L 4 AS 241/12

Land
Hamburg
Sozialgericht
LSG Hamburg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
4
1. Instanz
SG Hamburg (HAM)
Aktenzeichen
S 25 AS 2711/08
Datum
2. Instanz
LSG Hamburg
Aktenzeichen
L 4 AS 241/12
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung des Beklagten werden die Urteile des Sozialgerichts Hamburg vom 19. April 2012 aufgehoben und die Klagen abgewiesen. Die Kosten des Verfahrens hat die Klägerin zu tragen. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Klägerin ist eine gemeinnützige Gesellschaft, die als Beschäftigungsträgerin Arbeitsgelegenheiten für Leistungsberechtigte nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) bereitstellt.

Im Rahmen von Interessenbekundungsverfahren forderte die Beklagte öffentlich zur Abgabe von Projektvorschlägen für die Durchführung von Maßnahmen nach § 16 Abs. 3 SGB II a.F. bzw. § 16 d SGB II auf.

Im Verfahren, welches jetzt das Berufungsverfahren L 4 AS 241/12 bildet, legte die Klägerin, wie andere konkurrierende Beschäftigungsträger auch, einen Projektvorschlag zu Arbeits-gelegenheiten in den Einsatzfeldern "Sozialer Service – gesunde Ernährung in Schulen" und "Sauberkeit der Stadt/Schulhofverschönerung" vor. Die Auswahlkommission des Beklagten berücksichtigte die Klägerin mit 175 Plätzen bei einer Fallpauschale von monatlich 350 EUR und forderte sie auf, einen verbindlichen Förderungsantrag zu stellen. Auf den Antrag vom 30. April 2008 hin bewilligte der Beklagte der Klägerin mit Bescheid vom 29. Mai 2008 Förderleistungen zur Schaffung von Aktivjobs ("Integrationsphase Regieplätze") für den Zeitraum vom 1. Juli 2008 bis 28. Februar 2009 mit Verlängerungsoption (175 Teilnahmeplätze). In der Begründung des Bescheides heißt es, förderfähig seien nur besetzte Teilnahmeplätze und tatsächlich geleistete Beschäftigungsstunden; unbesetzte Plätze würden nicht gefördert.

Im Verfahren, welches jetzt das Berufungsverfahren L 4 AS 250/12 bildet, legte die Klägerin in entsprechender Weise einen Projektvorschlag "Schulversorgung – Gesunde Ernährung – Migrantinnen" vor. Mit Bescheid vom 29. Oktober 2009 bewilligte der Beklagte der Klägerin Förderleistungen für 30 Teilnahmeplätze ("Integrationsphase Regieplätze für Migranten") im Zeitraum vom 1. Januar 2010 bis 31. Dezember 2010. In der Begründung heißt es wiederum, förderungsfähig seien nur besetzte Plätze. Der Beschäftigungsträger habe in eigener Verantwortung die Stellenprofile inhaltlich und räumlich an die Nachfrage so anzupassen, dass die Möglichkeit der Besetzung bis zur vollständigen Auslastung des Budgets bestehe.

Im Verfahren, welches jetzt das Berufungsverfahren L 4 AS 253/12 bildet, ging es wiederum um einen Projektvorschlag "Schulversorgung – Gesunde Ernährung" mit 100 Teilnehmerplätzen für die Zeit vom 1. Januar 2010 bis 31. Dezember 2010. Mit Bescheid vom 29. Oktober 2009 bewilligte der Beklagte der Klägerin Förderleistungen zur Schaffung von Arbeits-gelegenheiten für 100 Teilnehmer ("Integrationsphase Regieplätze mit Stadtteilbezug im Bezirk W., Projekt: Schulversorgung – gesunde Ernährung"), wiederum unter Hinweis darauf, dass förderfähig nur besetzte Plätze seien.

Die Klägerin erhob jeweils Widerspruch wegen der Einschränkung, dass nur besetzte Plätze gefördert würden. Mit Widerspruchsbescheiden vom 22. September 2008 bzw. vom 15. Februar 2011 wies der Beklagte die Widersprüche jeweils zurück.

Gegen den ihr am 24. September 2008 zugestellt Widerspruchsbescheid vom 22. September 2008 hat die Klägerin am 17. Oktober 2008 vor dem Sozialgericht Hamburg Klage erhoben (Verfahren S 25 AS 2711/08), desgleichen am 16. bzw. 17. März 2011 gegen die ihr am 17. Februar 2011 zugestellten Widerspruchsbescheide vom 15. Februar 2011 (Verfahren S 25 AS 948/11 und S 25 AS 963/11).

Die Klägerin hat die fraglichen Maßnahmen jeweils durchgeführt. Dabei waren nicht alle Plätze ausgelastet. Mit Schlussbescheiden vom 4. Juni 2010 und vom 15. Februar 2013 rechnete der Beklagte gegenüber der Klägerin die gewährte Förderung jeweils betragsmäßig ab. Gegen diese mit Rechtsmittelbelehrung versehenen Abrechnungsbescheide hat die Klägerin Widerspruch nicht eingelegt.

Mit Urteilen vom 19. April 2012 hat das Sozialgericht den Beklagten unter Abänderung der entgegenstehenden Bescheide jeweils verurteilt, die Klägerin unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden. In den Entscheidungsgründen heißt es jeweils, die Bewilligungsbescheide in Form der Widerspruchsbescheide seien rechtswidrig, weil der Beklagte von dem ihm eingeräumten Ermessen nicht in einer dem Zweck der Ermächtigung entsprechenden Weise Gebrauch gemacht habe. Eine Vereinbarung, wie sie in § 17 Abs. 2 SGB II vorgesehen sei, fehle. Gewähre der Leistungsträger – wie hier – Förderungen durch Verwaltungsakt, habe er die im Gesetz angelegte Aufgabenverteilung zwischen ihm und dem Maßnahmeträger zu beachten. Dies sei hier nicht geschehen. Vielmehr habe der Beklagte der Klägerin mit der Entscheidung, bei gleichbleibenden Fixkosten nur besetzte Plätze zu fördern, ein unangemessenes Risiko aufgebürdet. Dieses Risiko sei nicht durch flankierende Maßnahmen wie z.B. Doppelbelegungs- und Nachhaltigkeitsprämien kompensiert.

Die Urteile des Sozialgerichts sind dem Beklagten am 18. Juni 2012 (Verfahren S 35 AS 2711/08), am 27. Juni 2012 (Verfahren S 25 AS 963/11) und am 9. Juli 2012 (Verfahren S 25 AS 948/11) zugestellt worden. Am 18. Juli 2012 (Verfahren S 25 AS 2711/08) und am 27. Juli 2012 hat der Beklagte jeweils Berufung eingelegt.

Der Beklagte hält die Klagen für unzulässig, nachdem die Schlussabrechnungen von der Klägerin nicht angefochten wurden. Im Übrigen greift er die Urteile auch in ihrer materiellen Begründung an.

Der Beklagte beantragt jeweils,

das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 19. April 2012 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt jeweils,

die Berufung des Beklagten zurückzuweisen.

Die Klägerin verteidigt die angefochtenen Urteile des Sozialgerichts. Die Klagen seien auch nicht aufgrund der Unanfechtbarkeit der Schlussabrechnung unzulässig (geworden). Die Schlussbescheide beträfen lediglich die Abrechnungen auf der Basis der angefochtenen Bewilligungsbescheide. Sie enthielten keine neue Regelung, sondern setzten nur rechne¬risch um, was an besetzten Plätzen gemeldet worden sei. Die streitige Frage, ob nur besetzte Plätze förderungsfähig seien, werde durch die Schlussbescheide nicht noch einmal geregelt. Daher hätten diese auch nicht angefochten werden müssen. Es habe kein Anlass bestanden, dass reine Rechenwerk anzugreifen, da der Ausgangspunkt der Berechnung bereits durch die Rechtsmittel gegen die grundlegenden Bewilligungsbescheide angegriffen worden sei. Man könne die Schlussbescheide daher nicht mit einem Bescheid gleichsetzen, der nach Erlass eines vorläufigen Bescheides eine endgültige Regelung treffe. Schließlich verweist die Klägerin darauf, dass die Schlussbescheide vom 15. Februar 2013 nach § 44 SGB X überprüft werden sollen.

Der Senat hat die drei Berufungsverfahren zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden.

Die Sachakten des Beklagten haben vorgelegen. Auf ihren sowie den Inhalt der Prozessakten wird wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhalts ergänzend Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung des Beklagten ist nach den Vorschriften des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) jeweils zulässig.

Die Berufungen sind auch begründet, denn die von der Klägerin erhobenen Bescheidungsklagen sind – sofern sich die nicht durch ein Fortsetzungsfeststellungsbegehren ersetzten Bescheidungsanträge nicht ohnehin mit Ablauf der Förderzeiträume erledigt haben (vgl. Beschluss des Senats vom 18.11.2013, L 4 AS 347/10) – hier jedenfalls mit Unanfechtbarkeit der Schlussabrechnungsbescheide unzulässig (geworden). Es handelt sich bei diesen Bescheiden um Verwaltungsakte im Sinne von § 31 Satz 1 SGB X, die aufgrund der von der Klägerin jeweils vorgelegten nachträglichen Abrechnung der Maßnahme nach Prüfung der verschiedenen Berechnungskriterien eine eigenständige Regelung ("Gesamtabrechnung") über den Förderungsanspruch nicht nur anhand der monatlichen Trägerpauschale pro besetztem Teilnehmerplatz, sondern ggf. auch unter Berücksichtigung von Mehraufwandsentschädigungen, Doppelbelegungs- und Nachhaltigkeitsprämien enthalten. Dass sie das rechtliche Schicksal der ursprünglichen Bewilligungsbescheide nicht berührten, vermag der Senat daher nicht zu sehen. Vielmehr hält er an seiner Auffassung fest, dass der Beschäftigungsträger mit Bestandskraft des Schlussbescheides keine weiteren Vergütungsansprüche und damit auch nicht eine Neubescheidung des Förderantrages mehr geltend machen kann (Beschluss vom 18.11.2013, a.a.O.). Er sieht sich bestätigt durch die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts. Dieses hat bei einer vergleichbaren (und früher umstrittenen) Konstellation im Kassenarztrecht nunmehr festgestellt, dass für die gerichtliche Klärung von gesonderten Feststellungen, Teilelementen und Vorfragen zur Bestimmung eines Honorars nur dann und solange Raum ist, als die jeweiligen Abrechnungsbescheide noch nicht bestandskräftig sind. Das gelte auch dann, wenn entsprechende Feststellungen durch gesonderten Verwaltungsakt erfolgt sind (BSG, Urteil vom 15.8.2012, B 6 KA 38/11 R). Nicht anders verhält es sich hier.

Unerheblich ist, dass die Klägerin eine Überprüfung der Schlussabrechnungsbescheide vom 15. Februar 2013 nach § 44 SGB X betreibt. Einer Berücksichtigung von § 44 Abs. 1 SGB X im vorliegenden Verfahren steht nicht nur entgegen, dass es eine der Klägerin günstige Entscheidung nach dieser Vorschrift noch gar nicht gibt, sondern auch der Umstand, dass es sich bei der hier fraglichen Förderung nicht um eine Sozialleistung im Sinne von § 44 Abs. 1 SGB X handeln dürfte (vgl. § 11 SGB I).

Auf die Berufung des Beklagten waren die Klagen daher jeweils als unzulässig abzuweisen.

Im Übrigen gestattet der Senat sich den Hinweis, dass ohnehin die Konkurrenzsituation der verschiedenen Maßnahmeträger im Zusammenhang mit der Bewilligung der Förderleistungen wohl nicht unberücksichtigt bleiben dürfte. Selbst wenn im ausschließlichen Verhältnis des Beklagten zu der Klägerin eine unangemessene Risikoverteilung diskutiert werden mag, so kann doch nicht daran vorbei gesehen werden, dass konkurrierende Träger durch das Verfahren des Beklagten möglicherweise noch stärker belastet worden sind, indem sie etwa im Hinblick auf die publik gemachten Förderkonditionen von vornherein von der Abgabe eines Projektvorschlages abgesehen haben oder jedenfalls gegenüber der Klägerin benachteiligt wurden, weil sie die hier monierten Risiken von vornherein in ihr Angebot schon eingerechnet haben und daher zurückgesetzt worden sind. Damit dürfte sich nicht ohne weiteres vereinbaren lassen, dass die Klägerin als bereits gegenüber ihren Konkurrenten Begünstigte gegenüber dem Beklagten die Konditionen noch weiter zu verbessern versucht.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 SGG.

Ein Grund, gemäß § 160 Abs. 2 SGG die Revision zuzulassen, ist nicht gegeben.
Rechtskraft
Aus
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