Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Vertragsarztangelegenheiten
Abteilung
4
1. Instanz
SG Marburg (HES)
Aktenzeichen
S 11 KA 544/07
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 4 KA 2/12
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 6 KA 42/15 R
Datum
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Marburg vom 23. November 2011 wird zurückgewiesen.
Die Beklagte hat auch die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Art und Weise der Berechnung des Honorars der Klägerin für die Quartale II/2006 bis IV/2007.
Die Klägerin ist seit dem 28. Juni 1994 als Fachärztin für Kinderheilkunde und seit dem 29. September 1998 zusätzlich als Fachärztin für Humangenetik zugelassen. Seit dem 2. Januar 1995 führt sie eine Einzelpraxis. Sie nimmt seit dem 1. Oktober 1998 an der hausärztlichen Versorgung teil und verfügt seit dem 25. September 2001 über eine sog. Doppelzulassung. Sie ist in die Honorar(unter-)gruppe der Ärzte für Humangenetik eingruppiert. Diese Fachgruppe umfasste in den streitgegenständlichen Quartalen insgesamt 7 Ärzte. Weiter verfügt die Klägerin über die Genehmigung zur Abrechnung von Laborleistungen nach Kapitel 32.3 EBM 2000plus.
Die Beklagte bewilligte der Klägerin in dem Zeitraum von 2000 bis einschließlich 2007 zunächst Honorar in folgendem Umfang:
Quartal ursprüngliches Honorar in Euro
I/1999 223.331,22
II/1999 162.287,38
III/1999 178.131,21
IV/1999 249.871,23
I/2000 201.010,61
II/2000 185.115,87
III/2000 201.420,96
IV/2000 205.465,71
I/2001 197.447,38
II/2001 185.939,37
III/2001 195.999,84
IV/2001 208.921,87
I/2002 213.087,42
II/2002 199.674,78
III/2002 185.154,18
IV/2002 195.069,94
I/2003 238.022,94
II/2003 231.633,97
III/2003 173.483,17
IV/2003 194.027,73
I/2004 228.656,66
II/2004 216.835,79
III/2004 226.576,79
IV/2004 235.756,25
I/2005 156.656,59
II/2005 173.965,61
III/2005 273.320,19
IV/2005 262.011,36
I/2006 290.430,48
II/2006 144.023,53
III/2006 147.331,02
IV/2006 162.922,51
I/2007 208.339,92
II/2007 152.118,90
III/2007 229.901,95
IV/2007 235.786,58
Die Klägerin legte gegen den Honorarbescheid für das Quartal II/06 (von der Beklagten abgesandt am 19. März 2007) am 5. April 2008, gegen den Honorarbescheid für das Quartal III/06 (abgesandt am 2. Mai 2007) am 14. Mai 2007, gegen den Honorarbescheid für das Quartal IV/06 (abgesandt am 11. Juni 2007) an 20. Juni 2007, gegen den Honorarbescheid für das Quartal I/07 (abgesandt am 28. April 2008) am 20. Mai 2008, gegen den Honorarbescheid für das Quartal II/07 (abgesandt am 26. November 2008) am 4. Dezember 2008, gegen den Honorarbescheid für das Quartal III/07 (abgesandt am 25. Februar 2008) am 6. März 2008 und gegen den Honorarbescheid für das Quartal IV/07 (abgesandt am 16. Juni 2008) am 20. Juni 2008 Widerspruch ein. In sämtlichen dieser Honorarbescheide wird zugleich das praxisbezogene Regelleistungsvolumen der Klägerin für das jeweilige Quartal endgültig festgestellt. Über die Widersprüche hat die Beklagte noch nicht entschieden.
Bereits am 23. Juni 2006 hatte die Klägerin für die Quartale II/05 bis I/07 eine Sonderregelung im Rahmen der fallzahlabhängigen Quotierung des Regelleistungsvolumens sowie der +/- 5% Ausgleichsregelung beantragt. Einen entsprechenden Antrag stellte sie am 29. Juni 2007 für die Quartale II/07 bis IV/07.
Zur Begründung führte sie aus, ihr komme ein besonderer Sicherstellungsauftrag zu. Ihr Leistungsspektrum umfasse 40 verschiedene molekulargenetische Erkrankungen. Einzelne molekulargenetische Leistungen, bestimmte Erkrankungen betreffend, erbrächten ausschließlich sie und Frau Dr. C., eine weiteren niedergelassenen Humangenetikerin, und zwar
- betreffend Mukoviszidose, insbesondere die Mukoviszidose-Komplettsequenzierung und die Mutationssuche bei türkischen Probanden; die Leistungen würden nach den Ziffern 11320, 11321, 11322, 11230 und 41020 EBM 2000plus mit einem Gesamtpunktwert von 175.250 Punkten im Bereich der CF-Komplettsequenzierung abgerechnet;
- hinsichtlich des Adrenogenitalen Syndroms (AGS); die Leistungen würden nach den Ziffern 11320, 11321, 11322, 11130 und 41020 EBM 2000plus mit einem Punktwert von insgesamt 68.145 Punkten abgerechnet;
- die DANN-Analyse beim familiären Mittelmeerfieber (FMF), insbesondere die Komplettsequenzierung; hier erfolge ebenfalls eine Abrechnung über die Ziffern 11320, 11321, 11322, 11230 und 41020 EBM 2000plus mit einem Punktwert von insgesamt 74.060 Punkten.
Darüber hinaus oblägen ihr und Frau Dr. C. der Sicherstellungsauftrag im Bereich des Morbus Tay-Sachs, des Morbus Gaucher, des Martin-Bell-Syndrom, der Duchenne-Muskeldystrophie, der Sichelzellanämie, des Riley-Day-Syndrom, des Noonan-Syndrom, der Porphyrie und des Shox-Gens. Nur sie und Frau Dr. C. erbrächten in Hessen die genetischen Untersuchungen zur Feststellung der entsprechenden Diagnosen. Das Institut für Humangenetik am Klinikum der Johann-Wolfgang-Goethe Universität in Frankfurt am Main erbringe seit über einem Jahr keine molekulargenetischen Leistungen mehr und werde das Chromosomenlabor jetzt ebenfalls schließen, so dass hier eine weitere Zunahme der Zuweisungen erfolgen werde. Auch die Institute für Humangenetik der bisherigen Unikliniken Gießen und Marburg seien in ihrem Leistungsangebot eingeschränkt und böten die genannten Untersuchungen nicht an. Viele Leistungen könnten nur mittels eines DNA-Sequenzierungsgerätes erbracht werden. Dieses werde in Apparategemeinschaft zwischen ihr und Frau Dr. C./Frau Dr. D. genutzt. Die übrigen Humangenetiker seien mangels apparativer Ausstattungen nicht in der Lage, diese molekulargenetischen Leistungen zu erbringen, was auch aus den Abrechnungsunterlagen ersichtlich sei. Die Durchführung der Leistungen erfolge nur bei entsprechendem klinischen Verdacht und ausschließlich auf Überweisung.
Bei der Durchführung einer molekulargenetischen Untersuchung kämen in der Regel mehrere Ziffern mehrfach nebeneinander zur Anwendung. Die molekulargenetischen Leistungen, die sie erbringe, könnten durch die vorgegebenen Punktwerte im Rahmen des Regelleistungsvolumens nicht annähernd kostendeckend erbracht werden. Der Punktwert der dem Regelleistungsvolumen unterliegenden Leistungen sei deutlich niedriger als die Festvergütung der Laborleistungen gemäß den Leistungsziffern des Kapitels 32 EBM 2000plus. Die Vergütung der Chromosomenanalyse nach der alten Ziffer 32850 habe beispielsweise bei 199,10 Euro gelegen und liege nun nach der jetzigen Ziffer 11310 bei nur noch 141,58 Euro nach dem aktuellen Punktwert.
Insgesamt seien ihre privaten finanziellen Mittel ausgeschöpft und es drohe Insolvenz. Außerdem sei in anderen KV-Bezirken das Problem frühzeitig erkannt worden und es seien entsprechende Sonderregelungen getroffen worden, so in Hamburg und Nordrhein. Es sei geboten, sie aus dem Regelleistungsvolumen sowie sämtlichen Kürzungs- und Begrenzungsmaßnahmen herauszunehmen und die von ihr erbrachten Leistungen in der abgerechneten Höhe zu vergüten.
Mit Bescheiden vom 18. Juni 2007 und 22. November 2007 erhöhte die Beklagte zugunsten der Klägerin im Wege einer Sonderregelung zum Regelleistungsvolumen die für das praxisbezogene Regelleistungsvolumen relevanten altersspezifischen RLV-Fallpunkt- zahlen für die Humangenetiker für die Quartale II/06 bis I/07 um das 4,5-fache und für die Quartale II/07 bis IV/07 um das 8-fache. Weiter verzichtete die Beklagte auf die Durchführung der Ausgleichsregelung nach Ziffer 7.5 HVV für alle streitgegenständlichen Quartale. Im Übrigen lehnte sie die Anträge ab.
Zur Begründung führte sie aus, hinsichtlich der fallzahlabhängigen Quotierung nach Ziffer 5.2 HVV liege eine Beschwer nicht vor, weil alle abgerechneten Fälle mit einer Quote von 100% in die Berechnung der Gesamthonorarforderung eingeflossen seien. Für das Quartal I/07 könne diesbezüglich keine Aussage getroffen werden. Die Honorarsituation in Bezug auf das Regelleistungsvolumen stelle sich wie folgt dar:
Quartale Praxisbezogenes RLV Abgerechnetes Honorarvolumen Überschreitung
II/2005 522.202,8 Punkte 173.120,0 Punkte Keine
III/2005 602.834,2 Punkte 169.540,0 Punkte Keine
IV/2005 620.282,4 Punkte 219.965,0 Punkte Keine
I/2006 663.180,0 Punkte 347.635,0 Punkte Keine
II/2006 629.787,2 Punkte 2.593.125,0 Punkte 1.963.337,8 Punkte
III/2006 674.381,4 Punkte 2.917.960,0 Punkte 2.243,578,6 Punkte
IV/2006 660.557,3 Punkte 3.646.465,0 Punkte 2.985.907,7 Punkte
Die Analyse der Honorarabrechnung betreffend die Quartale II/06 bis IV/06 habe ergeben, dass die früher nach dem Kapitel 32 EBM 2000plus abgerechneten Leistungen der Chromosomenanalyse (Ziffern 32850 bis 32857 EBM 2000plus) wegen der Streichung dieser Ziffern mit Wirkung zum 1. April 2006 nunmehr nach dem Kapitel 11 EBM 2000plus (Ziffern 11310 bis 11322 EBM 2000plus) abzurechnen seien und hierdurch dem Regelleistungsvolumen unterfielen. Dadurch sei die Honorarforderung der Klägerin im ambulant-kurativen Sektor, der dem Regelleistungsvolumen unterliege, massiv angestiegen, so dass es erstmalig ab dem Quartal II/06 zur Überschreitung des praxisbezogenen Regelleistungsvolumens gekommen sei. Dieses Problem habe sich insbesondere im Bereich der Chromosomenanalysen ausgewirkt. Insoweit erschienen die für die Arzt-/Fachgruppe der Humangenetiker gültigen RLV-Fallpunktzahlen im Falle der Klägerin als nicht repräsentativ für das Leistungsspektrum der Praxis. Ergänzend dazu habe eine Prüfung der Versorgungssituation ergeben, dass hessenweit neben der klägerischen Praxis weitere 4 Humangenetiker niedergelassen seien, deren Praxen überwiegend mehr als 50 km von der der Klägerin entfernt lägen. Unter Berücksichtigung dieser gesamten Sachlage sei daher eine Sonderregelung für das praxisbezogene Regelleistungsvolumen für die Quartale II/06 bis I/07 gerechtfertigt. In diesem Zusammenhang durchgeführte vergleichsweise Berechnungen hätten ergeben, dass eine Erhöhung der altersgruppenspezifischen RLV-Fallpunktzahlen für Humangenetiker um das ca. 4,5-fache die vorgenannten Änderungen in den Abrechnungsbedingungen adäquat ausglichen.
Auch für die Quartale II/07 bis IV/07 sei von einem Sicherstellungsproblem auszugehen. Hier hätten vergleichsweise Berechnungen in Bezug auf das Regelleistungsvolumen für das Quartal II/07 ergeben, dass eine Erhöhung der RLV-Fallpunktzahlen auf das 8-fache sachgerecht sei. Es sei davon auszugehen, dass auch für die weiteren beiden Quartale eine Erhöhung in diesem Umfang gerechtfertigt sei.
Hinsichtlich der Ausgleichsregelung nach Ziffer 7.5 HVV sei festzustellen, dass gemäß Beschluss des Vorstandes der Beklagten die Ausgleichsregelung auf die Leistungen des budgetierten Teils der Gesamtvergütung anzuwenden sei. Im Zuge dessen sei für die Fachgruppe der Humangenetiker eine Bereinigung der Ausgangsdaten um die Leistungen der Molekular- und Zytogenetik – sofern diese aktuell als Laborleistungen nach den Ziffern 32850 bis 32857 EBM 2000plus abgerechnet worden seien – erfolgt. Insoweit seien die in den Quartalen II/05 bis I/06 abgerechneten diesbezüglichen Leistungen nicht mit in den für die Ermittlung des Gesamtreferenzfallwertes zugrundeliegenden Honoraranspruch eingeflossen. Demgegenüber seien die nunmehr ersatzweise nach den Ziffern 11310 bis 11322 EBM 2000plus abgerechneten Leistungen in dem Honoraranspruch des jeweiligen aktuellen Fallwertes für die Quartale II/06 bis I/07 enthalten. Im Ergebnis finde damit ein Vergleich zwischen unterschiedlichen Honoraransprüchen statt. Dieser Umstand habe sich auf die Honorarsituation betreffend die Ausgleichsregelung wie folgt ausgewirkt:
Aktuelles Quartal Referenzfallwert Aktueller Fallwert Korrekturbetrag
II/2005 103,5413 EUR 77,9094 EUR + 6.795,78 EUR
III/2005 79,4072 EUR 55,1518 EUR + 16.994,24 EUR
IV/2005 104,7582 EUR 33,1624 EUR + 25.964,46 EUR
I/2006 83,3530 EUR 434,1801 EUR + 21,87 EUR
II/2006 139,2568 EUR 249,3321 EUR - 42.353,35 EUR
III/2006 99,6393 EUR 167,5339 EUR - 12.271,14 EUR
IV/2006 99,5676 EUR 235,1688 EUR - 13.366,87 EUR
Die Anwendung der Ausgleichsregelung nach Ziffer 7.5 HVV habe bei der Klägerin ab dem Quartal II/06 zu einem erheblichen Honorarverlust geführt. In diesem Zusammenhang dürfe nicht übersehen werden, dass die Ausgleichsregelung nach Ziffer 7.5 HVV nur unter der Maßgabe gleicher Rahmenbedingungen – sowohl praxisspezifisch als auch allgemein – durchgeführt werden solle. Dementsprechend erscheine die Anwendung der Ausgleichsregelung im vorliegenden Fall als nicht sachgerecht und sie werde für die streitgegenständlichen Quartale ausgesetzt.
Gegen die Bescheide erhob die Klägerin am 31. August 2007 bzw. 6. Dezember 2007 Widerspruch. Sie erklärte, mit einer Erhöhung der Fallpunktzahlen für humangenetische Leistungen sei ihrer besonderen Situation nicht ausreichend Rechnung getragen worden. Die molekulargenetischen Leistungen könnten mit den vorgegebenen Fallpunktzahlen offensichtlich nicht wirtschaftlich erbracht werden. Es gehe um angeforderte Untersuchungen schwerkranker Kinder, deren Behandlung ohne die entsprechende Diagnostik nicht eingeleitet oder fortgeführt werden könne.
Mit Widerspruchsbescheid vom 28. November 2007 erhöhte die Beklagte die relevanten altersspezifischen RLV-Fallpunktzahlen der Humangenetiker für das Quartal IV/06 auf das 6-fache und für das Quartal I/07 auf das 8-fache. Im Übrigen wies sie den Widerspruch vom 28. Juni 2007 zurück. Mit Widerspruchsbescheid vom 19. November 2008 wies sie den Widerspruch vom 6. Dezember 2007 zurück.
Eine fallzahlabhängige Quotierung nach § 5 Abs. 2 HVV habe bei der Klägerin nicht stattgefunden, so dass sie in diesem Punkt schon nicht beschwert sei. Bei der Bildung des praxisindividuellen Regelleistungsvolumens nach § 5 Abs. 3 HVV ergebe sich für die Quartale II/06, III/06 und IV/07 nach den vorgenommenen Erhöhungen keine Überschreitung mehr, so dass auch insoweit eine Beschwer fehle. In den übrigen streitgegenständlichen Quartalen liege nach der Erhöhung der RLV-Fallpunktzahlen nur noch eine geringfügige Überschreitung vor; eine weitergehende Sonderregelung sei daher nicht gerechtfertigt. Die Anwendung des § 5 Abs. 4 bzw. 7.5 HVV habe für die Quartale II/05 bis I/06 zu einer Auffüllung geführt, für die Quartale II/06 bis IV/07 ergäben sich dagegen Kürzungen. Weil der Fallwert- und Honoraranstieg insoweit jedoch auf den geänderten Abrechnungsbestimmungen des EBM 2000 plus beruhe, sei die Anwendung der Ausgleichsregelung, weil nicht sachgerecht, ab dem Quartal II/06 ausgesetzt worden. Damit sei man auch an diesem Punkt dem Begehren der Klägerin nachgekommen. Eine Vergütung der Leistungen mit einem festen Punktwert von 5,11 ct sei rechtlich nicht möglich.
Die Klägerin hat am 2. Januar 2008 gegen den Widerspruchsbescheid vom 28. November 2007 und am 23. Dezember 2008 gegen den Widerspruchsbescheid vom 19. November 2008 jeweils Klage beim Sozialgericht Marburg erhoben und vorgetragen, das ihr gewährte Honorar sei nach wie vor zu niedrig bemessen. Mit Beschluss vom 23. November 2011 hat das Sozialgericht die Verfahren zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden. Hinsichtlich der Quartale II/05 bis I/06 hat die Klägerin am 23. November 2011 ihre Klage zurückgenommen.
Mit Urteil vom 23. November 2011, zugestellt am 12. Dezember 2011, hat das Sozialgericht die Beklagte, unter entsprechender Aufhebung der angefochtenen Bescheide, verpflichtet, die Klägerin unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden.
Die angegriffenen Bescheide seien rechtswidrig.
Nach der Vereinbarung zwischen der Kassenärztlichen Vereinigung Hessen und den Verbänden der Krankenkassen zur Honorarverteilung für die Quartale 2/2005 bis 4/2005, bekannt gemacht als Anlage 2 zum Landesrundschreiben/Bekanntmachung vom 10. November 2005 (HVV), der insoweit bis zum Quartal I/07 fortgeführt worden sei, seien nach Ziffer 6.3 praxisindividuelle Regelleistungsvolumen zu bilden, da die Klägerin zu den entsprechenden Arztgruppen gehöre. Für die Quartale II/07 bis IV/07 gelte die Regelung nach dem Honorarverteilungsvertrag gemäß § 85 Abs. 4 Satz 1 SGB V für den Zeitraum vom 1. April 2007 bis 31. Dezember 2007 in der Fassung der Entscheidung des Landesschiedsamts für die vertragsärztliche Versorgung in Hessen vom 1. November 2007 als § 5 Abs. 3 HVV fort. Wegen der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (Urteil vom 18. August 2010 – B 6 KA 27/09 R) habe die Beklagte zwischenzeitlich eine Ergänzungsvereinbarung vom 15. September 2011 zu den Honorarverteilungsverträgen im Zeitraum 1. April 2005 bis 31. Dezember 2008 geschlossen, in der sie den HVV geändert habe.
Der Vorstand der KV Hessen sei ermächtigt, aus Gründen der Sicherstellung der ärztlichen und psychotherapeutischen Versorgung praxisbezogenen Änderungen an den arztgruppenspezifischen Fallpunktzahlen vorzunehmen.
Nach § 85 Abs. 4 Sozialgesetzbuch, Fünftes Buch - Gesetzliche Krankenversicherung vom 20. Dezember 1988, BGBl. I S. 2477 in der hier maßgeblichen Fassung des Gesetzes zur Modernisierung der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-Modernisierungsgesetz – GMG) v. 14. November 2003, BGBl. I S. 2190 mit Gültigkeit ab 1. Januar 2005 (SGB V), verteile die Kassenärztliche Vereinigung die Gesamtvergütungen an die Vertragsärzte; in der vertragsärztlichen Versorgung verteile sie die Gesamtvergütungen getrennt für die Bereiche der hausärztlichen und der fachärztlichen Versorgung (§ 73, § 85 Abs. 4 Satz 1 SGB V). Sie wende dabei ab dem 1. Juli 2004 den mit den Landesverbänden der Krankenkassen und den Verbänden der Ersatzkassen erstmalig bis zum 30. April 2004 gemeinsam und einheitlich zu vereinbarenden Verteilungsmaßstab an; für die Vergütung der im ersten und zweiten Quartal 2004 erbrachten vertragsärztlichen Leistungen werde der am 31. Dezember 2003 geltende Honorarverteilungsmaßstab angewandt (§ 85 Abs. 4 Satz 2 SGB V). Bei der Verteilung der Gesamtvergütungen seien Art und Umfang der Leistungen der Vertragsärzte zu Grunde zu legen; dabei sei jeweils für die von den Krankenkassen einer Kassenart gezahlten Vergütungsbeträge ein Punktwert in gleicher Höhe zu Grunde zu legen (§ 85 Abs. 4 Satz 3 SGB V). Der Verteilungsmaßstab habe sicherzustellen, dass die Gesamtvergütungen gleichmäßig auf das gesamte Jahr verteilt würden (§ 85 Abs. 4 Satz 5 SGB V) sowie Regelungen zur Verhinderung einer übermäßigen Ausdehnung der Tätigkeit des Vertragsarztes vorzusehen (§ 85 Abs. 4 Satz 6 SGB V). Insbesondere seien arztgruppenspezifische Grenzwerte festzulegen, bis zu denen die von einer Arztpraxis erbrachten Leistungen mit festen Punktwerten zu vergüten seien (Regelleistungsvolumina) (§ 85 Abs. 4 Satz 7 SGB V). Für den Fall der Überschreitung der Grenzwerte sei vorzusehen, dass die den Grenzwert überschreitende Leistungsmenge mit abgestaffelten Punktwerten vergütet werde (§ 85 Abs. 4 Satz 8 SGB V). Die vom Bewertungsausschuss nach Absatz 4a Satz 1 getroffenen Regelungen seien Bestandteil der Vereinbarungen nach Satz 2 (§ 85 Abs. 4 Satz 10 SGB V). Dabei bestimme nach § 85 Abs. 4a Satz 1 SGB V der Bewertungsausschuss Kriterien zur Verteilung der Gesamtvergütungen nach § 85 Abs. 4 SGB V, insbesondere zur Festlegung der Vergütungsanteile für die hausärztliche und die fachärztliche Versorgung sowie für deren Anpassung an solche Veränderungen der vertragsärztlichen Versorgung, die bei der Bestimmung der Anteile der hausärztlichen und der fachärztlichen Versorgung an der Gesamtvergütung zu beachten seien; er bestimme ferner, erstmalig bis zum 29. Februar 2004, den Inhalt der nach § 85 Abs. 4 Satz 4, 6, 7 und 8 SGB V zu treffenden Regelungen.
Der Bewertungsausschuss sei seinen Regelungsverpflichtungen nach § 85 Abs. 4a SGB V u. a. durch den Beschluss in seiner 93. Sitzung am 29. Oktober 2004 zur Festlegung von Regelleistungsvolumen durch die Kassenärztlichen Vereinigungen gemäß § 85 Abs. 4 SGB V mit Wirkung zum 1. Januar 2005 (Deutsches Ärzteblatt 101, Ausgabe 46 vom 12. November 2004, Seite A-3129 = B-2649 = C-2525; im Folgenden: BRLV) nachgekommen. Darin bestimme er, dass Regelleistungsvolumina gemäß § 85 Abs. 4 SGB V arztgruppenspezifische Grenzwerte seien, bis zu denen die von einer Arztpraxis oder einem medizinischen Versorgungszentrum (Arzt-Abrechnungsnummer) im jeweiligen Kalendervierteljahr (Quartal) erbrachten ärztlichen Leistungen mit einem von den Vertragspartnern des Honorarverteilungsvertrages (ggf. jeweils) vereinbarten, festen Punktwert (Regelleistungspunktwert) zu vergüten seien. Für den Fall der Überschreitung der Regelleistungsvolumen sei die das Regelleistungsvolumen überschreitende Leistungsmenge mit abgestaffelten Punktwerten (Restpunktwerten) zu vergüten (III.2.1 BRLV). Für die Arztpraxis oder das medizinische Versorgungszentrum, die bzw. das mit mindestens einer der in Anlage 1 genannten Arztgruppen zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen sei, seien im Honorarverteilungsvertrag nachfolgende Regelleistungsvolumina zu vereinbaren, für die dieser Beschluss die Inhalte der Regelungen vorgebe (III.3.1 Abs. 1 BRLV). Die in 4. aufgeführten Leistungen, Leistungsarten und Kostenerstattungen unterlägen nicht den Regelleistungsvolumina (III.3.1 Abs. 4 BRLV). Dies gelte nach Nr. 4.2 auch für die Labor-Grundpauschale nach Nr. 12225 sowie Leistungen und vertraglich vereinbarte Kosten für laboratoriumsmedizinische Untersuchungen des Kapitels 32.
Diese Bestimmungen stellten eine verbindliche Vorgabe des Bewertungsausschusses dar, die von niemand anderem als dem Bewertungsausschuss selber geändert werden könne. Mit Wirkung zum Quartal II/06 seien die in Kapitel 32 des EBM 2000plus unter Ziffer 32.2.13 aufgeführten zyto- und molekulargenetischen Leistungen durch die Partner des Bundesmantelvertrages in der 78. Sitzung am 16. Dezember 2005 gestrichen worden. Da die gestrichenen Leistungen inhaltsgleich in Kapitel 11.3 des EBM abgebildet seien, könnten entsprechend qualifizierte Ärzte, die bisher im Kapitel 32 abgerechnet hätten, auf das Kapitel 11 ausweichen, allerdings mit der Folge, dass die dortigen Leistungen dem Regelleistungsvolumen unterfielen. Bei der Klägerin habe diese Streichung zu einem Honorareinbruch ab dem Quartal II/06 geführt, der von der Beklagten im Rahmen der Regelungssystematik des HVV nicht aufzufangen gewesen sei. Die Streichung der unter Ziffer 32.2.13 aufgeführten zyto- und molekulargenetischen Leistungen durch die Partner des Bundesmantelvertrages sei rechtswidrig. Die Partner des Bundesmantelvertrages seien nicht berechtigt, Vorgaben des Bewertungsausschusses zu konterkarieren, indem dessen Vorgaben vertraglich abgeändert würden. Der Bewertungsausschuss sei nach den gesetzlichen Vorgaben in § 87 SGB V ausdrücklich allein und ausschließlich zur Beschlussfassung über den EBM befugt. Nur er verfüge über die gesetzliche Legitimation zur Rechtsetzung in diesem Bereich. Er allein unterliege einer besonderen Aufsicht durch das Bundesministerium der Gesundheit. Diese Aufsichtspflichten umgehe man, wenn man anderen Gremien Entscheidungen im Bereich des gesetzlichen Auftrags des Bewertungsausschusses erlaube. Sofern übergangsweise in der Praxis – entgegen der ausdrücklichen gesetzgeberischen Wertung – vertragliche Vereinbarungen zwischen den Partnern des Bundesmantelvertrages zur Änderung/Ergänzung geregelt würden, könne diese Praxis nur in äußersten Ausnahmefällen zugelassen werden (so auch Engelhard, in: Hauck, SGB V, § 87 Rn. 52). Ein solcher Ausnahmefall liege nicht vor, denn die von der Änderung betroffenen Regelungen seien sehr weitreichend und stünden komplett in Widerspruch zu der Systematik der Regelleistungsvolumina und den Vorgaben des Bewertungsausschusses. In seinem BRLV habe der Bewertungsausschuss ein System der Berechnung der Regelleistungsvolumina entwickelt, das eine dezidierte Trennung von Leistungen innerhalb und außerhalb der Regelleistungsvolumina vorsehe. Entsprechend dieser Vorgaben seien die Fallpunktzahlen der Arztgruppen zu ermitteln und die Regelleistungsvolumina zu berechnen. In dieser ausdifferenzierten Systematik führe eine Übertragung von bisher außerhalb des Regelleistungsvolumens vergüteten Leistungen in das Regelleistungsvolumen hinein zwangsläufig zu Verwerfungen in dem betroffenen Arztgruppentopf. Die mit den Regelleistungsvolumina angestrebte Kalkulationssicherheit für die betroffenen Ärzte werde mit einer Vereinbarung, wie sie die Partner des Bundesmantelvertrages getroffen hätten, ad absurdum geführt. Es handele sich insoweit nicht um eine kleine Korrektur des EBM am Rande, sondern um einen erheblichen Eingriff in eine ausgefeilte Systematik des BRLV. Dass dies die Klägerin besonders getroffen habe, liege an ihrem Leistungsspektrum, das zu einem erheblichen Anteil aus zyto- und molekulargenetischen Untersuchungen besteht, zum anderen aber auch an der extrem kleinen Honorargruppe.
Zwar sei der Beklagten zuzugeben, dass sie für die streitgegenständlichen Quartale den Sicherstellungsauftrag der Klägerin anerkannt habe und im Rahmen der höherrangigen Vorgaben und im Rahmen ihres Honorarverteilungsvertrages eine weitgehende, in den Quartalen II/06 bis I/07 und IV/07 auch weitestgehende, Sonderregelung zugunsten der Klägerin getroffen habe. Mit dieser Sonderregelung hätten die Honorarverwerfungen, die die Klägerin aufgrund der rechtswidrigen Beschlussfassung der Partner des Bundesmantelvertrages erlitten habe, jedoch nicht aufgefangen werden können. Selbst im Falle der kompletten Vergütung der angeforderten Leistungen im Rahmen des Regelleistungsvolumens verbleibe es bei einer Vergütung nach floatenden Punktwerten. Dies entspreche nicht der bisherigen extrabudgetären Vergütung, die dem besonders hohen Kostenanteil bei Laborleistungen Rechnung getragen habe. Dies müsse die Beklagte bei einer Neubescheidung berücksichtigen.
Darüber hinaus habe die Beklagte aufgrund der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts für die streitgegenständlichen Quartale auch bei der Klägerin eine Neuberechnung der Regelleistungsvolumina nachzuholen. Das Bundessozialgericht habe entschieden, dass der HVV ab dem Quartal II/05 insoweit rechtswidrig sei, als bestimmte Leistungen entgegen den Vorgaben des Bewertungsausschusses im BRLV in die jeweiligen Regelleistungsvolumina einbezogen worden seien. Die Ausgleichsregelung in Ziff. 7.5 HVV sei rechtswidrig, soweit diese Honorarminderungen vorgesehen habe (vgl. BSG, Urteil vom 18. August 2010 - B 6 KA 27/09 R). Alle Honorarbescheide seien rechtswidrig, weil die Beklagte in unzulässiger Weise entgegen der Vorgaben des Bewertungsausschusses Leistungen in das Regelleistungsvolumen einbezogen habe. Aufgrund der rechtswidrigen Einbeziehung der Leistungen in das Regelleistungsvolumen seien auch die Fallpunktzahlen des Regelleistungsvolumens fehlerhaft berechnet worden. Die Beklagte habe insofern eine korrigierte Berechnung vorzunehmen. Die von der Beklagten geschlossene Ergänzungsvereinbarung vom 15. September 2011 berücksichtigt dies nicht in Gänze. Die Beklagte habe darüber hinaus noch die bisherigen Regelleistungsvolumina anzupassen. Die Leistungen nach Ziff. 4.1 BRLV seien bei der Bemessung der Regelleistungsvolumina nicht zu berücksichtigen. Dies folge eindeutig aus den Vorgaben des Bewertungsausschusses und der bisherigen sozialgerichtlichen Rechtsprechung (vgl. SG Marburg, Urteil vom 16. November 2011, Az.: S 12 KA 446/07). Die Nichtbeachtung dieser Vorgaben des Bewertungsausschusses führe zur Rechtswidrigkeit und damit Nichtigkeit der bisher vereinbarten Regelleistungsvolumina. Von daher müssten die Regelleistungsvolumina neu vereinbart werden. Auch dies habe die Beklagte nachzuholen.
Die Beklagte hat am 11. Januar 2012 gegen die erstinstanzliche Entscheidung Berufung eingelegt.
Die Beklagte ist der Ansicht, das sozialgerichtliche Urteil sei rechtswidrig.
Die der Klägerin gewährte Sonderregelung zum RLV sei nicht zu beanstanden. Das Bundessozialgericht habe mit mehreren Urteilen (Az.: B 6 KA 17/10 bis 20/10 R sowie B 6 KA 14/11 R) entschieden, dass die auch für die hier streitigen Quartale gültigen HVV der Beklagten mit der Einführung von RLV grundsätzlich den Vorgaben des Bewertungsausschusses, die dieser für die Zeit ab Januar 2005 beschlossen habe, entsprächen. Soweit das Bundessozialgericht Regelungen beanstandet habe, sei am 15. September 2011 eine Ergänzungsvereinbarung getroffen worden. Auch im Hinblick auf die Nichtanpassung der RLV-Fallpunktzahlen sei eine Anpassung erfolgt bzw. werde erfolgen, so dass insoweit auch für die streitgegenständlichen Quartale eine Honorarneuberechnung stattfinde. Dass für die Fachgruppe der Humangenetiker überhaupt RLV gebildet worden seien, sei ebenfalls rechtmäßig.
Die Voraussetzungen für die Zuerkennung einer Sonderregelung ergäben sich bis einschließlich des Quartals I/2007 aus Ziffer 6.3 letzter Absatz des HVV, für die Quartale II/2007 bis IV/2007 aus § 5 Abs. 3 d HVV. Die Sonderregelungen, die der Klägerin auf dieser Grundlage gewährt worden seien, seien ausreichend. Nach Anwendung der Sonderregelungen stelle sich das RVL der Klägerin wie folgt dar:
Quartal Praxisbezogenes RLV in Punkten Tatsächlich abgerechnet in Punkten Überschreitung des RLV in Punkten Überschreitung des RLV in %
II/2006 2.834.245,4 2.593.125 keine Keine
III/2006 3.034.924,2 2.917.960 keine Keine
IV/2006 3.963.299,5 3.646.465 keine Keine
I/2007 5.654.594,4 5.781.170 126.575,6 ca. 2,2 %
II/2007 4.727.365,6 4.988.655 261.289,4 ca. 5,5 %
III/2007 5.361.975 5.492.510 130.535 ca. 2,4 %
IV/2007 5.844.348,4 5.658.015 keine Keine
Überschreitungen des RLV lägen somit sowieso nur noch in den Quartalen I/2007 bis III/2007 vor. Diese Überschreitungen seien auch nur noch geringfügig, so dass sich schon daraus ergebe, dass sie bei der getroffenen Regelung ihr Ermessen korrekt ausgeübt habe. Bei der Ermessensausübung habe sie auch berücksichtigt, dass durch die Änderung des EBM zum 1. Juni 2006 bestimmte Laborleistungen nunmehr dem RLV unterfielen und hierdurch bei der Klägerin Überschreitungen des RLV entstanden seien. Zu beachten sei weiter, dass die Klägerin nicht verlangen könne, sämtliche Leistungen außerhalb des RLV vergütet zu bekommen. Insbesondere dürfe sie im Rahmen ihrer Ermessensausübung davon ausgehen, dass die RLV selbst nur auf einer 80 %-igen Grundlage, die zum Ausgleich anderer Regelungen und Stützungsmaßnahmen dienten und des von der Rechtsprechung geschützten Wachstums so genannter junger und kleiner Praxen geschuldet sei, berechnet seien, d.h. dass Überschreitungswerte der Regelleistungsvolumina um 25 % dieser Berechnungsweise innewohnten und von daher nicht zu einer Erhöhung des RLV führen müssten (Urteil des HLSG vom 19. Mai 2010, L 4 KA 32/08).
Aufgrund der der Klägerin gewährten Nachvergütungen ergebe sich für die Quartale II/2006 bis II/2007 folgende Honorarentwicklung (Nettohonorar nach Abzug EHV, vor Abzug der Verwaltungskosten) bei ihr:
Quartal Ursprüngliches Nettohonorar in Euro Nachvergütung in Euro Jetziges Nettohonorar in Euro
II/2006 144.023,53 45.207,93 189.231,46
III/2006 147.331,02 52.721,95 200.052,97
IV/2006 162.922,51 45.344,61 41.296,03 249.563,15
I/2007 208.339,92 66.957,41 275.297,33
II/2007 152.118,90 50.501,03 202.619,93
Bei den weiteren streitigen Quartalen sei die Sonderregelung bereits in den Honorarbescheiden getroffen worden.
Über die Frage, ob der Klägerin Leistungen extrabudgetär zu vergüten seien, könne im Rahmen dieses Verfahrens, auch unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts, nicht entschieden werden. Diese Frage könne nur Gegenstand der noch anhängigen Verfahren gegen die Honorarbescheide sein. Allerdings habe die Klägerin sowieso keinen Anspruch auf extrabudgetäre Vergütung. Die Streichung der unter Ziffer 32.2.13 aufgeführten zyto- und molekulargenetischen Leistungen durch die Partner der Bundesmantelverträge sei rechtmäßig. Die Partner des Bundesmantelvertrages seien für die Änderung insbesondere zuständig gewesen. Hierzu werde auch auf die Ausführungen in dem Urteil des BSG vom 11. Oktober 2006, B 6 KA 46/05 R, juris, Rn. 30, verwiesen.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Marburg vom 23. November 2011 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Klägerin ist der Ansicht, das sozialgerichtliche Urteil sei rechtmäßig. Zwischen den Beteiligten sei nicht (mehr) vorrangig streitig, ob ihr eine weitergehende Erhöhung im Rahmen des Regelleistungsvolumens zu gewähren sei. Streitig sei vielmehr, ob die Partner der Bundesmantelverträge berechtigt gewesen seien, die Streichung der unter Ziffer 32.12.13 aufgeführten zyto- und molekulargenetischen Leistungen aus dem EBM vorzunehmen. Dies habe das Sozialgericht mit der zutreffenden Begründung, dass nur der Bewertungsausschuss diese Änderung hätte treffen dürfen, zu Recht verneint. Auf die dortigen Ausführungen werde Bezug genommen.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird verwiesen auf den Inhalt der Gerichtsakten sowie der Behördenvorgänge. Sämtliche dieser Akten waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung war zurückzuweisen, denn sie ist zwar zulässig, insbesondere fristgerecht erhoben worden, aber unbegründet. Die Beklagte hat keinen Anspruch auf Aufhebung der erstinstanzlichen Entscheidung, denn diese ist rechtmäßig.
Klarstellend ist zunächst darauf hinzuweisen, dass im Rahmen des vorliegenden Verfahrens auch die Wirksamkeit des Beschlusses der Partner des Bundesmantelvertrages aus der 78. Sitzung (vom 6. Dezember 2005) zur vertraglichen Vereinbarung der Streichung der Leistungen unter 32.3.13 des Kapitels 32 zu überprüfen ist. Denn das Begehren der Klägerin richtete sich auf eine umfassende Besserstellung bei der Gewährung von Honorar; es ist nicht auf die Erteilung einer Sonderregelung zum RLV nach den Vorschriften des jeweils geltenden HVV beschränkt. Die Frage, ob der obige Beschluss wirksam ist, kann zudem von der Frage, ob der Klägerin eine Sonderregelung zuzugestehen ist, nicht getrennt werden, denn erst, wenn die Wirksamkeit des Beschlusses und damit die Geltung des RLV für die Klägerin feststeht, kann über die Gewährung einer Sonderregelung entschieden werden. Schon hieraus folgt, dass die Beklagte über den erstgenannten Aspekt in den angefochten Bescheiden zwangsläufig mit entscheiden musste. Im Übrigen hat das BSG schon mehrfach entschieden, dass Vorfragen, die Auswirkungen für mehrere Quartale haben, in einem eigenen Verwaltungs- und Gerichtsverfahren geklärt werden können, sofern die den streitigen Zeitraum betreffenden Honorarbescheide noch nicht bestandskräftig sind (BSG, Urteil vom 8. Februar 2012 – B 6 KA 14/11 R –, juris, Rn. 11 m.w.N.). Bestandskraft liegt bei den die streitgegenständlichen Quartale betreffenden Honorarbescheiden nicht vor.
Die Klägerin hat - trotz der bereits gewährten Sonderregelung und auch, soweit diese dazu führt, dass sie in den Quartalen I/07 bis III/07 das RLV nicht mehr überschreitet – ein Rechtsschutzbedürfnis an der (Fort-)führung des Verfahrens. Denn von der Geltung des oben genannten Beschlusses hängt ab, ob ihre Leistungen innerhalb oder außerhalb des RLV vergütet werden. Bleibt es bei einer Vergütung innerhalb des RLV, erfolgt diese nach floatenden Punktwerten. Hieraus ergibt sich ein geringeres Honorar, als wenn die von ihr erbrachten Leistungen außerhalb des RLV nach festen Beträgen, wie dies bei der Abrechnung auf Grundlage der in Abschnitt 32.3.13 aufgeführten Ziffern der Fall war, bezahlt würden.
Das Sozialgericht hat die Beklagte zu Recht verurteilt, die Klägerin, unter Abänderung der angefochtenen Bescheide, unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden. Diese Bescheide sind rechtswidrig, weil die Klägerin, vorbehaltlich einer neuen (rechtmäßigen) Regelung durch den Bewertungsausschuss, verlangen kann, dass ihr für die streitgegenständlichen Quartale Honorar so gewährt wird, als sei eine Streichung der unter Ziffer 32.2.13 aufgeführten zyto- und molekulargenetischen Leistungen nicht erfolgt. Der Beschluss, durch den diese Streichung erfolgt ist, war nämlich nichtig, weil das unzuständige Organ entschieden hat. Denn die Streichung, die mit Beschluss vom 6. Dezember 2005 vorgenommen worden ist, wurde durch die Partner der Bundesmantelverträge getätigt, zuständig wäre jedoch der Bewertungsausschuss gewesen.
In dem Urteil des Sozialgerichts wird zutreffend darauf hingewiesen, dass gemäß § 85 Abs. 4a a.F. i.V.m. § 87 Abs. 1 S. 1 SGB V ausdrücklich der Bewertungsausschuss ermächtigt wird, im Bereich des EBM Recht zu setzen. Damit hat das Gesetz diesem Ausschuss bestimmte originäre Aufgaben übertragen und sie hierdurch der ansonsten bestehenden Zuständigkeit der Bundesmantelvertragspartner entzogen (so ausdrücklich BSG, Urteil vom 27. Juni 2012 – B 6 KA 28/11 R –, juris, Rn. 27; Beschluss vom 10. Dezember 2008 - B 6 KA 37/08 B -, juris, Rn. 11). Wie das Sozialgericht weiter überzeugend dargelegt hat, würde, dürften die Bundesmantelvertragspartner anstelle des Bewertungsausschusses entscheiden, auch die besondere Aufsicht, der letzterer durch das Bundesministerium der Gesundheit unterliegt, umgangen.
Der Auffassung der Beklagten, aus dem Urteil des BSG vom 11. Oktober 2006 (B 6 KA 46/05 R, juris, Rn. 30) folge, dass auch die Bundesmantelvertragspartner für Änderung des EBM zuständig seien, vermag sich der Senat nicht anzuschließen. Das folgt schon daraus, dass sich das BSG in der genannten Entscheidung mit der Frage, ob, und falls ja, unter welchen Voraussetzungen die Bundesmantelvertragspartner anstelle des Bewertungsausschusses handeln dürfen, gar nicht auseinandergesetzt hat. Gleiches gilt für das Urteil des SG Dresden vom 18. November 2010 (S 18 KA 526/08, juris), in welchem die hier streitigen Aspekte gerade nicht diskutiert werden.
Zu Recht geht das Sozialgericht weiter davon aus, dass ein Fall, bei dem ausnahmsweise Änderungen des EBM durch die Partner des Bundesmantelvertrages erfolgen dürfen, nicht vorliegt. Eine solche ausnahmsweise Regelungskompetenz muss auf besondere einzelne Konstellationen beschränkt bleiben (so auch Engelhard in: Hauck/Noftz, SGB, 09/13, § 87 SGB V, Rn. 52). Eine besondere Konstellation in diesem Sinne ist hier jedoch ersichtlich nicht vorhanden, wie in dem angefochtenen Urteil richtig dargelegt wird; hierauf wird verwiesen.
Aus der Unwirksamkeit des Beschlusses der Partner des Bundesmantelvertrages vom 6. Dezember 2005 folgt, dass das Honorar der Klägerin – soweit zukünftig keine andere (zulässige) Regelung durch den Bewertungsausschuss erfolgt – nach den Gebührenordnungspositionen des Abschnitts 32.3.13 und somit ohne Unterwerfung unter das RLV zu berechnen ist. Die Gewährung einer Sonderregelung zum RLV ist insofern hinfällig.
Nur vorsorglich und ergänzend weist der Senat darauf hin, dass – ginge man von der Wirksamkeit des obigen Beschlusses und damit der Geltung des RLV für die klägerischen Leistungen aus – die Sonderregelung in dem Umfang, in dem die Beklagte sie gewährt hat, nicht zu beanstanden ist.
Nach der Vereinbarung zwischen der Kassenärztlichen Vereinigung Hessen und den Verbänden der Krankenkassen zur Honorarverteilung für die Quartale II/05 bis IV/05, bekannt gemacht als Anlage 2 zum Landesrundschreiben/Bekanntmachung vom 10. November 2005 (HVV) - der hinsichtlich der hier maßgeblichen Regelungen auch in den nachfolgenden Zeiträumen bis einschließlich Quartal I/07 unverändert fortgalt - sind nach § 6.3 praxisindividuelle Regelleistungsvolumen zu bilden, sofern eine Praxis den dort genannten Honorar(unter)gruppen angehörte und für die in der Praxis vertretenen Arztgruppen gemäß Anlage zu § 6.3 HVV arztgruppenspezifische Fallpunktzahlen benannt waren. Für die Quartale II/07 bis IV/07 bestand mit § 5 Abs. 3 der Vereinbarung der Kassenärztlichen Vereinigung Hessen mit den Krankenkassen (in der Fassung der Entscheidung des Landesschiedsamts für die vertragsärztliche Versorgung in Hessen vom 1. November 2007) eine § 6.3 HVV entsprechende Regelung.
Als fachärztlich tätige Ärztin für Humangenetik gehörte die Klägerin einer Honorargruppe an, für die gemäß § 6. 3 HVV bzw. § 5 Abs. 3 HVV i.V.m. Anlage 1 des HVV Regelleistungsvolumen zu bilden waren. Dementsprechend hat die Beklagte der Klägerin für die streitigen Quartale auch jeweils ein RLV zugewiesen.
Rechtsgrundlage für eine Sonderregelung ist § 6.3 letzter Absatz HVV (für die Quartale II/06 bis I/07) bzw. § 5 Abs. 3d HVV (für die Quartale II/07 bis IV/07). Danach ist der Vorstand der Beklagten ermächtigt, aus Gründen der Sicherstellung der ärztlichen Versorgung praxisbezogene Änderungen an den arztgruppenspezifischen Fallpunktzahlen gemäß den entsprechenden Anlagen zum jeweiligen HVV vorzunehmen.
Für die Sicherstellung der ärztlichen Versorgung sind die Bewertung der vertragsärztlichen Versorgung in einem regionalen Bereich sowie die Feststellung von quantitativen und/oder qualitativen Versorgungsdefiziten von maßgeblicher Bedeutung. Dabei ist eine Vielzahl von Faktoren zu berücksichtigen (z. B. Anzahl und Leistungsangebot der niedergelassenen und ermächtigten Ärzte, Bevölkerungs- und Mobilitätsstruktur, Umfang und räumliche Verteilung der Nachfrage aufgrund der vorhandenen Verkehrsverbindungen). Diese Aspekte sind in gleicher Weise bei der Frage von Bedeutung, ob die ärztliche Versorgung ausreichend sichergestellt ist. Der Beklagten steht bei der Gewichtung dieser Kriterien ein Beurteilungsspielraum zu. Von einer Sicherstellung der ärztlichen Versorgung kann nach der Rechtsprechung des erkennenden Senats dabei nur ausgegangen werden, wenn es für die Versicherten unter Berücksichtigung der festgestellten Nachfrage nach den streitgegenständlichen Leistungen entweder im Planungsbereich selbst oder zumindest in den unmittelbar angrenzenden Planungsbereichen eine in zumutbarer Zeit erreichbare ausreichende Zahl von Behandlern gibt, die in der Lage wären, die notwendige Versorgung zeitnah sicherzustellen (vgl. HLSG, Urteile des erkennenden Senats vom 17. März 2010, L 4 KA 25/08, L 4 KA 28/08, L 4 KA 29/08; Urteil vom 11. August 2008, L 4 KA 52/08). Zu den Voraussetzungen eines Sicherstellungsbedarfs bei Vertragsärzten, die spezielle Leistungen anbieten, wird auf das Urteil des BSG vom 29. Juni 2011, B 6 KA 17/10 R, juris Rn. 19 ff. Bezug genommen.
Darüber hinaus ist bei einer Verneinung der Sicherstellungsproblematik das Begehren auf Sonderregelung zum Regelleistungsvolumen auch unter Härtefallgesichtspunkten zu prüfen, obwohl die Vorschriften keine solche Voraussetzung nennen. Denn wie das Bundessozialgericht bereits zutreffend entschieden hat (BSG, Urteil vom 29. Juni 2011 B 6 KA 17/10 R –, juris, Rn. 29), ist auch und gerade bei einem Honorarsystem, das sich in seinen Grundlagen am Durchschnitt orientiert und damit zwangsläufig Unterschiede einebnet, zu berücksichtigen, dass in besonderen Einzelfällen Härtesituationen entstehen können. Gleichwohl sind die Voraussetzungen für die Annahme eines Härtefalles eng zu ziehen, weil der HVV bereits Regelungen vorsieht, durch die sowohl besondere Versorgungsstrukturen und auch existenzbedrohende Honorarminderungen berücksichtigt werden. Ein Härtefall kann folglich bloß noch im seltenen Ausnahmefall in Betracht kommen, wenn trotz dieser Mechanismen im HVV durch Umstände, die der Vertragsarzt nicht zu vertreten hat, ein unabweisbarer Stützungsbedarf entsteht, also sowohl die wirtschaftliche Existenz der Praxis gefährdet ist als auch ein spezifischer Sicherstellungsbedarf gegeben ist (vgl. BSG, Urteil vom 8. Februar 2006 - B 6 KA 25/05 R - juris, Rn. 40; Beschlüsse vom 28. Oktober 2009 B 6 KA 50/08 B - juris, Rn. 11 und vom 8. Dezember 2010 - B 6 KA 32/10 B - Rn. 17 f). Im Übrigen könnten allenfalls noch gravierende Verwerfungen der regionalen Versorgungsstruktur zur Anerkennung einer Härte führen (vgl. BSG, Urteil vom 9. Dezember 2004 - B 6 KA 44/03 R -, juris, Rn. 148 f).
Hinsichtlich der Frage, in welchem Umfang sie dem Arzt eine Sonderregelung einräumt, steht der Beklagten Ermessen zu, das gemäß § 54 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) nur einer eingeschränkten gerichtlichen Prüfung zugänglich ist. Festzustellen hat das Gericht insoweit insbesondere, ob die Behörde von einem vollständig ermittelten Sachverhalt ausgegangen ist und sich von sachgerechten Erwägungen hat leiten lassen; dabei ist es auf die im Verwaltungsakt mitgeteilten Ermessenserwägungen beschränkt (vgl. z. B. BSG, Urteil vom 3. September 1987 - 6 RKa 30/86 -, juris, Rn. 27; BSG, Urteil vom 6. November 2002 - B 6 KA 9/02 R -, juris, Rn. 23).
Diese Vorgaben hat die Beklagte bei ihren Entscheidungen beachtet.
Für die Quartale II/06 bis IV/06 und IV/07 kann die Klägerin schon deswegen keine weitergehende Sonderregelung mehr erhalten, weil sie durch die bereits gewährten Sonderregelungen das RLV nicht mehr überschreitet, also im Rahmen der § 6.3 HVV bzw. des § 5 Abs. 3d HVV gar nicht mehr weitergehend begünstigt werden kann.
Auch die für die übrigen streitgegenständlichen Quartale (I/07 bis III/07) zuerkannten Sonderregelungen sind rechtmäßig. Die Beklagte hat die Gewährung zutreffend mit Sicherstellungsaspekten im Hinblick auf die besondere Spezialisierung der Klägerin begründet und in allen drei Quartalen die für die Humangenetiker einschlägigen altersspezifischen Fallzahlen zugunsten der Klägerin um das 8-fache erhöht. Durch diese umfassende Erhöhung sind nur noch relativ geringfügige Überschreitungen des RLV in den entsprechenden Quartalen verblieben (I/07: 2,2 %, II/07: 5,5 %, III/07: 2,4 %). Für eine fehlerhafte Ermessensausübung ist insoweit nichts ersichtlich.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG in Verbindung mit § 154 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).
Die Revision war nach § 160 Abs. 1, 2 Nr. 1 SGG wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zuzulassen.
Die Beklagte hat auch die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Art und Weise der Berechnung des Honorars der Klägerin für die Quartale II/2006 bis IV/2007.
Die Klägerin ist seit dem 28. Juni 1994 als Fachärztin für Kinderheilkunde und seit dem 29. September 1998 zusätzlich als Fachärztin für Humangenetik zugelassen. Seit dem 2. Januar 1995 führt sie eine Einzelpraxis. Sie nimmt seit dem 1. Oktober 1998 an der hausärztlichen Versorgung teil und verfügt seit dem 25. September 2001 über eine sog. Doppelzulassung. Sie ist in die Honorar(unter-)gruppe der Ärzte für Humangenetik eingruppiert. Diese Fachgruppe umfasste in den streitgegenständlichen Quartalen insgesamt 7 Ärzte. Weiter verfügt die Klägerin über die Genehmigung zur Abrechnung von Laborleistungen nach Kapitel 32.3 EBM 2000plus.
Die Beklagte bewilligte der Klägerin in dem Zeitraum von 2000 bis einschließlich 2007 zunächst Honorar in folgendem Umfang:
Quartal ursprüngliches Honorar in Euro
I/1999 223.331,22
II/1999 162.287,38
III/1999 178.131,21
IV/1999 249.871,23
I/2000 201.010,61
II/2000 185.115,87
III/2000 201.420,96
IV/2000 205.465,71
I/2001 197.447,38
II/2001 185.939,37
III/2001 195.999,84
IV/2001 208.921,87
I/2002 213.087,42
II/2002 199.674,78
III/2002 185.154,18
IV/2002 195.069,94
I/2003 238.022,94
II/2003 231.633,97
III/2003 173.483,17
IV/2003 194.027,73
I/2004 228.656,66
II/2004 216.835,79
III/2004 226.576,79
IV/2004 235.756,25
I/2005 156.656,59
II/2005 173.965,61
III/2005 273.320,19
IV/2005 262.011,36
I/2006 290.430,48
II/2006 144.023,53
III/2006 147.331,02
IV/2006 162.922,51
I/2007 208.339,92
II/2007 152.118,90
III/2007 229.901,95
IV/2007 235.786,58
Die Klägerin legte gegen den Honorarbescheid für das Quartal II/06 (von der Beklagten abgesandt am 19. März 2007) am 5. April 2008, gegen den Honorarbescheid für das Quartal III/06 (abgesandt am 2. Mai 2007) am 14. Mai 2007, gegen den Honorarbescheid für das Quartal IV/06 (abgesandt am 11. Juni 2007) an 20. Juni 2007, gegen den Honorarbescheid für das Quartal I/07 (abgesandt am 28. April 2008) am 20. Mai 2008, gegen den Honorarbescheid für das Quartal II/07 (abgesandt am 26. November 2008) am 4. Dezember 2008, gegen den Honorarbescheid für das Quartal III/07 (abgesandt am 25. Februar 2008) am 6. März 2008 und gegen den Honorarbescheid für das Quartal IV/07 (abgesandt am 16. Juni 2008) am 20. Juni 2008 Widerspruch ein. In sämtlichen dieser Honorarbescheide wird zugleich das praxisbezogene Regelleistungsvolumen der Klägerin für das jeweilige Quartal endgültig festgestellt. Über die Widersprüche hat die Beklagte noch nicht entschieden.
Bereits am 23. Juni 2006 hatte die Klägerin für die Quartale II/05 bis I/07 eine Sonderregelung im Rahmen der fallzahlabhängigen Quotierung des Regelleistungsvolumens sowie der +/- 5% Ausgleichsregelung beantragt. Einen entsprechenden Antrag stellte sie am 29. Juni 2007 für die Quartale II/07 bis IV/07.
Zur Begründung führte sie aus, ihr komme ein besonderer Sicherstellungsauftrag zu. Ihr Leistungsspektrum umfasse 40 verschiedene molekulargenetische Erkrankungen. Einzelne molekulargenetische Leistungen, bestimmte Erkrankungen betreffend, erbrächten ausschließlich sie und Frau Dr. C., eine weiteren niedergelassenen Humangenetikerin, und zwar
- betreffend Mukoviszidose, insbesondere die Mukoviszidose-Komplettsequenzierung und die Mutationssuche bei türkischen Probanden; die Leistungen würden nach den Ziffern 11320, 11321, 11322, 11230 und 41020 EBM 2000plus mit einem Gesamtpunktwert von 175.250 Punkten im Bereich der CF-Komplettsequenzierung abgerechnet;
- hinsichtlich des Adrenogenitalen Syndroms (AGS); die Leistungen würden nach den Ziffern 11320, 11321, 11322, 11130 und 41020 EBM 2000plus mit einem Punktwert von insgesamt 68.145 Punkten abgerechnet;
- die DANN-Analyse beim familiären Mittelmeerfieber (FMF), insbesondere die Komplettsequenzierung; hier erfolge ebenfalls eine Abrechnung über die Ziffern 11320, 11321, 11322, 11230 und 41020 EBM 2000plus mit einem Punktwert von insgesamt 74.060 Punkten.
Darüber hinaus oblägen ihr und Frau Dr. C. der Sicherstellungsauftrag im Bereich des Morbus Tay-Sachs, des Morbus Gaucher, des Martin-Bell-Syndrom, der Duchenne-Muskeldystrophie, der Sichelzellanämie, des Riley-Day-Syndrom, des Noonan-Syndrom, der Porphyrie und des Shox-Gens. Nur sie und Frau Dr. C. erbrächten in Hessen die genetischen Untersuchungen zur Feststellung der entsprechenden Diagnosen. Das Institut für Humangenetik am Klinikum der Johann-Wolfgang-Goethe Universität in Frankfurt am Main erbringe seit über einem Jahr keine molekulargenetischen Leistungen mehr und werde das Chromosomenlabor jetzt ebenfalls schließen, so dass hier eine weitere Zunahme der Zuweisungen erfolgen werde. Auch die Institute für Humangenetik der bisherigen Unikliniken Gießen und Marburg seien in ihrem Leistungsangebot eingeschränkt und böten die genannten Untersuchungen nicht an. Viele Leistungen könnten nur mittels eines DNA-Sequenzierungsgerätes erbracht werden. Dieses werde in Apparategemeinschaft zwischen ihr und Frau Dr. C./Frau Dr. D. genutzt. Die übrigen Humangenetiker seien mangels apparativer Ausstattungen nicht in der Lage, diese molekulargenetischen Leistungen zu erbringen, was auch aus den Abrechnungsunterlagen ersichtlich sei. Die Durchführung der Leistungen erfolge nur bei entsprechendem klinischen Verdacht und ausschließlich auf Überweisung.
Bei der Durchführung einer molekulargenetischen Untersuchung kämen in der Regel mehrere Ziffern mehrfach nebeneinander zur Anwendung. Die molekulargenetischen Leistungen, die sie erbringe, könnten durch die vorgegebenen Punktwerte im Rahmen des Regelleistungsvolumens nicht annähernd kostendeckend erbracht werden. Der Punktwert der dem Regelleistungsvolumen unterliegenden Leistungen sei deutlich niedriger als die Festvergütung der Laborleistungen gemäß den Leistungsziffern des Kapitels 32 EBM 2000plus. Die Vergütung der Chromosomenanalyse nach der alten Ziffer 32850 habe beispielsweise bei 199,10 Euro gelegen und liege nun nach der jetzigen Ziffer 11310 bei nur noch 141,58 Euro nach dem aktuellen Punktwert.
Insgesamt seien ihre privaten finanziellen Mittel ausgeschöpft und es drohe Insolvenz. Außerdem sei in anderen KV-Bezirken das Problem frühzeitig erkannt worden und es seien entsprechende Sonderregelungen getroffen worden, so in Hamburg und Nordrhein. Es sei geboten, sie aus dem Regelleistungsvolumen sowie sämtlichen Kürzungs- und Begrenzungsmaßnahmen herauszunehmen und die von ihr erbrachten Leistungen in der abgerechneten Höhe zu vergüten.
Mit Bescheiden vom 18. Juni 2007 und 22. November 2007 erhöhte die Beklagte zugunsten der Klägerin im Wege einer Sonderregelung zum Regelleistungsvolumen die für das praxisbezogene Regelleistungsvolumen relevanten altersspezifischen RLV-Fallpunkt- zahlen für die Humangenetiker für die Quartale II/06 bis I/07 um das 4,5-fache und für die Quartale II/07 bis IV/07 um das 8-fache. Weiter verzichtete die Beklagte auf die Durchführung der Ausgleichsregelung nach Ziffer 7.5 HVV für alle streitgegenständlichen Quartale. Im Übrigen lehnte sie die Anträge ab.
Zur Begründung führte sie aus, hinsichtlich der fallzahlabhängigen Quotierung nach Ziffer 5.2 HVV liege eine Beschwer nicht vor, weil alle abgerechneten Fälle mit einer Quote von 100% in die Berechnung der Gesamthonorarforderung eingeflossen seien. Für das Quartal I/07 könne diesbezüglich keine Aussage getroffen werden. Die Honorarsituation in Bezug auf das Regelleistungsvolumen stelle sich wie folgt dar:
Quartale Praxisbezogenes RLV Abgerechnetes Honorarvolumen Überschreitung
II/2005 522.202,8 Punkte 173.120,0 Punkte Keine
III/2005 602.834,2 Punkte 169.540,0 Punkte Keine
IV/2005 620.282,4 Punkte 219.965,0 Punkte Keine
I/2006 663.180,0 Punkte 347.635,0 Punkte Keine
II/2006 629.787,2 Punkte 2.593.125,0 Punkte 1.963.337,8 Punkte
III/2006 674.381,4 Punkte 2.917.960,0 Punkte 2.243,578,6 Punkte
IV/2006 660.557,3 Punkte 3.646.465,0 Punkte 2.985.907,7 Punkte
Die Analyse der Honorarabrechnung betreffend die Quartale II/06 bis IV/06 habe ergeben, dass die früher nach dem Kapitel 32 EBM 2000plus abgerechneten Leistungen der Chromosomenanalyse (Ziffern 32850 bis 32857 EBM 2000plus) wegen der Streichung dieser Ziffern mit Wirkung zum 1. April 2006 nunmehr nach dem Kapitel 11 EBM 2000plus (Ziffern 11310 bis 11322 EBM 2000plus) abzurechnen seien und hierdurch dem Regelleistungsvolumen unterfielen. Dadurch sei die Honorarforderung der Klägerin im ambulant-kurativen Sektor, der dem Regelleistungsvolumen unterliege, massiv angestiegen, so dass es erstmalig ab dem Quartal II/06 zur Überschreitung des praxisbezogenen Regelleistungsvolumens gekommen sei. Dieses Problem habe sich insbesondere im Bereich der Chromosomenanalysen ausgewirkt. Insoweit erschienen die für die Arzt-/Fachgruppe der Humangenetiker gültigen RLV-Fallpunktzahlen im Falle der Klägerin als nicht repräsentativ für das Leistungsspektrum der Praxis. Ergänzend dazu habe eine Prüfung der Versorgungssituation ergeben, dass hessenweit neben der klägerischen Praxis weitere 4 Humangenetiker niedergelassen seien, deren Praxen überwiegend mehr als 50 km von der der Klägerin entfernt lägen. Unter Berücksichtigung dieser gesamten Sachlage sei daher eine Sonderregelung für das praxisbezogene Regelleistungsvolumen für die Quartale II/06 bis I/07 gerechtfertigt. In diesem Zusammenhang durchgeführte vergleichsweise Berechnungen hätten ergeben, dass eine Erhöhung der altersgruppenspezifischen RLV-Fallpunktzahlen für Humangenetiker um das ca. 4,5-fache die vorgenannten Änderungen in den Abrechnungsbedingungen adäquat ausglichen.
Auch für die Quartale II/07 bis IV/07 sei von einem Sicherstellungsproblem auszugehen. Hier hätten vergleichsweise Berechnungen in Bezug auf das Regelleistungsvolumen für das Quartal II/07 ergeben, dass eine Erhöhung der RLV-Fallpunktzahlen auf das 8-fache sachgerecht sei. Es sei davon auszugehen, dass auch für die weiteren beiden Quartale eine Erhöhung in diesem Umfang gerechtfertigt sei.
Hinsichtlich der Ausgleichsregelung nach Ziffer 7.5 HVV sei festzustellen, dass gemäß Beschluss des Vorstandes der Beklagten die Ausgleichsregelung auf die Leistungen des budgetierten Teils der Gesamtvergütung anzuwenden sei. Im Zuge dessen sei für die Fachgruppe der Humangenetiker eine Bereinigung der Ausgangsdaten um die Leistungen der Molekular- und Zytogenetik – sofern diese aktuell als Laborleistungen nach den Ziffern 32850 bis 32857 EBM 2000plus abgerechnet worden seien – erfolgt. Insoweit seien die in den Quartalen II/05 bis I/06 abgerechneten diesbezüglichen Leistungen nicht mit in den für die Ermittlung des Gesamtreferenzfallwertes zugrundeliegenden Honoraranspruch eingeflossen. Demgegenüber seien die nunmehr ersatzweise nach den Ziffern 11310 bis 11322 EBM 2000plus abgerechneten Leistungen in dem Honoraranspruch des jeweiligen aktuellen Fallwertes für die Quartale II/06 bis I/07 enthalten. Im Ergebnis finde damit ein Vergleich zwischen unterschiedlichen Honoraransprüchen statt. Dieser Umstand habe sich auf die Honorarsituation betreffend die Ausgleichsregelung wie folgt ausgewirkt:
Aktuelles Quartal Referenzfallwert Aktueller Fallwert Korrekturbetrag
II/2005 103,5413 EUR 77,9094 EUR + 6.795,78 EUR
III/2005 79,4072 EUR 55,1518 EUR + 16.994,24 EUR
IV/2005 104,7582 EUR 33,1624 EUR + 25.964,46 EUR
I/2006 83,3530 EUR 434,1801 EUR + 21,87 EUR
II/2006 139,2568 EUR 249,3321 EUR - 42.353,35 EUR
III/2006 99,6393 EUR 167,5339 EUR - 12.271,14 EUR
IV/2006 99,5676 EUR 235,1688 EUR - 13.366,87 EUR
Die Anwendung der Ausgleichsregelung nach Ziffer 7.5 HVV habe bei der Klägerin ab dem Quartal II/06 zu einem erheblichen Honorarverlust geführt. In diesem Zusammenhang dürfe nicht übersehen werden, dass die Ausgleichsregelung nach Ziffer 7.5 HVV nur unter der Maßgabe gleicher Rahmenbedingungen – sowohl praxisspezifisch als auch allgemein – durchgeführt werden solle. Dementsprechend erscheine die Anwendung der Ausgleichsregelung im vorliegenden Fall als nicht sachgerecht und sie werde für die streitgegenständlichen Quartale ausgesetzt.
Gegen die Bescheide erhob die Klägerin am 31. August 2007 bzw. 6. Dezember 2007 Widerspruch. Sie erklärte, mit einer Erhöhung der Fallpunktzahlen für humangenetische Leistungen sei ihrer besonderen Situation nicht ausreichend Rechnung getragen worden. Die molekulargenetischen Leistungen könnten mit den vorgegebenen Fallpunktzahlen offensichtlich nicht wirtschaftlich erbracht werden. Es gehe um angeforderte Untersuchungen schwerkranker Kinder, deren Behandlung ohne die entsprechende Diagnostik nicht eingeleitet oder fortgeführt werden könne.
Mit Widerspruchsbescheid vom 28. November 2007 erhöhte die Beklagte die relevanten altersspezifischen RLV-Fallpunktzahlen der Humangenetiker für das Quartal IV/06 auf das 6-fache und für das Quartal I/07 auf das 8-fache. Im Übrigen wies sie den Widerspruch vom 28. Juni 2007 zurück. Mit Widerspruchsbescheid vom 19. November 2008 wies sie den Widerspruch vom 6. Dezember 2007 zurück.
Eine fallzahlabhängige Quotierung nach § 5 Abs. 2 HVV habe bei der Klägerin nicht stattgefunden, so dass sie in diesem Punkt schon nicht beschwert sei. Bei der Bildung des praxisindividuellen Regelleistungsvolumens nach § 5 Abs. 3 HVV ergebe sich für die Quartale II/06, III/06 und IV/07 nach den vorgenommenen Erhöhungen keine Überschreitung mehr, so dass auch insoweit eine Beschwer fehle. In den übrigen streitgegenständlichen Quartalen liege nach der Erhöhung der RLV-Fallpunktzahlen nur noch eine geringfügige Überschreitung vor; eine weitergehende Sonderregelung sei daher nicht gerechtfertigt. Die Anwendung des § 5 Abs. 4 bzw. 7.5 HVV habe für die Quartale II/05 bis I/06 zu einer Auffüllung geführt, für die Quartale II/06 bis IV/07 ergäben sich dagegen Kürzungen. Weil der Fallwert- und Honoraranstieg insoweit jedoch auf den geänderten Abrechnungsbestimmungen des EBM 2000 plus beruhe, sei die Anwendung der Ausgleichsregelung, weil nicht sachgerecht, ab dem Quartal II/06 ausgesetzt worden. Damit sei man auch an diesem Punkt dem Begehren der Klägerin nachgekommen. Eine Vergütung der Leistungen mit einem festen Punktwert von 5,11 ct sei rechtlich nicht möglich.
Die Klägerin hat am 2. Januar 2008 gegen den Widerspruchsbescheid vom 28. November 2007 und am 23. Dezember 2008 gegen den Widerspruchsbescheid vom 19. November 2008 jeweils Klage beim Sozialgericht Marburg erhoben und vorgetragen, das ihr gewährte Honorar sei nach wie vor zu niedrig bemessen. Mit Beschluss vom 23. November 2011 hat das Sozialgericht die Verfahren zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden. Hinsichtlich der Quartale II/05 bis I/06 hat die Klägerin am 23. November 2011 ihre Klage zurückgenommen.
Mit Urteil vom 23. November 2011, zugestellt am 12. Dezember 2011, hat das Sozialgericht die Beklagte, unter entsprechender Aufhebung der angefochtenen Bescheide, verpflichtet, die Klägerin unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden.
Die angegriffenen Bescheide seien rechtswidrig.
Nach der Vereinbarung zwischen der Kassenärztlichen Vereinigung Hessen und den Verbänden der Krankenkassen zur Honorarverteilung für die Quartale 2/2005 bis 4/2005, bekannt gemacht als Anlage 2 zum Landesrundschreiben/Bekanntmachung vom 10. November 2005 (HVV), der insoweit bis zum Quartal I/07 fortgeführt worden sei, seien nach Ziffer 6.3 praxisindividuelle Regelleistungsvolumen zu bilden, da die Klägerin zu den entsprechenden Arztgruppen gehöre. Für die Quartale II/07 bis IV/07 gelte die Regelung nach dem Honorarverteilungsvertrag gemäß § 85 Abs. 4 Satz 1 SGB V für den Zeitraum vom 1. April 2007 bis 31. Dezember 2007 in der Fassung der Entscheidung des Landesschiedsamts für die vertragsärztliche Versorgung in Hessen vom 1. November 2007 als § 5 Abs. 3 HVV fort. Wegen der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (Urteil vom 18. August 2010 – B 6 KA 27/09 R) habe die Beklagte zwischenzeitlich eine Ergänzungsvereinbarung vom 15. September 2011 zu den Honorarverteilungsverträgen im Zeitraum 1. April 2005 bis 31. Dezember 2008 geschlossen, in der sie den HVV geändert habe.
Der Vorstand der KV Hessen sei ermächtigt, aus Gründen der Sicherstellung der ärztlichen und psychotherapeutischen Versorgung praxisbezogenen Änderungen an den arztgruppenspezifischen Fallpunktzahlen vorzunehmen.
Nach § 85 Abs. 4 Sozialgesetzbuch, Fünftes Buch - Gesetzliche Krankenversicherung vom 20. Dezember 1988, BGBl. I S. 2477 in der hier maßgeblichen Fassung des Gesetzes zur Modernisierung der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-Modernisierungsgesetz – GMG) v. 14. November 2003, BGBl. I S. 2190 mit Gültigkeit ab 1. Januar 2005 (SGB V), verteile die Kassenärztliche Vereinigung die Gesamtvergütungen an die Vertragsärzte; in der vertragsärztlichen Versorgung verteile sie die Gesamtvergütungen getrennt für die Bereiche der hausärztlichen und der fachärztlichen Versorgung (§ 73, § 85 Abs. 4 Satz 1 SGB V). Sie wende dabei ab dem 1. Juli 2004 den mit den Landesverbänden der Krankenkassen und den Verbänden der Ersatzkassen erstmalig bis zum 30. April 2004 gemeinsam und einheitlich zu vereinbarenden Verteilungsmaßstab an; für die Vergütung der im ersten und zweiten Quartal 2004 erbrachten vertragsärztlichen Leistungen werde der am 31. Dezember 2003 geltende Honorarverteilungsmaßstab angewandt (§ 85 Abs. 4 Satz 2 SGB V). Bei der Verteilung der Gesamtvergütungen seien Art und Umfang der Leistungen der Vertragsärzte zu Grunde zu legen; dabei sei jeweils für die von den Krankenkassen einer Kassenart gezahlten Vergütungsbeträge ein Punktwert in gleicher Höhe zu Grunde zu legen (§ 85 Abs. 4 Satz 3 SGB V). Der Verteilungsmaßstab habe sicherzustellen, dass die Gesamtvergütungen gleichmäßig auf das gesamte Jahr verteilt würden (§ 85 Abs. 4 Satz 5 SGB V) sowie Regelungen zur Verhinderung einer übermäßigen Ausdehnung der Tätigkeit des Vertragsarztes vorzusehen (§ 85 Abs. 4 Satz 6 SGB V). Insbesondere seien arztgruppenspezifische Grenzwerte festzulegen, bis zu denen die von einer Arztpraxis erbrachten Leistungen mit festen Punktwerten zu vergüten seien (Regelleistungsvolumina) (§ 85 Abs. 4 Satz 7 SGB V). Für den Fall der Überschreitung der Grenzwerte sei vorzusehen, dass die den Grenzwert überschreitende Leistungsmenge mit abgestaffelten Punktwerten vergütet werde (§ 85 Abs. 4 Satz 8 SGB V). Die vom Bewertungsausschuss nach Absatz 4a Satz 1 getroffenen Regelungen seien Bestandteil der Vereinbarungen nach Satz 2 (§ 85 Abs. 4 Satz 10 SGB V). Dabei bestimme nach § 85 Abs. 4a Satz 1 SGB V der Bewertungsausschuss Kriterien zur Verteilung der Gesamtvergütungen nach § 85 Abs. 4 SGB V, insbesondere zur Festlegung der Vergütungsanteile für die hausärztliche und die fachärztliche Versorgung sowie für deren Anpassung an solche Veränderungen der vertragsärztlichen Versorgung, die bei der Bestimmung der Anteile der hausärztlichen und der fachärztlichen Versorgung an der Gesamtvergütung zu beachten seien; er bestimme ferner, erstmalig bis zum 29. Februar 2004, den Inhalt der nach § 85 Abs. 4 Satz 4, 6, 7 und 8 SGB V zu treffenden Regelungen.
Der Bewertungsausschuss sei seinen Regelungsverpflichtungen nach § 85 Abs. 4a SGB V u. a. durch den Beschluss in seiner 93. Sitzung am 29. Oktober 2004 zur Festlegung von Regelleistungsvolumen durch die Kassenärztlichen Vereinigungen gemäß § 85 Abs. 4 SGB V mit Wirkung zum 1. Januar 2005 (Deutsches Ärzteblatt 101, Ausgabe 46 vom 12. November 2004, Seite A-3129 = B-2649 = C-2525; im Folgenden: BRLV) nachgekommen. Darin bestimme er, dass Regelleistungsvolumina gemäß § 85 Abs. 4 SGB V arztgruppenspezifische Grenzwerte seien, bis zu denen die von einer Arztpraxis oder einem medizinischen Versorgungszentrum (Arzt-Abrechnungsnummer) im jeweiligen Kalendervierteljahr (Quartal) erbrachten ärztlichen Leistungen mit einem von den Vertragspartnern des Honorarverteilungsvertrages (ggf. jeweils) vereinbarten, festen Punktwert (Regelleistungspunktwert) zu vergüten seien. Für den Fall der Überschreitung der Regelleistungsvolumen sei die das Regelleistungsvolumen überschreitende Leistungsmenge mit abgestaffelten Punktwerten (Restpunktwerten) zu vergüten (III.2.1 BRLV). Für die Arztpraxis oder das medizinische Versorgungszentrum, die bzw. das mit mindestens einer der in Anlage 1 genannten Arztgruppen zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen sei, seien im Honorarverteilungsvertrag nachfolgende Regelleistungsvolumina zu vereinbaren, für die dieser Beschluss die Inhalte der Regelungen vorgebe (III.3.1 Abs. 1 BRLV). Die in 4. aufgeführten Leistungen, Leistungsarten und Kostenerstattungen unterlägen nicht den Regelleistungsvolumina (III.3.1 Abs. 4 BRLV). Dies gelte nach Nr. 4.2 auch für die Labor-Grundpauschale nach Nr. 12225 sowie Leistungen und vertraglich vereinbarte Kosten für laboratoriumsmedizinische Untersuchungen des Kapitels 32.
Diese Bestimmungen stellten eine verbindliche Vorgabe des Bewertungsausschusses dar, die von niemand anderem als dem Bewertungsausschuss selber geändert werden könne. Mit Wirkung zum Quartal II/06 seien die in Kapitel 32 des EBM 2000plus unter Ziffer 32.2.13 aufgeführten zyto- und molekulargenetischen Leistungen durch die Partner des Bundesmantelvertrages in der 78. Sitzung am 16. Dezember 2005 gestrichen worden. Da die gestrichenen Leistungen inhaltsgleich in Kapitel 11.3 des EBM abgebildet seien, könnten entsprechend qualifizierte Ärzte, die bisher im Kapitel 32 abgerechnet hätten, auf das Kapitel 11 ausweichen, allerdings mit der Folge, dass die dortigen Leistungen dem Regelleistungsvolumen unterfielen. Bei der Klägerin habe diese Streichung zu einem Honorareinbruch ab dem Quartal II/06 geführt, der von der Beklagten im Rahmen der Regelungssystematik des HVV nicht aufzufangen gewesen sei. Die Streichung der unter Ziffer 32.2.13 aufgeführten zyto- und molekulargenetischen Leistungen durch die Partner des Bundesmantelvertrages sei rechtswidrig. Die Partner des Bundesmantelvertrages seien nicht berechtigt, Vorgaben des Bewertungsausschusses zu konterkarieren, indem dessen Vorgaben vertraglich abgeändert würden. Der Bewertungsausschuss sei nach den gesetzlichen Vorgaben in § 87 SGB V ausdrücklich allein und ausschließlich zur Beschlussfassung über den EBM befugt. Nur er verfüge über die gesetzliche Legitimation zur Rechtsetzung in diesem Bereich. Er allein unterliege einer besonderen Aufsicht durch das Bundesministerium der Gesundheit. Diese Aufsichtspflichten umgehe man, wenn man anderen Gremien Entscheidungen im Bereich des gesetzlichen Auftrags des Bewertungsausschusses erlaube. Sofern übergangsweise in der Praxis – entgegen der ausdrücklichen gesetzgeberischen Wertung – vertragliche Vereinbarungen zwischen den Partnern des Bundesmantelvertrages zur Änderung/Ergänzung geregelt würden, könne diese Praxis nur in äußersten Ausnahmefällen zugelassen werden (so auch Engelhard, in: Hauck, SGB V, § 87 Rn. 52). Ein solcher Ausnahmefall liege nicht vor, denn die von der Änderung betroffenen Regelungen seien sehr weitreichend und stünden komplett in Widerspruch zu der Systematik der Regelleistungsvolumina und den Vorgaben des Bewertungsausschusses. In seinem BRLV habe der Bewertungsausschuss ein System der Berechnung der Regelleistungsvolumina entwickelt, das eine dezidierte Trennung von Leistungen innerhalb und außerhalb der Regelleistungsvolumina vorsehe. Entsprechend dieser Vorgaben seien die Fallpunktzahlen der Arztgruppen zu ermitteln und die Regelleistungsvolumina zu berechnen. In dieser ausdifferenzierten Systematik führe eine Übertragung von bisher außerhalb des Regelleistungsvolumens vergüteten Leistungen in das Regelleistungsvolumen hinein zwangsläufig zu Verwerfungen in dem betroffenen Arztgruppentopf. Die mit den Regelleistungsvolumina angestrebte Kalkulationssicherheit für die betroffenen Ärzte werde mit einer Vereinbarung, wie sie die Partner des Bundesmantelvertrages getroffen hätten, ad absurdum geführt. Es handele sich insoweit nicht um eine kleine Korrektur des EBM am Rande, sondern um einen erheblichen Eingriff in eine ausgefeilte Systematik des BRLV. Dass dies die Klägerin besonders getroffen habe, liege an ihrem Leistungsspektrum, das zu einem erheblichen Anteil aus zyto- und molekulargenetischen Untersuchungen besteht, zum anderen aber auch an der extrem kleinen Honorargruppe.
Zwar sei der Beklagten zuzugeben, dass sie für die streitgegenständlichen Quartale den Sicherstellungsauftrag der Klägerin anerkannt habe und im Rahmen der höherrangigen Vorgaben und im Rahmen ihres Honorarverteilungsvertrages eine weitgehende, in den Quartalen II/06 bis I/07 und IV/07 auch weitestgehende, Sonderregelung zugunsten der Klägerin getroffen habe. Mit dieser Sonderregelung hätten die Honorarverwerfungen, die die Klägerin aufgrund der rechtswidrigen Beschlussfassung der Partner des Bundesmantelvertrages erlitten habe, jedoch nicht aufgefangen werden können. Selbst im Falle der kompletten Vergütung der angeforderten Leistungen im Rahmen des Regelleistungsvolumens verbleibe es bei einer Vergütung nach floatenden Punktwerten. Dies entspreche nicht der bisherigen extrabudgetären Vergütung, die dem besonders hohen Kostenanteil bei Laborleistungen Rechnung getragen habe. Dies müsse die Beklagte bei einer Neubescheidung berücksichtigen.
Darüber hinaus habe die Beklagte aufgrund der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts für die streitgegenständlichen Quartale auch bei der Klägerin eine Neuberechnung der Regelleistungsvolumina nachzuholen. Das Bundessozialgericht habe entschieden, dass der HVV ab dem Quartal II/05 insoweit rechtswidrig sei, als bestimmte Leistungen entgegen den Vorgaben des Bewertungsausschusses im BRLV in die jeweiligen Regelleistungsvolumina einbezogen worden seien. Die Ausgleichsregelung in Ziff. 7.5 HVV sei rechtswidrig, soweit diese Honorarminderungen vorgesehen habe (vgl. BSG, Urteil vom 18. August 2010 - B 6 KA 27/09 R). Alle Honorarbescheide seien rechtswidrig, weil die Beklagte in unzulässiger Weise entgegen der Vorgaben des Bewertungsausschusses Leistungen in das Regelleistungsvolumen einbezogen habe. Aufgrund der rechtswidrigen Einbeziehung der Leistungen in das Regelleistungsvolumen seien auch die Fallpunktzahlen des Regelleistungsvolumens fehlerhaft berechnet worden. Die Beklagte habe insofern eine korrigierte Berechnung vorzunehmen. Die von der Beklagten geschlossene Ergänzungsvereinbarung vom 15. September 2011 berücksichtigt dies nicht in Gänze. Die Beklagte habe darüber hinaus noch die bisherigen Regelleistungsvolumina anzupassen. Die Leistungen nach Ziff. 4.1 BRLV seien bei der Bemessung der Regelleistungsvolumina nicht zu berücksichtigen. Dies folge eindeutig aus den Vorgaben des Bewertungsausschusses und der bisherigen sozialgerichtlichen Rechtsprechung (vgl. SG Marburg, Urteil vom 16. November 2011, Az.: S 12 KA 446/07). Die Nichtbeachtung dieser Vorgaben des Bewertungsausschusses führe zur Rechtswidrigkeit und damit Nichtigkeit der bisher vereinbarten Regelleistungsvolumina. Von daher müssten die Regelleistungsvolumina neu vereinbart werden. Auch dies habe die Beklagte nachzuholen.
Die Beklagte hat am 11. Januar 2012 gegen die erstinstanzliche Entscheidung Berufung eingelegt.
Die Beklagte ist der Ansicht, das sozialgerichtliche Urteil sei rechtswidrig.
Die der Klägerin gewährte Sonderregelung zum RLV sei nicht zu beanstanden. Das Bundessozialgericht habe mit mehreren Urteilen (Az.: B 6 KA 17/10 bis 20/10 R sowie B 6 KA 14/11 R) entschieden, dass die auch für die hier streitigen Quartale gültigen HVV der Beklagten mit der Einführung von RLV grundsätzlich den Vorgaben des Bewertungsausschusses, die dieser für die Zeit ab Januar 2005 beschlossen habe, entsprächen. Soweit das Bundessozialgericht Regelungen beanstandet habe, sei am 15. September 2011 eine Ergänzungsvereinbarung getroffen worden. Auch im Hinblick auf die Nichtanpassung der RLV-Fallpunktzahlen sei eine Anpassung erfolgt bzw. werde erfolgen, so dass insoweit auch für die streitgegenständlichen Quartale eine Honorarneuberechnung stattfinde. Dass für die Fachgruppe der Humangenetiker überhaupt RLV gebildet worden seien, sei ebenfalls rechtmäßig.
Die Voraussetzungen für die Zuerkennung einer Sonderregelung ergäben sich bis einschließlich des Quartals I/2007 aus Ziffer 6.3 letzter Absatz des HVV, für die Quartale II/2007 bis IV/2007 aus § 5 Abs. 3 d HVV. Die Sonderregelungen, die der Klägerin auf dieser Grundlage gewährt worden seien, seien ausreichend. Nach Anwendung der Sonderregelungen stelle sich das RVL der Klägerin wie folgt dar:
Quartal Praxisbezogenes RLV in Punkten Tatsächlich abgerechnet in Punkten Überschreitung des RLV in Punkten Überschreitung des RLV in %
II/2006 2.834.245,4 2.593.125 keine Keine
III/2006 3.034.924,2 2.917.960 keine Keine
IV/2006 3.963.299,5 3.646.465 keine Keine
I/2007 5.654.594,4 5.781.170 126.575,6 ca. 2,2 %
II/2007 4.727.365,6 4.988.655 261.289,4 ca. 5,5 %
III/2007 5.361.975 5.492.510 130.535 ca. 2,4 %
IV/2007 5.844.348,4 5.658.015 keine Keine
Überschreitungen des RLV lägen somit sowieso nur noch in den Quartalen I/2007 bis III/2007 vor. Diese Überschreitungen seien auch nur noch geringfügig, so dass sich schon daraus ergebe, dass sie bei der getroffenen Regelung ihr Ermessen korrekt ausgeübt habe. Bei der Ermessensausübung habe sie auch berücksichtigt, dass durch die Änderung des EBM zum 1. Juni 2006 bestimmte Laborleistungen nunmehr dem RLV unterfielen und hierdurch bei der Klägerin Überschreitungen des RLV entstanden seien. Zu beachten sei weiter, dass die Klägerin nicht verlangen könne, sämtliche Leistungen außerhalb des RLV vergütet zu bekommen. Insbesondere dürfe sie im Rahmen ihrer Ermessensausübung davon ausgehen, dass die RLV selbst nur auf einer 80 %-igen Grundlage, die zum Ausgleich anderer Regelungen und Stützungsmaßnahmen dienten und des von der Rechtsprechung geschützten Wachstums so genannter junger und kleiner Praxen geschuldet sei, berechnet seien, d.h. dass Überschreitungswerte der Regelleistungsvolumina um 25 % dieser Berechnungsweise innewohnten und von daher nicht zu einer Erhöhung des RLV führen müssten (Urteil des HLSG vom 19. Mai 2010, L 4 KA 32/08).
Aufgrund der der Klägerin gewährten Nachvergütungen ergebe sich für die Quartale II/2006 bis II/2007 folgende Honorarentwicklung (Nettohonorar nach Abzug EHV, vor Abzug der Verwaltungskosten) bei ihr:
Quartal Ursprüngliches Nettohonorar in Euro Nachvergütung in Euro Jetziges Nettohonorar in Euro
II/2006 144.023,53 45.207,93 189.231,46
III/2006 147.331,02 52.721,95 200.052,97
IV/2006 162.922,51 45.344,61 41.296,03 249.563,15
I/2007 208.339,92 66.957,41 275.297,33
II/2007 152.118,90 50.501,03 202.619,93
Bei den weiteren streitigen Quartalen sei die Sonderregelung bereits in den Honorarbescheiden getroffen worden.
Über die Frage, ob der Klägerin Leistungen extrabudgetär zu vergüten seien, könne im Rahmen dieses Verfahrens, auch unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts, nicht entschieden werden. Diese Frage könne nur Gegenstand der noch anhängigen Verfahren gegen die Honorarbescheide sein. Allerdings habe die Klägerin sowieso keinen Anspruch auf extrabudgetäre Vergütung. Die Streichung der unter Ziffer 32.2.13 aufgeführten zyto- und molekulargenetischen Leistungen durch die Partner der Bundesmantelverträge sei rechtmäßig. Die Partner des Bundesmantelvertrages seien für die Änderung insbesondere zuständig gewesen. Hierzu werde auch auf die Ausführungen in dem Urteil des BSG vom 11. Oktober 2006, B 6 KA 46/05 R, juris, Rn. 30, verwiesen.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Marburg vom 23. November 2011 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Klägerin ist der Ansicht, das sozialgerichtliche Urteil sei rechtmäßig. Zwischen den Beteiligten sei nicht (mehr) vorrangig streitig, ob ihr eine weitergehende Erhöhung im Rahmen des Regelleistungsvolumens zu gewähren sei. Streitig sei vielmehr, ob die Partner der Bundesmantelverträge berechtigt gewesen seien, die Streichung der unter Ziffer 32.12.13 aufgeführten zyto- und molekulargenetischen Leistungen aus dem EBM vorzunehmen. Dies habe das Sozialgericht mit der zutreffenden Begründung, dass nur der Bewertungsausschuss diese Änderung hätte treffen dürfen, zu Recht verneint. Auf die dortigen Ausführungen werde Bezug genommen.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird verwiesen auf den Inhalt der Gerichtsakten sowie der Behördenvorgänge. Sämtliche dieser Akten waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung war zurückzuweisen, denn sie ist zwar zulässig, insbesondere fristgerecht erhoben worden, aber unbegründet. Die Beklagte hat keinen Anspruch auf Aufhebung der erstinstanzlichen Entscheidung, denn diese ist rechtmäßig.
Klarstellend ist zunächst darauf hinzuweisen, dass im Rahmen des vorliegenden Verfahrens auch die Wirksamkeit des Beschlusses der Partner des Bundesmantelvertrages aus der 78. Sitzung (vom 6. Dezember 2005) zur vertraglichen Vereinbarung der Streichung der Leistungen unter 32.3.13 des Kapitels 32 zu überprüfen ist. Denn das Begehren der Klägerin richtete sich auf eine umfassende Besserstellung bei der Gewährung von Honorar; es ist nicht auf die Erteilung einer Sonderregelung zum RLV nach den Vorschriften des jeweils geltenden HVV beschränkt. Die Frage, ob der obige Beschluss wirksam ist, kann zudem von der Frage, ob der Klägerin eine Sonderregelung zuzugestehen ist, nicht getrennt werden, denn erst, wenn die Wirksamkeit des Beschlusses und damit die Geltung des RLV für die Klägerin feststeht, kann über die Gewährung einer Sonderregelung entschieden werden. Schon hieraus folgt, dass die Beklagte über den erstgenannten Aspekt in den angefochten Bescheiden zwangsläufig mit entscheiden musste. Im Übrigen hat das BSG schon mehrfach entschieden, dass Vorfragen, die Auswirkungen für mehrere Quartale haben, in einem eigenen Verwaltungs- und Gerichtsverfahren geklärt werden können, sofern die den streitigen Zeitraum betreffenden Honorarbescheide noch nicht bestandskräftig sind (BSG, Urteil vom 8. Februar 2012 – B 6 KA 14/11 R –, juris, Rn. 11 m.w.N.). Bestandskraft liegt bei den die streitgegenständlichen Quartale betreffenden Honorarbescheiden nicht vor.
Die Klägerin hat - trotz der bereits gewährten Sonderregelung und auch, soweit diese dazu führt, dass sie in den Quartalen I/07 bis III/07 das RLV nicht mehr überschreitet – ein Rechtsschutzbedürfnis an der (Fort-)führung des Verfahrens. Denn von der Geltung des oben genannten Beschlusses hängt ab, ob ihre Leistungen innerhalb oder außerhalb des RLV vergütet werden. Bleibt es bei einer Vergütung innerhalb des RLV, erfolgt diese nach floatenden Punktwerten. Hieraus ergibt sich ein geringeres Honorar, als wenn die von ihr erbrachten Leistungen außerhalb des RLV nach festen Beträgen, wie dies bei der Abrechnung auf Grundlage der in Abschnitt 32.3.13 aufgeführten Ziffern der Fall war, bezahlt würden.
Das Sozialgericht hat die Beklagte zu Recht verurteilt, die Klägerin, unter Abänderung der angefochtenen Bescheide, unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden. Diese Bescheide sind rechtswidrig, weil die Klägerin, vorbehaltlich einer neuen (rechtmäßigen) Regelung durch den Bewertungsausschuss, verlangen kann, dass ihr für die streitgegenständlichen Quartale Honorar so gewährt wird, als sei eine Streichung der unter Ziffer 32.2.13 aufgeführten zyto- und molekulargenetischen Leistungen nicht erfolgt. Der Beschluss, durch den diese Streichung erfolgt ist, war nämlich nichtig, weil das unzuständige Organ entschieden hat. Denn die Streichung, die mit Beschluss vom 6. Dezember 2005 vorgenommen worden ist, wurde durch die Partner der Bundesmantelverträge getätigt, zuständig wäre jedoch der Bewertungsausschuss gewesen.
In dem Urteil des Sozialgerichts wird zutreffend darauf hingewiesen, dass gemäß § 85 Abs. 4a a.F. i.V.m. § 87 Abs. 1 S. 1 SGB V ausdrücklich der Bewertungsausschuss ermächtigt wird, im Bereich des EBM Recht zu setzen. Damit hat das Gesetz diesem Ausschuss bestimmte originäre Aufgaben übertragen und sie hierdurch der ansonsten bestehenden Zuständigkeit der Bundesmantelvertragspartner entzogen (so ausdrücklich BSG, Urteil vom 27. Juni 2012 – B 6 KA 28/11 R –, juris, Rn. 27; Beschluss vom 10. Dezember 2008 - B 6 KA 37/08 B -, juris, Rn. 11). Wie das Sozialgericht weiter überzeugend dargelegt hat, würde, dürften die Bundesmantelvertragspartner anstelle des Bewertungsausschusses entscheiden, auch die besondere Aufsicht, der letzterer durch das Bundesministerium der Gesundheit unterliegt, umgangen.
Der Auffassung der Beklagten, aus dem Urteil des BSG vom 11. Oktober 2006 (B 6 KA 46/05 R, juris, Rn. 30) folge, dass auch die Bundesmantelvertragspartner für Änderung des EBM zuständig seien, vermag sich der Senat nicht anzuschließen. Das folgt schon daraus, dass sich das BSG in der genannten Entscheidung mit der Frage, ob, und falls ja, unter welchen Voraussetzungen die Bundesmantelvertragspartner anstelle des Bewertungsausschusses handeln dürfen, gar nicht auseinandergesetzt hat. Gleiches gilt für das Urteil des SG Dresden vom 18. November 2010 (S 18 KA 526/08, juris), in welchem die hier streitigen Aspekte gerade nicht diskutiert werden.
Zu Recht geht das Sozialgericht weiter davon aus, dass ein Fall, bei dem ausnahmsweise Änderungen des EBM durch die Partner des Bundesmantelvertrages erfolgen dürfen, nicht vorliegt. Eine solche ausnahmsweise Regelungskompetenz muss auf besondere einzelne Konstellationen beschränkt bleiben (so auch Engelhard in: Hauck/Noftz, SGB, 09/13, § 87 SGB V, Rn. 52). Eine besondere Konstellation in diesem Sinne ist hier jedoch ersichtlich nicht vorhanden, wie in dem angefochtenen Urteil richtig dargelegt wird; hierauf wird verwiesen.
Aus der Unwirksamkeit des Beschlusses der Partner des Bundesmantelvertrages vom 6. Dezember 2005 folgt, dass das Honorar der Klägerin – soweit zukünftig keine andere (zulässige) Regelung durch den Bewertungsausschuss erfolgt – nach den Gebührenordnungspositionen des Abschnitts 32.3.13 und somit ohne Unterwerfung unter das RLV zu berechnen ist. Die Gewährung einer Sonderregelung zum RLV ist insofern hinfällig.
Nur vorsorglich und ergänzend weist der Senat darauf hin, dass – ginge man von der Wirksamkeit des obigen Beschlusses und damit der Geltung des RLV für die klägerischen Leistungen aus – die Sonderregelung in dem Umfang, in dem die Beklagte sie gewährt hat, nicht zu beanstanden ist.
Nach der Vereinbarung zwischen der Kassenärztlichen Vereinigung Hessen und den Verbänden der Krankenkassen zur Honorarverteilung für die Quartale II/05 bis IV/05, bekannt gemacht als Anlage 2 zum Landesrundschreiben/Bekanntmachung vom 10. November 2005 (HVV) - der hinsichtlich der hier maßgeblichen Regelungen auch in den nachfolgenden Zeiträumen bis einschließlich Quartal I/07 unverändert fortgalt - sind nach § 6.3 praxisindividuelle Regelleistungsvolumen zu bilden, sofern eine Praxis den dort genannten Honorar(unter)gruppen angehörte und für die in der Praxis vertretenen Arztgruppen gemäß Anlage zu § 6.3 HVV arztgruppenspezifische Fallpunktzahlen benannt waren. Für die Quartale II/07 bis IV/07 bestand mit § 5 Abs. 3 der Vereinbarung der Kassenärztlichen Vereinigung Hessen mit den Krankenkassen (in der Fassung der Entscheidung des Landesschiedsamts für die vertragsärztliche Versorgung in Hessen vom 1. November 2007) eine § 6.3 HVV entsprechende Regelung.
Als fachärztlich tätige Ärztin für Humangenetik gehörte die Klägerin einer Honorargruppe an, für die gemäß § 6. 3 HVV bzw. § 5 Abs. 3 HVV i.V.m. Anlage 1 des HVV Regelleistungsvolumen zu bilden waren. Dementsprechend hat die Beklagte der Klägerin für die streitigen Quartale auch jeweils ein RLV zugewiesen.
Rechtsgrundlage für eine Sonderregelung ist § 6.3 letzter Absatz HVV (für die Quartale II/06 bis I/07) bzw. § 5 Abs. 3d HVV (für die Quartale II/07 bis IV/07). Danach ist der Vorstand der Beklagten ermächtigt, aus Gründen der Sicherstellung der ärztlichen Versorgung praxisbezogene Änderungen an den arztgruppenspezifischen Fallpunktzahlen gemäß den entsprechenden Anlagen zum jeweiligen HVV vorzunehmen.
Für die Sicherstellung der ärztlichen Versorgung sind die Bewertung der vertragsärztlichen Versorgung in einem regionalen Bereich sowie die Feststellung von quantitativen und/oder qualitativen Versorgungsdefiziten von maßgeblicher Bedeutung. Dabei ist eine Vielzahl von Faktoren zu berücksichtigen (z. B. Anzahl und Leistungsangebot der niedergelassenen und ermächtigten Ärzte, Bevölkerungs- und Mobilitätsstruktur, Umfang und räumliche Verteilung der Nachfrage aufgrund der vorhandenen Verkehrsverbindungen). Diese Aspekte sind in gleicher Weise bei der Frage von Bedeutung, ob die ärztliche Versorgung ausreichend sichergestellt ist. Der Beklagten steht bei der Gewichtung dieser Kriterien ein Beurteilungsspielraum zu. Von einer Sicherstellung der ärztlichen Versorgung kann nach der Rechtsprechung des erkennenden Senats dabei nur ausgegangen werden, wenn es für die Versicherten unter Berücksichtigung der festgestellten Nachfrage nach den streitgegenständlichen Leistungen entweder im Planungsbereich selbst oder zumindest in den unmittelbar angrenzenden Planungsbereichen eine in zumutbarer Zeit erreichbare ausreichende Zahl von Behandlern gibt, die in der Lage wären, die notwendige Versorgung zeitnah sicherzustellen (vgl. HLSG, Urteile des erkennenden Senats vom 17. März 2010, L 4 KA 25/08, L 4 KA 28/08, L 4 KA 29/08; Urteil vom 11. August 2008, L 4 KA 52/08). Zu den Voraussetzungen eines Sicherstellungsbedarfs bei Vertragsärzten, die spezielle Leistungen anbieten, wird auf das Urteil des BSG vom 29. Juni 2011, B 6 KA 17/10 R, juris Rn. 19 ff. Bezug genommen.
Darüber hinaus ist bei einer Verneinung der Sicherstellungsproblematik das Begehren auf Sonderregelung zum Regelleistungsvolumen auch unter Härtefallgesichtspunkten zu prüfen, obwohl die Vorschriften keine solche Voraussetzung nennen. Denn wie das Bundessozialgericht bereits zutreffend entschieden hat (BSG, Urteil vom 29. Juni 2011 B 6 KA 17/10 R –, juris, Rn. 29), ist auch und gerade bei einem Honorarsystem, das sich in seinen Grundlagen am Durchschnitt orientiert und damit zwangsläufig Unterschiede einebnet, zu berücksichtigen, dass in besonderen Einzelfällen Härtesituationen entstehen können. Gleichwohl sind die Voraussetzungen für die Annahme eines Härtefalles eng zu ziehen, weil der HVV bereits Regelungen vorsieht, durch die sowohl besondere Versorgungsstrukturen und auch existenzbedrohende Honorarminderungen berücksichtigt werden. Ein Härtefall kann folglich bloß noch im seltenen Ausnahmefall in Betracht kommen, wenn trotz dieser Mechanismen im HVV durch Umstände, die der Vertragsarzt nicht zu vertreten hat, ein unabweisbarer Stützungsbedarf entsteht, also sowohl die wirtschaftliche Existenz der Praxis gefährdet ist als auch ein spezifischer Sicherstellungsbedarf gegeben ist (vgl. BSG, Urteil vom 8. Februar 2006 - B 6 KA 25/05 R - juris, Rn. 40; Beschlüsse vom 28. Oktober 2009 B 6 KA 50/08 B - juris, Rn. 11 und vom 8. Dezember 2010 - B 6 KA 32/10 B - Rn. 17 f). Im Übrigen könnten allenfalls noch gravierende Verwerfungen der regionalen Versorgungsstruktur zur Anerkennung einer Härte führen (vgl. BSG, Urteil vom 9. Dezember 2004 - B 6 KA 44/03 R -, juris, Rn. 148 f).
Hinsichtlich der Frage, in welchem Umfang sie dem Arzt eine Sonderregelung einräumt, steht der Beklagten Ermessen zu, das gemäß § 54 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) nur einer eingeschränkten gerichtlichen Prüfung zugänglich ist. Festzustellen hat das Gericht insoweit insbesondere, ob die Behörde von einem vollständig ermittelten Sachverhalt ausgegangen ist und sich von sachgerechten Erwägungen hat leiten lassen; dabei ist es auf die im Verwaltungsakt mitgeteilten Ermessenserwägungen beschränkt (vgl. z. B. BSG, Urteil vom 3. September 1987 - 6 RKa 30/86 -, juris, Rn. 27; BSG, Urteil vom 6. November 2002 - B 6 KA 9/02 R -, juris, Rn. 23).
Diese Vorgaben hat die Beklagte bei ihren Entscheidungen beachtet.
Für die Quartale II/06 bis IV/06 und IV/07 kann die Klägerin schon deswegen keine weitergehende Sonderregelung mehr erhalten, weil sie durch die bereits gewährten Sonderregelungen das RLV nicht mehr überschreitet, also im Rahmen der § 6.3 HVV bzw. des § 5 Abs. 3d HVV gar nicht mehr weitergehend begünstigt werden kann.
Auch die für die übrigen streitgegenständlichen Quartale (I/07 bis III/07) zuerkannten Sonderregelungen sind rechtmäßig. Die Beklagte hat die Gewährung zutreffend mit Sicherstellungsaspekten im Hinblick auf die besondere Spezialisierung der Klägerin begründet und in allen drei Quartalen die für die Humangenetiker einschlägigen altersspezifischen Fallzahlen zugunsten der Klägerin um das 8-fache erhöht. Durch diese umfassende Erhöhung sind nur noch relativ geringfügige Überschreitungen des RLV in den entsprechenden Quartalen verblieben (I/07: 2,2 %, II/07: 5,5 %, III/07: 2,4 %). Für eine fehlerhafte Ermessensausübung ist insoweit nichts ersichtlich.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG in Verbindung mit § 154 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).
Die Revision war nach § 160 Abs. 1, 2 Nr. 1 SGG wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zuzulassen.
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