L 9 R 1807/13

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
9
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 8 R 4233/11
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 9 R 1807/13
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stuttgart vom 19. März 2013 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten

Tatbestand:

Der Kläger begehrt die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung.

Der 1958 geborene Kläger hat keine Ausbildung abgeschlossen, absolvierte eine 5-monatige Umschulung zum Schweißer und war zuletzt bis November 2001 als ungelernter Arbeiter in einer Stanzerei versicherungspflichtig beschäftigt. Seit Dezember 2001 ist er arbeitsunfähig krank oder bezieht Leistungen der Arbeitslosenversicherung (derzeit Arbeitslosengeld II). Er ist seit 01.03.2005 als schwerbehinderter Mensch mit einem Grad der Behinderung von 100 anerkannt (Bescheid des Landratsamtes B. vom 08.11.2006).

Mit den Bescheiden vom 13.09.2002, 30.04.2005 und 13.06.2005 gewährte die Beklagte dem Kläger eine Rente wegen voller Erwerbsminderung auf Zeit für den Zeitraum vom 01.06.2002 bis 31.08.2005. Grundlage hierfür waren die nervenärztlichen Gutachten des Dr. R. (Diagnosen: mittelgradige depressive Episode, Anpassungsstörung und Ellenbogengelenksarthrose rechts nach Luxartionsfraktur 1980) und des Dr. W. vom 21.04.2004 (Diagnosen: neurotische Depression mit zusätzlichen dissoziativen Störungen, vermeidende Persönlichkeitsstörung, somatoforme Schmerzstörung).

Seinen Antrag auf Weitergewährung der Rente lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 03.08.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16.11.2005 unter Berücksichtigung eines Gutachtens von Dr. S. und eines Entlassungsberichtes der Klinik am S., B. N., über eine stationäre medizinische Rehabilitationsmaßnahme im Juni 2005 ab. Das Sozialgericht Stuttgart (SG – S 9 R 8059/05 –) wies die daraufhin erhobene Klage mit Urteil vom 19.04.2007 nach Einholung eines nervenärztlichen Gutachtens von Dr. H., Klinik am W. W., ab. Das anschließende Berufungsverfahren vor dem Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg (L 11 R 3224/07) blieb ohne Erfolg (Urteil vom 06.05.2008).

Ebenso ohne Erfolg blieb der Antrag des Klägers auf die Gewährung einer weiteren Maßnahme zur medizinischen Rehabilitation. Diesen lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 10.10.2007 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24.09.2008 ab. Die Klage (S 3 R 6844/08) wurde ab-, die Berufung (L 11 R 3586/09) hiergegen zurückgewiesen; die Nichtzulassungsbeschwerde zum Bundessozialgericht (BSG) verworfen (Beschluss vom 20.12.2010 –B 13 R 357/10 B –). Das SG und das LSG waren davon überzeugt, dass der Kläger nicht rehabilitationsfähig sei, weil ein Erfolg einer Rehabilitationsbehandlung mangels Motivation des Klägers nicht erwartet werden könne. Am 08.02.2011 beantragte der Kläger erneut die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung. Die Beklagte lehnte diesen Antrag mit Bescheid vom 21.04.2011 unter Berücksichtigung eines Gutachtens des Facharztes für Neurologie und Psychiatrie B. vom 11.04.2011 nach einer Untersuchung des Klägers vom 05.04.2011 ab. Der Gutachter gab folgende Diagnosen an: Hinweise für Angsterkrankung mit angegebenem, jedoch nicht umfänglich nachvollziehbarem Vermeidungsverhalten, nach heutiger Einschätzung nicht quantitativ leistungsrelevant, Dysthymia, kein Hinweis auf höhergradige depressive Störung, Zustand nach Ellenbogenverletzung rechts (Luxationsfraktur), Zustand nach Arbeitsunfall rechte Hand, insgesamt ohne quantitative Leistungsrelevanz, keine nennenswerte Einschränkung der Gebrauchsfähigkeit der rechten Hand. Darüber hinaus bestehe ein Zustand nach Appendektomie, ein Asthma bronchiale ohne klinische Dekompensationszeichen, gastrointestinale Beschwerden, eine arterielle Hypertonie, eine Hörgeräteversorgung beidseits ohne Einschränkungen für die Umgangssprache und eine Presbyopie. Unter Berücksichtigung näher ausgeführter qualitativer Leistungseinschränkungen sei der Kläger in der Lage, leichte bis mittelschwere Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt sechs Stunden und mehr täglich auszuüben. Den hiergegen erhobenen Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 20.07.2011 zurück.

Hiergegen hat der Kläger am 21.07.2011 Klage zum SG erhoben. Das SG hat zunächst Dr. R., als sachverständigen Zeugen gehört, der unter dem 09.01.2012 mitgeteilt hat, den Kläger zuletzt am 12.08.2011 gesehen zu haben. Er habe sich wieder doch recht auffällig verhalten, sei abweisend gewesen, er habe seine Ehefrau für ihn sprechen lassen, weil er sich hierzu außerstande gesehen habe. Er könne nicht alleine bleiben, habe Angst, es müsse jemand dabei sein, ihn begleiten. Er sei im Verhalten pessimistisch, resignativ, in seinen Ansichten festgelegt gewesen. Er habe sich körperlich und seelisch beeinträchtigt gefühlt. Als zeitweilig behandelnder Arzt könne er insofern Stellung nehmen, als er den Patienten immer als schwer persönlichkeitsverändert erlebt habe. Er fühle sich in sozialer und beruflicher Hinsicht beeinträchtigt, sei von seinem subjektivem Leiden überzeugt, es habe sich eine Abhängigkeits- und Anspruchshaltung entwickelt. Er sei passiv und zeige ein vermindertes Interesse an Freizeitbeschäftigungen und beruflichen Tätigkeiten. Er sei ständig klagsam und habe eine dysphorisch, labile und gereizte Stimmung. Er fühle sich nicht in der Lage, irgendeine Tätigkeit auszuüben. Wie viele Stunden der Kläger mit betriebsüblichen Pausen arbeiten könne, müsse durch ein Gutachten geklärt werden.

Der Kläger hat eine gutachterliche Stellungnahme des Dr. L. vom 11.01.2012 vorgelegt. Er hat die Auffassung vertreten, dass der Kläger aus fachärztlicher Sicht absolut erwerbsunfähig sei. Die Fähigkeit, einer selbstständigen Erwerbstätigkeit in seinem alten Beruf nachzugehen, aber auch eine leichtere Tätigkeit wahrzunehmen, bestehe nicht. Ferner hat der Kläger ärztliche Bescheinigungen des Facharztes für Allgemeinmedizin Dr. S. vom 09.03.2012 und 19.03.2012 vorgelegt, wonach bei dem Kläger eine chronische Angst- und depressive Störung gemischt seit 2000, eine chronische Somatisierungsstörung, eine chronische Anpassungsstörung, eine chronische hypochondrische Persönlichkeitsstörung, eine chronische PHS beidseits, ein Zustand nach Ellenbogenfraktur rechts mit Teilversteifung und Zustand nach Metacarpale 5-Fraktur rechts 1999 sowie eine mittelgradige Innenohrschwerhörigkeit beidseits bestehe.

In dem daraufhin vom SG in Auftrag gegebenen nervenärztlichen Gutachten des Dr. B., B. D., vom 10.12.2012 hat dieser ausgeführt, dass bei dem Kläger am ehesten von einer kombinierten Persönlichkeitsstörung mit narzisstischen und regressiven Erlebens- und Verhaltensweisen auszugehen sei. Nebenbefundlich lasse sich eine Angst- und depressive Störung gemischt rechtfertigen. Die Kriterien für eine generalisierte Angststörung oder Panikstörung im engeren Sinne oder eine depressive Störung ergäben sich nicht. Der Kläger falle durch ein ausgeprägtes Vermeidungs- und Tendenzverhalten bei zusätzlicher Aggravationsneigung auf. Dies werde auch durch die ausführliche psychologische Testung bestätigt. Es würden vom Betroffenen zwar massivste Konzentrations- und Aufmerksamkeitsstörungen beklagt, diese seien jedoch im Gesprächsverlauf, insbesondere bei Themen, wo sich der Kläger unmittelbar betroffen sehe, nicht nachweisbar. Des Weiteren falle die deutliche Neigung des Betroffenen auf, Verantwortung und Entscheidungskompetenz an Dritte abzugeben, so berichte über weite Strecken seine Ehefrau über die Anamnese, werde jedoch vom Betroffenen, der von der Stimmung her über weite Strecken moros und abweisend wirke, korrigiert. Psychische Symptome würden recht präzise vom Betroffenen aufgezählt, jedoch überraschenderweise mit sehr wenig affektiver Beteiligung. Diese affektive Beteiligung sei jedoch deutlich spürbar, wenn der Kläger mit unangenehmen Sachverhalten konfrontiert werde und vom Unterzeichner sowie dem türkischsprachigen Gesprächstherapeuten auf Ressourcen und Möglichkeiten hingewiesen werde. Diese Aufgabendelegation werde vom Betroffenen stellenweise in aggressiver Weise abgewehrt, wobei immer wieder die eigenen Unzulänglichkeiten und Unfähigkeiten betont würden. Diese seien so durchgehend vorhanden, dass - wenn man die Schilderungen des Betroffenen wörtlich nehme - nicht nachzuvollziehen sei, weshalb es überhaupt gelang, an diesem Termin teilzunehmen. Der Betroffene beschreibe, dass er weder aus dem Haus gehen könne, noch in der Lage sei, alleine zu sein. Diese Aussagen widersprächen sich jedoch mit der Schilderung der Tätigkeiten im Alltag, wo durchaus laut Anamnese Ausflüge und Urlaube unternommen werden können. Er halte den Kläger in Anbetracht der vorliegenden psychiatrischen Störung, des bisherigen Krankheitsverlaufes und der Würdigung der Gesamtpersönlichkeit für in der Lage, auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt leichte bis mittelschwere Tätigkeiten mindestens sechs Stunden täglich durchzuführen. Leistungseinschränkungen bestünden hinsichtlich Zeitdruck, Umstellungsvermögen, Konzentration und Aufmerksamkeit sowie Tätigkeit mit Publikumsverkehr sowie das Arbeiten in Wechselschichten. Hinsichtlich der Wegefähigkeit bestünden keine Einschränkungen, weil sich der Kläger durchaus gut beweglich und mobil gezeigt habe, ohne Hinweis auf Gehstörungen oder anderweitige motorische Defizite. Einschränkungen bestünden zudem hinsichtlich der Beweglichkeit im Ellenbogengelenk. Er wies darauf hin, dass es wichtig sei, ein Nichtwollen von einem Nichtkönnen dezidiert zu unterscheiden und entsprechend zu begründen.

Mit Gerichtsbescheid vom 19.03.2013 hat das SG die Klage abgewiesen und sich hierbei maßgebend auf das nervenärztliche Gutachten von Dr. B. gestützt. Außerdem hat es ausführlich begründet, weshalb es der Auffassung des Dr. L. und des behandelnden Hausarztes Dr. S. nicht gefolgt ist und weshalb sich aus den Berichten des Dr. R. keine andere Beurteilung ergibt. Gleiches gelte zudem für das vorliegende Gutachten des Dr. L. für die Agentur für Arbeit S., welches am 05.04.2011 von einer Leistungsfähigkeit von weniger als drei Stunden für die Dauer von bis zu sechs Monaten ausgegangen war. Schließlich hat es ausführlich begründet, dass der Kläger auch keinen Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit habe, weil er als angelernter Arbeiter auf sämtliche ungelernten Tätigkeiten verweisbar sei.

Gegen den ihm am 03.04.2013 zugestellten Gerichtsbescheid hat die Bevollmächtigte des Klägers am 24.04.2013 Berufung eingelegt und geltend gemacht, dass dem Gutachten von Dr. B. nicht gefolgt werden könne. Sie verwies auf die den Kläger behandelnden Ärzte, die ihn seit Jahren begleiteten und erlebten und die zu einer vollständig anderen Bewertung des Falles kämen. Hierzu hat der Kläger weitere ärztliche Atteste des Dr. S. vom 03.07.2012 und 12.04.2013 vorgelegt, in welchem dieser an der bislang vertretenen Auffassung festgehalten hat. Ferner hat er die gutachterliche Stellungnahme des Dr. L. vom 07.08.2013 vorgelegt, der mitgeteilt hat, dass sich an seiner Einschätzung auch zwischenzeitlich nichts geändert habe. Ihm sei unbegreiflich, wie der letzte Gutachter auch nur im Entferntesten an eine berufliche Tätigkeit von sechs Stunden habe denken können. In diesem Zusammenhang müsse er die Rentenversicherung auf die Tatsache hinweisen, dass das Versorgungsamt bei dem Patienten eine Schwerbehinderung von 100 % anerkannt habe und gleichzeitig die Buchstaben "B" und "G" ausgesprochen habe. Hinzu komme, dass dem Patienten die Pflegestufe 1 zugesprochen worden sei.

Der Kläger beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stuttgart vom 19. März 2013 sowie den Bescheid der Beklagten vom 21. April 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20. Juli 2011 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm seit Antragstellung am 8. Februar 2011 Rente wegen voller, hilfsweise wegen teilweiser Erwerbsminderung zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Mit Beschluss vom 03.12.2013 hat der Senat den Antrag des Klägers auf Gewährung von Prozesskostenhilfe abgelehnt und hierzu ausgeführt, dass eine hinreichende Aussicht auf Erfolg nicht bestehe. Die Bevollmächtigten des Klägers haben hierauf mitgeteilt, dass das Mandat beendet sei (Schreiben vom 29.12.2013).

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die beigezogene Akte der Beklagten sowie auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die gemäß §§ 143, 144, 151 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässige Berufung des Klägers ist nicht begründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Kläger wird hierdurch nicht in seinen Rechten verletzt.

Das SG hat in den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils zutreffend die rechtlichen Grundlagen für die hier vom Kläger beanspruchte Rente dargelegt und ebenso zutreffend ausgeführt, dass der Kläger die Voraussetzungen für eine solche Rente nicht erfüllt, weil er zumindest leichte Tätigkeiten mit qualitativen Einschränkungen noch vollschichtig ausüben kann und auch keinen besonderen Berufsschutz genießt. Der Senat schließt sich dem nach eigener Prüfung und unter Berücksichtigung des Vorbringens im Berufungsverfahren sowie der im Berufungsverfahren durchgeführten Ermittlungen uneingeschränkt an, sieht gemäß § 153 Abs. 2 SGG von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe weitgehend ab und weist die Berufung aus den Gründen des angefochtenen Urteils zurück.

Ergänzend ist zu den Einwendungen, die die damalige Bevollmächtigte des Klägers im Berufungsverfahren vorgebracht hat, auf Folgendes hinzuweisen:

Der Senat teilt nicht die Auffassung, das Gutachten des Dr. B. sei mangelhaft und deshalb nicht verwertbar. Das Gegenteil ist der Fall. Der Sachverständige hat in dem zusammen mit dem türkischsprechenden psychologischen Gesprächstherapeuten Dr. S. erstellten Gutachten die vorliegenden Krankheitsbilder ausführlich beleuchtet und die Diagnose einer kombinierten Persönlichkeitsstörung mit narzisstischen und passiven Anteilen gestellt sowie nebenbefundlich eine Angst- und depressive Störung gemischt angenommen, da diese nicht sicher ausgeschlossen werden konnte.

Unter Würdigung der vorliegenden Gutachten des Dr. H. im Verfahren vor dem SG S 9 R 8059/05, des Neurologen und Psychiaters B., das der Senat im Wege des Urkundenbeweises verwertet, sowie des Dr. B. hält der Senat eine Minderung der Erwerbsfähigkeit in einem rentenrechtlich relevanten Ausmaß nicht für nachgewiesen.

Eine Angsterkrankung, die nach den Angaben des Klägers bereits seit 2000 bestehen soll und für die weder eine Verschlimmerung ersichtlich ist noch eine solche vorgetragen wurde, war bereits Gegenstand richterlicher Würdigung durch das SG und das LSG in den Verfahren S 9 R 8059/05 und L 11 R 3224/07. Die im Wesentlichen schon damals vertretenen und bis heute unverändert gebliebenen Einschätzungen der behandelnden Ärzte Dr. S. und Dr. R. konnten schon in diesen Entscheidungen nicht überzeugen. Denn aufgrund des Gutachtens von Dr. H. vom 29.04.2006 stand fest, dass zum Zeitpunkt der Untersuchung und ab 01.09.2005 keine schwere Angsterkrankung und "selbst die Kriterien für das Vorliegen einer leichten depressiven Episode nicht erfüllt gewesen sind". Ausdrücklich war schon damals eine schwerwiegendere, auch zu einer belangvollen quantitativen Leistungseinschränkung führende psychische Erkrankung nicht feststellbar" (so LSG, Urteil vom 19.04.2007 – L 11 R 3224/07 –). An dieser Einschätzung ist nach wie vor festzuhalten, denn diese Einschätzung wird durch die überzeugenden Gutachten des Neurologen und Psychiaters B. und des Dr. B. erneut bestätigt. Schon bei der Untersuchung beim Neurologen und Psychiater B. am 05.04.2011 hat der Kläger seine Beschwerden ausgestaltet beschrieben; etwa dadurch, dass er in der Anamnese angegeben hat, er könne beispielsweise nicht in ferne Länder reisen und Urlaub machen, denn er brauche ein Krankenhaus in der Nähe. Deshalb ginge auch das Arbeiten nicht mehr. Im Rahmen der Befragung räumte der Kläger dann ein, zuletzt 2009 in der T. gewesen zu sein, auf die Aufforderung, den Reisepass vorzulegen, korrigierte er sich dann und gab an, dort zuletzt 2010 gewesen zu sein. Ferner berichtete er "mit Strahlen und Freude" über einen Besuch eines Tiergartens in der Nähe von K. am Sonntag vor der Begutachtung mit Ehefrau und Kindern, was sehr schön gewesen sei. Solche Ausflüge mache er gerne. Ähnliche Inkonsistenzen ließen sich auch während der Begutachtung durch Dr. B. feststellen, was das SG bereits ausführlich referiert hat. So hat er gegenüber Dr. B. und dem psychologischen Gesprächstherapeuten S. angegeben, kein Deutsch zu verstehen oder zu sprechen, obwohl ihm in den Voruntersuchungen gute Deutschkenntnisse bescheinigt worden waren (so auch vom Bevollmächtigten des Klägers im Verfahren L 11 R 3586/09, Schriftsatz vom 22.05.2010, Bl. 54 dieser Akte: "ich kann mich mit dem Kläger in der deutschen Sprache gut unterhalten. Er hat ein ausreichenden Wortschatz für die Umgangssprache"). Darüber hinaus war aufgrund der Anamneseerhebung nicht nachvollziehbar, dass der Kläger auf die Frage, worum es gehe und weshalb er hier sei, vorgab, dies nicht zu wissen. So hat er nach den Ausführungen des Gutachters nach Aufbau eines Vertrauensverhältnisses sowie nach Konfrontation mit der Begutachtungssituation sein regressives, abwehrendes Verhalten zunehmend aufgegeben und einen sehr lebhaften Antrieb bei gut ausgeprägter emotionaler Schwingungsfähigkeit gezeigt, wobei auch aggressiv akzentuierte Züge zum Vorschein kamen, insbesondere bei Konfrontation mit einem möglichen Rentenbegehren. Im Verlauf des Gespräches war sodann von Antriebsstörungen und regressiven Tendenzen nichts mehr zu spüren. Unter Berücksichtigung des erhobenen Befundes (wach, zu allen Qualitäten voll orientiert, Antrieb und Psychomotorik im Verlauf der Begutachtung normal bis gesteigert, formales Denken unbeeinträchtigt, inhaltlich auf ihn betreffende Themen eingeengt, Affekt nach anfänglich erheblicher depressiver Überlagerung im weiteren Verlauf ausreichend bis gut emotional moduliert und schwingfähig, stellenweise dysphorisch aggressive Durchbrüche, insbesondere bei Frustrationserleben, kein Anhalt für Ich-Störungen, Depersonalisations- oder Derealisationserleben, keine Wahrnehmungsstörungen, keine psychotischen Störungen im engeren Sinne, Kooperation und Rapport stark flukturierend, insgesamt jedoch ausreichend und kein Hinweis auf neuropsychologische Störung bei normalem Intelligenzniveau), sowie des testpsychologischen Ergebnisses, sind die Einlassungen von Dr. B. schlüssig und nachvollziehbar, dass eine rentenrechtlich belangvolle Erkrankung auf psychiatrischem Fachgebiet nicht zur vollen Überzeugung als nachgewiesen angesehen werden kann. Daran ändert auch nichts, dass die Konzentration und die Merkfähigkeit nur schwer prüfbar gewesen ist und der Kläger nach der Einschätzung des Sachverständigen wenig glaubhaft angegeben habe, sich überhaupt nichts merken zu können, und die Kooperation in diesem Punkt nicht ausreichend gewesen ist. Dies wird durch die testpsychologische Untersuchung gestützt, die im Rahmen der Selbsteinschätzung und unter Berücksichtigung des klinischen Eindrucks für Aggravation bzw. für ein nicht authentisches Beschwerdeverhalten sprach.

Dr. B. verkennt dabei auch nicht, dass in Anbetracht der Grundpersönlichkeit des Klägers, des langwierigen Krankheitsverlaufes und der bisherigen nahezu völligen Erfolglosigkeit aller therapeutischen Bemühungen mangels Compliance eine Leistungseinschätzung überaus schwierig ist. So wurden bisherige therapeutische Angebote vom Kläger regressiv abgewehrt, eine Rehabilitationsbehandlung nach fünf Tagen abgebrochen und bisherige ambulante nervenärztliche Kontakte vom Kläger derart instrumentalisiert, dass sie in erster Linie zur Arbeitsunfähigkeitsschreibung dienten. Aufgrund der bislang nicht erfolgten Psychotherapie konnten die durchaus als maligne zu bezeichnenden regressiven Tendenzen des Klägers weiter ausgebaut und ausgestaltet werden und dadurch ein nicht unerheblicher Krankheitsgewinn erreicht werden. Mit Dr. B. ist der Senat aber der Auffassung, dass auch unter Berücksichtigung dieser Umstände keine Erkrankung nachgewiesen ist, die eine rentenrechtlich bedeutsame Leistungsminderung für leichte bis mittelschwere Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt begründen könnte. Die Begutachtung hat vielmehr belegt, dass der Kläger über weit größere Ressourcen verfügt, als er vorgibt, zu haben. Dabei ist - worauf der Sachverständige mit Blick auf die vorliegenden Einschätzungen anderer hinweist - dezidiert zu unterscheiden, ob von einem Nicht-Können oder von einem Nicht-Wollen auszugehen ist, wobei dies entsprechend zu begründen ist. Der Senat ist angesichts oben gemachter Ausführungen und der Einschätzung des Sachverständigen Dr. B. nicht davon überzeugt, dass - unter einer zumutbaren und dem Kläger leistbaren Willensanspannung - hier ausreichende leichte bis mittelschwere Tätigkeiten in einem zeitlichen Umfang von sechs Stunden und mehr ausgeschlossen sind.

Nichts anderes ergibt sich durch die Beeinträchtigungen auf chirurgisch-orthopädischem Fachgebiet, die von Dr. S. mitgeteilt worden sind. Sie waren bereits in den Vorverfahren und Verwaltungsverfahren bekannt und wurden dort insbesondere im Gutachten des Neurologen und Psychiaters B. berücksichtigt. Der Zustand nach Ellenbogenfraktur besteht seit 1980 und hinderte den Kläger nicht, über viele Jahre erwerbstätig zu sein. Die Wirbelsäulenbeeinträchtigungen sind, wie sich dem Gutachten entnehmen lässt, für die Leistungsbeurteilung ohne Bedeutung. Im Übrigen kann auf die Beeinträchtigungen durch geeignete qualitative Leistungseinschränkungen, etwa beim Heben und Tragen schwerer Lasten, bei Überkopfarbeiten und bei Arbeiten unter Witterungseinflüssen angemessen eingegangen werden. Gleiches gilt für die Innenohrschwerhörigkeit, deren Folgen zudem durch die Verordnung eines Hörgeräts - so die Mitteilung des HNO-Arztes Dr. M. im Verwaltungsverfahren - gemindert sind. Insoweit scheiden höchstens Arbeiten mit erhöhten Anforderungen an das Gehör aus. Eine Verschlimmerung dieser oder das Auftreten weiterer Erkrankungen hat der Kläger im Verlauf des Verfahrens auch nicht geltend gemacht.

Das SG hat sich darüber hinaus ausführlich mit den dieser Einschätzung entgegenstehenden Äußerungen der behandelnden Ärzte Dr. L., Dr. S. und Dr. R. auseinandergesetzt und zutreffend entschieden, dass sich hieraus keine abweichende Beurteilung rechtfertigen lässt. Ebenso überzeugend und zutreffend hat es dargelegt, dass sich mit den sich aus den festgestellten psychiatrischen und orthopädischen Erkrankungen ergebenden und zu berücksichtigenden Einschränkungen keine spezifische Leistungseinschränkung oder eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen begründen lässt, weswegen die Beklagte auch nicht verpflichtet war, ausnahmsweise eine Verweisungstätigkeit zu benennen.

Schließlich sind auch die Ausführungen des SG zur Rente wegen teilweiser Erwerbsfähigkeit bei Berufsunfähigkeit nicht zu beanstanden, auf die nur der Vollständigkeit halber verwiesen wird, nachdem diese von der damaligen Bevollmächtigten des Klägers nicht mehr beantragt wurde.

Die Berufung war daher zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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