Land
Sachsen-Anhalt
Sozialgericht
LSG Sachsen-Anhalt
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
4
1. Instanz
SG Dessau-Roßlau (SAN)
Aktenzeichen
S 3 AS 1977/15 ER PK
Datum
2. Instanz
LSG Sachsen-Anhalt
Aktenzeichen
L 4 AS 65/16 B ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe:
I.
Die Antragstellerin und Beschwerdeführerin (im Folgenden: Antragstellerin) begehrt im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes die Bewilligung weiterer Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem Zweiten Buch des Sozialgesetzbuches - Grundsicherung für Arbeitsuchende (SGB II) für den Bewilligungszeitraum von April bis September 2015 in einer beantragten Gesamthöhe von 1.110,00 EUR.
Die am ... 1973 geborene Antragstellerin bezieht vom Antragsgegner und Beschwerdegegner (im Folgenden: Antragsgegner) seit dem Jahr 2005 Leistungen nach dem SGB II. Sie ist Miteigentümerin in ungeteilter Erbengemeinschaft eines 2491 m² großen Grundstücks in B, das mit einem Wohnhaus bebaut ist. Dort lebt sie gemeinsam mit ihrem Vater.
Mit vorläufigem Bescheid vom 2. April 2015 bewilligte der Antragsgegner ihr für den Monat April 2015 233,81 EUR, für Mai 2015 269,78 EUR, für Juni 2015 214,00 EUR, für Juli 2015 250,31 EUR, für August 2015 253,28 EUR und für September 2015 230,50 EUR. Hierbei rechnete der Antragsgegner Bareinnahmen in unterschiedlicher Höhe (im Durchschnitt 220 EUR abzüglich Versicherungspauschale von 30 EUR und Beiträgen zu Riester-Rente von 5,00 EUR) an.
Die jeweils vom Antragsgegner bewilligten Beträge beziffern sich wie folgt:
I. 1.4. bis 30.4.2015:
Regelbedarf: 399,00 EUR
Kosten der Unterkunft und Heizung (KdU):
Grundmiete: 0,00 EUR
Nebenkosten: 39,63 EUR (davon hälftiger Anteil)
Gesamt: 418,81 EUR
Einnahmen: 220,00 EUR
abzüglich Versicherungspauschale: 30,00 EUR
abzüglich Riester-Rente: 5,00 EUR
Zwischensumme Einkommen: 185,00 EUR
Anspruch: 233,81 EUR
II. 1.5.2015 bis 31.5.2015:
Regelbedarf: 399,00 EUR
Kosten der Unterkunft und Heizung (KdU):
Grundmiete: 0,00 EUR
Nebenkosten: 111,56 EUR (davon hälftiger Anteil)
Gesamt: 454,78 EUR
Einnahmen: 220,00 EUR
abzüglich Versicherungspauschale: 30,00 EUR
abzüglich Riester-Rente: 5,00 EUR
Zwischensumme Einkommen: 185,00 EUR
Anspruch: 269,78 EUR
III. 1.6.2015 bis 30.6.2015:
Regelbedarf: 399,00 EUR
Kosten der Unterkunft und Heizung (KdU):
Grundmiete: 0,00 EUR
Nebenkosten: 0,00 EUR
Gesamt: 399,00 EUR
Einnahmen: 220,00 EUR
abzüglich Versicherungspauschale: 30,00 EUR
abzüglich Riester-Rente: 5,00 EUR
Zwischensumme Einkommen: 185,00 EUR
Anspruch: 214,00 EUR
IV. 1.7.2015 bis 31.7.2015:
Regelbedarf: 399,00 EUR
Kosten der Unterkunft und Heizung (KdU):
Grundmiete: 0,00 EUR
Nebenkosten: 72,62 EUR (davon hälftiger Anteil)
Gesamt: 435,31 EUR
Einnahmen: 220,00 EUR
abzüglich Versicherungspauschale: 30,00 EUR
abzüglich Riester-Rente: 5,00 EUR
Zwischensumme Einkommen: 185,00 EUR
Anspruch: 250,31 EUR
V. 1.7.2015 bis 31.7.2015:
Regelbedarf: 399,00 EUR
Kosten der Unterkunft und Heizung (KdU):
Grundmiete: 0,00 EUR
Nebenkosten: 78,56 EUR (davon hälftiger Anteil)
Gesamt: 438,28 EUR
Einnahmen: 220,00 EUR
abzüglich Versicherungspauschale: 30,00 EUR
abzüglich Riester-Rente: 5,00 EUR
Zwischensumme Einkommen: 185,00 EUR
Anspruch: 253,28 EUR
VI. 1.9.2015 bis 30.9.2015:
Regelbedarf: 399,00 EUR
Kosten der Unterkunft und Heizung (KdU):
Grundmiete: 0,00 EUR
Nebenkosten: 33,00 EUR (davon hälftiger Anteil)
Gesamt: 415,50 EUR
Einnahmen: 220,00 EUR
abzüglich Versicherungspauschale: 30,00 EUR
abzüglich Riester-Rente: 5,00 EUR
Zwischensumme Einkommen: 185,00 EUR
Anspruch: 230,50 EUR
Hiergegen legte die Antragstellerin Widerspruch ein, der mit Widerspruchsbescheid vom 3. August 2015 als unbegründet zurückgewiesen wurde. Die dagegen gerichtete Klage beim Sozialgericht Dessau-Roßlau (SG) ist unter dem Aktenzeichen S 3 AS 17 35/15 rechtshängig.
Mit Bescheid vom 31. Juli 2015 setzte der Antragsgegner die Leistungen für April 2015 auf 213,75 EUR und für den Monat Mai 2015 auf 328,46 EUR endgültig fest. Mit weiterem Bescheid vom 21. September 2015 setzte der Antragsgegner die Leistungen endgültig für Juni 2015 auf 335,18 EUR, für Juli 2015 auf 293,95 EUR und für August 2015 auf 362,08 EUR fest. Mit weiterem Bescheid vom selben Tage änderte der Antragsgegner den Bescheid vom 2. April 2015 ab und bewilligte der Klägerin für den Monat September 2015 vorläufig Leistungen in Höhe von 262,84 EUR.
Am 24. September 2015 hat die Antragstellerin beim SG einen Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für ein einstweiliges Rechtsschutzverfahren gestellt. Dem Antrag war ein Entwurf für einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung beigefügt. Dort hat die Antragstellerin geltend gemacht: Die unstreitigen Bareinzahlungen ihres Vaters seien nicht als Einnahmen zu bewerten. Überdies stünden ihr wegen des Entleerens der Klärgrube im Monat Februar 2015 weitere 27,30 EUR zu. Sie sei dringend auf das Geld angewiesen, da sie wegen ihrer Erkrankung Medikamente und medizinische Behandlungen benötige, die sie sonst nicht kaufen bzw. in Anspruch nehmen könne. Zur Glaubhaftmachung hat die Antragstellerin ein ärztliches Zeugnis der Fachärztin für Innere Medizin L. zur Gerichtsakte gereicht.
Am 29. September 2015 hat der Prozessbevollmächtigte der Antragstellerin auf gerichtliche Nachfrage erklärt, dass das Verfahren zunächst ohne Prozesskostenhilfe weitergeführt werden solle.
Mit Schreiben vom 30. September 2015 hat die Kammervorsitzende darauf hingewiesen, dass beabsichtigt sei, den Antrag auf Prozesskostenhilfe mangels hinreichender Erfolgsaussicht abzulehnen. Es fehle an der Glaubhaftmachung eines Anordnungsgrundes. Regelmäßig könnten im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes keine Leistungen für die Vergangenheit geltend gemacht werden.
Die Antragstellerin hat am 7. Oktober 2015 die Kammervorsitzende – ohne Erfolg – wegen Befangenheit abgelehnt (Beschluss vom 12. November 2015, S 10 SF 198/15 AB).
Der Antragsgegner hat ausgeführt: Eine besondere Eilbedürftigkeit sei nicht darlegt. Die Notwendigkeit, nicht näher bezeichnete Medikamente einzunehmen sowie ungenannte ärztliche Behandlungen durchführen zu müssen, bleibe substanzlos. Eine damit verbundene Kostenbelastung sei entsprechend nicht hinreichend konkretisiert. Da im Monat September 2015 kein Einkommenszufluss habe ermittelt werden können, sei von einem Leistungsanspruch von 447,84 EUR auszugehen, der bereits zur Zahlung angewiesen sei. Die Kosten für die Entleerung der Klärgrube beträfen nicht den Bewilligungszeitraum.
Mit Bescheid vom 2. November 2015 hat der Antragsgegner die Leistung für den Monat September 2015 auf 447,84 EUR (ohne Einkommensanrechnung) endgültig festgesetzt.
Mit Beschluss vom 4. Januar 2016 hat das SG den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abgelehnt und zur Begründung ausgeführt: Die Antragstellerin habe weder einen Anordnungsanspruch noch einen Anordnungsgrund glaubhaft gemacht. Für den Zeitraum April bis August 2015 fehle es an der Darlegung einer Notlage zur Abwendung wesentlicher Nachteile. Die Geltendmachung eines Leistungsanspruches nach dem SGB II für einen Zeitraum in der Vergangenheit schließe regelmäßig einen Anordnungsanspruch in einem einstweiligen Rechtsschutzverfahren aus. Dies gelte nur dann nicht, wenn eine behauptete Nichtleistung für die Vergangenheit noch gegenwärtige Auswirkungen für die Gegenwart bzw. Zukunft begründe. Dies gelte zum Beispiel für drohende Zwangsvollstreckungsmaßnahmen wegen Schulden, die auf nicht gewährte Leistungen zurückzuführen seien. Ein derartiger Ausnahmefall sei weder ersichtlich noch von der Antragstellerin vorgetragen bzw. glaubhaft gemacht worden. Die allgemeine ärztliche Bestätigung ohne Diagnosen begründe keinen Ausnahmefall. Konkrete Gründe für die von der Antragstellerin behauptete medizinische Unterversorgung seien nicht vorgetragen oder ersichtlich. Für den Monat September 2015 habe der Antragsgegner mit Bescheid vom 2. November 2015 während des Verfahrens bereits höhere Leistungen gewährt, ohne Einkommen zu berücksichtigten.
Mit Beschluss vom 11. Januar 2016 hat das SG den Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe abgelehnt und dies im Wesentlichen mit der Möglichkeit einer kostenlosen Prozessvertretung beim Deutschen Gewerkschaftsbund sowie den fehlenden Erfolgsaussichten des Antrages begründet.
Die Antragstellerin hat gegen den am 12. Januar 2016 zugestellten Beschluss vom 4. Januar 2016 am 25. Januar 2016 Beschwerde beim SG erhoben und ihr Begehren weiterverfolgt. Nach Eingang der Akten am 1. Februar 2016 beim Landessozialgericht Sachsen-Anhalt hat sie am 12. Februar 2016 zur Begründung ausgeführt: Sie verweise auf ihren bisherigen Sach- und Rechtsvortrag in erster Instanz und gehe davon aus, dass der angegriffene Beschluss sowohl formell als auch materiell rechtswidrig sei.
Die Antragstellerin beantragt sinngemäß nach ihrem schriftlichen Vorbringen, den Beschluss des Sozialgerichts Dessau-Roßlau vom 4. Januar 2016 aufzuheben und den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihr vorläufig für den Zeitraum vom 1. April bis 30. September 2015 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II in Höhe von 1.110,00 EUR zu gewähren.
Der Antragsgegner beantragt nach seinem schriftlichen Vorbringen,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte, die beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Antragsgegners ergänzend Bezug genommen. Die Unterlagen waren Gegenstand der Beratung des Senats.
II.
Die zulässige Beschwerde ist unbegründet.
Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des SG vom 4. Januar 2016 ist zulässig, insbesondere nach den §§ 172 Abs. 1, 173 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthaft und nicht gemäß § 172 Abs. 3 Nr. 1 iVm § 144 Abs. 1 Satz 1 SGG ausgeschlossen. Denn der maßgebliche Wert des Beschwerdegegenstands für eine Berufung nach § 144 Abs. 1 Satz 1 SGG von 750,00 EUR ist bei beantragten Leistungen von 1.110,00 EUR überschritten.
Die Beschwerde ist jedoch unbegründet. Das SG hat zu Recht den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abgelehnt. Der Senat verweist zur Vermeidung von Wiederholungen auf die Begründung im dem angefochtenen Beschluss (§§ 142 Abs. 2 Satz 3 SGG). Ergänzend und im Hinblick auf die Beschwerde der Antragstellerin weist der Senat noch auf Folgendes hin:
Das Gericht kann nach § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis treffen, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Voraussetzung für den Erlass einer Regelungsanordnung ist gem. § 86b Abs. 2 Satz 4 iVm § 920 Abs. 2 Zivilprozessordnung (ZPO) stets die Glaubhaftmachung des Vorliegens eines Anordnungsgrunds (die Eilbedürftigkeit der Regelungsabwendung wesentlicher Nachteile) und eines Anordnungsanspruchs (die hinreichende Wahrscheinlichkeit eines in der Hauptsache gegebenen materiellen Leistungsanspruchs). Der Beweismaßstab im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes erfordert im Gegensatz zu einem Hauptsacheverfahren für das Vorliegen der anspruchsbegründenden Tatsachen nicht die volle richterliche Überzeugung. Dies erklärt sich mit dem Wesen dieses Verfahrens, das wegen der Dringlichkeit der Entscheidung regelmäßig keine eingehenden, unter Umständen langwierigen Ermittlungen zulässt. Deshalb kann im einstweiligen Rechtsschutzverfahren nur eine vorläufige Regelung längstens für die Dauer des Klageverfahrens getroffen werden, die das Gericht der Hauptsache nicht bindet. Ein Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund sind glaubhaft gemacht, wenn die tatsächlichen Voraussetzungen überwiegend wahrscheinlich sind. Dies erfordert, dass mehr für als gegen die Richtigkeit der Angaben spricht (vgl. Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer: SGG, 11. Auflage 2014, § 86b RN 16 b).
Das Rechtsmittel des einstweiligen Rechtsschutzes hat vor dem Hintergrund des Art. 19 Abs. 2 Grundgesetz (GG) die Aufgabe, in den Fällen effektiven Rechtsschutz zu gewährleisten, in denen das Abwarten einer Entscheidung im Hauptsacheverfahren zu schweren und unzumutbaren, nicht anders abwendbaren Nachteilen führen würde, zu deren nachträglicher Beseitigung die Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr in der Lage wäre (vgl. Bundesverfassungsgericht, Beschlüsse vom 22. November 2002, Az.: 1 BvR 1586/02, NJW 2003 S.1236, und vom 12. Mai 2005, Az.: 1 BvR 569/05, Breithaupt 2005 S. 803). Dies bedeutet aber gleichzeitig, dass ein Anordnungsgrund fehlt, wenn die vermutliche Zeitdauer des Hauptsacheverfahrens keine Gefährdung für die Rechtsverwirklichung und -durchsetzung darstellt, wenn also dem Antragsteller auch mit einer späteren Realisierung seines Rechts geholfen ist. Zwar sollen grundsätzlich Leistungen nach dem SGB II das Existenzminium der Leistungsberechtigten sichern. Wird durch die seitens des Leistungsträgers erbrachte Leistung der Bedarf nicht gedeckt, ist die Existenz des Leistungsbeziehers zeitweise nicht sichergestellt. Allerdings führt nicht jede Unterdeckung des Bedarfs grundsätzlich zu einer Existenzbedrohung und damit zum Vorliegen eines Anordnungsgrunds. Erforderlich ist eine aktuelle existenzielle Notlage, die zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung noch andauern muss. Sofern im Zeitraum zwischen Antragstellung bei dem SG und der gerichtlichen Entscheidung Veränderungen eingetreten sind, und deshalb die Hilfsbedürftigkeit ab einem bestimmten Zeitpunkt ganz oder zeitweise entfallen ist, etwa weil der Leistungsberechtigte eine Arbeit aufgenommen hat, ihm Vermögen zugeflossen ist, Leistungen bewilligt worden sind oder sich die zu Grunde liegende Sachlage in entscheidungserheblicher Weise geändert hat, ist er auch für davor liegende Zeiträume auf das Hauptsacheverfahren zu verweisen, sofern kein konkreter Nachholbedarf glaubhaft gemacht worden ist (vgl. dazu: Beschlüsse des 2. Senats vom 9. Juli 2009, Az.: L 2 AS 194/09 B ER und 12. November 2009, Az.: L 2 AS 307/09 B ER; Beschluss des 5. Senats vom 11. Januar 2010, Az.: L 5 AS 321/09 B ER). Eine insoweit rückwirkende Verpflichtung des Leistungsträgers zur vorläufigen Leistungsgewährung ist daher grundsätzlich vom Fortbestehen der Notlage oder von einem aktuellen Nachholbedarf abhängig. Eine zum Zeitpunkt der Entscheidung nicht mehr bestehende Notlage bedarf keiner vorläufigen Leistungsgewährung im Rahmen einer einstweiligen Anordnung (mehr). Dem Antragsteller ist es in diesen Fällen zuzumuten, eine Entscheidung im Hauptsacheverfahren abzuwarten (vgl. Beschluss des Senat vom 25. November 2014, L 4 AS 404/14 B ER).
So liegt es hier. Eine noch fortwirkende aktuelle und erhebliche Notlage, die eine Eilentscheidung zu Gunsten der Antragstellerin erfordern würde, ist nicht glaubhaft gemacht. Bereits im Zeitpunkt der Inanspruchnahme einstweiligen Rechtsschutzes beim SG am 24. September 2015 war der Bewilligungszeitraum, für den die Antragstellerin Leistungen begehrt (April bis September 2015), fast abgelaufen. Hierbei darf auch nicht übersehen werden, dass die Antragstellerin zunächst lediglich einen Entwurf auf Erlass einer einstweiligen Anordnung vorgelegt hat, was gegen eine akute finanzielle Notlage sprechen würde, da noch keine unbedingte Antragstellung auf einstweiligen Rechtschutz vorlag. Dies hat die Antragstellerin erst am 29. September 2015, d.h. zeitlich unmittelbar vor Ablauf des Bewilligungszeitraums korrigiert. Für September 2015 hat der Antragsgegner zudem mit Bescheid vom 2. November 2015 die Leistung auf 447,84 EUR (ohne Einkommensanrechnung) endgültig festgesetzt und damit eine für diesen Monat ggf. vorhandene Deckungslücke spätestens mit Auszahlung geschlossen. Zum Zeitpunkt der Entscheidung des Senats kann daher im September 2015 keine Notlage bestanden haben.
Die Antragstellerin hat nach dem vorläufigen Bescheid vom 2. April 2015 sowie den Folgebescheiden vom 31. Juli 2015 und vom 21. September Leistungen für die Zeit vom 1. April bis 30. September 2015 erhalten. Für die Zeit von April bis 28. September 2015 zielt der Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz damit in die Vergangenheit. In diesen Fällen besteht regelmäßig kein Anordnungsgrund, da üblicherweise keine gegenwärtige akute Notlage bestehen kann. Dies beruht auf dem sozialhilferechtlichen, aber auch im Bereich der Grundsicherung für Arbeitsuchende geltenden Grundsatz, dass Leistungen für den Lebensunterhalt im Wege der einstweiligen Anordnung nur zur Behebung einer gegenwärtigen Notlage erfolgen und nicht rückwirkend zu bewilligen sind. Dies gilt nur dann nicht, wenn glaubhaft gemacht ist, dass eine in der Vergangenheit eingetretene Notlage in die Gegenwart hineinwirkt, wenn also fehlende oder unzulängliche Leistungen in der Vergangenheit wirtschaftliche Auswirkungen in die Gegenwart zeitigen (vgl. Beschluss des 4. Senats vom 30. Juni 2015, L 4 AS 375/15 B ER, juris).
Im vorliegenden Fall ist der Sachvortrag der Antragstellerin zu einer vermeintlich seit April 2015 bestehenden finanziellen Notlage nicht substantiiert und auch nicht glaubhaft gemacht. Bereits aus den von ihr vorgelegten Kontoauszügen ist keine Soll-Stellung erkennbar. Der vorgelegten ärztlichen Bescheinigung sind weder konkrete Erkrankungen noch konkrete Mehraufwendungen für Medikamente oder ärztliche Behandlungen oder eine gesundheitsgefährdende Lage zu entnehmen, die nur mittels zusätzlicher Leistungen des Antragsgegners behoben werden könnten. Aufgrund des Bezugs von SGB II-Leistungen ist die Antragstellerin gesetzlich krankenversichert. Mithin ist davon auszugehen, dass sie die benötige medizinische Versorgung erhält. Einen konkreten, über die gesicherte medizinische Versorgung hinausgehenden Bedarf, der ggf. einen Anspruch auf Mehrbedarfsleistungen begründen könnte, hat sie nicht vortragen. Belegbare KdU, die vom Antragsgegner zu Unrecht unberücksichtigt geblieben sind, hat die Antragstellerin nicht geltend gemacht.
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.
Dieser Beschluss ist mit der Beschwerde nicht anfechtbar, § 177 SGG.
Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe:
I.
Die Antragstellerin und Beschwerdeführerin (im Folgenden: Antragstellerin) begehrt im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes die Bewilligung weiterer Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem Zweiten Buch des Sozialgesetzbuches - Grundsicherung für Arbeitsuchende (SGB II) für den Bewilligungszeitraum von April bis September 2015 in einer beantragten Gesamthöhe von 1.110,00 EUR.
Die am ... 1973 geborene Antragstellerin bezieht vom Antragsgegner und Beschwerdegegner (im Folgenden: Antragsgegner) seit dem Jahr 2005 Leistungen nach dem SGB II. Sie ist Miteigentümerin in ungeteilter Erbengemeinschaft eines 2491 m² großen Grundstücks in B, das mit einem Wohnhaus bebaut ist. Dort lebt sie gemeinsam mit ihrem Vater.
Mit vorläufigem Bescheid vom 2. April 2015 bewilligte der Antragsgegner ihr für den Monat April 2015 233,81 EUR, für Mai 2015 269,78 EUR, für Juni 2015 214,00 EUR, für Juli 2015 250,31 EUR, für August 2015 253,28 EUR und für September 2015 230,50 EUR. Hierbei rechnete der Antragsgegner Bareinnahmen in unterschiedlicher Höhe (im Durchschnitt 220 EUR abzüglich Versicherungspauschale von 30 EUR und Beiträgen zu Riester-Rente von 5,00 EUR) an.
Die jeweils vom Antragsgegner bewilligten Beträge beziffern sich wie folgt:
I. 1.4. bis 30.4.2015:
Regelbedarf: 399,00 EUR
Kosten der Unterkunft und Heizung (KdU):
Grundmiete: 0,00 EUR
Nebenkosten: 39,63 EUR (davon hälftiger Anteil)
Gesamt: 418,81 EUR
Einnahmen: 220,00 EUR
abzüglich Versicherungspauschale: 30,00 EUR
abzüglich Riester-Rente: 5,00 EUR
Zwischensumme Einkommen: 185,00 EUR
Anspruch: 233,81 EUR
II. 1.5.2015 bis 31.5.2015:
Regelbedarf: 399,00 EUR
Kosten der Unterkunft und Heizung (KdU):
Grundmiete: 0,00 EUR
Nebenkosten: 111,56 EUR (davon hälftiger Anteil)
Gesamt: 454,78 EUR
Einnahmen: 220,00 EUR
abzüglich Versicherungspauschale: 30,00 EUR
abzüglich Riester-Rente: 5,00 EUR
Zwischensumme Einkommen: 185,00 EUR
Anspruch: 269,78 EUR
III. 1.6.2015 bis 30.6.2015:
Regelbedarf: 399,00 EUR
Kosten der Unterkunft und Heizung (KdU):
Grundmiete: 0,00 EUR
Nebenkosten: 0,00 EUR
Gesamt: 399,00 EUR
Einnahmen: 220,00 EUR
abzüglich Versicherungspauschale: 30,00 EUR
abzüglich Riester-Rente: 5,00 EUR
Zwischensumme Einkommen: 185,00 EUR
Anspruch: 214,00 EUR
IV. 1.7.2015 bis 31.7.2015:
Regelbedarf: 399,00 EUR
Kosten der Unterkunft und Heizung (KdU):
Grundmiete: 0,00 EUR
Nebenkosten: 72,62 EUR (davon hälftiger Anteil)
Gesamt: 435,31 EUR
Einnahmen: 220,00 EUR
abzüglich Versicherungspauschale: 30,00 EUR
abzüglich Riester-Rente: 5,00 EUR
Zwischensumme Einkommen: 185,00 EUR
Anspruch: 250,31 EUR
V. 1.7.2015 bis 31.7.2015:
Regelbedarf: 399,00 EUR
Kosten der Unterkunft und Heizung (KdU):
Grundmiete: 0,00 EUR
Nebenkosten: 78,56 EUR (davon hälftiger Anteil)
Gesamt: 438,28 EUR
Einnahmen: 220,00 EUR
abzüglich Versicherungspauschale: 30,00 EUR
abzüglich Riester-Rente: 5,00 EUR
Zwischensumme Einkommen: 185,00 EUR
Anspruch: 253,28 EUR
VI. 1.9.2015 bis 30.9.2015:
Regelbedarf: 399,00 EUR
Kosten der Unterkunft und Heizung (KdU):
Grundmiete: 0,00 EUR
Nebenkosten: 33,00 EUR (davon hälftiger Anteil)
Gesamt: 415,50 EUR
Einnahmen: 220,00 EUR
abzüglich Versicherungspauschale: 30,00 EUR
abzüglich Riester-Rente: 5,00 EUR
Zwischensumme Einkommen: 185,00 EUR
Anspruch: 230,50 EUR
Hiergegen legte die Antragstellerin Widerspruch ein, der mit Widerspruchsbescheid vom 3. August 2015 als unbegründet zurückgewiesen wurde. Die dagegen gerichtete Klage beim Sozialgericht Dessau-Roßlau (SG) ist unter dem Aktenzeichen S 3 AS 17 35/15 rechtshängig.
Mit Bescheid vom 31. Juli 2015 setzte der Antragsgegner die Leistungen für April 2015 auf 213,75 EUR und für den Monat Mai 2015 auf 328,46 EUR endgültig fest. Mit weiterem Bescheid vom 21. September 2015 setzte der Antragsgegner die Leistungen endgültig für Juni 2015 auf 335,18 EUR, für Juli 2015 auf 293,95 EUR und für August 2015 auf 362,08 EUR fest. Mit weiterem Bescheid vom selben Tage änderte der Antragsgegner den Bescheid vom 2. April 2015 ab und bewilligte der Klägerin für den Monat September 2015 vorläufig Leistungen in Höhe von 262,84 EUR.
Am 24. September 2015 hat die Antragstellerin beim SG einen Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für ein einstweiliges Rechtsschutzverfahren gestellt. Dem Antrag war ein Entwurf für einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung beigefügt. Dort hat die Antragstellerin geltend gemacht: Die unstreitigen Bareinzahlungen ihres Vaters seien nicht als Einnahmen zu bewerten. Überdies stünden ihr wegen des Entleerens der Klärgrube im Monat Februar 2015 weitere 27,30 EUR zu. Sie sei dringend auf das Geld angewiesen, da sie wegen ihrer Erkrankung Medikamente und medizinische Behandlungen benötige, die sie sonst nicht kaufen bzw. in Anspruch nehmen könne. Zur Glaubhaftmachung hat die Antragstellerin ein ärztliches Zeugnis der Fachärztin für Innere Medizin L. zur Gerichtsakte gereicht.
Am 29. September 2015 hat der Prozessbevollmächtigte der Antragstellerin auf gerichtliche Nachfrage erklärt, dass das Verfahren zunächst ohne Prozesskostenhilfe weitergeführt werden solle.
Mit Schreiben vom 30. September 2015 hat die Kammervorsitzende darauf hingewiesen, dass beabsichtigt sei, den Antrag auf Prozesskostenhilfe mangels hinreichender Erfolgsaussicht abzulehnen. Es fehle an der Glaubhaftmachung eines Anordnungsgrundes. Regelmäßig könnten im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes keine Leistungen für die Vergangenheit geltend gemacht werden.
Die Antragstellerin hat am 7. Oktober 2015 die Kammervorsitzende – ohne Erfolg – wegen Befangenheit abgelehnt (Beschluss vom 12. November 2015, S 10 SF 198/15 AB).
Der Antragsgegner hat ausgeführt: Eine besondere Eilbedürftigkeit sei nicht darlegt. Die Notwendigkeit, nicht näher bezeichnete Medikamente einzunehmen sowie ungenannte ärztliche Behandlungen durchführen zu müssen, bleibe substanzlos. Eine damit verbundene Kostenbelastung sei entsprechend nicht hinreichend konkretisiert. Da im Monat September 2015 kein Einkommenszufluss habe ermittelt werden können, sei von einem Leistungsanspruch von 447,84 EUR auszugehen, der bereits zur Zahlung angewiesen sei. Die Kosten für die Entleerung der Klärgrube beträfen nicht den Bewilligungszeitraum.
Mit Bescheid vom 2. November 2015 hat der Antragsgegner die Leistung für den Monat September 2015 auf 447,84 EUR (ohne Einkommensanrechnung) endgültig festgesetzt.
Mit Beschluss vom 4. Januar 2016 hat das SG den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abgelehnt und zur Begründung ausgeführt: Die Antragstellerin habe weder einen Anordnungsanspruch noch einen Anordnungsgrund glaubhaft gemacht. Für den Zeitraum April bis August 2015 fehle es an der Darlegung einer Notlage zur Abwendung wesentlicher Nachteile. Die Geltendmachung eines Leistungsanspruches nach dem SGB II für einen Zeitraum in der Vergangenheit schließe regelmäßig einen Anordnungsanspruch in einem einstweiligen Rechtsschutzverfahren aus. Dies gelte nur dann nicht, wenn eine behauptete Nichtleistung für die Vergangenheit noch gegenwärtige Auswirkungen für die Gegenwart bzw. Zukunft begründe. Dies gelte zum Beispiel für drohende Zwangsvollstreckungsmaßnahmen wegen Schulden, die auf nicht gewährte Leistungen zurückzuführen seien. Ein derartiger Ausnahmefall sei weder ersichtlich noch von der Antragstellerin vorgetragen bzw. glaubhaft gemacht worden. Die allgemeine ärztliche Bestätigung ohne Diagnosen begründe keinen Ausnahmefall. Konkrete Gründe für die von der Antragstellerin behauptete medizinische Unterversorgung seien nicht vorgetragen oder ersichtlich. Für den Monat September 2015 habe der Antragsgegner mit Bescheid vom 2. November 2015 während des Verfahrens bereits höhere Leistungen gewährt, ohne Einkommen zu berücksichtigten.
Mit Beschluss vom 11. Januar 2016 hat das SG den Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe abgelehnt und dies im Wesentlichen mit der Möglichkeit einer kostenlosen Prozessvertretung beim Deutschen Gewerkschaftsbund sowie den fehlenden Erfolgsaussichten des Antrages begründet.
Die Antragstellerin hat gegen den am 12. Januar 2016 zugestellten Beschluss vom 4. Januar 2016 am 25. Januar 2016 Beschwerde beim SG erhoben und ihr Begehren weiterverfolgt. Nach Eingang der Akten am 1. Februar 2016 beim Landessozialgericht Sachsen-Anhalt hat sie am 12. Februar 2016 zur Begründung ausgeführt: Sie verweise auf ihren bisherigen Sach- und Rechtsvortrag in erster Instanz und gehe davon aus, dass der angegriffene Beschluss sowohl formell als auch materiell rechtswidrig sei.
Die Antragstellerin beantragt sinngemäß nach ihrem schriftlichen Vorbringen, den Beschluss des Sozialgerichts Dessau-Roßlau vom 4. Januar 2016 aufzuheben und den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihr vorläufig für den Zeitraum vom 1. April bis 30. September 2015 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II in Höhe von 1.110,00 EUR zu gewähren.
Der Antragsgegner beantragt nach seinem schriftlichen Vorbringen,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte, die beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Antragsgegners ergänzend Bezug genommen. Die Unterlagen waren Gegenstand der Beratung des Senats.
II.
Die zulässige Beschwerde ist unbegründet.
Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des SG vom 4. Januar 2016 ist zulässig, insbesondere nach den §§ 172 Abs. 1, 173 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthaft und nicht gemäß § 172 Abs. 3 Nr. 1 iVm § 144 Abs. 1 Satz 1 SGG ausgeschlossen. Denn der maßgebliche Wert des Beschwerdegegenstands für eine Berufung nach § 144 Abs. 1 Satz 1 SGG von 750,00 EUR ist bei beantragten Leistungen von 1.110,00 EUR überschritten.
Die Beschwerde ist jedoch unbegründet. Das SG hat zu Recht den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abgelehnt. Der Senat verweist zur Vermeidung von Wiederholungen auf die Begründung im dem angefochtenen Beschluss (§§ 142 Abs. 2 Satz 3 SGG). Ergänzend und im Hinblick auf die Beschwerde der Antragstellerin weist der Senat noch auf Folgendes hin:
Das Gericht kann nach § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis treffen, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Voraussetzung für den Erlass einer Regelungsanordnung ist gem. § 86b Abs. 2 Satz 4 iVm § 920 Abs. 2 Zivilprozessordnung (ZPO) stets die Glaubhaftmachung des Vorliegens eines Anordnungsgrunds (die Eilbedürftigkeit der Regelungsabwendung wesentlicher Nachteile) und eines Anordnungsanspruchs (die hinreichende Wahrscheinlichkeit eines in der Hauptsache gegebenen materiellen Leistungsanspruchs). Der Beweismaßstab im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes erfordert im Gegensatz zu einem Hauptsacheverfahren für das Vorliegen der anspruchsbegründenden Tatsachen nicht die volle richterliche Überzeugung. Dies erklärt sich mit dem Wesen dieses Verfahrens, das wegen der Dringlichkeit der Entscheidung regelmäßig keine eingehenden, unter Umständen langwierigen Ermittlungen zulässt. Deshalb kann im einstweiligen Rechtsschutzverfahren nur eine vorläufige Regelung längstens für die Dauer des Klageverfahrens getroffen werden, die das Gericht der Hauptsache nicht bindet. Ein Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund sind glaubhaft gemacht, wenn die tatsächlichen Voraussetzungen überwiegend wahrscheinlich sind. Dies erfordert, dass mehr für als gegen die Richtigkeit der Angaben spricht (vgl. Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer: SGG, 11. Auflage 2014, § 86b RN 16 b).
Das Rechtsmittel des einstweiligen Rechtsschutzes hat vor dem Hintergrund des Art. 19 Abs. 2 Grundgesetz (GG) die Aufgabe, in den Fällen effektiven Rechtsschutz zu gewährleisten, in denen das Abwarten einer Entscheidung im Hauptsacheverfahren zu schweren und unzumutbaren, nicht anders abwendbaren Nachteilen führen würde, zu deren nachträglicher Beseitigung die Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr in der Lage wäre (vgl. Bundesverfassungsgericht, Beschlüsse vom 22. November 2002, Az.: 1 BvR 1586/02, NJW 2003 S.1236, und vom 12. Mai 2005, Az.: 1 BvR 569/05, Breithaupt 2005 S. 803). Dies bedeutet aber gleichzeitig, dass ein Anordnungsgrund fehlt, wenn die vermutliche Zeitdauer des Hauptsacheverfahrens keine Gefährdung für die Rechtsverwirklichung und -durchsetzung darstellt, wenn also dem Antragsteller auch mit einer späteren Realisierung seines Rechts geholfen ist. Zwar sollen grundsätzlich Leistungen nach dem SGB II das Existenzminium der Leistungsberechtigten sichern. Wird durch die seitens des Leistungsträgers erbrachte Leistung der Bedarf nicht gedeckt, ist die Existenz des Leistungsbeziehers zeitweise nicht sichergestellt. Allerdings führt nicht jede Unterdeckung des Bedarfs grundsätzlich zu einer Existenzbedrohung und damit zum Vorliegen eines Anordnungsgrunds. Erforderlich ist eine aktuelle existenzielle Notlage, die zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung noch andauern muss. Sofern im Zeitraum zwischen Antragstellung bei dem SG und der gerichtlichen Entscheidung Veränderungen eingetreten sind, und deshalb die Hilfsbedürftigkeit ab einem bestimmten Zeitpunkt ganz oder zeitweise entfallen ist, etwa weil der Leistungsberechtigte eine Arbeit aufgenommen hat, ihm Vermögen zugeflossen ist, Leistungen bewilligt worden sind oder sich die zu Grunde liegende Sachlage in entscheidungserheblicher Weise geändert hat, ist er auch für davor liegende Zeiträume auf das Hauptsacheverfahren zu verweisen, sofern kein konkreter Nachholbedarf glaubhaft gemacht worden ist (vgl. dazu: Beschlüsse des 2. Senats vom 9. Juli 2009, Az.: L 2 AS 194/09 B ER und 12. November 2009, Az.: L 2 AS 307/09 B ER; Beschluss des 5. Senats vom 11. Januar 2010, Az.: L 5 AS 321/09 B ER). Eine insoweit rückwirkende Verpflichtung des Leistungsträgers zur vorläufigen Leistungsgewährung ist daher grundsätzlich vom Fortbestehen der Notlage oder von einem aktuellen Nachholbedarf abhängig. Eine zum Zeitpunkt der Entscheidung nicht mehr bestehende Notlage bedarf keiner vorläufigen Leistungsgewährung im Rahmen einer einstweiligen Anordnung (mehr). Dem Antragsteller ist es in diesen Fällen zuzumuten, eine Entscheidung im Hauptsacheverfahren abzuwarten (vgl. Beschluss des Senat vom 25. November 2014, L 4 AS 404/14 B ER).
So liegt es hier. Eine noch fortwirkende aktuelle und erhebliche Notlage, die eine Eilentscheidung zu Gunsten der Antragstellerin erfordern würde, ist nicht glaubhaft gemacht. Bereits im Zeitpunkt der Inanspruchnahme einstweiligen Rechtsschutzes beim SG am 24. September 2015 war der Bewilligungszeitraum, für den die Antragstellerin Leistungen begehrt (April bis September 2015), fast abgelaufen. Hierbei darf auch nicht übersehen werden, dass die Antragstellerin zunächst lediglich einen Entwurf auf Erlass einer einstweiligen Anordnung vorgelegt hat, was gegen eine akute finanzielle Notlage sprechen würde, da noch keine unbedingte Antragstellung auf einstweiligen Rechtschutz vorlag. Dies hat die Antragstellerin erst am 29. September 2015, d.h. zeitlich unmittelbar vor Ablauf des Bewilligungszeitraums korrigiert. Für September 2015 hat der Antragsgegner zudem mit Bescheid vom 2. November 2015 die Leistung auf 447,84 EUR (ohne Einkommensanrechnung) endgültig festgesetzt und damit eine für diesen Monat ggf. vorhandene Deckungslücke spätestens mit Auszahlung geschlossen. Zum Zeitpunkt der Entscheidung des Senats kann daher im September 2015 keine Notlage bestanden haben.
Die Antragstellerin hat nach dem vorläufigen Bescheid vom 2. April 2015 sowie den Folgebescheiden vom 31. Juli 2015 und vom 21. September Leistungen für die Zeit vom 1. April bis 30. September 2015 erhalten. Für die Zeit von April bis 28. September 2015 zielt der Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz damit in die Vergangenheit. In diesen Fällen besteht regelmäßig kein Anordnungsgrund, da üblicherweise keine gegenwärtige akute Notlage bestehen kann. Dies beruht auf dem sozialhilferechtlichen, aber auch im Bereich der Grundsicherung für Arbeitsuchende geltenden Grundsatz, dass Leistungen für den Lebensunterhalt im Wege der einstweiligen Anordnung nur zur Behebung einer gegenwärtigen Notlage erfolgen und nicht rückwirkend zu bewilligen sind. Dies gilt nur dann nicht, wenn glaubhaft gemacht ist, dass eine in der Vergangenheit eingetretene Notlage in die Gegenwart hineinwirkt, wenn also fehlende oder unzulängliche Leistungen in der Vergangenheit wirtschaftliche Auswirkungen in die Gegenwart zeitigen (vgl. Beschluss des 4. Senats vom 30. Juni 2015, L 4 AS 375/15 B ER, juris).
Im vorliegenden Fall ist der Sachvortrag der Antragstellerin zu einer vermeintlich seit April 2015 bestehenden finanziellen Notlage nicht substantiiert und auch nicht glaubhaft gemacht. Bereits aus den von ihr vorgelegten Kontoauszügen ist keine Soll-Stellung erkennbar. Der vorgelegten ärztlichen Bescheinigung sind weder konkrete Erkrankungen noch konkrete Mehraufwendungen für Medikamente oder ärztliche Behandlungen oder eine gesundheitsgefährdende Lage zu entnehmen, die nur mittels zusätzlicher Leistungen des Antragsgegners behoben werden könnten. Aufgrund des Bezugs von SGB II-Leistungen ist die Antragstellerin gesetzlich krankenversichert. Mithin ist davon auszugehen, dass sie die benötige medizinische Versorgung erhält. Einen konkreten, über die gesicherte medizinische Versorgung hinausgehenden Bedarf, der ggf. einen Anspruch auf Mehrbedarfsleistungen begründen könnte, hat sie nicht vortragen. Belegbare KdU, die vom Antragsgegner zu Unrecht unberücksichtigt geblieben sind, hat die Antragstellerin nicht geltend gemacht.
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.
Dieser Beschluss ist mit der Beschwerde nicht anfechtbar, § 177 SGG.
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