Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
9
1. Instanz
SG Mannheim (BWB)
Aktenzeichen
S 2 U 3591/11
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 9 U 1828/14
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 20. März 2014 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Gründe:
I.
Zwischen den Beteiligten ist die Gewährung einer Verletztenrente wegen der Folgen eines im Dezember 1976 erlittenen Arbeitsunfalls streitig.
Der 1961 geborene Kläger war ab Oktober 1975 als Auszubildender in der Bäckerei Z. in K. beschäftigt. Sein zuständiger Unfallversicherungsträger war die Berufsgenossenschaft N. und G., die Rechtsvorgängerin der Beklagten. Am 08.12.1976 erlitt er auf dem Weg zur Arbeit einen Unfall, als er bei Schneefall mit dem Rad auf einen geparkten Pkw auffuhr und dabei mit seinem Gesicht auf das Dach des Fahrzeugs aufschlug. Im Durchgangsarztbericht vom 08.12.1976 des Facharztes für Chirurgie Dr. P. sind als Diagnosen eine Commotio cerebri (Schädel-Hirn-Trauma), eine Nasenbeinfraktur, ein Zahnverlust I, II und III unten links, ein Einriss der Unterlippe, eine Platzwunde über der Nasenwurzel und eine Risswunde des rechten Unterschenkels angegeben.
In einem nervenfachärztlichen Befundbericht des Dr. G. vom 09.12.1976 ist zum neurologischen Befund u.a. ausgeführt, der Kopf des Klägers sei nach allen Seiten frei beweglich gewesen. Es habe keine besondere Druck- oder Klopfempfindlichkeit festgestellt werden können, außer im Bereich der Verletzungsstelle. Der Kläger habe als Beschwerden Kopfschmerzen angegeben. Als Diagnose wird eine retrograde Amnesie genannt.
In den beiden Folgejahren fanden bei dem Kläger eine Sanierung des Ober- und Unterkiefers sowie eine Septo-Rhinoplastik nach Septumdeviation statt. Anschließend erkrankte er an einer Myokarditis.
In den Folgejahren erlitt der Kläger weitere Arbeitsunfälle: Ab 1983 war er bei der Firma G. AG beschäftigt und bei der Berufsgenossenschaft der c. I. gesetzlich unfallversichert. Am 26.11.1984 verunfallte er auf dem Weg zur Arbeit und zog sich hierbei eine leichte Schädelprellung mit Platzwunde im Bereich des rechten Oberlides sowie der linken Unterlippe zu. Am 15.07.1997 stürzte der Kläger erneut auf dem Weg zur Arbeit mit seinem Fahrrad und erlitt hierbei eine Platzwunde am Kinn und Schürfwunden an den Extremitäten. Ein weiterer Arbeitsunfall ereignete sich am 02.08.2010, als der Kläger rückwärts mit dem Kopf auf einen Pfosten fiel und sich dabei eine Schädelprellung mit fraglicher Bewusstlosigkeit, Gehirnerschütterung, Schwindel, Kopfschmerzen, Doppelbildern und Ohrgeräuschen zuzog.
Am 22.01.1993 wurde der Kläger bei dem Orthopäden Dr. L. in E. wegen wiederkehrenden Spannungskopfschmerzen am Hinterhaupt vorstellig. Dr. L. stellte bei dem Kläger eine endphasig rigide Halswirbelsäulenbeweglichkeit ohne Bewegungseinschränkung fest. Als Diagnosen gab er chronisch wiederkehrende Cervicocephalgien, eine fragliche Subluxation C7/Th1 nach rechts, einen Zustand nach Halswirbelsäulenschleudertrauma und eine fragliche Verletzung des hinteren Längsbandes an. Am 13.04.1993 erfolgte bei dem Kläger eine Kernspintomographie des Bereichs der Halswirbelsäule (HWS). Im radiologischen Arztbericht des Dr. W. vom 13.04.1993 ist festgehalten, der Zwischenraum zwischen dem Dornfortsatz des C7 und des Th1 klaffe, was zu einer alten Ruptur der Bänder passe nach Angabe bei Zustand eines HWS-Traumas vor fünfzehn Jahren.
Seit 2011 bezieht der Kläger eine Erwerbsminderungsrente nach dem Sechsten Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI).
Bereits mit Schreiben vom 28.02.2007 hatte der Kläger bei der Rechtsvorgängerin der Beklagten einen Antrag auf Verschlechterung hinsichtlich des Unfalls vom 08.12.1976 gestellt und hierbei einen Rentenanspruch geltend gemacht. Dr. L. legte auf Aufforderung der Beklagten diverse Befundberichte vor, in denen als Diagnosen ein Cervikalsyndrom, degenerative Veränderungen der HWS, Cervicocephalgien und der Verdacht auf einen Bandscheibenvorfall der HWS angegeben werden. Dr. L. legte außerdem mit Schreiben vom 22.09.2008 dar, der Kläger stehe seit Jahren wegen therapieresistenter Cervicobrachialgien bei bekannten Bandscheibenprotrusionen in seiner Behandlung. Der Kläger führe sämtliche Beschwerden auf das Unfallereignis vom 08.12.1976 zurück. Einer Anregung des Klägers auf Begutachtung kam die Beklagte nicht nach. Mit Schreiben vom 07.08.2010 gab der Sportmediziner Dr. P. der Beklagten an, die Verletzungen aus dem Jahre 1976 könnten durchaus ursächlich für die aktuell bestehenden Beschwerden des Klägers sein.
Mit Bescheid vom 02.08.2011 lehnte die Beklagte die Gewährung einer Verletztenrente wegen der Folgen des Arbeitsunfalls vom 08.12.1976 ab. Der Unfall des Klägers habe zu einem Zustand nach Zahnschaden und Nasenbeinfraktur sowie einer folgenlos ausgeheilten Distorsion der Halswirbelsäule und Gehirnerschütterung geführt. Den hiergegen am 30.08.2011 erhobenen Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 29.09.2011 zurück.
Der Kläger hat hiergegen am 24.10.2011 vor dem Sozialgericht Mannheim (SG) Klage erhoben und vorgetragen, die Art und Weise seines Fahrradsturzes lege außerordentlich nahe, dass eine Schädigung der HWS stattgefunden habe. Liege ein solcher Schaden vor, dann bestehe auch eine rentenberechtigende Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE). Auf Antrag und Kostenrisiko des Klägers hat das SG den Facharzt für Chirurgie und Sportmedizin Dr. F. mit der Erstellung eines Gutachtens nach einer ambulanten Untersuchung des Klägers beauftragt, die am 10.07.2012 stattgefunden hat. In seinem Gutachten vom 20.08.2012 ist der Sachverständige zu dem Ergebnis gekommen, dass die bei dem Kläger bestehende Bewegungseinschränkung der HWS mit einer nach rechts ventral fixierten Fehlhaltung ohne sensible oder motorische Störungen nicht mit ausreichender Wahrscheinlichkeit dem streitigen Unfallereignis zugeordnet werden könne. Bei dem Kläger habe sich als weitere Unfallfolge jedoch eine Fehlverarbeitung der Unfallfolgen entwickelt. Die übrigen Unfallfolgen seien mittlerweile ausgeheilt oder verheilt. Eine Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) bestehe nicht. In der Folgezeit hat der Kläger gegen das Gutachten Einwendungen erhoben und in Bezug auf die Verschlechterungen nach dem Unfall schriftliche Ausführungen seiner Mutter, seiner Schwester und eines Freundes vorgelegt. Darin werden seine Behandlungen nach dem Unfall aus dem Jahr 1976 geschildert. Darüber hinaus ist in dem Schreiben seiner Schwester vom 02.01.2013 ausgeführt, der Kläger habe im Anschluss an den Unfall seinen Kopf schmerzbedingt nicht bewegen können. Vor allem nach seinen Herz- entzündungen sei es ihm immer schlechter gegangen (Herzbeschwerden, Erschöpfungszustände, Kopfschmerzen, Konzentrationsdefizite, Bewegungseinschränkungen und Nackensteife). Der mit dem Kläger befreundete A. R. hat mit Schreiben vom 10.01.2013 mitgeteilt, ab dem Unfall und den über die Jahre hinzukommenden Herzgeschichten habe sich beim Kläger rückblickend eine starke Änderung ergeben (Kopfschmerzen, Nackensteife, Unwohlsein, Überempfindlichkeit, Konzentrationsschwäche, schnelle Erschöpfbarkeit, Gesichtsfeldprobleme, Herzschmerzen und Hörprobleme mit Ohrenpfeifen). Ferner hat der Kläger eine Stellungnahme des Neurologen und Psychiaters Dr. B. vom 26.01.2013 vorgelegt. Dort heißt es im Wesentlichen, im CT sehe man Hinweise für eine erworbene Schädigung des Zentralnervensystems; die Ursache der Schädigung sei nicht zu erkennen. Der Kläger habe von dem Unfall im Jahr 1976 nicht nur Hirnreaktionen, sondern auch Gesichts- und HWS-Verletzungen davongetragen.
In einer ergänzenden Stellungnahme vom 10.9.2013 hat Dr. F. unter anderem ausgeführt, es bestehe eine sicherlich auf die sehr schwierige psychische Struktur des Klägers zurückgehende Krankheitsfehlverarbeitung mit Kausalitätsbedürfnis in einer deutlich depressiven Stimmungslage. Die von Dr. B. unter dem 26.01.2013 mitgeteilten Diagnosen könnten nicht mit dem Unfall in Verbindung gebracht werden; dies gelte auch für die hirnorganische Leistungsminderung. Nach dem Unfall habe sich eine Fehlverarbeitung entwickelt, die sich dann durch weitere Unfälle weiter aufgebaut habe. In einem Zusammenspiel mit weiteren degenerativen Erkrankungen sowie der ausgeprägten und lange behandlungsbedürftigen Myokarditis sei es zu einer weiteren psychosomatischen negativen Verstärkung gekommen.
Mit Urteil vom 20.03.2014 hat das SG die Klage abgewiesen mit der Begründung, der Kläger habe keinen Anspruch auf Gewährung der Verletztenrente wegen der Folgen des Arbeitsunfalls vom 08.12.1976. Mit Blick auf die HWS-Beschwerden habe der Sachverständige Dr. F. schlüssig dargelegt, dass sich die von ihm diagnostizierte Bewegungseinschränkung der HWS nicht mit Wahrscheinlichkeit auf den im Jahr 1976 erlittenen Unfall zurückführen lasse. Die Ausführungen der Schwester des Klägers seien nicht geeignet, eine substantielle Schädigung der HWS zu belegen. Die Einschätzung des Dr. B., die Ursache der von ihm im CT gesehenen erworbenen Schädigung des zentralen Nervensystems lasse sich zwar nicht erkennen, gleichwohl sei aber eindeutig, dass zumindest 1976 Unfallverletzungen des Gehirns vorgekommen seien, sei nicht nur unschlüssig, sondern widersprüchlich. Die von Dr. F. als unfallbedingt gewertete Fehlverarbeitung von Unfallfolgen begründe ebenfalls keinen Anspruch auf Verletztenrente.
Gegen das den Klägerbevollmächtigten am 31.03.2014 zugestellte Urteil hat der Kläger am 24.04.2014 bei dem Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg Berufung eingelegt und zur Begründung ausgeführt, wenn man einerseits die Bedeutung der Unfallfolgen herabstufe, dann könne man nicht andererseits ebenfalls der unfallbedingten Fehlverarbeitung, die erheblich sei, die Bedeutung absprechen. Im Urteil finde sich der Einwand, die von Dr. F. als unfallbedingt gewertete Fehlverarbeitung von Unfallfolgen vermöge ebenfalls keinen Anspruch auf Verletztenrente zu begründen. Tatsächlich aber könne eine entsprechende Fixierung sehr wohl eine rentenberechtigende MdE nach sich ziehen, die dann zur Zubilligung der Verletztenrente führen müsse.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 20. März 2014 und den Bescheid der Beklagten vom 2. August 2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29. September 2011 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm wegen der Folgen des Arbeitsunfalles vom 8. Dezember 1976 Verletztenrente zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie beruft sich im Wesentlichen auf die Ausführungen im Urteil des SG und weist im Übrigen daraufhin, dass der Kläger eine Vielzahl von Unfällen erlitten habe. Es könnten im Vollbeweis keine Unfallfolgen mehr auf das Ereignis von 1976 zurückgeführt werden. Dies gehe auch aus den umfassenden medizinischen Unterlagen hervor. Dr. F. mache in seinem Gutachten deutlich, dass die geklagten HWS-Beschwerden nicht auf den Unfall aus dem Jahr 1976 zurückzuführen seien.
Unter dem 28.01.2016 sind die Beteiligten darauf hingewiesen worden, dass beabsichtigt ist, die Berufung durch Beschluss nach § 153 Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zurückzuweisen. Die Beteiligten haben Gelegenheit zur Stellungnahme erhalten.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten der ersten und zweiten Instanz sowie auf die Verwaltungsakten der Beklagten Bezug genommen.
II.
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist auch im Übrigen zulässig. Berufungsausschließungsgründe nach § 144 SGG liegen nicht vor.
Die Berufung ist aber nicht begründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Diese ist zulässig, jedoch unbegründet. Dem Kläger steht kein Anspruch auf Gewährung einer Verletztenrente aufgrund des Ereignisses vom 08.12.1976 zu.
Die als kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage erhobene Klage ist gemäß § 54 Abs. 1 Satz 1, Abs. 4 SGG statthaft.
Anzuwenden sind im vorliegenden Fall die Vorschriften des Siebten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VII). Zwar gelten die Vorschriften des Ersten bis Neunten Kapitels nur für Versicherungsfälle, die nach dem Inkrafttreten dieses Gesetzes am 01.01.1997 eintreten (§ 212 SGB VII). Allerdings finden nach § 214 Abs. 3 SGB VII die Vorschriften über Renten, Beihilfen, Abfindungen und Mehrleistungen auch für Versicherungsfälle Anwendung, die vor dem Tag des Inkrafttretens dieses Gesetzes eingetreten sind, wenn diese Leistungen nach dem Inkrafttreten dieses Gesetzes erstmals festzusetzen sind. So liegt es auch hier. Mit angegriffenem Bescheid vom 02.08.2011 hat die Beklagte nämlich erstmals über das Bestehen eines Rentenanspruchs des Klägers eine tatsächliche Verwaltungsentscheidung getroffen, der außerdem erst vom Kläger im Jahre 2007, somit nach Inkrafttreten des SGB VII, geltend gemacht wurde (vgl. Bundessozialgericht [BSG], Urteil vom 20.02.2011, B 2 U 1/00 R (juris)).
Nach § 56 Abs. 1 Satz 1 SGB VII haben Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit infolge eines Versicherungsfalls über die 26. Woche nach dem Versicherungsfall hinaus um wenigstens 20 v.H. gemindert ist, Anspruch auf eine Rente. Versicherungsfälle sind Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten, § 7 Abs. 1 SGB VII.
Der Kläger erlitt am 08.12.1976 einen Versicherungsfall in Form eines Arbeitsunfalls, als er auf dem Weg zu seiner Arbeit mit dem Fahrrad auf ein parkendes Auto fuhr und darauf aufprallte. Versicherte Tätigkeiten sind nämlich nach § 7 Abs. 2 Nr. 1 SGB VII auch das Zurücklegen des mit der versicherten Tätigkeit zusammenhängenden unmittelbaren Weges nach und von dem Ort der Tätigkeit.
Der Antrag des Klägers war so auszulegen, dass er die Gewährung einer Verletztenrente ab dem Zeitpunkt seiner Antragstellung (28.02.2007) begehrte, da er eine Verschlechterung seines Gesundheitszustandes anführte. In diesem Sinne ist auch die Verwaltungsentscheidung der Beklagten im angegriffenen Bescheid zu verstehen. Die bei dem Kläger seit diesem Zeitpunkt vorliegenden Gesundheitsstörungen sind jedoch nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit auf den Arbeitsunfall vom 08.12.1976 zurückzuführen. Eine MdE liegt folglich ebenfalls nicht vor.
Nach ständiger Rechtsprechung müssen im Unfallversicherungsrecht die anspruchsbegründenden Tatsachen, nämlich die versicherte Tätigkeit, die schädigende Einwirkung und die als Unfallfolge geltend gemachte Gesundheitsstörung erwiesen sein. Dies bedeutet, dass bei vernünftiger Abwägung des Gesamtergebnisses des Verfahrens der volle Beweis für das Vorliegen der genannten Tatsachen als erbracht angesehen werden kann (BSG, Urteil vom 30.04.1985, 2 RU 43/84 (juris)). Dagegen genügt hinsichtlich des ursächlichen Zusammenhangs zwischen der versicherten Tätigkeit und der schädigenden Einwirkung, sogenannte haftungsbegründende Kausalität, sowie zwischen der Einwirkung und der Erkrankung, sog. haftungsausfüllende Kausalität, eine hinreichende Wahrscheinlichkeit (BSG, Urteil vom 18.01.2011, B 2 U 5/10 R (juris)). Eine hinreichende Wahrscheinlichkeit ist dann anzunehmen, wenn bei vernünftiger Abwägung aller wesentlichen Gesichtspunkte des Einzelfalls mehr für als gegen einen Ursachenzusammenhang spricht, wobei dieser nicht schon dann wahrscheinlich ist, wenn er nicht auszuschließen oder nur möglich ist (BSG, Urteil vom 18.01.2011, a.a.O.). Kann ein behaupteter Sachverhalt nicht nachgewiesen oder der ursächliche Zusammenhang nicht wahrscheinlich gemacht werden, so geht dies nach dem Grundsatz der objektiven Beweislast zu Lasten des Beteiligten, der aus diesem Sachverhalt Rechte ableitet, bei den anspruchsbegründenden Tatsachen somit zu Lasten des jeweiligen Klägers (BSG, Urteil vom 27.06.1991, 2 RU 31/90 (juris)).
Für den ursächlichen Zusammenhang zwischen Unfallereignis und Gesundheitsschaden gilt die Theorie der wesentlichen Bedingung. Diese setzt zunächst die Verursachung der weiteren Schädigung durch den Gesundheitserstschaden im naturwissenschaftlich-naturphilosophischen Sinne voraus. Ob die Ursache-Wirkung-Beziehung besteht, beurteilt sich nach der Bedingungstheorie. Nach ihr ist eine Bedingung dann notwendige Ursache einer Wirkung, wenn sie aus dem konkret vorliegenden Geschehensablauf nach dem jeweiligen Stand der einschlägigen wissenschaftlichen Erkenntnisse (Erfahrungssätze) nicht hinweggedacht werden kann, ohne dass der Erfolg entfiele (conditio sine qua non). Auf dieser ersten Stufe sind alle derartigen notwendigen Bedingungen grundsätzlich rechtlich gleichwertig (äquivalent). Alle festgestellten anderen Bedingungen, die in diesem Sinn nicht notwendig sind, dürfen hingegen bei der nachfolgenden Zurechnungsprüfung nicht berücksichtigt werden (BSG, Urteil vom 05.07.2011, B 2 U 17/10 R (juris)).
Ist der Gesundheitserstschaden in diesem Sinne eine notwendige Bedingung des weiteren Gesundheitsschadens, wird dieser ihm aber nur dann zugerechnet, wenn er ihn wesentlich (ausreichend: mit-) verursacht hat. Wesentlich ist der Gesundheitserstschaden für den weiteren Gesundheitsschaden nach der in der Rechtsprechung gebräuchlichen Formel, wenn er eine besondere Beziehung zum Eintritt dieses Schadens hatte (vgl. BSG, Urteil vom 09.05.2006, B 2 U 1/05 R (juris)).
Der Kläger leidet (spätestens) seit dem Jahr 2007 an einer deutlichen Bewegungseinschränkung der HWS mit einer nach rechts ventral fixierten Fehlhaltung mit Verkalkungen im Verlauf des Ligamentum transversum (Querband des Oberarmknochens) sowie Verplumpungen der Densspitze. Daneben besteht bei ihm eine ausgeprägte Hypomobilität im antlanto-axialen Gelenk. Dies ergibt sich aus den Ausführungen des Dr. F. in seinem Gutachten vom 20.08.2012. In Übereinstimmung hierzu stellte Dr. F. bei dem Kläger eine nahezu komplett aufgehobene Beweglichkeit der HWS hinsichtlich der verschiedenen Bewegungsqualitäten fest. Im Einzelnen gelang dem Kläger noch eine Kopfvor-/-rückführung von 0-20-20, eine Seitneigung rechts/links von 0-20-10 und eine Kopfdrehung rechts/links von 0-20-10. Daneben fand Dr. F. bei der Untersuchung einen muskulären Hartspann im Bereich der HWS mit deutlicher Verkürzung der rechtsseitigen Wirbelsäule beidseits paravertrebral und hielt überdies einen Druck- und Klopfschmerz über sämtlichen Dornfortsätzen mit besonderer Ausprägung über C7/Th 1 sowie einen Druckschmerz im gesamten Bereich der Muskulatur fest.
Diese Gesundheitsstörungen sind jedoch nicht mit der erforderlichen hinreichenden Wahrscheinlichkeit auf den streitgegenständlichen Unfall zurückzuführen. Dabei ist zunächst zu beachten, dass bei dem Kläger zeitnah nach dem Unfall vom 08.12.1976 und auch im weiteren zeitlichen Verlauf keine Auffälligkeiten im Bereich der HWS festgestellt worden sind. Aus dem Durchgangsarztbericht vom Unfalltag sind als Diagnosen ein Schädel-Hirn-Trauma, eine Nasenbeinfraktur, der Verlust von drei Zähnen, eine Platzwunde über der Nasenwurzel und eine Risswunde des rechten Unterschenkels sowie der Unterlippe angegeben. Hinweise auf strukturelle Schädigungen der HWS bestehen dagegen nicht. Im neurologischen Befundbericht vom selben Tag ist ferner eine freie Beweglichkeit des Kopfes nach allen Seiten hin und keine besondere Druck- und Klopfempfindlichkeit, außer im Bereich der Verletzungsstelle, angegeben. Dr. F. hat darüber hinaus nachvollziehbar darauf hingewiesen, dass der jeweilige klinische Befund am Unfalltag oder einige Tage danach deutlicher, heftiger und stärker gewesen wäre, sofern es tatsächlich zu einer Schädigung am Dens axis gekommen wäre. Ebenso wenig führt die Diagnose multipler Schädigungen im Kopfbereich nicht zwingend zur Schlussfolgerung, dass auch die HWS bei dem Unfall geschädigt worden ist. Eine Teilzerreißung des Oberarmbandes hätte somit zu einer bedeutenden klinischen Symptomatik führen müssen; selbst eine partielle knöcherne Verletzung bedeutet eine schwerwiegende, sehr oft tödlich endende Verletzung im Sinne eines Genickbruchs. Zu einer anderen Bewertung führen auch nicht die vom Kläger vorgelegten schriftlichen Aussagen der Familienangehörigen und seines Freundes. Das SG hat bereits zutreffend dargelegt, dass die Beobachtungen einer eingeschränkten Kopfbeweglichkeit sowie eines hervorstehenden verdrehten Wirbels in Schulterhöhe durch die Schwester des Klägers keinen medizinischen Befund ersetzen kann und somit nicht alleinige Grundlage der Annahme eines Kausalzusammenhangs sein kann. Aus denselben Gründen ist auch kein Kausalzusammenhang zwischen der vom Arzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. B. angegebenen Schädigung des ZNS-Energiestoffwechsels sowie den sonstigen hirnorganischen Schädigungen einerseits und dem Unfall andererseits anzunehmen.
Als weitere Erkrankung, die mit dem streitigen Unfall zumindest ansatzweise in Verbindung gebracht werden kann, kommt die durch den Sachverständigen Dr. F. genannte Fehlverarbeitung in Betracht. Voraussetzung für die Anerkennung von psychischen Gesundheitsstörungen als Unfallfolge und die Gewährung einer Verletztenrente aufgrund von ihnen ist zunächst die Feststellung der konkreten Gesundheitsstörungen, die bei dem Verletzten vorliegen und seine Erwerbsfähigkeit mindern und die aufgrund eines der üblichen Diagnosesysteme und unter Verwendung der dortigen Schlüssel und Bezeichnungen erfolgen soll (BSG, Urteil vom 09.05.2006, B 2 U 1/05 R (juris)). Dies sind namentlich die Diagnosesysteme ICD-10 (International Statistical Classification of Diseases and Related Health Problems, Version 2013), sowie DSM V ((Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorders, Stand Mai 2013).
Diesen Anforderungen genügt die von Dr. F. genannte Fehlverarbeitung nicht. Selbst wenn man zugunsten des Klägers davon ausgeht, dass der Sachverständige mit Fehlverarbeitung eine im ICD-10 F 44 genannte Konversionsstörung meint, gibt es weder hinreichende Anhaltspunkte dafür, dass diese Fehlverarbeitung auch tatsächlich vorliegt bzw. dass sie mit hinreichender Wahrscheinlichkeit auf den Unfall vom 08.12.1976 zurückzuführen ist. Dr. F. begründete seine Diagnose mit der Annahme, dass der Kläger ein extremes Kausalitätsbedürfnis und eine "Nicht-verstanden-sein-Haltung" (Blatt 107 Gerichtsakte SG) entwickelt hat. Dagegen ist jedoch einzuwenden, dass ein Kausalzusammenhang zwischen dem Unfall und den vom Kläger vorgetragenen weiteren Erkrankungen nicht ausgeschlossen, sondern lediglich nicht hinreichend wahrscheinlich ist. Wenn der Kläger nun auf einen Kausalzusammenhang "beharrt", stellt dies nicht im Umkehrschluss eine krankhafte Störung dar. Selbst bei Annahme einer Fehlverarbeitung ist die Voraussetzung der haftungsausfüllenden Kausalität zwischen dem Unfall und der genannten Fehlverarbeitung nicht erfüllt. Angesichts der vielen weiteren Unfälle und der damit verbundenen Rechtsverfolgung gibt es nämlich hinreichende Anhaltspunkte, dass der Kläger die von Dr. F. als pathologisch beschriebene Haltung in ähnlicher Form eingenommen hätte.
Die Berufung war demnach zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nach § 160 Abs. 2 SGG nicht vor.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Gründe:
I.
Zwischen den Beteiligten ist die Gewährung einer Verletztenrente wegen der Folgen eines im Dezember 1976 erlittenen Arbeitsunfalls streitig.
Der 1961 geborene Kläger war ab Oktober 1975 als Auszubildender in der Bäckerei Z. in K. beschäftigt. Sein zuständiger Unfallversicherungsträger war die Berufsgenossenschaft N. und G., die Rechtsvorgängerin der Beklagten. Am 08.12.1976 erlitt er auf dem Weg zur Arbeit einen Unfall, als er bei Schneefall mit dem Rad auf einen geparkten Pkw auffuhr und dabei mit seinem Gesicht auf das Dach des Fahrzeugs aufschlug. Im Durchgangsarztbericht vom 08.12.1976 des Facharztes für Chirurgie Dr. P. sind als Diagnosen eine Commotio cerebri (Schädel-Hirn-Trauma), eine Nasenbeinfraktur, ein Zahnverlust I, II und III unten links, ein Einriss der Unterlippe, eine Platzwunde über der Nasenwurzel und eine Risswunde des rechten Unterschenkels angegeben.
In einem nervenfachärztlichen Befundbericht des Dr. G. vom 09.12.1976 ist zum neurologischen Befund u.a. ausgeführt, der Kopf des Klägers sei nach allen Seiten frei beweglich gewesen. Es habe keine besondere Druck- oder Klopfempfindlichkeit festgestellt werden können, außer im Bereich der Verletzungsstelle. Der Kläger habe als Beschwerden Kopfschmerzen angegeben. Als Diagnose wird eine retrograde Amnesie genannt.
In den beiden Folgejahren fanden bei dem Kläger eine Sanierung des Ober- und Unterkiefers sowie eine Septo-Rhinoplastik nach Septumdeviation statt. Anschließend erkrankte er an einer Myokarditis.
In den Folgejahren erlitt der Kläger weitere Arbeitsunfälle: Ab 1983 war er bei der Firma G. AG beschäftigt und bei der Berufsgenossenschaft der c. I. gesetzlich unfallversichert. Am 26.11.1984 verunfallte er auf dem Weg zur Arbeit und zog sich hierbei eine leichte Schädelprellung mit Platzwunde im Bereich des rechten Oberlides sowie der linken Unterlippe zu. Am 15.07.1997 stürzte der Kläger erneut auf dem Weg zur Arbeit mit seinem Fahrrad und erlitt hierbei eine Platzwunde am Kinn und Schürfwunden an den Extremitäten. Ein weiterer Arbeitsunfall ereignete sich am 02.08.2010, als der Kläger rückwärts mit dem Kopf auf einen Pfosten fiel und sich dabei eine Schädelprellung mit fraglicher Bewusstlosigkeit, Gehirnerschütterung, Schwindel, Kopfschmerzen, Doppelbildern und Ohrgeräuschen zuzog.
Am 22.01.1993 wurde der Kläger bei dem Orthopäden Dr. L. in E. wegen wiederkehrenden Spannungskopfschmerzen am Hinterhaupt vorstellig. Dr. L. stellte bei dem Kläger eine endphasig rigide Halswirbelsäulenbeweglichkeit ohne Bewegungseinschränkung fest. Als Diagnosen gab er chronisch wiederkehrende Cervicocephalgien, eine fragliche Subluxation C7/Th1 nach rechts, einen Zustand nach Halswirbelsäulenschleudertrauma und eine fragliche Verletzung des hinteren Längsbandes an. Am 13.04.1993 erfolgte bei dem Kläger eine Kernspintomographie des Bereichs der Halswirbelsäule (HWS). Im radiologischen Arztbericht des Dr. W. vom 13.04.1993 ist festgehalten, der Zwischenraum zwischen dem Dornfortsatz des C7 und des Th1 klaffe, was zu einer alten Ruptur der Bänder passe nach Angabe bei Zustand eines HWS-Traumas vor fünfzehn Jahren.
Seit 2011 bezieht der Kläger eine Erwerbsminderungsrente nach dem Sechsten Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI).
Bereits mit Schreiben vom 28.02.2007 hatte der Kläger bei der Rechtsvorgängerin der Beklagten einen Antrag auf Verschlechterung hinsichtlich des Unfalls vom 08.12.1976 gestellt und hierbei einen Rentenanspruch geltend gemacht. Dr. L. legte auf Aufforderung der Beklagten diverse Befundberichte vor, in denen als Diagnosen ein Cervikalsyndrom, degenerative Veränderungen der HWS, Cervicocephalgien und der Verdacht auf einen Bandscheibenvorfall der HWS angegeben werden. Dr. L. legte außerdem mit Schreiben vom 22.09.2008 dar, der Kläger stehe seit Jahren wegen therapieresistenter Cervicobrachialgien bei bekannten Bandscheibenprotrusionen in seiner Behandlung. Der Kläger führe sämtliche Beschwerden auf das Unfallereignis vom 08.12.1976 zurück. Einer Anregung des Klägers auf Begutachtung kam die Beklagte nicht nach. Mit Schreiben vom 07.08.2010 gab der Sportmediziner Dr. P. der Beklagten an, die Verletzungen aus dem Jahre 1976 könnten durchaus ursächlich für die aktuell bestehenden Beschwerden des Klägers sein.
Mit Bescheid vom 02.08.2011 lehnte die Beklagte die Gewährung einer Verletztenrente wegen der Folgen des Arbeitsunfalls vom 08.12.1976 ab. Der Unfall des Klägers habe zu einem Zustand nach Zahnschaden und Nasenbeinfraktur sowie einer folgenlos ausgeheilten Distorsion der Halswirbelsäule und Gehirnerschütterung geführt. Den hiergegen am 30.08.2011 erhobenen Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 29.09.2011 zurück.
Der Kläger hat hiergegen am 24.10.2011 vor dem Sozialgericht Mannheim (SG) Klage erhoben und vorgetragen, die Art und Weise seines Fahrradsturzes lege außerordentlich nahe, dass eine Schädigung der HWS stattgefunden habe. Liege ein solcher Schaden vor, dann bestehe auch eine rentenberechtigende Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE). Auf Antrag und Kostenrisiko des Klägers hat das SG den Facharzt für Chirurgie und Sportmedizin Dr. F. mit der Erstellung eines Gutachtens nach einer ambulanten Untersuchung des Klägers beauftragt, die am 10.07.2012 stattgefunden hat. In seinem Gutachten vom 20.08.2012 ist der Sachverständige zu dem Ergebnis gekommen, dass die bei dem Kläger bestehende Bewegungseinschränkung der HWS mit einer nach rechts ventral fixierten Fehlhaltung ohne sensible oder motorische Störungen nicht mit ausreichender Wahrscheinlichkeit dem streitigen Unfallereignis zugeordnet werden könne. Bei dem Kläger habe sich als weitere Unfallfolge jedoch eine Fehlverarbeitung der Unfallfolgen entwickelt. Die übrigen Unfallfolgen seien mittlerweile ausgeheilt oder verheilt. Eine Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) bestehe nicht. In der Folgezeit hat der Kläger gegen das Gutachten Einwendungen erhoben und in Bezug auf die Verschlechterungen nach dem Unfall schriftliche Ausführungen seiner Mutter, seiner Schwester und eines Freundes vorgelegt. Darin werden seine Behandlungen nach dem Unfall aus dem Jahr 1976 geschildert. Darüber hinaus ist in dem Schreiben seiner Schwester vom 02.01.2013 ausgeführt, der Kläger habe im Anschluss an den Unfall seinen Kopf schmerzbedingt nicht bewegen können. Vor allem nach seinen Herz- entzündungen sei es ihm immer schlechter gegangen (Herzbeschwerden, Erschöpfungszustände, Kopfschmerzen, Konzentrationsdefizite, Bewegungseinschränkungen und Nackensteife). Der mit dem Kläger befreundete A. R. hat mit Schreiben vom 10.01.2013 mitgeteilt, ab dem Unfall und den über die Jahre hinzukommenden Herzgeschichten habe sich beim Kläger rückblickend eine starke Änderung ergeben (Kopfschmerzen, Nackensteife, Unwohlsein, Überempfindlichkeit, Konzentrationsschwäche, schnelle Erschöpfbarkeit, Gesichtsfeldprobleme, Herzschmerzen und Hörprobleme mit Ohrenpfeifen). Ferner hat der Kläger eine Stellungnahme des Neurologen und Psychiaters Dr. B. vom 26.01.2013 vorgelegt. Dort heißt es im Wesentlichen, im CT sehe man Hinweise für eine erworbene Schädigung des Zentralnervensystems; die Ursache der Schädigung sei nicht zu erkennen. Der Kläger habe von dem Unfall im Jahr 1976 nicht nur Hirnreaktionen, sondern auch Gesichts- und HWS-Verletzungen davongetragen.
In einer ergänzenden Stellungnahme vom 10.9.2013 hat Dr. F. unter anderem ausgeführt, es bestehe eine sicherlich auf die sehr schwierige psychische Struktur des Klägers zurückgehende Krankheitsfehlverarbeitung mit Kausalitätsbedürfnis in einer deutlich depressiven Stimmungslage. Die von Dr. B. unter dem 26.01.2013 mitgeteilten Diagnosen könnten nicht mit dem Unfall in Verbindung gebracht werden; dies gelte auch für die hirnorganische Leistungsminderung. Nach dem Unfall habe sich eine Fehlverarbeitung entwickelt, die sich dann durch weitere Unfälle weiter aufgebaut habe. In einem Zusammenspiel mit weiteren degenerativen Erkrankungen sowie der ausgeprägten und lange behandlungsbedürftigen Myokarditis sei es zu einer weiteren psychosomatischen negativen Verstärkung gekommen.
Mit Urteil vom 20.03.2014 hat das SG die Klage abgewiesen mit der Begründung, der Kläger habe keinen Anspruch auf Gewährung der Verletztenrente wegen der Folgen des Arbeitsunfalls vom 08.12.1976. Mit Blick auf die HWS-Beschwerden habe der Sachverständige Dr. F. schlüssig dargelegt, dass sich die von ihm diagnostizierte Bewegungseinschränkung der HWS nicht mit Wahrscheinlichkeit auf den im Jahr 1976 erlittenen Unfall zurückführen lasse. Die Ausführungen der Schwester des Klägers seien nicht geeignet, eine substantielle Schädigung der HWS zu belegen. Die Einschätzung des Dr. B., die Ursache der von ihm im CT gesehenen erworbenen Schädigung des zentralen Nervensystems lasse sich zwar nicht erkennen, gleichwohl sei aber eindeutig, dass zumindest 1976 Unfallverletzungen des Gehirns vorgekommen seien, sei nicht nur unschlüssig, sondern widersprüchlich. Die von Dr. F. als unfallbedingt gewertete Fehlverarbeitung von Unfallfolgen begründe ebenfalls keinen Anspruch auf Verletztenrente.
Gegen das den Klägerbevollmächtigten am 31.03.2014 zugestellte Urteil hat der Kläger am 24.04.2014 bei dem Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg Berufung eingelegt und zur Begründung ausgeführt, wenn man einerseits die Bedeutung der Unfallfolgen herabstufe, dann könne man nicht andererseits ebenfalls der unfallbedingten Fehlverarbeitung, die erheblich sei, die Bedeutung absprechen. Im Urteil finde sich der Einwand, die von Dr. F. als unfallbedingt gewertete Fehlverarbeitung von Unfallfolgen vermöge ebenfalls keinen Anspruch auf Verletztenrente zu begründen. Tatsächlich aber könne eine entsprechende Fixierung sehr wohl eine rentenberechtigende MdE nach sich ziehen, die dann zur Zubilligung der Verletztenrente führen müsse.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 20. März 2014 und den Bescheid der Beklagten vom 2. August 2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29. September 2011 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm wegen der Folgen des Arbeitsunfalles vom 8. Dezember 1976 Verletztenrente zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie beruft sich im Wesentlichen auf die Ausführungen im Urteil des SG und weist im Übrigen daraufhin, dass der Kläger eine Vielzahl von Unfällen erlitten habe. Es könnten im Vollbeweis keine Unfallfolgen mehr auf das Ereignis von 1976 zurückgeführt werden. Dies gehe auch aus den umfassenden medizinischen Unterlagen hervor. Dr. F. mache in seinem Gutachten deutlich, dass die geklagten HWS-Beschwerden nicht auf den Unfall aus dem Jahr 1976 zurückzuführen seien.
Unter dem 28.01.2016 sind die Beteiligten darauf hingewiesen worden, dass beabsichtigt ist, die Berufung durch Beschluss nach § 153 Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zurückzuweisen. Die Beteiligten haben Gelegenheit zur Stellungnahme erhalten.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten der ersten und zweiten Instanz sowie auf die Verwaltungsakten der Beklagten Bezug genommen.
II.
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist auch im Übrigen zulässig. Berufungsausschließungsgründe nach § 144 SGG liegen nicht vor.
Die Berufung ist aber nicht begründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Diese ist zulässig, jedoch unbegründet. Dem Kläger steht kein Anspruch auf Gewährung einer Verletztenrente aufgrund des Ereignisses vom 08.12.1976 zu.
Die als kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage erhobene Klage ist gemäß § 54 Abs. 1 Satz 1, Abs. 4 SGG statthaft.
Anzuwenden sind im vorliegenden Fall die Vorschriften des Siebten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VII). Zwar gelten die Vorschriften des Ersten bis Neunten Kapitels nur für Versicherungsfälle, die nach dem Inkrafttreten dieses Gesetzes am 01.01.1997 eintreten (§ 212 SGB VII). Allerdings finden nach § 214 Abs. 3 SGB VII die Vorschriften über Renten, Beihilfen, Abfindungen und Mehrleistungen auch für Versicherungsfälle Anwendung, die vor dem Tag des Inkrafttretens dieses Gesetzes eingetreten sind, wenn diese Leistungen nach dem Inkrafttreten dieses Gesetzes erstmals festzusetzen sind. So liegt es auch hier. Mit angegriffenem Bescheid vom 02.08.2011 hat die Beklagte nämlich erstmals über das Bestehen eines Rentenanspruchs des Klägers eine tatsächliche Verwaltungsentscheidung getroffen, der außerdem erst vom Kläger im Jahre 2007, somit nach Inkrafttreten des SGB VII, geltend gemacht wurde (vgl. Bundessozialgericht [BSG], Urteil vom 20.02.2011, B 2 U 1/00 R (juris)).
Nach § 56 Abs. 1 Satz 1 SGB VII haben Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit infolge eines Versicherungsfalls über die 26. Woche nach dem Versicherungsfall hinaus um wenigstens 20 v.H. gemindert ist, Anspruch auf eine Rente. Versicherungsfälle sind Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten, § 7 Abs. 1 SGB VII.
Der Kläger erlitt am 08.12.1976 einen Versicherungsfall in Form eines Arbeitsunfalls, als er auf dem Weg zu seiner Arbeit mit dem Fahrrad auf ein parkendes Auto fuhr und darauf aufprallte. Versicherte Tätigkeiten sind nämlich nach § 7 Abs. 2 Nr. 1 SGB VII auch das Zurücklegen des mit der versicherten Tätigkeit zusammenhängenden unmittelbaren Weges nach und von dem Ort der Tätigkeit.
Der Antrag des Klägers war so auszulegen, dass er die Gewährung einer Verletztenrente ab dem Zeitpunkt seiner Antragstellung (28.02.2007) begehrte, da er eine Verschlechterung seines Gesundheitszustandes anführte. In diesem Sinne ist auch die Verwaltungsentscheidung der Beklagten im angegriffenen Bescheid zu verstehen. Die bei dem Kläger seit diesem Zeitpunkt vorliegenden Gesundheitsstörungen sind jedoch nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit auf den Arbeitsunfall vom 08.12.1976 zurückzuführen. Eine MdE liegt folglich ebenfalls nicht vor.
Nach ständiger Rechtsprechung müssen im Unfallversicherungsrecht die anspruchsbegründenden Tatsachen, nämlich die versicherte Tätigkeit, die schädigende Einwirkung und die als Unfallfolge geltend gemachte Gesundheitsstörung erwiesen sein. Dies bedeutet, dass bei vernünftiger Abwägung des Gesamtergebnisses des Verfahrens der volle Beweis für das Vorliegen der genannten Tatsachen als erbracht angesehen werden kann (BSG, Urteil vom 30.04.1985, 2 RU 43/84 (juris)). Dagegen genügt hinsichtlich des ursächlichen Zusammenhangs zwischen der versicherten Tätigkeit und der schädigenden Einwirkung, sogenannte haftungsbegründende Kausalität, sowie zwischen der Einwirkung und der Erkrankung, sog. haftungsausfüllende Kausalität, eine hinreichende Wahrscheinlichkeit (BSG, Urteil vom 18.01.2011, B 2 U 5/10 R (juris)). Eine hinreichende Wahrscheinlichkeit ist dann anzunehmen, wenn bei vernünftiger Abwägung aller wesentlichen Gesichtspunkte des Einzelfalls mehr für als gegen einen Ursachenzusammenhang spricht, wobei dieser nicht schon dann wahrscheinlich ist, wenn er nicht auszuschließen oder nur möglich ist (BSG, Urteil vom 18.01.2011, a.a.O.). Kann ein behaupteter Sachverhalt nicht nachgewiesen oder der ursächliche Zusammenhang nicht wahrscheinlich gemacht werden, so geht dies nach dem Grundsatz der objektiven Beweislast zu Lasten des Beteiligten, der aus diesem Sachverhalt Rechte ableitet, bei den anspruchsbegründenden Tatsachen somit zu Lasten des jeweiligen Klägers (BSG, Urteil vom 27.06.1991, 2 RU 31/90 (juris)).
Für den ursächlichen Zusammenhang zwischen Unfallereignis und Gesundheitsschaden gilt die Theorie der wesentlichen Bedingung. Diese setzt zunächst die Verursachung der weiteren Schädigung durch den Gesundheitserstschaden im naturwissenschaftlich-naturphilosophischen Sinne voraus. Ob die Ursache-Wirkung-Beziehung besteht, beurteilt sich nach der Bedingungstheorie. Nach ihr ist eine Bedingung dann notwendige Ursache einer Wirkung, wenn sie aus dem konkret vorliegenden Geschehensablauf nach dem jeweiligen Stand der einschlägigen wissenschaftlichen Erkenntnisse (Erfahrungssätze) nicht hinweggedacht werden kann, ohne dass der Erfolg entfiele (conditio sine qua non). Auf dieser ersten Stufe sind alle derartigen notwendigen Bedingungen grundsätzlich rechtlich gleichwertig (äquivalent). Alle festgestellten anderen Bedingungen, die in diesem Sinn nicht notwendig sind, dürfen hingegen bei der nachfolgenden Zurechnungsprüfung nicht berücksichtigt werden (BSG, Urteil vom 05.07.2011, B 2 U 17/10 R (juris)).
Ist der Gesundheitserstschaden in diesem Sinne eine notwendige Bedingung des weiteren Gesundheitsschadens, wird dieser ihm aber nur dann zugerechnet, wenn er ihn wesentlich (ausreichend: mit-) verursacht hat. Wesentlich ist der Gesundheitserstschaden für den weiteren Gesundheitsschaden nach der in der Rechtsprechung gebräuchlichen Formel, wenn er eine besondere Beziehung zum Eintritt dieses Schadens hatte (vgl. BSG, Urteil vom 09.05.2006, B 2 U 1/05 R (juris)).
Der Kläger leidet (spätestens) seit dem Jahr 2007 an einer deutlichen Bewegungseinschränkung der HWS mit einer nach rechts ventral fixierten Fehlhaltung mit Verkalkungen im Verlauf des Ligamentum transversum (Querband des Oberarmknochens) sowie Verplumpungen der Densspitze. Daneben besteht bei ihm eine ausgeprägte Hypomobilität im antlanto-axialen Gelenk. Dies ergibt sich aus den Ausführungen des Dr. F. in seinem Gutachten vom 20.08.2012. In Übereinstimmung hierzu stellte Dr. F. bei dem Kläger eine nahezu komplett aufgehobene Beweglichkeit der HWS hinsichtlich der verschiedenen Bewegungsqualitäten fest. Im Einzelnen gelang dem Kläger noch eine Kopfvor-/-rückführung von 0-20-20, eine Seitneigung rechts/links von 0-20-10 und eine Kopfdrehung rechts/links von 0-20-10. Daneben fand Dr. F. bei der Untersuchung einen muskulären Hartspann im Bereich der HWS mit deutlicher Verkürzung der rechtsseitigen Wirbelsäule beidseits paravertrebral und hielt überdies einen Druck- und Klopfschmerz über sämtlichen Dornfortsätzen mit besonderer Ausprägung über C7/Th 1 sowie einen Druckschmerz im gesamten Bereich der Muskulatur fest.
Diese Gesundheitsstörungen sind jedoch nicht mit der erforderlichen hinreichenden Wahrscheinlichkeit auf den streitgegenständlichen Unfall zurückzuführen. Dabei ist zunächst zu beachten, dass bei dem Kläger zeitnah nach dem Unfall vom 08.12.1976 und auch im weiteren zeitlichen Verlauf keine Auffälligkeiten im Bereich der HWS festgestellt worden sind. Aus dem Durchgangsarztbericht vom Unfalltag sind als Diagnosen ein Schädel-Hirn-Trauma, eine Nasenbeinfraktur, der Verlust von drei Zähnen, eine Platzwunde über der Nasenwurzel und eine Risswunde des rechten Unterschenkels sowie der Unterlippe angegeben. Hinweise auf strukturelle Schädigungen der HWS bestehen dagegen nicht. Im neurologischen Befundbericht vom selben Tag ist ferner eine freie Beweglichkeit des Kopfes nach allen Seiten hin und keine besondere Druck- und Klopfempfindlichkeit, außer im Bereich der Verletzungsstelle, angegeben. Dr. F. hat darüber hinaus nachvollziehbar darauf hingewiesen, dass der jeweilige klinische Befund am Unfalltag oder einige Tage danach deutlicher, heftiger und stärker gewesen wäre, sofern es tatsächlich zu einer Schädigung am Dens axis gekommen wäre. Ebenso wenig führt die Diagnose multipler Schädigungen im Kopfbereich nicht zwingend zur Schlussfolgerung, dass auch die HWS bei dem Unfall geschädigt worden ist. Eine Teilzerreißung des Oberarmbandes hätte somit zu einer bedeutenden klinischen Symptomatik führen müssen; selbst eine partielle knöcherne Verletzung bedeutet eine schwerwiegende, sehr oft tödlich endende Verletzung im Sinne eines Genickbruchs. Zu einer anderen Bewertung führen auch nicht die vom Kläger vorgelegten schriftlichen Aussagen der Familienangehörigen und seines Freundes. Das SG hat bereits zutreffend dargelegt, dass die Beobachtungen einer eingeschränkten Kopfbeweglichkeit sowie eines hervorstehenden verdrehten Wirbels in Schulterhöhe durch die Schwester des Klägers keinen medizinischen Befund ersetzen kann und somit nicht alleinige Grundlage der Annahme eines Kausalzusammenhangs sein kann. Aus denselben Gründen ist auch kein Kausalzusammenhang zwischen der vom Arzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. B. angegebenen Schädigung des ZNS-Energiestoffwechsels sowie den sonstigen hirnorganischen Schädigungen einerseits und dem Unfall andererseits anzunehmen.
Als weitere Erkrankung, die mit dem streitigen Unfall zumindest ansatzweise in Verbindung gebracht werden kann, kommt die durch den Sachverständigen Dr. F. genannte Fehlverarbeitung in Betracht. Voraussetzung für die Anerkennung von psychischen Gesundheitsstörungen als Unfallfolge und die Gewährung einer Verletztenrente aufgrund von ihnen ist zunächst die Feststellung der konkreten Gesundheitsstörungen, die bei dem Verletzten vorliegen und seine Erwerbsfähigkeit mindern und die aufgrund eines der üblichen Diagnosesysteme und unter Verwendung der dortigen Schlüssel und Bezeichnungen erfolgen soll (BSG, Urteil vom 09.05.2006, B 2 U 1/05 R (juris)). Dies sind namentlich die Diagnosesysteme ICD-10 (International Statistical Classification of Diseases and Related Health Problems, Version 2013), sowie DSM V ((Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorders, Stand Mai 2013).
Diesen Anforderungen genügt die von Dr. F. genannte Fehlverarbeitung nicht. Selbst wenn man zugunsten des Klägers davon ausgeht, dass der Sachverständige mit Fehlverarbeitung eine im ICD-10 F 44 genannte Konversionsstörung meint, gibt es weder hinreichende Anhaltspunkte dafür, dass diese Fehlverarbeitung auch tatsächlich vorliegt bzw. dass sie mit hinreichender Wahrscheinlichkeit auf den Unfall vom 08.12.1976 zurückzuführen ist. Dr. F. begründete seine Diagnose mit der Annahme, dass der Kläger ein extremes Kausalitätsbedürfnis und eine "Nicht-verstanden-sein-Haltung" (Blatt 107 Gerichtsakte SG) entwickelt hat. Dagegen ist jedoch einzuwenden, dass ein Kausalzusammenhang zwischen dem Unfall und den vom Kläger vorgetragenen weiteren Erkrankungen nicht ausgeschlossen, sondern lediglich nicht hinreichend wahrscheinlich ist. Wenn der Kläger nun auf einen Kausalzusammenhang "beharrt", stellt dies nicht im Umkehrschluss eine krankhafte Störung dar. Selbst bei Annahme einer Fehlverarbeitung ist die Voraussetzung der haftungsausfüllenden Kausalität zwischen dem Unfall und der genannten Fehlverarbeitung nicht erfüllt. Angesichts der vielen weiteren Unfälle und der damit verbundenen Rechtsverfolgung gibt es nämlich hinreichende Anhaltspunkte, dass der Kläger die von Dr. F. als pathologisch beschriebene Haltung in ähnlicher Form eingenommen hätte.
Die Berufung war demnach zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nach § 160 Abs. 2 SGG nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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