L 10 U 2805/12

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
10
1. Instanz
SG Reutlingen (BWB)
Aktenzeichen
S 8 U 4052/10
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 10 U 2805/12
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Reutlingen vom 30.05.2012 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt wegen einer von ihm behaupteten Berufskrankheit (BK) nach Nr. 2108 der Anlage zur Berufskrankheiten-Verordnung (BKV) - nachfolgend BK 2108 - Übergangsleistungen nach § 3 BKV.

Der am 11.01.1953 geborene Kläger arbeitete von Mai 1976 bis September 1999 bei der Fa. S. GmbH (SHW) in der Schleiferei und Dreherei und bearbeitete dabei an verschiedenen Maschinen Bremsscheiben mit unterschiedlichen Gewichten. Ab Mitte September 1999 war der Kläger dann nahezu durchgehend arbeitsunfähig. Das Arbeitsverhältnis wurde mit Ablauf des 30.09.2001 durch arbeitgeberseitige personenbedingte Kündigung beendet. Das vom Kläger wegen seiner Tätigkeit bei der SHW verfolgte Begehren auf Anerkennung einer Quarzstaublungenerkrankung (Silikose) als BK 4101 sowie auf die Anerkennung einer BK 4301 bzw. 4302 - die Verwaltungsverfahren wurden auf Anzeige des Verdachts einer geringgradigen Silikose durch Dr. S. im Juni 1998 von Amts wegen eingeleitet - blieb jeweils erfolglos, ebenso die im Zusammenhang damit geltend gemachten Ansprüche auf Gewährung von Übergangsleistungen nach § 3 BKV, bezogen auf die jeweiligen BKen (Urteile des Landessozialgericht Baden-Württemberg vom 24.06.2010, L 10 U 5031/06 - BK 4101 - sowie L 10 U 5118/06 - BK 4301 bzw. 4302 -).

Im April 2001 wandte sich der Kläger wegen seiner, von ihm auf die Hebetätigkeiten bei der SHW zurückgeführten Beschwerden seitens der Hals(HWS) -, der Brust(BWS)- und Lendenwirbelsäule (LWS) an die Beklagte. In einem beigefügte Schreiben vom 19.03.2001 (Bl. 3 VA f.) verwies der Kläger auf den Reha-Entlassungsbericht der Reha-Klinik I. vom März 1999, in welchem u.a. ein rezidivierendes HWS-Syndrom mit Cervicocephalgien und Cervicobrachialgien rechts festgestellt worden sei (Bl. 20 ff. VA zur BK 4301 und 4302). Wie der Beklagten ja hinlänglich bekannt sei, so der Kläger weiter, habe er wegen seiner Atemwegserkrankung seine Tätigkeit bei der SHW aufgeben müssen und bitte diesbezüglich um kurzfristige "Ausgleichzahlung". Mit Bescheid vom 27.11.2001 und Widerspruchsbescheid vom 10.04.2002 lehnte die Beklagte auch die Anerkennung einer BK 2108 und BK 2109 ab. Der hiergegen auf Feststellung dieser BKen gerichtete Rechtsstreit blieb erfolglos, weil die arbeitstechnischen Voraussetzungen zur Anerkennung einer BK 2108 nicht vorgelegen hätten und Tätigkeiten für die Annahme einer BK 2109 nicht ausgeübt worden seien (Urteil des Landessozialgericht Baden-Württemberg vom 26.01.2006, L 10 U 4236/04).

Noch während des Verfahrens auf Anerkennung einer bandscheibenbedingten Erkrankung der LWS bzw. HWS beantragte der Kläger mit Schriftsatz vom 24.01.2004 Übergangsleistungen im Hinblick auf eine BK 2108 bzw. 2109 (Bl. 97 f. VA), was die Beklagte mit Bescheid vom 02.08.2004 und Widerspruchsbescheid vom 05.01.2005 sowie der Begründung ablehnte, der Kläger sei keiner wirbelsäulengefährdenden Tätigkeit ausgesetzt gewesen, sodass auch die Entstehung einer BK nicht gedroht habe.

Das Sozialgericht Reutlingen wies die hiergegen erhobene Klage mit Gerichtsbescheid vom 23.10.2006 (S 8 U 310/05) ab und das Landessozialgericht Baden-Württemberg die dagegen eingelegte Berufung mit Urteil vom 25.09.2008 zurück (L 10 U 5965/06) und führte zur Begründung aus, der Kläger habe in seiner Tätigkeit die nach Auffassung des Senats nach dem Mainz-Dortmunder-Dosismodell (MDD) zu Grunde zu legende Druckkraftschwelle nicht erreicht, sodass keine Summanden für die Ermittlung der Gesamtdosis vorhanden seien. Im Ergebnis habe daher die Tätigkeit des Klägers nicht die von der BK 2108 geforderte Gefährdung aufgewiesen, sodass eine BK 2108 auch nicht habe entstehen können. Damit würden auch Übergangsleistungen wegen einer drohenden BK 2108 ausscheiden. Das Bundessozialgericht hob in seiner Entscheidung vom 12.01.2010 (B 2 U 33/08) das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 25.09.2008 auf und wies den Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung zurück. Die Gefahr der Entstehung einer BK im Sinne des § 3 BKV setze gerade nicht voraus, dass die im BK-Tatbestand umschriebenen Einwirkungsvoraussetzungen " ... durch langjähriges Heben und Tragen schwerer Lasten oder durch langjährige Tätigkeiten extremer Rumpfbeugehaltung ..." erfüllt seien. Ein Unterlassen gefährdender Tätigkeiten könne auch schon zu einem Zeitpunkt geboten sein, zu dem der BK-Tatbestand noch nicht erfüllt sei.

Im anschließend wieder eröffneten Verfahren vor dem Landessozialgericht Baden-Württemberg (L 10 U 1106/10 ZVW) einigten sich die Beteiligten vergleichsweise dahingehend, dass die Beklagte nach Durchführung der nach der Rechtsauffassung des Bundessozialgerichts erforderlichen Ermittlungen neuerlich rechtsmittelfähig über die Gewährung von Übergangsleistungen entscheiden werde. Die Beklagte zog daraufhin das Verzeichnis über Arbeitsunfähigkeitszeiten bei der Krankenkasse des Klägers (Bl. 387 ff. VA), Röntgenunterlagen und Befundberichte der behandelnden Ärzte bei, unter anderem auch ein sozialmedizinisches Gutachten des Dr. B. , Medizinischer Dienst der Krankenversicherung (MDK), vom Februar 2000 (Bl. 406 ff. VA), Befundberichte des Orthopäden H. (Bl. 404, sowie 457 ff. VA), des Dr. B. , Facharzt für Allgemeinmedizin (Bl. 435 f. VA), und des Dr. A. , Orthopäde und Chirotherapeut (Bl. 440 ff. VA), ein Gutachten der Dr. G. auf Grund Untersuchung des Klägers im September 2009 im Auftrag der damaligen Landesversicherungsanstalt Baden (Bl. 410 ff. VA) mit neurologisch-psychiatrischem Zusatzgutachten der Ärztin für Neurologie und Psychiatrie Stephan (Bl. 419 ff.) und den vorläufigen Entlassungsbericht der Reha-Klinik I. vom März 1999 (Bl. 450 VA). Die Beklagte veranlasste hierzu eine fachärztliche Stellungnahme des Dr. S. , Arzt für Chirurgie, Unfallchirurgie, Orthopädie und Sportmedizin. Dieser gelangte in seiner Stellungnahme vom Juli 2010 (Bl. 474 ff. VA) zum Ergebnis, der radiologische Befund spreche gegen die Annahme einer bandscheibenbedingten Erkrankung der LWS und die klinischen Befunde zeigten keine typischen Symptome, welche für das Vorliegen eines lokalen Lumbalsyndroms oder eines Lumbalwurzelsyndroms sprechen könnten. Mit Bescheid vom 16.06.2010 und Widerspruchsbescheid vom 23.11.2010 lehnte die Beklagte hierauf gestützt die Gewährung von Übergangsleistungen nach § 3 Abs. 2 BKV ab. Unter Berücksichtigung der relativ geringen Kräfte, die bei der zuletzt vom Kläger ausgeübten Tätigkeit bei der SHW auf dessen Lendenwirbelsäule eingewirkt hätten und der andererseits fehlenden belastungskonformen Veränderungen im Bereich der LWS sei die "Kausalitätsprognose", dass bei weiterer Ausübung der Tätigkeit für den Kläger die konkret-individuelle Gefahr des Entstehens einer BK 2108 bestanden hätte, nicht hinreichend wahrscheinlich. Im Übrigen habe der Kläger die zuletzt ausgeübte Tätigkeit tatsächlich nicht wegen der LWS-Beschwerden, sondern wegen einer hiervon unabhängigen Atemwegserkrankung aufgegeben.

Die hiergegen am 22.12.2010 erhobene Klage hat das Sozialgericht Reutlingen mit Gerichtsbescheid vom 30.05.2012 abgewiesen und sich zur Begründung im Wesentlichen auf die Ausführungen der Beklagten in den angefochtenen Entscheidungen bezogen.

Gegen den dem Kläger am 04.06.2012 zugestellten Gerichtsbescheid hat dieser am 02.07.2012 Berufung beim Landessozialgericht Baden-Württemberg eingelegt und zur Begründung vorgetragen, bei ihm hätten offenbar LWS-Veränderungen vorgelegen, weshalb ein weiteres schweres Heben und Tragen nicht mehr in Betracht gekommen sei. Dabei bräuchten LWS-Schäden nicht vorhanden zu sein, um die Indikation für eine Tätigkeitsaufgabe zu begründen. Im Übrigen sei aus dem Gesichtspunkt aller in Betracht kommenden BKen zu beurteilen, ob die Tätigkeitsaufgabe indiziert gewesen sei. So hätten beim Kläger auch Atemwegsbelastungen im Sinne der BKen 4101, 4301 und 4302 bestanden.

Der Kläger beantragt sinngemäß,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Reutlingen vom 30.05.2012 und den Bescheid vom 16.06.2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 23.11.2010 aufzuheben und die Beklagte dem Grunde nach zu verurteilen, ihm im Hinblick auf eine BK 2108 Übergangsleistungen nach § 3 BKV für die Dauer von fünf Jahren zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie bezieht sich zur Begründung auf ihr Vorbringen in erster Instanz und die Entscheidungsgründe des angefochtenen Gerichtsbescheides.

Die Beteiligten haben auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet.

Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts und des Beteiligtenvorbringens wird auf die Prozessakten erster und zweiter Instanz, die vorgelegten Verwaltungsakten sowie auf die beigezogenen weiteren Verwaltungsakten der Beklagten und Prozessakten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die gemäß den §§ 143, 144, 151 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) zulässige Berufung, über die der Senat auf Grund des Einverständnisses der Beteiligten nach § 124 Abs. 2 SGG ohne mündliche Verhandlung entscheidet, ist unbegründet.

Der Kläger hat keinen Anspruch auf die begehrten Übergangsleistungen, weil - ungeachtet der Frage, ob die mit dem Bundessozialgericht zu fordernde konkrete individuelle Gefahr des Entstehens einer BK 2108 vorlag - es an dem erforderlichen rechtlich wesentlichen Zusammenhang zwischen der nach Auffassung des Klägers drohenden BK 2108 und der Einstellung der gefährdenden Tätigkeit fehlt.

Nach § 3 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. Abs. 1 Satz 1 und 2 BKV hat der Träger der gesetzlichen Unfallversicherung einem Versicherten, der die gefährdende Tätigkeit unterlässt, weil die Gefahr, dass eine BK entsteht, wiederauflebt oder sich verschlimmert, nicht zu beseitigen ist, zum Ausgleich der hierdurch verursachten Minderung des Verdienstes oder sonstiger wirtschaftlicher Nachteile eine Übergangsleistung zu gewähren. Liegen diese Voraussetzungen vor, besteht ein Anspruch auf Gewährung einer Übergangsleistung, deren Höhe, Dauer und Zahlungsart allerdings im Ermessen des Unfallversicherungsträgers steht (BSG, Urteil vom 12.01.2010 a.a.O., auch zum Nachfolgenden). Insoweit hat der Versicherte gemäß § 39 Abs. 1 Satz 2 Sozialgesetzbuch Erstes Buch (SGB I) einen Anspruch auf fehlerfreien Ermessensgebrauch. Als Übergangsleistung wird gemäß § 3 Abs. 2 Satz 2 BKV ein einmaliger Betrag bis zur Höhe der Jahresvollrente oder eine monatlich wiederkehrende Zahlung bis zur Höhe eines Zwölftels der Vollrente längstens für die Dauer von fünf Jahren gezahlt.

§ 3 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. Abs. 1 Satz 1 und 2 BKV regelt (s. BSG a.a.O., auch zum Nachfolgenden) einen eigenständigen "kleinen" Versicherungsfall, der nicht den Eintritt des "großen" Versicherungsfalls einer BK voraussetzt. Auf der anderen Seite genügt weder eine arbeitsbedingte Gesundheitsgefahr (§ 1 Nr. 1, § 14 Sozialgesetzbuch Siebtes Buch [SGB VII]) noch ein Arbeitsunfall (§ 8 SGB VII), denn die Übergangsleistungen sind immer auf mindestens eine bestimmte BK bezogen. Für den Anspruch auf Übergangsleistungen ist es vielmehr ausreichend, aber auch erforderlich, dass der Versicherte auf Grund seiner versicherten Tätigkeit Einwirkungen auf seine Gesundheit ausgesetzt ist, die aktuell eine konkrete individuelle Gefahr (u.a.) des Entstehens einer BK begründen, wegen der fortbestehenden Gefahr die gefährdende Tätigkeit eingestellt wird, und es dadurch zu einer konkreten Verdienstminderung und/oder sonstigen wirtschaftlichen Nachteilen kommt. Das ergibt sich sowohl aus dem Wortlaut des § 3 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. Abs. 1 Satz 1 und 2 BKV, der eine Gefahr voraussetzt, "dass eine Berufskrankheit entsteht" und "fortbesteht", als auch aus der präventiven Zielrichtung der Vorschrift. Die von vergangenheitsbezogenen Leistungen zur Entschädigung bereits eingetretener Versicherungsfälle zu unterscheidende zukunftsgerichtete Übergangsleistung soll vor aktuellen Gesundheitsgefahren schützen und dient der Vorbeugung sowie Krankheitsverhütung. Damit wird die vorrangige Aufgabe der Unfallversicherung konkretisiert, mit allen geeigneten Mitteln Arbeitsunfälle, BKen und arbeitsbedingte Gesundheitsgefahren zu verhüten (§ 1 Nr. 1 SGB VII). Um der Gefahr, an einer BK zu erkranken, zu entgehen, bedarf es der Aufgabe der gefährdenden Tätigkeit.

Diesbezüglich setzt § 3 Abs. 2 Satz 1 BKV einen doppelten Kausalzusammenhang voraus: Es muss ein rechtlich-wesentlicher Zusammenhang einerseits zwischen der drohenden BK und der Einstellung der gefährdenden Tätigkeit und andererseits zwischen dieser Einstellung und der Minderung des Verdienstes oder sonstiger wirtschaftlicher Nachteile bestehen (BSG, Urteil vom 20.02.2001, B 2 U 10/00 R in SozR 3-5670 § 3 Nr. 5, auch zum Nachfolgenden). Jedenfalls in den Fällen, in denen eine BK noch nicht entstanden ist, genügt dabei nicht, wenn der Zwang zur Aufgabe der gefährdenden Tätigkeit objektiv besteht und die Tätigkeit auch tatsächlich aufgegeben wurde. Denn bei § 3 Abs. 2 Satz 1 BKV steht der Anreiz, die gefährdende Tätigkeit einzustellen im Vordergrund. Diese Anreizfunktion ist aber in erster Linie auf das subjektive Reagieren des betreffenden Versicherten ausgerichtet und wirkt sich in den Fällen nicht aus, in denen die betreffenden Versicherten die gefährdende Tätigkeit aus Beweggründen aufgeben, die in keinem Zusammenhang mit der Gefahr stehen, durch diese Tätigkeit an einer BK zu erkranken. Die in der Anreizfunktion liegende Zweckbestimmung des § 3 Abs. 2 BKV setzt daher voraus, dass der berufsbedingt erkrankte Versicherte die gefährdende Tätigkeit aufgibt, um der Gefahr, an einer BK zu erkranken, zu entgehen. Dagegen ist die Kausalität zu verneinen, wenn ein von einer BK bedrohter Versicherter die gefährdende Tätigkeit allein wegen seines schlechten sonstigen Gesundheitszustandes aufgibt (BSG a.a.O.).

Vorliegend steht fest, dass der Kläger infolge des Eintritts dauerhafter Arbeitsunfähigkeit im Jahre 1999 die Tätigkeit bei der SHW beendete. Auf Grund rechtskräftigem Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 26.01.2006 (L 10 U 4236/04) steht weiterhin fest, dass beim Kläger keine BK 2108 vorliegt. Die nach der dargelegten Rechtsprechung des Bundessozialgerichts demnach erforderliche weitere Voraussetzung, dass der Kläger die gefährdende Tätigkeit aus Gründen aufgegeben hat, die im Zusammenhang mit der Gefahr, durch diese Tätigkeit an einer BK 2108 zu erkranken, stehen, liegt indes beim Kläger nicht vor. Vielmehr gab der Kläger seine Tätigkeit bei der SHW wegen seiner Atemwegsprobleme auf. Ein dementsprechender subjektiver Beweggrund tritt in den Stellungnahmen, Schreiben bzw. Anträgen des Klägers an die Beklagte im zeitlichen Zusammenhang mit der Beendigung seiner Tätigkeit bei SHW eindeutig zutage. So teilte der damalige Bevollmächtigte des Klägers bereits im Oktober 1999 mit (Bl. 448 f. VA), der Kläger sei schwer an der Lunge und an den Atemwegen erkrankt und ihm sei geraten worden, Staub, Rauch und starke Temperaturschwankungen zu vermeiden. Diesen Einflüssen sei der Kläger jedoch weiterhin in besonderer Weise an seinem Arbeitsplatz ausgesetzt, ohne dass die SHW bereit sei, diesen Einflüssen durch Maßnahmen gegenzutreten. Der Kläger sei daher auch erneut arbeitsunfähig krank. Im Rahmen der Begutachtung durch Dr. B. vom MDK im Februar 2000 gab der Kläger an, seit Jahren leide er an Beschwerden im Schulter-Nacken¬bereich; im Vordergrund stünden aber Atemwegsprobleme. Ebenso gab der Kläger gegenüber dem behandelnden Nervenarzt Dr. F. im November 2000 an, er sei seit Dezember vergangenen Jahres wegen der Lunge arbeitsunfähig und auf Grund dieser auch krank (Bl. 425 VA). Bei der Begutachtung durch Prof. Dr. D. im Juli 2004 (Bl. 243 VA zu BK 4301 und 4302) teilte der Kläger mit, bereits 1998 hätten bei ihm die Atemwegsbeschwerden so stark zugenommen, dass ihm ein Weiterarbeiten an seinem Arbeitsplatz auf Dauer unmöglich gewesen sei. Es sei dann immer häufiger zu Arbeitsunfähigkeitszeiten aufgrund der Atemwegserkrankung gekommen. Auch der Reha-Aufenthalt im Januar/Februar 1999 habe nicht den gewünschten Erfolg gebracht. Vielmehr sei sechs Wochen nach Arbeitsaufnahme die Atemwegssymptomatik unverändert wieder aufgetreten und nach fast monatlich deshalb auftretenden AU-Fehlzeiten sei er seit Dezember 1999 fortlaufend arbeitsunfähig. Unter wörtlicher Bezugnahme auf diese Ausführungen des Klägers im Gutachten des Prof. Dr. D. begründete der Bevollmächtigte des Klägers später dessen Klage beim Sozialgericht Reutlingen (S 8 U 1025/05) auf u.a. Gewährung von Übergangsleistungen bezogen auf eine BK 4301 bzw. 4302. Gegenüber der Beklagte gab der Kläger in seinem, das Verfahren auf Anerkennung u.a. der BK 2108 einleitenden Schreiben im März 2001 explizit an (Bl. 4 VA), er habe wegen seiner Atemwegs¬erkrankung seine Tätigkeit bei der SHW aufgeben müssen. Den Antrag auf Gewährung von Übergangsleistungen bezogen auf die BK 4301 bzw. 4302 vom November 2003 begründete der Kläger damit, er habe die gefährdende Tätigkeit in der Gießerei wegen akuter Luftnot aufgeben müssen (Bl. 248 f. VA zu BK 4101). In einer "Arbeitstätigkeitsbeschreibung" des Klägers vom Dezember 2006 (Bl. 254 ff. VA) führte er neuerlich aus, ihm sei es zwar nach der Reha-Maßnahme wegen seiner Atembeschwerden wieder etwas besser gegangen; man habe ihn aber dann des Öfteren an eine Sandstrahlmaschine in der Putzerei gestellt, was wiederum eine Verschlechterung seiner Lungenerkrankung bewirkt habe. Er gehe davon aus, dass ihn der damalige Arbeitgeber absichtlich an dieser Maschine arbeiten ließ, um dann seine Kündigung zu veranlassen. Zusammenfassend führte der Kläger durchgehend seine Atemwegserkrankung als Beweggrund für die Arbeitsaufgabe an.

Dass für den Kläger seit jeher im Hinblick auf die (Un-)Möglichkeit der Ausübung seiner Berufstätigkeit die Atemwegsbeschwerden ganz im Vordergrund standen, belegt auch die zeitliche Abfolge. So betrieb der Kläger bereits seit Ende der 90-er Jahre berufsgenossenschaftliche Verfahren im Hinblick auf die Anerkennung der BKen 4101, 4301 und 4302. Dagegen machte er erstmalig im April 2001 und damit über eineinhalb Jahre nach Eintritt der dauerhaften Arbeitsunfähigkeit berufsbedingte Gesundheitsstörungen im LWS-Bereich geltend. Diese subjektive Gewichtung mit für den Kläger ganz im Vordergrund stehenden Atemwegsbeschwerden, ferner von Beschwerden im HWS-Schulter-Bereich, dokumentieren auch die medizinischen Unterlagen. So erfolgten die Krankschreibungen des Klägers ausweislich des von der Krankenkasse des Klägers, vorgelegten Verzeichnisses der Arbeitsunfähigkeitszeiten zunächst überwiegend auf Grund von HWS-Beschwerden und ab September 1999 vor allem auf Grund von Atemwegsbeschwerden, wohingegen Gesundheitsstörungen im Bereich der LWS letztmalig vor dem Eintritt dauerhafter Arbeitsunfähigkeit im September 1999 im Jahr 1995 Fehlzeiten verursachten. Dementsprechend wurden im Entlassungsbericht der Reha-Klinik I. im März 1999 beim Kläger eine chronisch-obstruktive Bronchitis, eine leichtgradige Silikose sowie neben einer psychovegetativen Erschöpfung mit Schlafstörungen durch Vier-Schichtarbeit ein rezidivierendes HWS-Syndrom diagnostiziert, nicht aber Gesundheitsstörungen im LWS-Bereich. Der Kläger wurde bei Entlassung für fähig erachtet, die zuletzt ausgeübten Tätigkeiten weiterhin vollschichtig auszuüben. Zur Vermeidung der Progredienz der Atembeschwerden seien aber Arbeiten mit Atemreizstoffen zu meiden. Auch Dr. B. bestätigte im Februar 2000 die Einschätzung des Klägers, bei diesem stünden Atemwegsprobleme im Vordergrund: Der Gutachter sah diese Atemnotzustände vor allem im Zusammenhang mit der Exposition gegenüber Stäuben und Dämpfen, wie sie wohl unter den beruflichen Alltagsbedingungen des Klägers in hohem Maße gegeben seien, und empfahl deshalb eine innerbetriebliche Umsetzung des Klägers an einen Arbeitsplatz ohne inhalative Reizstoffe und ohne stärkere Temperaturschwankungen. Auch im Rahmen der Begutachtung durch Dr. G. und die Nervenärztin Stephan im September 2000 beklagte der Kläger (nur) plötzlich auftretende progrediente Nackenschmerzen mit Ausstrahlungen in den Schulter-Armbereich und die plötzlich auftretenden Anfälle von Luftnot mit Engegefühl im Brustkorb und unteren Halsbereich. Dr. B. berichtete in einer Stellungnahme gegenüber dem Sozialgericht Reutlingen vom April 2002 über ein stereotypes Beschwerdebild des Klägers, der sich regelmäßig über Cervicobrachialgien und Dorsalgien einhergehend mit thorakalem Druckgefühl, chronischer Atemnot und chronischem Schmerzsyndrom im Bereich der Handgelenke beklage. In gleicher Weise ist den von der Beklagten beigezogenen Arztberichten des Orthopäden H. zu entnehmen, dass der Schwerpunkt der dort beklagten Beschwerden und festgestellten Gesundheitsstörungen im Bereich der HWS lag. Im Ergebnis bestätigen demnach auch die medizinischen Stellungnahmen, dass der Kläger seine berufliche Tätigkeit in erster Linie auf Grund seiner Atemwegsbeschwerden, in untergeordnetem Maße auch noch auf Grund der HWS-Be¬schwer¬den, in keinem Fall jedoch auf Grund von Erkrankungen im Bereich der LWS aufgab. Der Kläger gab demnach nicht wegen der von ihm behaupteten Gefahr der Entstehung einer BK 2108, sondern alleine wegen seines im Übrigen schlechten Gesundheitszustandes, vor allem wegen der Atemwegsbeschwerden, die zuletzt ausgeübte Tätigkeit auf, womit die erforderliche Kausalität zwischen einer drohenden BK 2108 und der Einstellung der gefährdenden Tätigkeit nicht vorliegt.

Soweit der Kläger in Reaktion hierauf im Berufungsverfahren geltend gemacht hat, die Frage der Tätigkeitsaufgabe müsse unter Berücksichtigung aller in Betracht kommender Berufskrankheiten beurteilt werden, insbesondere auch im Hinblick auf die vom Kläger geltend gemachten Atemwegsbelastungen im Sinne der BKen 4101, 4301 und 4302, führt dieses Vorbringen nicht weiter. Die Prüfung des Senats bezieht sich ausschließlich auf die Ursächlichkeit einer vorliegenden bzw. drohenden BK 2108 für die Aufgabe der gefährdenden Tätigkeit, nicht aber auf andere, vom Kläger ohnehin anderweitig geltend gemachte BKen und damit verbundene, mittlerweile bestandskräftig abgelehnte, Ansprüche nach § 3 BKV. Denn Übergangsleistungen müssen immer auf eine oder gegebenenfalls mehrere bestimmte BKen bezogen sein (BSG, Urteil vom 07.09.2004, B 2 U 1/03 R in SozR 4-5671 § 3 Nr. 1), sodass auch der Prüfungsumfang im Rechtsstreit - ebenso wie bei der Feststellung einer BK - auf die in Bezug genommene und von der Beklagten konkret geprüfte BK beschränkt ist. In der angefochtenen Entscheidung wurden indes lediglich Übergangsleistungen mit Bezug auf die BK 2108 geprüft. Auch das Sozialgericht hat in der angefochtenen Entscheidung lediglich Übergangsleistungen aus dem Gesichtspunkt einer BK 2108 geprüft und der Kläger, dem folgend, im Berufungsverfahren einen entsprechenden Antrag gestellt.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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