Festsetzung aufgehoben. Wird jedoch die neue Allgemeinverfügung aufgehoben, wird die frühere unbefristete Festsetzung wieder wirksam (BSG a.a.O.; Urteil vom 01. März 2011 - B 1 KR 10/10 R - ["Sortis"], juris). Im vorliegenden Fall gilt die neue, hier streitige Festsetzung vom 12. Dezember 2011 nur für Versicherte mit an Taubheit grenzender Schwerhörigkeit, d.h. einen Teil der von der früheren Allgemeinverfügung erfassten Gruppe (alle Versicherte). Nur insoweit hat die neue Festsetzung die frühere Allgemeinverfügung abgelöst. Die Festsetzung durch den Beschluss vom 1. Dezember 2004 hat jedoch durch die Allgemeinverfügung vom 10. Juli 2013 – wie in dieser ausdrücklich geregelt – nach dem 31. Oktober 2013 ihre Gültigkeit verloren. Mit der Aufhebung der Festbetragsfestsetzung vom 12. Dezember 2011 gälte daher weder die Allgemeinverfügung vom 1. Dezember 2004 noch die ausdrücklich auf "schwerhörige Versicherte mit Ausnahme der an Taubheit grenzenden schwerhörigen Versicherten" begrenzte Festsetzung vom 10. Juli 2013. Die Aufhebung der Festbetragsfestsetzung vom 12. Dezember 2011 hätte daher für Versicherte mit an Taubheit grenzender Schwerhörigkeit den Wegfall jeglichen Festbetrags und somit das klägerseitig verfolgte Maximalziel zur Folge, ohne dass es eines weiteren Verpflichtungsantrags bedürfte.
II. Die Klägerin verfügt über die erforderliche Klagebefugnis. Gemäß § 54 Abs. 1 Satz 2 SGG ist, soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, die Klage zulässig, wenn der Kläger behauptet, durch den Verwaltungsakt oder durch die Ablehnung oder Unterlassung eines Verwaltungsakts beschwert zu sein. Hierfür genügt es, dass die Klägerin wegen ihrer an Taubheit grenzenden Schwerhörigkeit vom persönlichen Geltungsbereich der Festbetragsfestsetzung erfasst ist.
1. Allerdings mangelt es Versicherten als Adressaten einer Festbetragsfestsetzung an der Klagebefugnis, wenn bei ihnen der Eintritt eines einschlägigen Leistungsfalles gänzlich ungewiss ist. Die unabsehbare Tatsache, dass bei einem Versicherten in Zukunft die bei der Festbetragsfestsetzung vorausgesetzte Erkrankung auftreten und daher die vom Festbetrag betroffene Leistung aus medizinischen Gründen erforderlich und ärztlich verordnet werden könnte, stellt noch keine hinreichende Betroffenheit eines Versicherten dar, sondern eine bloße ganz ferne Möglichkeit, eines Tages betroffen zu sein. Soweit eine Festbetragsfestsetzung im Arzneimittelbereich angefochten ist, ist daher eine ärztliche Verordnung eines der Festbetragsfestsetzung unterliegenden Arzneimittels zu fordern, um die Möglichkeit einer Verletzung in eigenen Rechten und somit eine Klagebefugnis bejahen zu können (vgl. BSG, Urteil vom 1. März 2011, a.a.O.).
2. Diese Anforderungen sind auf die Anfechtung einer Festbetragsfestsetzung im Hilfsmittelbereich durch Versicherte nur eingeschränkt übertragbar. Denn nach der zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vor dem Senat als dem für eine Verpflichtungsklage grundsätzlich maßgeblichen Zeitpunkt (Meyer-Ladewig/Keller/ Leitherer, Sozialgerichtsgesetz, 11.A., § 54 Rd. 34ff m.w.N.) ist eine vertragsärztliche Verordnung eines Hilfsmittels nur erforderlich, soweit eine erstmalige oder erneute ärztliche Diagnose oder Therapieentscheidung medizinisch geboten ist (§ 33 Abs. 5a Satz 1 SGB V, eingefügt durch Art. 3 Nr. 8 des Pflege-Neuausrichtungsgesetzes vom 23. Oktober 2012 [BGBl. I 12, 2246ff] m.W.z. 30. Oktober 2012). Indes setzt die Prüfung, ob im Einzelfall eine ärztliche Diagnose oder Therapieentscheidung medizinisch geboten ist, u.U. umfangreiche, typischerweise der Begründetheit einer Klage vorbehaltene Tatsachenermittlungen auf medizinischem Gebiet voraus; als Zulässigkeitsvoraussetzung sind solche Kriterien ungeeignet. Aus diesem Grund muss es für die Klagebefugnis im Streit um eine Hilfsmittel betreffende Festbetragsfestsetzung grundsätzlich genügen, dass die Klägerin zu den Versicherten mit an Taubheit grenzender Schwerhörigkeit zählt und aktuell eine Versorgung mit Hörgeräten begehrt. 3. Etwas anderes gälte dann, wenn trotz Vorliegen dieser Voraussetzungen feststünde, dass ein Anspruch der Klägerin auf Versorgung mit dem ausgewählten Hörgerät als Sachleistung oder (nach Kauf des Hörgeräts) auf Kostenerstattung ausgeschlossen ist.
a. Eine solche Feststellung ist dem Senat schon deshalb nicht möglich, weil ihm die Einzelheiten der o.g. Rechtsstreite der Klägerin gegen ihre Krankenkasse bzw. ihren Rentenversicherungsträger nicht bekannt sind. Selbst wenn sie ihm bekannt wären, dürfte er eine abschließende Bewertung der Erfolgsaussichten der Klägerin in diesen Rechtsstreiten nicht vornehmen, da er letztere andernfalls inzident vorab entscheiden würde.
b. Entgegen der Rechtsauffassung des Beklagten ist ein Leistungsanspruch der Klägerin gegen ihre Krankenkasse auch nicht deshalb ausgeschlossen, weil das von ihr ausgewählte Hörgerät hinter den im angefochtenen Beschluss genannten technischen Mindestanforderungen zurückbleibt.
Allerdings enthält der angefochtene Beschluss u.a. folgenden Satz:
Hörgeräte, die für die Versorgung von an Taubheit grenzenden Patienten abgegeben werden, müssen über folgende Features verfügen: • Digitaltechnik • Mehrkanaligkeit (mindestens 4 Kanäle) • Rückkoppelungs- und Störschallunterdrückung • Mindestens 3 Hörprogramme • Verstärkungsleistung &8805;75 dB
Diese Formulierung darf indes nicht dahin verstanden werden, dass Hörgeräte, die diesen Anforderungen nicht entsprechen, von einem ausnahmslosen Verbot der Abgabe an Versicherte mit an Taubheit grenzender Schwerhörigkeit betroffen sind. Denn die Auslegung eines Verwaltungsaktes, auch in der Form einer Allgemeinverfügung nach § 31 Satz 2 SGB X, richtet sich nach den für Willenserklärungen maßgebenden Auslegungsgrundsätzen (§§ 133, 157 BGB). Der objektive Sinngehalt einer Erklärung bestimmt sich nach dem Empfängerhorizont eines verständigen Dritten und nicht etwa danach, von welcher Vorstellung die Behörde ausgegangen ist (BSG, Urteil vom 22. November 2012, a.a.O., m.w.N.). Ein objektiver Empfänger würde in seine Überlegungen zur Auslegung des o.g. Satzes auch einbeziehen, dass nach § 36 Abs. 3 i.V.m. § 35 Abs. 5 Satz 1 SGB V Festbeträge nur "im allgemeinen" eine ausreichende, zweckmäßige und wirtschaftliche sowie in der Qualität gesicherte Versorgung gewährleisten sollen. Nach der gesetzlichen Konzeption ist es also weder ausgeschlossen, dass im Einzelfall ein Festbetrag zur Versorgung einer Versicherten (z.B. wegen der Notwendigkeit eines technisch besonders aufwändig ausgestatteten Hörgeräts) nicht ausreicht, noch, dass im Einzelfall auch ein Hörgerät, das technisch nicht den in der Festbetragsfestsetzung genannten technischen Anforderungen genügt, ausreichend sein kann. Vor diesem Hintergrund kann das Wort "müssen" im o.g. Kontext nicht im Sinne eines (strikten) Abgabeverbots aufgefasst werden.
B. Die Klage ist jedoch unbegründet. Das eigene Vorbringen der Klägerin ist für eine nähere Prüfung des Beschlusses des Beklagten vom 12. Dezember 2011 ungeeignet. Das von ihr in Bezug genommene Vorbringen der Klägerinnen im Parallelverfahren L 7 KA 69/12 KL mag zwar insoweit Erfolg haben, als wegen der fehlerhaften Einbeziehung nicht berücksichtigungsfähiger Hörgeräte für die Zeit bis zum 30. Juni 2014 ein zu geringes unteres Preisdrittel ermittelt wurde. Dies verletzt die Klägerin aber nicht in ihren subjektiven Rechten.
I. Bei Festbetragsfestsetzungen nach § 36 SGB V ist ein eigener Prüfungsmaßstab anzuwenden, der die Besonderheiten dieser Regelungsmaterie zu beachten hat.
1. Für die Festbetragsgruppenbildung im Arzneimittelbereich gibt § 35 SGB V dem hiermit beauftragten Gemeinsamen Bundesausschuss (GBA) ein engmaschiges Programm vor, bei dessen Umsetzung der Gesetzgeber ihm nur einen geringen Gestaltungsspielraum belässt. Die dem GBA nach § 35 Abs. 1ff SGB V übertragenen Entscheidungen werden im Rah¬men der untergesetzliche Normen darstellenden Richtlinien nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 SGB V erlassen und unterliegen grundsätzlich uneingeschränkter gerichtlicher Kontrolle. Anders liegt es dagegen bei der Entscheidung über Zeitpunkt, Zuschnitt und Auswahl der Gruppe. Insoweit darf die sozialgerichtliche Kontrolle ihre eigenen Wertungen nicht an die Stelle der vom GBA als Normgeber getroffenen Wertungen setzen. Vielmehr beschränkt sich die gerichtliche Prüfung in diesen Segmenten darauf, ob die Zuständigkeits- und Verfahrensbestimmungen sowie die gesetzlichen Vorgaben nachvollziehbar und widerspruchsfrei Beachtung gefunden haben, um den Gestaltungsspielraum auszufüllen (BSG, Urteil vom 17. September 2013 – B 1 KR 54/12 R – ["Paliperidon"], juris, m.w.N.). Auch die gerichtliche Kontrolle der festgesetzten Festbetragshöhe erfolgt grundsätzlich in vollem Umfang. Sie beschränkt sich jedoch dort auf die zutreffende Konkretisierung der bestehenden Zielvorgaben nebst wissenschaftlich haltbarer Schätzungen, wo in Unkenntnis der Reaktion jedes einzelnen Arzneimittelanbieters prognostische Elemente und Schätzungen mit in die Festbetragsfestsetzung einfließen müssen. Es besteht allerdings kein Beurteilungsspielraum des Beklagten mit Blick darauf, dass im Allgemeinen eine ausreichende, zweckmäßige und wirtschaftliche, in der Qualität gesicherte Versorgung gewährleistet ist (BSG, Urteil vom 01. März 2011 – B 1 KR 7/10 R – ["Sortis"], juris).
2. Diese Grundsätze lassen sich wegen struktureller Unterschiede der Regelungsmaterien nur bedingt auf den gerichtlichen Prüfungsmaßstab im Rahmen von § 36 SGB V übertragen. Denn zum einen wird über die Festbetragsgruppenbildung nicht im Wege einer (untergesetzlichen) Norm, sondern durch Verwaltungsakt (in Gestalt einer Allgemeinverfügung) entschieden. Zum anderen berechtigt § 36 Abs. 1 Satz 2 SGB V den Beklagten auch, "Einzelheiten der Versorgung" festzulegen. Der Gesetzgeber reagiert damit auf den Umstand, dass der Sachleistungsanspruch nach § 33 SGB V sich – wie bereits erwähnt – nicht in der Überlassung von Hilfsmitteln erschöpft, sondern auch deren notwendige Änderung, Instandsetzung und Ersatzbeschaffung, die Ausbildung in ihrem Gebrauch und, soweit zum Schutz der Versicherten vor unvertretbaren gesundheitlichen Risiken erforderlich, die nach dem Stand der Technik zur Erhaltung der Funktionsfähigkeit und der technischen Sicherheit notwendigen Wartungen und technischen Kontrollen (§ 31 Abs. 1 Satz 4 SGB V), mithin vorbereitende, begleitende und nachgehende Dienstleistungen (BSG, Urteil vom 22. November 2012 – B 3 KR 19/11 R – ["Festbeträge Einlagen"], juris) umfasst.
3. Welcher gerichtliche Prüfungsmaßstab bei den drei vom Beklagten nach § 36 Abs. 1 SGB V zu treffenden Entscheidungen jeweils gilt, muss der Senat nicht abschließend klären. Denn die Entscheidungen, dass Hörhilfen einer Festbetragsfestsetzung zugänglich sind und dass im Hinblick auf Hörhilfen für Versicherte mit an Taubheit grenzender Schwerhörigkeit eine eigene Festbetragsgruppe gebildet wird, werden klägerseitig ersichtlich nicht in Frage gestellt. Hinsichtlich der Einzelheiten der Versorgung kann nach Auffassung des Senats nur eine eingeschränkte gerichtliche Kontrolle gelten, die ausschließlich in den Blick nimmt, ob ein richtig und vollständig ermittelter Sachverhalt zugrunde gelegt wurde und die Zuständigkeits- und Verfahrensbestimmungen sowie die gesetzlichen Vorgaben nachvollziehbar und widerspruchsfrei Beachtung gefunden haben (Meyer-Ladewig/Keller/Leithe¬rer, Sozialgerichtsgesetz, 11.A., § 54 Rd. 31d m.w.N.; BSG, Urteil vom 17. September 2013, a.a.O.). Der Beklagte ist innerhalb dieser Grenzen frei, welche Dienstleistungen er in die Kalkulation des Festbetrags einbezieht (i.E. so wohl schon BSG, Urteil vom 22. November 2012 – B 3 KR 19/11 R – ["Festbeträge Einlagen"], juris) und welche im Umkehrschluss einer Vereinbarung nach § 127 SGB V zugänglich sind.
4. Hinsichtlich der Festbetragshöhe gilt im Kern der für den Arzneimittelbereich entwickelte gerichtliche Prüfungsmaßstab. Diese Entscheidung des Beklagten unterliegt daher grundsätzlich uneingeschränkter gerichtlicher Überprüfung. Der vollen Kontrolle unterliegt, ob der Beklagte bei der Ermittlung des unteren Preisdrittels gemäß § 36 Abs. 3 i.V.m. § 35 Abs. 5 Satz 4 SGB V alle Geräte berücksichtigt hat, die den von ihm im Zusammenhang mit den "Einzelheiten der Versorgung" aufgestellten technischen Anforderungen entsprechen, ob er das untere Preisdrittel rechnerisch korrekt bestimmt und beim sog. Dienstleistungsanteil nur die unter Ziffer I seines Beschlusses aufgeführten Dienstleistungen einbezogen hat. Soweit im Rahmen des Dienstleistungsanteils aber auch betriebswirtschaftliche Überlegungen und Berechnungen in die Kalkulation einfließen, verengt sich die gerichtliche Überprüfung auf die Nachvollziehbarkeit und Widerspruchsfreiheit der vom Beklagten hierfür gegebenen Begründung. Weil dem Gesetz insoweit keine näheren Vorgaben zur Methodik zu entnehmen sind, sind grundsätzlich mehrere vertretbare Berechnungsweisen denkbar. Dieser Umstand rechtfertigt daher auch die Erkenntnis, dass es die allein richtige Festsetzung eines Festbetrags nicht gibt (Flint, in: Hauck/Noftz, Sozialgesetzbuch, Stand 2014, § 35 SGB V, Rd. 92).
II. Das eigene Vorbringen der Klägerin im hiesigen Rechtsstreit ist generell zu unbestimmt, um einer Prüfung durch das Gericht zugänglich zu sein. Auch ihre weiteren grundsätzlichen Einwände überzeugen nicht.
1. Der oben entwickelte Prüfungsmaßstab hat zur Konsequenz, dass ein Versicherter mit der Klage gegen eine Festbetragsfestsetzung auf tatsächlicher Ebene rechtsrelevant nur geltend machen kann, die generellen Kriterien der Festbetragsfestsetzung seien missachtet. Zieht er dagegen nicht in Zweifel, dass der Festbetrag "im Allgemeinen" eine ausreichende, zweckmäßige und wirtschaftliche sowie in der Qualität gesicherte Versorgung gewährleistet, beruft er sich jedoch für sich selbst auf einen atypischen Einzelfall, in welchem er trotz genereller Achtung der allgemeinen gesetzlichen Vorgaben für Festbeträge keine hinreichende Versorgung zum Festbetrag erhält, kann er – gerichtlich überprüfbar – Vollversorgung individuell und systemgerecht gegenüber seiner Krankenkasse einfordern, sei es als Sachleistung für die Zukunft oder als sachleistungsersetzende Kostenerstattung nach § 13 Abs. 3 Satz 1 SGB V (BSG, Urteil vom 1. März 2011 – B 1 KR 10/10 R –, juris). Soweit sich die Klägerin im vorliegenden Rechtsstreit auf individuelle Versorgungsbedarfe und eine atypische Bedarfslage beruft, ist ein solches rein individualbezogenes Vorbringen im Anfechtungsstreit gegen die Festbetragsfestsetzung unerheblich.
2. Aber auch die Einwände gegen die generellen Kriterien der Festbetragsfestsetzung, z.B. die Auswahl der Hersteller und der technischen Kenndaten, die Aktualisierung der Preise, die Kalkulationsmodelle, die Gruppenbildung oder den Zeitaufwand für den Dienstleistungsanteil, müssen so substantiiert sein, dass sie dem Beklagten eine Überprüfung seines Vorgehens ermöglichen. Der pauschale Hinweis auf "falsche und unvollständige Tatsachengrundlagen" oder "sachfremde und willkürliche Erwägungen" ist nicht geeignet, Sachverhaltsermittlungen des Gerichts von Amts wegen auszulösen.
3. Das Vorbringen der Klägerin, demzufolge für Hörgeräte generell keine Festbeträge festgesetzt werden dürfen, überzeugt nicht. Entgegen ihrer Auffassung handelt sich bereits nicht um individuell angefertigte Hilfsmittel. Aus welchen Gründen bei einer Hilfsmittelversorgung mit hohem Dienstleistungsanteil eine Festbetragsfestsetzung rechtswidrig sein soll, erschließt sich dem Senat nicht.
4. "Aspekte der Infrastruktursicherheit" hat der Beklagte grundsätzlich nicht zu berücksichtigen. Zwar hat ein Festbetrag im medizinisch vertretbaren Rahmen regelmäßig Raum für eine hinreichende Auswahl unter verschiedenen Versorgungsmöglichkeiten zu belassen. Zudem sind Zumutbarkeitsgesichtspunkte zu beachten; es reicht nicht aus, dass überhaupt ein Leistungserbringer die notwendige Leistung bereithält. Erforderlich ist vielmehr, dass dieser angemessen erreichbar und seine Inanspruchnahme auch ansonsten zumutbar ist (BSG, Urteil vom 17. Dezember 2009 – B 3 KR 20/08 R –, juris, unter Hinweis auf § 127 Abs. 3 Satz 1 SGB V). Ob aber unter den Leistungserbringern "eine kleinteilige Anbieterstruktur bewahrt werde und Wahlmöglichkeiten gewährleistet blieben, die einen Wettbewerb, aber keine Verdrängung erzeugten", ist nach den gesetzlichen Vorgaben zur Festbetragsfestsetzung irrelevant. Derartige wirtschaftslenkende Handlungsspielräume sind dem Beklagten nicht eröffnet (BVerfG, Urteil vom 17. Dezember 2002, a.a.O.) Sollte sich im Einzelfall erweisen, dass ein Versicherter mit an Taubheit grenzender Schwerhörigkeit ein für ihn geeignetes Hörgerät zum Festbetrag nur außerhalb des ihm zumutbaren räumlichen Radius erhalten kann, würde dies eine "im Allgemeinen" ausreichende Versorgung nicht in Zweifel ziehen. Vielmehr könnte dieser Versicherte dann im Rahmen eines Leistungsstreits mit seiner Krankenkasse individuelle Besonderheiten geltend machen, die einen Verweis auf den Festbetrag ausschließen.
III. Soweit sich die Klägerin auf das ihr günstige Vorbringen der Klägerseite im o.g. Parallelverfahren L 9 KR 69/12 KL bezieht, ist die angefochtene Festbetragsfestsetzung zwar insoweit zu beanstanden, als der Festbetrag für die Zeit bis zum 30. Juni 2014 auf 846,86 Euro hätte festgesetzt werden müssen (zur Begründung verweist der Senat auf sein veröffentlichtes Urteil ebenfalls vom 29. Juli 2015 – L 9 KR 69/12 KL). Dies verletzt die Klägerin jedoch nicht in ihren subjektiven Rechten, unabhängig davon, auf welchen Zeitpunkt für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage im konkreten Fall abzustellen ist.
1. Geht man davon aus, dass die Klägerin die Rechnung für ihr o.g. Hörgerät noch nicht erhalten hat und dass nach der bisherigen Rechtsprechung des BSG (Urteil vom 18. Mai 2011 – B 3 KR 12/10 R –, juris, m.w.N., zum maßgeblichen Zeitpunkt für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage bei selbstbeschafften Hilfsmitteln) eine Leistungsverschaffung bzw. Selbstbeschaffung i.S.v. § 13 Abs. 3 Satz 1 SGB V die Rechnungslegung voraussetzt, macht die Klägerin einen Sachleistungsanspruch gegenüber ihrer Krankenkasse geltend. Hierfür ist die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der (letzten) mündlichen Verhandlung, da diese noch nicht durchgeführt wurde also die gegenwärtige Rechtslage maßgeblich. Für die Gegenwart ist die angefochtene Festbetragsfestsetzung nach dem oben Gesagten nicht zu beanstanden.
2. Geht man demgegenüber davon aus, dass auch die dauerhafte, kostenfreie Überlassung eines Hilfsmittels an einen Versicherten eine Selbstbeschaffung i.S.v. § 13 Abs. 3 Satz 1 SGB V darstellt, weil für die Zeit der Nutzung der Anspruch auf Versorgung mit Hilfsmitteln i.S.v. § 27 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB V erfüllt ist, stünde ein Kosterstattungsanspruch im Raum. Dann käme es auf die Rechtslage zum Zeitpunkt der Übergabe des Hörgeräts an die Klägerin, mithin am 24. Februar 2011, an. Damals galt die hier angefochtene Festbetragsfestsetzung indes noch nicht; ihre Rechtswidrigkeit bliebe ohne Einfluss auf den Kostenerstattungsanspruch der Klägerin.
C. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 SGG und entspricht dem Ausgang des Rechtsstreits.
Die Revision wird wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG).
Tatbestand:
Die Klägerin wendet sich gegen einen vom Beklagten festgesetzten Festbetrag.
Der beklagte Spitzenverband Bund der Krankenkassen (Eigenbezeichnung: GKV-Spitzenverband) beschloss am 12. Dezember 2011 folgendes "Festbetragsgruppensystem für Hörhilfen", welches am 1. Februar 2012 im Bundesanzeiger veröffentlicht wurde und am 1. März 2012 in Kraft trat:
I. Allgemeine Erläuterungen zum Festbetragsgruppensystem und zu den Festbeträgen
Der GKV-Spitzenverband bestimmt gemäß § 36 Abs. 1 SGB V Hilfsmittel, für die Festbeträge festgesetzt werden. Die Festbeträge für Hörhilfen wurden mit Wirkung vom 1. Januar 2005 auf der Bundesebene durch die ehemaligen Spitzenverbände der Krankenkassen festgesetzt und zum 1. Januar 2007 angepasst. Sie gelten bis zur Festsetzung von neuen Festbeträgen durch den GKV-Spitzenverband unverändert weiter.
Für die Versorgung von an Taubheit grenzenden Patienten wird eine neue Abrechnungsposition gebildet. Der neue Festbetrag tritt am 1. März 2012 in Kraft. Maßgeblich für die Anwendung des neuen Festbetrages ist der Zeitpunkt der Leistungserbringung. Für das Festbetragsgruppensystem gelten die medizinischen, technischen und sonstigen Anforderungen der Produktgruppe 13 "Hörhilfen" des Hilfsmittelverzeichnisses nach § 139 SGB V.
Der Festbetrag umfasst sämtliche Leistungen, die im Zusammenhang mit der Abgabe der Produkte entstehen. Ausgenommen hiervon sind Kosten, für die bereits separate Festbeträge existieren (zum Beispiel Ohrpassstücke). Der Festbetrag wird jeweils für eine Hörhilfe in einfacher Stückzahl festgelegt. Bei dem Festbetrag für an Taubheit grenzende Versicherte handelt es sich um einen Nettobetrag. Der Festbetrag gilt für die Versorgung von Erwachsenen ab dem vollendeten 18. Lebensjahr.
Mit dem Festbetrag sind im Einzelnen folgende Leistungen abgegolten, die mit der Bereitstellung der Produkte an den Versicherten entstehen: • Anamnese, Daten zur Schwerhörigkeit, Erfassung der sozialen Umfeldsituation, Dokumentation durch den Hörgeräteakustiker • Betrachtung der äußeren Ohren, der Gehörgänge und der Trommelfelle • Ermittlung der Kenndaten, Audiometrie • Kontrollotoskopie • Gehörgangstamponade • Kontrollotoskopie • Voreinstellung der ausgewählten Geräte, Geräteeinstellung z.B. PC, AGC, Frequenzen, Kanaligkeit etc. • Filter im Hörkanal (Einstellung) • Rückkoppelungsmanagement (Einstellung) • Störgeräuschunterdrückende Software • Hörprogrammanpassung • Mehrmikrofontechnik-Anpassung • Vergleichende Hörgeräteanpassung • Toleranztest • Erste Einweisung im Rahmen der Hörgeräteauslieferung, Bedienung und Handhabung • Rezeptabrechnung
Die Definition der an Taubheit grenzenden Patienten erfolgt auf der Basis der WHO-Definition von 2001Table of grades of hearing impairment (Tonaudiogramm). Hörgeräte, die für die Versorgung von an Taubheit grenzenden Patienten abgegeben werden, müssen über folgende Features verfügen: • Digitaltechnik • Mehrkanaligkeit (mindestens 4 Kanäle) • Rückkoppelungs- und Störschallunterdrückung • Mindestens 3 Hörprogramme • Verstärkungsleistung &8805; 75 dB
Der GKV-Spitzenverband setzt gemäß § 36 Abs. 2 SGB V folgenden Festbetrag für die Versorgung von an Taubheit grenzenden Versicherten fest:
II. Festbeträge für Hörhilfen
Positionsnummer Bezeichnung Festbetrag
13.20.10 Hörgerät für an Taubheit grenzende Versicherte 786,86 EUR 13.99.99.1006 Abschlag in EUR für das zweite Hörgerät (13.20.10) bei beidohriger (binauraler) Versorgung 157,37 EUR
Dem ging Folgendes voraus: Mit Wirkung zum 1. Januar 2005 setzten die damaligen Spitzenverbände der Krankenkassen erstmals bundesweit geltende Festbeträge für Hörhilfen fest (Beschluss vom 1. Dezember 2004), für ein- und mehrkanalige Hinter-dem-Ohr-(HdO-) und Im-Ohr-(IO-)Geräte (mit und ohne AGC [Automatic Gain Control = automatische Verstärkungsregelung]) auf 421,28 Euro je Gerät. Der Beschluss der Spitzenverbände vom 23. Oktober 2006 änderte hieran nichts. Aufgrund des Urteils des Bundessozialgerichts (BSG) vom 17. Dezember 2009 (Az.: B 3 KR 20/08 R), dem der Kostenerstattungsantrag einer Versicherten mit an Taubheit grenzender Schwerhörigkeit zugrunde lag, gelangte der Beklagte zum Schluss, dass das bisherige Festbetragssystem und der einheitliche Festbetrag für Hörhilfen für Versicherte mit an Taubheit grenzender Schwerhörigkeit unzureichend seien. Er erfragte bei zahlreichen Herstellern die Abgabepreise für von ihnen produzierte Hörgeräte mit den im o.g. Beschluss genannten technischen Anforderungen (Schreiben vom 2. Juni 2010). Nach Eingang der Antworten – nicht alle angeschriebenen Hersteller reagierten auf die Anfrage – wählte der Beklagte 37 der erfragten Hörgeräte aus, ordnete sie nach der Preishöhe und ging davon aus, dass das untere Preisdrittel bei 485,- Euro ende. Zusätzlich berücksichtigte er bei der Kalkulation der Festbeträge auch einen zwischen den Beteiligten unstreitigen Festrabatt von 10 % sowie einen Dienstleistungsanteil, dem er eine Arbeitszeit von 254,50 Minuten und einen Stundenverrechnungssatz von 45,50 Euro zugrunde legte; diesen Wert entnahm er der von der Handwerkskammer Region Stuttgart herausgegebenen Broschüre "Wie viel kostet eine Handwerkerstunde?" (Stand: Februar 2010). Am 12. Mai 2011, veröffentlicht im Bundesanzeiger am 26. Mai 2011, machte der Beklagte das Stellungnahmeverfahren "zur Festsetzung von Festbeträgen für Hörhilfen für an Taubheit grenzende Schwer¬hö¬rige zum geänderten Festbetragsgruppensystem für Hörhilfen" bekannt. In der Folgezeit nahmen u.a. die Bundesinnung der Hörgeräteakustiker (biha) und der Bundesverband der Hörgeräteindustrie e.V. Stellung (Schreiben vom 17. Juni 2011). Die biha verwies bezüglich der erforderlichen Arbeitszeit auf ihre Angaben in einem früheren Stellungnahmeverfahren (Schreiben vom 18. Oktober 2004), wonach bei erwachsenen Schwerhörigen über die gesamte Versorgungslaufzeit von 6 Jahren ein Arbeitsaufwand von 1.146 Minuten (19,12 Stunden) entstehe. Ferner machte sie geltend, technische Vorgaben wie Mehrmikrofontechnik, Mehrkanaligkeit (mindestens 4 Kanäle), mindestens 3 Hörprogramme, Verstärkungsleistung &8805; 75 dB und Filter im Hörkanal ließen sich dem o.g. Urteil des BSG nicht entnehmen. Daraufhin ging der Beklagte bei seiner Kalkulation von einem Arbeitsaufwand von 461 Minuten (1.146 Minuten abzüglich der mit der Nachbetreuung nach den Angaben der biha verbundenen 685 Minuten) aus.
Am 10. Juli 2013 hat der Beklagte nach Durchführung eines neuen Stellungnahmeverfahrens mit Wirkung zum 1. November 2013 folgenden weiteren Beschluss gefasst:
I. Festbetragsgruppensystem
Der GKV-Spitzenverband bestimmt gemäß § 36 Abs. 1 SGB V Hilfsmittel, für die Festbeträge festgesetzt werden. Dabei sollen unter Berücksichtigung des Hilfsmittelverzeichnisses nach § 139 SGB V in ihrer Funktion gleichartige und gleichwertige Mittel in Gruppen zusammengefasst und die Einzelheiten der Versorgung festgelegt werden.
Für die Versorgung von schwerhörigen Versicherten mit Ausnahme der an Taubheit grenzenden schwerhörigen Versicherten wird eine neue Festbetragsgruppe gebildet.
Hörgeräte, die für schwerhörige Versicherte, ausgenommen für an Taubheit grenzend schwerhörige Versicherte, abgegeben werden, müssen über folgende Features verfügen: - Digitaltechnik - Mehrkanaligkeit (mindestens 4 Kanäle) - Rückkoppelungs- und Störschallunterdrückung - Mindestens 3 Hörprogramme - Verstärkungsleistung ( 75 dB
Mit dem Festbetrag sind im Einzelnen folgende Leistungen abgegolten, die mit der Bereitstellung der Produkte an den Versicherten und bei dessen Versorgung grundsätzlich erforderlich sind: - Anamnese, Erfassung der sozialen Umfeldsituation - Otoskopie im Rahmen der Statuserhebung (Betrachtung der äußeren Ohren, Gehörgänge und Trommelfelle) - Erhebung der Ton- und Sprachaudiometrie - Vorauswahl geeigneter Hörgeräte - Voreinstellung der ausgewählten Geräte entsprechend dem individuellen Hörverlust, z. B. Peak Clipping, Frequenzen, Kanaligkeit, Rückkopplungsmanagement, Störgeräuschunterdrückung [mittels Software und/oder Hardware (z. B. Mehrmikrofontechnik)], Hörprogrammanpassung - Vergleichende Hörgeräteanpassung - Toleranztest - Einweisung in die Bedienung und Handhabung - Feinanpassung - Dokumentation durch den Hörgeräteakustiker, auch der Messergebnisse im Störschall - Rezeptabrechnung
II. Festbeträge
Der Festbetrag wird jeweils für eine Hörhilfe in einfacher Stückzahl festgelegt. Bei dem Festbetrag handelt es sich um einen Nettobetrag. Der Festbetrag gilt für die Versorgung von Erwachsenen ab dem vollendeten 18. Lebensjahr.
Der neue Festbetrag tritt am 1. November 2013 in Kraft. Bis dahin gelten die mit Wirkung vom 1. Januar 2005 auf der Bundesebene durch die ehemaligen Spitzenverbände der Krankenkassen festgesetzten und zum 1. Januar 2007 angepassten Festbeträge zu den Festbetragsgruppen 13.20.01, 13.20.02, 13.20.03, 13.99.99.1002, 13.99.99.1003 und 13.99.99.1004 unverändert weiter und verlieren anschließend ihre Gültigkeit. Maßgeblich für die Anwendung des neuen Festbetrages ist der Zeitpunkt der Leistungserbringung.
Der GKV-Spitzenverband setzt gemäß § 36 Abs. 2 SGB V folgenden Festbetrag für die Versorgung von schwerhörigen Versicherten mit Ausnahme der an Taubheit grenzenden schwerhörigen Versicherten fest:
III. Festbetragsgruppen und Festbetrag
Festbetragsgruppe (Positionsnummer) Bezeichnung Festbetrag
13.20.12 Hörgerät für schwerhörige Versicherte, ausgenommen für an Taubheit grenzend schwerhörige Versicherte 733,59 EUR 13.99.99.1007 Abschlag in EUR für das zweite Hörgerät (13.20.12) bei beidohriger (binauraler) Versorgung 146,72 EUR
Dieser Beschluss wird u.a. von drei Versicherten vor dem 1. Senat des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg mit einer Klage angefochten (Az.: L 1 KR 241/13 KL), über die noch nicht entschieden ist.
Die 1961 geborene Klägerin leidet an hochgradiger, an Taubheit grenzende Schwerhörigkeit in Form einer beidseitigen Innenohrschwerhörigkeit. Ihr verordnete die HNO-Ärztin Dr. K am 10. September 2010 neue Hörhilfen, weil die bisherigen "aufgebraucht" seien, und bescheinigte zugleich, dass eine ausreichende Versorgung der Klägerin nur mit "Hochleistungshörgeräten" gewährleistet werden könne. Die Klägerin testete daraufhin – so ihre Angaben – zahlreiche Hörgeräteversorgungen, darunter auch zuzahlungsfreie Angebote, und entschied sich schließlich für das Modell "Widex Senso Vita SV 38 SN". Dieses Modell verfügt über folgende technische Kenndaten: Es handelt sich um ein volldigitales High Power HdO-Hörgerät mit digitalem Signalprozessor, erweiterter Dynamikbereichs-Kompression, Störlärmunterdrückung und Sprachfokussierung in drei Kanälen, Direkt-Audiometrie in vier Frequenzbändern sowie automatischem Rückkopplungsmanagement; die Eingangssignale werden bis zu 1000 dB SPL linear ohne Sättigung/Verzerrung verarbeitet. Die maximalen akustischen Verstärkungswerte liegen bei Messungen über Ein-Ohr-Simulator nach DIN IEZ 118-0 bei 72 dB, die Ausgangspegel bei 143 dB. Die Firma S Hörgeräte-Akustik, die der Klägerin dieses Modell vorgeschlagen hatte, erstellte für diese Versorgung unter dem 24. Februar 2011 einen Kostenvoranschlag i.H.v. insgesamt 3.828,60 Euro (incl. Otoplastik [SE-Ring] und Reparaturpauschale), wovon die Klägerin einschließlich der gesetzlichen Zuzahlung 2.655,80 Euro übernehmen sollte. Seit diesem Tag nutzt die Klägerin dieses Modell – dessen Eignung Dr. K am 24. Juni 2011 bestätigte –, hat es jedoch nach eigenen Angaben noch nicht gekauft. Das wegen der begehrten vollen Kostenübernahme betriebene Klageverfahren der Klägerin gegen ihre Krankenkasse ruht im Hinblick auf einen weiteren Rechtsstreit der Klägerin gegen ihren Rentenversicherungsträger vor dem Sozialgericht Wiesbaden mit demselben Ziel.
Ihre am 21. Februar 2012 erhobene Klage begründet die Klägerin wie folgt: Die ihr zuzahlungsfrei angebotenen Hörgeräteversorgungen hätten sich unter Berücksichtigung aller wesentlichen Mess- und Anpassdaten sowie unter Berücksichtigung des individuellen Hörempfindens, insbesondere im Hinblick auf Rückkopplungseffekte, als ungeeignet erwiesen. Als Adressatin der angefochtenen Allgemeinverfügung sei sie klagebefugt. Im Hinblick auf die Reichweite einer anderweitigen Inzidentprüfung bzw. auf die präjudizierende Wirkung der hier angefochtenen Allgemeinverfügung herrsche Rechtsunsicherheit. Ihre Klagebefugnis ergebe sich auch aus Art. 3 Abs. 3 Satz 2 Grundgesetz (GG) sowie aus Art. 2 Abs. 2 GG. Für die Erfüllung der staatlichen Pflicht, das Leben und die körperliche Unversehrtheit des Einzelnen zu schützen, bestehe zwar ein erheblicher Spielraum. Die im vorliegenden Fall ergriffenen Maßnahmen seien jedoch gänzlich ungeeignet und völlig unzulänglich. Der Beklagte habe die generellen Kriterien der Festbetragsfestsetzung missachtet. Wirtschaftslenkende Handlungsspielräume seien ihm nicht eröffnet. Seine Entscheidung beruhe auf falschen und unvollständigen Tatsachengrundlagen, wobei sachfremde und willkürliche Erwägungen angestellt worden seien. Dies gelte insbesondere bezüglich der Auswahl der Hersteller, der technischen Kenndaten, der Aktualisierung der Preise, der Kalkulationsmodelle und hinsichtlich der Gruppenbildung ("an Taubheit grenzend"). Der Beklagte habe nicht dafür gesorgt, dass der Festbetrag "im Allgemeinen" eine ausreichende, zweckmäßige und wirtschaftliche sowie in der Qualität gesicherte Versorgung gewährleiste. Er hätte eine Abgrenzung vornehmen müssen zwischen seinen Aufgaben gemäß § 36 Sozialgesetzbuch/Fünftes Buch (SGB V) einerseits und einem Korrektiv andererseits, das sich am individuellen Versorgungsbedarf des einzelnen Versicherten orientiere. Ohne eine solche Abgrenzung sei im Leistungsfall nicht verlässlich einzuschätzen, ob gegebenenfalls eine atypische Bedarfslage vorliege. Die Statuierung von Festbeträgen sei nur für solche Hilfsmittel sinnvoll, die nicht individuell angefertigt würden, da bei diesen der Dienstleistungsanteil nicht standardisierbar sei. Bei Hörgeräten handele es sich jedoch um "Hilfsmittel, die für einen bestimmten Ver¬sicherten individuell angefertigt werden, oder Versorgung mit hohem Dienstleistungsanteil". Es gelte das Gebot der Effektivität von Sozialleistungen. Diese objektiv-rechtliche Verpflichtung beinhalte, dass es auf "patientenrelevante Endpunkte" ankomme (wesentliche Gebrauchsvorteile des Hörgeräts). Werde dieser Endpunkt nicht erreicht, sei dies auch unvereinbar mit dem Wirtschaftlichkeitsgebot. Bei der Bildung von Festbetragsgruppen habe der Beklagte auch Aspekte der Infrastruktursicherheit zu berücksichtigen, damit eine kleinteilige Anbieterstruktur bewahrt werde und Wahlmöglichkeiten gewährleistet blieben, die einen Wettbewerb, aber keine Verdrängung erzeugten. Das gesetzlich geforderte Mindestmaß an Beteiligung der Hersteller und Leistungserbringer sei nicht erreicht worden, weil der Beklagte nicht die erforderlichen Informationen angefordert, geschweige denn erhalten habe. Er habe ferner wesentliche Informationen zurückgehalten, insbesondere indem er seine Beteiligungspflichten im Hinblick auf den zum Schluss etwas nach oben korrigierten Dienstleistungsanteil bei der Anpassung der Hörhilfen verletzt habe. Es sei willkürlich, dass der Beklagte einen Gesamtaufwand von 1.146 Minuten zugrunde gelegt und diesen "um die kalkulierte Nachbetreuungszeit (685 Minuten) reduziert" habe. Willkürlich sei auch die Auswahl der verschiedenen Hörgeräteversorgungen. Unberücksichtigt sei geblieben, dass die Hörgeräteversorgung Ge¬genstand eines einheitlichen Teilhabeanspruchs des hörbehinderten Menschen sei, zu dem auch die Eignung zum mittelbaren Behinderungsausgleich gehöre. Dem hörbehinderten Menschen hälfen Geräte nicht, die keine Einsatzerweiterung für externe Zusatzgeräte (z. B. aus beruflichen Gründen) ermöglichten. Es sei nicht nachvollziehbar, auf welcher Basis der Beklagte die "Obergrenze des gewichteten unteren Preisdrittels" bestimmen wolle. § 35 Abs. 5 Satz 4 SGB V sei auf Hilfsmittel nicht übertragbar. Der Versorgungsbedarf hörbehinderter Versicherter mit an Taubheit grenzender Schwerhörigkeit könne mit Hörgeräten zum hier streitgegenständlichen Festbetrag nicht ausreichend und nicht wirksam gemäß § 10 Abs. 1 Satz 2 Sozialgesetzbuch/Neuntes Buch (SGB IX) versorgt werden. Die technischen Ausstattungsmerkmale des von der Klägerin begehrten Modells seien für die Versicherten zu einem Festbetrag i.H.v. 786,86 Euro pro Ohr nicht erhältlich. Im Übrigen habe das Bundessozialgericht (BSG) darauf hingewiesen, dass Gebrauchsvorteile teurerer Geräte mit objektivierbaren Verfahren nicht immer ausreichend messbar sein. Darüber hinaus macht sich die Klägerin das klägerische Vorbringen in den Parallelverfahren L 9 KR 67/12 KL und L 9 KR 69/12 KL zu eigen.
Die Klägerin beantragt,
den Beschluss des Beklagten vom 12. Dezember 2011 betreffend die Hörgeräte aufzuheben.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er hält seinen Beschluss vom 12. Dezember 2011 für rechtmäßig. Nach seiner Kenntnis verfüge das von der Klägerin begehrte Hörgerät lediglich über drei Kanäle, kein Rückkopplungsmanagement und eine Verstärkungsleistung von 56 dB und sei somit für die Versorgung hochgradig Schwerhöriger ungeeignet. Die Klägerin müsse konkret Mängel bei der Festbetragsgruppenbildung und der Bestimmung der entsprechenden Festbeträge benennen, um eine Stellungnahme hierzu zu ermöglichen.
Der Berichterstatter hat die Sach- und Rechtslage mit den Beteiligten am 16. Januar 2015 erörtert.
Wegen des Sach- und Streitstandes im Einzelnen sowie wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakte sowie die beigezogene Verwaltungsakte, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung war, verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist zulässig, aber unbegründet. Die angefochtene Festbetragsfestsetzung ist zwar für die Zeit bis zum 30. Juni 2014 rechtswidrig. Hierdurch wird die Klägerin aber nicht in eigenen Rechten verletzt.
A. Rechtsgrundlage für die streitgegenständliche Festbetragsfestsetzung für Hörhilfen ist § 36 SGB V. Diese Vorschrift lautet:
(1) Der Spitzenverband Bund der Krankenkassen bestimmt Hilfsmittel, für die Festbeträge festgesetzt werden. Dabei sollen unter Berücksichtigung des Hilfsmittelverzeichnisses nach § 139 in ihrer Funktion gleichartige und gleichwertige Mittel in Gruppen zusammengefasst und die Einzelheiten der Versorgung festgelegt werden. Den Spitzenorganisationen der betroffenen Hersteller und Leistungserbringer ist unter Übermittlung der hierfür erforderlichen Informationen innerhalb einer angemessenen Frist vor der Entscheidung Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben; die Stellungnahmen sind in die Entscheidung einzubeziehen.
(2) Der Spitzenverband Bund der Krankenkassen setzt für die Versorgung mit den nach Absatz 1 bestimmten Hilfsmitteln einheitliche Festbeträge fest. Absatz 1 Satz 3 gilt entsprechend. Die Hersteller und Leistungserbringer sind verpflichtet, dem Spitzenverband Bund der Krankenkassen auf Verlangen die zur Wahrnehmung der Aufgaben nach Satz 1 und nach Absatz 1 Satz 1 und 2 erforderlichen Informationen und Auskünfte, insbesondere auch zu den Abgabepreisen der Hilfsmittel, zu erteilen.
(3) § 35 Abs. 5 und 7 gilt entsprechend.
Nach § 35 Abs. 5 und 7 SGB V gilt:
(5) Die Festbeträge sind so festzusetzen, dass sie im allgemeinen eine ausreichende, zweckmäßige und wirtschaftliche sowie in der Qualität gesicherte Versorgung gewährleisten. Sie haben Wirtschaftlichkeitsreserven auszuschöpfen, sollen einen wirksamen Preiswettbewerb auslösen und haben sich deshalb an möglichst preisgünstigen Versorgungsmöglichkeiten auszurichten; soweit wie möglich ist eine für die Therapie hinreichende Arzneimittelauswahl sicherzustellen. Die Festbeträge sind mindestens einmal im Jahr zu überprüfen; sie sind in geeigneten Zeitabständen an eine veränderte Marktlage anzupassen. Der Festbetrag für die Arzneimittel in einer Festbetragsgruppe nach Absatz 1 Satz 2 soll den höchsten Abgabepreis des unteren Drittels des Intervalls zwischen dem niedrigsten und dem höchsten Preis einer Standardpackung nicht übersteigen. Dabei müssen mindestens ein Fünftel aller Verordnungen und mindestens ein Fünftel aller Packungen zum Festbetrag verfügbar sein; zugleich darf die Summe der jeweiligen Vomhundertsätze der Verordnungen und Packungen, die nicht zum Festbetrag erhältlich sind, den Wert von 160 nicht überschreiten. Bei der Berechnung nach Satz 4 sind hochpreisige Packungen mit einem Anteil von weniger als 1 vom Hundert an den verordneten Packungen in der Festbetragsgruppe nicht zu berücksichtigen. Für die Zahl der Verordnungen sind die zum Zeitpunkt des Berechnungsstichtages zuletzt verfügbaren Jahresdaten nach § 84 Abs. 5 zu Grunde zu legen. (6) (7) Die Festbeträge sind im Bundesanzeiger bekanntzumachen. Klagen gegen die Festsetzung der Festbeträge haben keine aufschiebende Wirkung. Ein Vorverfahren findet nicht statt. Eine gesonderte Klage gegen die Gruppeneinteilung nach Absatz 1 Satz 1 bis 3, gegen die rechnerischen mittleren Tages- oder Einzeldosen oder anderen geeigneten Vergleichsgrößen nach Absatz 1 Satz 4 oder gegen sonstige Bestandteile der Festsetzung der Festbeträge ist unzulässig.
Hieran gemessen erweist sich die Klage als zulässig, aber unbegründet.
B. Die Klage ist zulässig.
I. Statthafte Klageart ist die (isolierte) Anfechtungsklage (§ 54 Abs. 1 Satz 1 SGG). Denn Festbetragsfestsetzungen sind Verwaltungsakte in der Form von Allgemeinverfügungen nach § 31 Satz 2 Sozialgesetzbuch / Zehntes Buch - SGB X - (BVerfG, Urteil vom 17. Dezember 2002 - 1 BvL 28/95, 1 BvL 29/95, 1 BvL 30/95 - ["Festbeträge"], BVerfGE 106, 275; BSG, Urteile vom 01. März 2011 - B 1 KR 7/10 R, B 1 KR 10/10 R und B 1 KR 13/10 R - ["Sortis"] und vom 17. Dezember 2009 - B 3 KR 20/08 R -, juris, m.w.N.). Einer zusätzlichen Verpflichtungsklage bedarf es nicht. Hätte die Anfechtungsklage Erfolg, gälte für Versicherte mit an Taubheit grenzender Schwerhörigkeit keinerlei Festbetrag. Dies ergibt sich aus Folgendem: Durch den Beschluss vom 1. Dezember 2004 wurden Festbeträge für Hörhilfen unbefristet – dies ist rechtlich zulässig (BSG, Urteil vom 22. November 2012 - B 3 KR 19/11 R - ["Festbeträge Einlagen"], juris) – festgesetzt. Mit einer neuen Allgemeinverfügung wird dann grundsätzlich die zeitlich vorhergehende Allgemeinverfügung für die Zeit ab Inkrafttreten der neuen Festsetzung aufgehoben. Wird jedoch die neue Allgemeinverfügung aufgehoben, wird die frühere unbefristete Festsetzung wieder wirksam (BSG a.a.O.; Urteil vom 01. März 2011 - B 1 KR 10/10 R - ["Sortis"], juris). Im vorliegenden Fall gilt die neue, hier streitige Festsetzung vom 12. Dezember 2011 nur für Versicherte mit an Taubheit grenzender Schwerhörigkeit, d.h. einen Teil der von der früheren Allgemeinverfügung erfassten Gruppe (alle Versicherte). Nur insoweit hat die neue Festsetzung die frühere Allgemeinverfügung abgelöst. Die Festsetzung durch den Beschluss vom 1. Dezember 2004 hat jedoch durch die Allgemeinverfügung vom 10. Juli 2013 – wie in dieser ausdrücklich geregelt – nach dem 31. Oktober 2013 ihre Gültigkeit verloren. Mit der Aufhebung der Festbetragsfestsetzung vom 12. Dezember 2011 gälte daher weder die Allgemeinverfügung vom 1. Dezember 2004 noch die ausdrücklich auf "schwerhörige Versicherte mit Ausnahme der an Taubheit grenzenden schwerhörigen Versicherten" begrenzte Festsetzung vom 10. Juli 2013. Die Aufhebung der Festbetragsfestsetzung vom 12. Dezember 2011 hätte daher für Versicherte mit an Taubheit grenzender Schwerhörigkeit den Wegfall jeglichen Festbetrags und somit das klägerseitig verfolgte Maximalziel zur Folge, ohne dass es eines weiteren Verpflichtungsantrags bedürfte.
II. Die Klägerin verfügt über die erforderliche Klagebefugnis. Gemäß § 54 Abs. 1 Satz 2 SGG ist, soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, die Klage zulässig, wenn der Kläger behauptet, durch den Verwaltungsakt oder durch die Ablehnung oder Unterlassung eines Verwaltungsakts beschwert zu sein. Hierfür genügt es, dass die Klägerin wegen ihrer an Taubheit grenzenden Schwerhörigkeit vom persönlichen Geltungsbereich der Festbetragsfestsetzung erfasst ist.
1. Allerdings mangelt es Versicherten als Adressaten einer Festbetragsfestsetzung an der Klagebefugnis, wenn bei ihnen der Eintritt eines einschlägigen Leistungsfalles gänzlich ungewiss ist. Die unabsehbare Tatsache, dass bei einem Versicherten in Zukunft die bei der Festbetragsfestsetzung vorausgesetzte Erkrankung auftreten und daher die vom Festbetrag betroffene Leistung aus medizinischen Gründen erforderlich und ärztlich verordnet werden könnte, stellt noch keine hinreichende Betroffenheit eines Versicherten dar, sondern eine bloße ganz ferne Möglichkeit, eines Tages betroffen zu sein. Soweit eine Festbetragsfestsetzung im Arzneimittelbereich angefochten ist, ist daher eine ärztliche Verordnung eines der Festbetragsfestsetzung unterliegenden Arzneimittels zu fordern, um die Möglichkeit einer Verletzung in eigenen Rechten und somit eine Klagebefugnis bejahen zu können (vgl. BSG, Urteil vom 1. März 2011, a.a.O.).
2. Diese Anforderungen sind auf die Anfechtung einer Festbetragsfestsetzung im Hilfsmittelbereich durch Versicherte nur eingeschränkt übertragbar. Denn nach der zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vor dem Senat als dem für eine Verpflichtungsklage grundsätzlich maßgeblichen Zeitpunkt (Meyer-Ladewig/Keller/ Leitherer, Sozialgerichtsgesetz, 11.A., § 54 Rd. 34ff m.w.N.) ist eine vertragsärztliche Verordnung eines Hilfsmittels nur erforderlich, soweit eine erstmalige oder erneute ärztliche Diagnose oder Therapieentscheidung medizinisch geboten ist (§ 33 Abs. 5a Satz 1 SGB V, eingefügt durch Art. 3 Nr. 8 des Pflege-Neuausrichtungsgesetzes vom 23. Oktober 2012 [BGBl. I 12, 2246ff] m.W.z. 30. Oktober 2012). Indes setzt die Prüfung, ob im Einzelfall eine ärztliche Diagnose oder Therapieentscheidung medizinisch geboten ist, u.U. umfangreiche, typischerweise der Begründetheit einer Klage vorbehaltene Tatsachenermittlungen auf medizinischem Gebiet voraus; als Zulässigkeitsvoraussetzung sind solche Kriterien ungeeignet. Aus diesem Grund muss es für die Klagebefugnis im Streit um eine Hilfsmittel betreffende Festbetragsfestsetzung grundsätzlich genügen, dass die Klägerin zu den Versicherten mit an Taubheit grenzender Schwerhörigkeit zählt und aktuell eine Versorgung mit Hörgeräten begehrt. 3. Etwas anderes gälte dann, wenn trotz Vorliegen dieser Voraussetzungen feststünde, dass ein Anspruch der Klägerin auf Versorgung mit dem ausgewählten Hörgerät als Sachleistung oder (nach Kauf des Hörgeräts) auf Kostenerstattung ausgeschlossen ist.
a. Eine solche Feststellung ist dem Senat schon deshalb nicht möglich, weil ihm die Einzelheiten der o.g. Rechtsstreite der Klägerin gegen ihre Krankenkasse bzw. ihren Rentenversicherungsträger nicht bekannt sind. Selbst wenn sie ihm bekannt wären, dürfte er eine abschließende Bewertung der Erfolgsaussichten der Klägerin in diesen Rechtsstreiten nicht vornehmen, da er letztere andernfalls inzident vorab entscheiden würde.
b. Entgegen der Rechtsauffassung des Beklagten ist ein Leistungsanspruch der Klägerin gegen ihre Krankenkasse auch nicht deshalb ausgeschlossen, weil das von ihr ausgewählte Hörgerät hinter den im angefochtenen Beschluss genannten technischen Mindestanforderungen zurückbleibt.
Allerdings enthält der angefochtene Beschluss u.a. folgenden Satz:
Hörgeräte, die für die Versorgung von an Taubheit grenzenden Patienten abgegeben werden, müssen über folgende Features verfügen: • Digitaltechnik • Mehrkanaligkeit (mindestens 4 Kanäle) • Rückkoppelungs- und Störschallunterdrückung • Mindestens 3 Hörprogramme • Verstärkungsleistung &8805;75 dB
Diese Formulierung darf indes nicht dahin verstanden werden, dass Hörgeräte, die diesen Anforderungen nicht entsprechen, von einem ausnahmslosen Verbot der Abgabe an Versicherte mit an Taubheit grenzender Schwerhörigkeit betroffen sind. Denn die Auslegung eines Verwaltungsaktes, auch in der Form einer Allgemeinverfügung nach § 31 Satz 2 SGB X, richtet sich nach den für Willenserklärungen maßgebenden Auslegungsgrundsätzen (§§ 133, 157 BGB). Der objektive Sinngehalt einer Erklärung bestimmt sich nach dem Empfängerhorizont eines verständigen Dritten und nicht etwa danach, von welcher Vorstellung die Behörde ausgegangen ist (BSG, Urteil vom 22. November 2012, a.a.O., m.w.N.). Ein objektiver Empfänger würde in seine Überlegungen zur Auslegung des o.g. Satzes auch einbeziehen, dass nach § 36 Abs. 3 i.V.m. § 35 Abs. 5 Satz 1 SGB V Festbeträge nur "im allgemeinen" eine ausreichende, zweckmäßige und wirtschaftliche sowie in der Qualität gesicherte Versorgung gewährleisten sollen. Nach der gesetzlichen Konzeption ist es also weder ausgeschlossen, dass im Einzelfall ein Festbetrag zur Versorgung einer Versicherten (z.B. wegen der Notwendigkeit eines technisch besonders aufwändig ausgestatteten Hörgeräts) nicht ausreicht, noch, dass im Einzelfall auch ein Hörgerät, das technisch nicht den in der Festbetragsfestsetzung genannten technischen Anforderungen genügt, ausreichend sein kann. Vor diesem Hintergrund kann das Wort "müssen" im o.g. Kontext nicht im Sinne eines (strikten) Abgabeverbots aufgefasst werden.
B. Die Klage ist jedoch unbegründet. Das eigene Vorbringen der Klägerin ist für eine nähere Prüfung des Beschlusses des Beklagten vom 12. Dezember 2011 ungeeignet. Das von ihr in Bezug genommene Vorbringen der Klägerinnen im Parallelverfahren L 7 KA 69/12 KL mag zwar insoweit Erfolg haben, als wegen der fehlerhaften Einbeziehung nicht berücksichtigungsfähiger Hörgeräte für die Zeit bis zum 30. Juni 2014 ein zu geringes unteres Preisdrittel ermittelt wurde. Dies verletzt die Klägerin aber nicht in ihren subjektiven Rechten.
I. Bei Festbetragsfestsetzungen nach § 36 SGB V ist ein eigener Prüfungsmaßstab anzuwenden, der die Besonderheiten dieser Regelungsmaterie zu beachten hat.
1. Für die Festbetragsgruppenbildung im Arzneimittelbereich gibt § 35 SGB V dem hiermit beauftragten Gemeinsamen Bundesausschuss (GBA) ein engmaschiges Programm vor, bei dessen Umsetzung der Gesetzgeber ihm nur einen geringen Gestaltungsspielraum belässt. Die dem GBA nach § 35 Abs. 1ff SGB V übertragenen Entscheidungen werden im Rah¬men der untergesetzliche Normen darstellenden Richtlinien nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 SGB V erlassen und unterliegen grundsätzlich uneingeschränkter gerichtlicher Kontrolle. Anders liegt es dagegen bei der Entscheidung über Zeitpunkt, Zuschnitt und Auswahl der Gruppe. Insoweit darf die sozialgerichtliche Kontrolle ihre eigenen Wertungen nicht an die Stelle der vom GBA als Normgeber getroffenen Wertungen setzen. Vielmehr beschränkt sich die gerichtliche Prüfung in diesen Segmenten darauf, ob die Zuständigkeits- und Verfahrensbestimmungen sowie die gesetzlichen Vorgaben nachvollziehbar und widerspruchsfrei Beachtung gefunden haben, um den Gestaltungsspielraum auszufüllen (BSG, Urteil vom 17. September 2013 – B 1 KR 54/12 R – ["Paliperidon"], juris, m.w.N.). Auch die gerichtliche Kontrolle der festgesetzten Festbetragshöhe erfolgt grundsätzlich in vollem Umfang. Sie beschränkt sich jedoch dort auf die zutreffende Konkretisierung der bestehenden Zielvorgaben nebst wissenschaftlich haltbarer Schätzungen, wo in Unkenntnis der Reaktion jedes einzelnen Arzneimittelanbieters prognostische Elemente und Schätzungen mit in die Festbetragsfestsetzung einfließen müssen. Es besteht allerdings kein Beurteilungsspielraum des Beklagten mit Blick darauf, dass im Allgemeinen eine ausreichende, zweckmäßige und wirtschaftliche, in der Qualität gesicherte Versorgung gewährleistet ist (BSG, Urteil vom 01. März 2011 – B 1 KR 7/10 R – ["Sortis"], juris).
2. Diese Grundsätze lassen sich wegen struktureller Unterschiede der Regelungsmaterien nur bedingt auf den gerichtlichen Prüfungsmaßstab im Rahmen von § 36 SGB V übertragen. Denn zum einen wird über die Festbetragsgruppenbildung nicht im Wege einer (untergesetzlichen) Norm, sondern durch Verwaltungsakt (in Gestalt einer Allgemeinverfügung) entschieden. Zum anderen berechtigt § 36 Abs. 1 Satz 2 SGB V den Beklagten auch, "Einzelheiten der Versorgung" festzulegen. Der Gesetzgeber reagiert damit auf den Umstand, dass der Sachleistungsanspruch nach § 33 SGB V sich – wie bereits erwähnt – nicht in der Überlassung von Hilfsmitteln erschöpft, sondern auch deren notwendige Änderung, Instandsetzung und Ersatzbeschaffung, die Ausbildung in ihrem Gebrauch und, soweit zum Schutz der Versicherten vor unvertretbaren gesundheitlichen Risiken erforderlich, die nach dem Stand der Technik zur Erhaltung der Funktionsfähigkeit und der technischen Sicherheit notwendigen Wartungen und technischen Kontrollen (§ 31 Abs. 1 Satz 4 SGB V), mithin vorbereitende, begleitende und nachgehende Dienstleistungen (BSG, Urteil vom 22. November 2012 – B 3 KR 19/11 R – ["Festbeträge Einlagen"], juris) umfasst.
3. Welcher gerichtliche Prüfungsmaßstab bei den drei vom Beklagten nach § 36 Abs. 1 SGB V zu treffenden Entscheidungen jeweils gilt, muss der Senat nicht abschließend klären. Denn die Entscheidungen, dass Hörhilfen einer Festbetragsfestsetzung zugänglich sind und dass im Hinblick auf Hörhilfen für Versicherte mit an Taubheit grenzender Schwerhörigkeit eine eigene Festbetragsgruppe gebildet wird, werden klägerseitig ersichtlich nicht in Frage gestellt. Hinsichtlich der Einzelheiten der Versorgung kann nach Auffassung des Senats nur eine eingeschränkte gerichtliche Kontrolle gelten, die ausschließlich in den Blick nimmt, ob ein richtig und vollständig ermittelter Sachverhalt zugrunde gelegt wurde und die Zuständigkeits- und Verfahrensbestimmungen sowie die gesetzlichen Vorgaben nachvollziehbar und widerspruchsfrei Beachtung gefunden haben (Meyer-Ladewig/Keller/Leithe¬rer, Sozialgerichtsgesetz, 11.A., § 54 Rd. 31d m.w.N.; BSG, Urteil vom 17. September 2013, a.a.O.). Der Beklagte ist innerhalb dieser Grenzen frei, welche Dienstleistungen er in die Kalkulation des Festbetrags einbezieht (i.E. so wohl schon BSG, Urteil vom 22. November 2012 – B 3 KR 19/11 R – ["Festbeträge Einlagen"], juris) und welche im Umkehrschluss einer Vereinbarung nach § 127 SGB V zugänglich sind.
4. Hinsichtlich der Festbetragshöhe gilt im Kern der für den Arzneimittelbereich entwickelte gerichtliche Prüfungsmaßstab. Diese Entscheidung des Beklagten unterliegt daher grundsätzlich uneingeschränkter gerichtlicher Überprüfung. Der vollen Kontrolle unterliegt, ob der Beklagte bei der Ermittlung des unteren Preisdrittels gemäß § 36 Abs. 3 i.V.m. § 35 Abs. 5 Satz 4 SGB V alle Geräte berücksichtigt hat, die den von ihm im Zusammenhang mit den "Einzelheiten der Versorgung" aufgestellten technischen Anforderungen entsprechen, ob er das untere Preisdrittel rechnerisch korrekt bestimmt und beim sog. Dienstleistungsanteil nur die unter Ziffer I seines Beschlusses aufgeführten Dienstleistungen einbezogen hat. Soweit im Rahmen des Dienstleistungsanteils aber auch betriebswirtschaftliche Überlegungen und Berechnungen in die Kalkulation einfließen, verengt sich die gerichtliche Überprüfung auf die Nachvollziehbarkeit und Widerspruchsfreiheit der vom Beklagten hierfür gegebenen Begründung. Weil dem Gesetz insoweit keine näheren Vorgaben zur Methodik zu entnehmen sind, sind grundsätzlich mehrere vertretbare Berechnungsweisen denkbar. Dieser Umstand rechtfertigt daher auch die Erkenntnis, dass es die allein richtige Festsetzung eines Festbetrags nicht gibt (Flint, in: Hauck/Noftz, Sozialgesetzbuch, Stand 2014, § 35 SGB V, Rd. 92).
II. Das eigene Vorbringen der Klägerin im hiesigen Rechtsstreit ist generell zu unbestimmt, um einer Prüfung durch das Gericht zugänglich zu sein. Auch ihre weiteren grundsätzlichen Einwände überzeugen nicht.
1. Der oben entwickelte Prüfungsmaßstab hat zur Konsequenz, dass ein Versicherter mit der Klage gegen eine Festbetragsfestsetzung auf tatsächlicher Ebene rechtsrelevant nur geltend machen kann, die generellen Kriterien der Festbetragsfestsetzung seien missachtet. Zieht er dagegen nicht in Zweifel, dass der Festbetrag "im Allgemeinen" eine ausreichende, zweckmäßige und wirtschaftliche sowie in der Qualität gesicherte Versorgung gewährleistet, beruft er sich jedoch für sich selbst auf einen atypischen Einzelfall, in welchem er trotz genereller Achtung der allgemeinen gesetzlichen Vorgaben für Festbeträge keine hinreichende Versorgung zum Festbetrag erhält, kann er – gerichtlich überprüfbar – Vollversorgung individuell und systemgerecht gegenüber seiner Krankenkasse einfordern, sei es als Sachleistung für die Zukunft oder als sachleistungsersetzende Kostenerstattung nach § 13 Abs. 3 Satz 1 SGB V (BSG, Urteil vom 1. März 2011 – B 1 KR 10/10 R –, juris). Soweit sich die Klägerin im vorliegenden Rechtsstreit auf individuelle Versorgungsbedarfe und eine atypische Bedarfslage beruft, ist ein solches rein individualbezogenes Vorbringen im Anfechtungsstreit gegen die Festbetragsfestsetzung unerheblich.
2. Aber auch die Einwände gegen die generellen Kriterien der Festbetragsfestsetzung, z.B. die Auswahl der Hersteller und der technischen Kenndaten, die Aktualisierung der Preise, die Kalkulationsmodelle, die Gruppenbildung oder den Zeitaufwand für den Dienstleistungsanteil, müssen so substantiiert sein, dass sie dem Beklagten eine Überprüfung seines Vorgehens ermöglichen. Der pauschale Hinweis auf "falsche und unvollständige Tatsachengrundlagen" oder "sachfremde und willkürliche Erwägungen" ist nicht geeignet, Sachverhaltsermittlungen des Gerichts von Amts wegen auszulösen.
3. Das Vorbringen der Klägerin, demzufolge für Hörgeräte generell keine Festbeträge festgesetzt werden dürfen, überzeugt nicht. Entgegen ihrer Auffassung handelt sich bereits nicht um individuell angefertigte Hilfsmittel. Aus welchen Gründen bei einer Hilfsmittelversorgung mit hohem Dienstleistungsanteil eine Festbetragsfestsetzung rechtswidrig sein soll, erschließt sich dem Senat nicht.
4. "Aspekte der Infrastruktursicherheit" hat der Beklagte grundsätzlich nicht zu berücksichtigen. Zwar hat ein Festbetrag im medizinisch vertretbaren Rahmen regelmäßig Raum für eine hinreichende Auswahl unter verschiedenen Versorgungsmöglichkeiten zu belassen. Zudem sind Zumutbarkeitsgesichtspunkte zu beachten; es reicht nicht aus, dass überhaupt ein Leistungserbringer die notwendige Leistung bereithält. Erforderlich ist vielmehr, dass dieser angemessen erreichbar und seine Inanspruchnahme auch ansonsten zumutbar ist (BSG, Urteil vom 17. Dezember 2009 – B 3 KR 20/08 R –, juris, unter Hinweis auf § 127 Abs. 3 Satz 1 SGB V). Ob aber unter den Leistungserbringern "eine kleinteilige Anbieterstruktur bewahrt werde und Wahlmöglichkeiten gewährleistet blieben, die einen Wettbewerb, aber keine Verdrängung erzeugten", ist nach den gesetzlichen Vorgaben zur Festbetragsfestsetzung irrelevant. Derartige wirtschaftslenkende Handlungsspielräume sind dem Beklagten nicht eröffnet (BVerfG, Urteil vom 17. Dezember 2002, a.a.O.) Sollte sich im Einzelfall erweisen, dass ein Versicherter mit an Taubheit grenzender Schwerhörigkeit ein für ihn geeignetes Hörgerät zum Festbetrag nur außerhalb des ihm zumutbaren räumlichen Radius erhalten kann, würde dies eine "im Allgemeinen" ausreichende Versorgung nicht in Zweifel ziehen. Vielmehr könnte dieser Versicherte dann im Rahmen eines Leistungsstreits mit seiner Krankenkasse individuelle Besonderheiten geltend machen, die einen Verweis auf den Festbetrag ausschließen.
III. Soweit sich die Klägerin auf das ihr günstige Vorbringen der Klägerseite im o.g. Parallelverfahren L 9 KR 69/12 KL bezieht, ist die angefochtene Festbetragsfestsetzung zwar insoweit zu beanstanden, als der Festbetrag für die Zeit bis zum 30. Juni 2014 auf 846,86 Euro hätte festgesetzt werden müssen (zur Begründung verweist der Senat auf sein veröffentlichtes Urteil ebenfalls vom 29. Juli 2015 – L 9 KR 69/12 KL). Dies verletzt die Klägerin jedoch nicht in ihren subjektiven Rechten, unabhängig davon, auf welchen Zeitpunkt für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage im konkreten Fall abzustellen ist.
1. Geht man davon aus, dass die Klägerin die Rechnung für ihr o.g. Hörgerät noch nicht erhalten hat und dass nach der bisherigen Rechtsprechung des BSG (Urteil vom 18. Mai 2011 – B 3 KR 12/10 R –, juris, m.w.N., zum maßgeblichen Zeitpunkt für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage bei selbstbeschafften Hilfsmitteln) eine Leistungsverschaffung bzw. Selbstbeschaffung i.S.v. § 13 Abs. 3 Satz 1 SGB V die Rechnungslegung voraussetzt, macht die Klägerin einen Sachleistungsanspruch gegenüber ihrer Krankenkasse geltend. Hierfür ist die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der (letzten) mündlichen Verhandlung, da diese noch nicht durchgeführt wurde also die gegenwärtige Rechtslage maßgeblich. Für die Gegenwart ist die angefochtene Festbetragsfestsetzung nach dem oben Gesagten nicht zu beanstanden.
2. Geht man demgegenüber davon aus, dass auch die dauerhafte, kostenfreie Überlassung eines Hilfsmittels an einen Versicherten eine Selbstbeschaffung i.S.v. § 13 Abs. 3 Satz 1 SGB V darstellt, weil für die Zeit der Nutzung der Anspruch auf Versorgung mit Hilfsmitteln i.S.v. § 27 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB V erfüllt ist, stünde ein Kosterstattungsanspruch im Raum. Dann käme es auf die Rechtslage zum Zeitpunkt der Übergabe des Hörgeräts an die Klägerin, mithin am 24. Februar 2011, an. Damals galt die hier angefochtene Festbetragsfestsetzung indes noch nicht; ihre Rechtswidrigkeit bliebe ohne Einfluss auf den Kostenerstattungsanspruch der Klägerin.
C. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 SGG und entspricht dem Ausgang des Rechtsstreits.
Die Revision wird wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG).
Rechtskraft
Aus
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BRB
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