L 2 AS 4240/14 RG

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
2
1. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 2 AS 4240/14 RG
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die gegen den Senatsbeschluss vom 22. September 2014 gerichtete Anhörungsrüge der Antragstellerinnen wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Gründe:

Die Anhörungsrüge der Antragstellerinnen hat keinen Erfolg.

Sie ist zwar statthaft und in der Frist des § 178a Abs. 2 Satz 1 und Satz 4 SGG, nämlich innerhalb von zwei Wochen nach (positiver) Kenntnis von der (gerügten) Verletzung des rechtlichen Gehörs, erhoben worden. Der Beschluss des Senats vom 22.9.2014 wurde dem Prozessbevollmächtigten der Antragstellerinnen gegen Empfangsbekenntnis am 24.9.2014 zugestellt. Damit wahrt die am 8.10.2014 beim LSG eingegangene Anhörungsrüge die Zweiwochenfrist.

Die Anhörungsrüge ist jedoch unbegründet.

Gem. § 178a Abs. 1 Satz 1 SGG ist auf die Rüge eines durch eine gerichtliche Entscheidung beschwerten Beteiligten das Verfahren fortzuführen, wenn

1. ein Rechtsmittel oder ein anderer Rechtsbehelf gegen die Entscheidung nicht gegeben ist und 2. das Gericht den Anspruch dieses Beteiligten auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise verletzt hat.

Das prozessuale Grundrecht des Anspruchs auf rechtliches Gehör besagt, dass die Beteiligten Gelegenheit haben müssen, sich vor Erlass der Entscheidung zum Prozessstoff zu äußern. Demgemäß dürfen der Entscheidung nur solche Tatsachen zugrunde gelegt werden, zu denen die Beteiligten sich äußern konnten (Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl., § 62 Rn. 2 mwN). Folglich ist es Zulässigkeitsvoraussetzung einer Anhörungsrüge, dass der Rügeführer das Vorliegen der Voraussetzungen des § 178a Abs. 1 Nr. 2 SGG schlüssig darlegt. Hierzu gehört insbesondere das Aufzeigen der Umstände, aus denen sich die Verletzung des rechtlichen Gehörs durch das Gericht ergibt, gegen dessen Entscheidung sich der Betroffene wendet.

Der die Bewilligung von Prozesskostenhilfe ablehnende Beschluss des Senats vom 22.9.2014, gegen den sich die Anhörungsrüge richtet, war gem. § 177 SGG unanfechtbar.

Die dagegen erhobene Anhörungsrüge ist jedoch bereits unzulässig. Die Verletzung rechtlichen Gehörs begründet der Prozessbevollmächtigte der Antragstellerin damit, dass bei einem früheren Hinweis auf nicht bestehende hinreichende Erfolgsaussicht der Berufung - nämlich durch eine Entscheidung des PKH-Antrags rechtzeitig vor statt erst nach Erlass des Urteils - die weitere Fortführung des Verfahrens überdacht und zusätzliche Kosten - hier nach Zustimmung zur Entscheidung ohne mündliche Verhandlung in Form der fiktiven Terminsgebühr nach Nr. 3205 i.V.m. Nr. 3106 Ziff. 1 VV RVG a.F. - hätten erspart werden können. Hiermit wird jedoch nicht die Verletzung rechtlichen Gehörs in Bezug auf die vom Senat getroffene ablehnende Entscheidung über die Bewilligung von Prozesskostenhilfe gerügt. Denn die Antragstellerin lässt nicht vortragen, ihr sei in Bezug auf diese Entscheidung nicht ausreichend rechtliches Gehör gewährt worden und sie hätte vor dieser Entscheidung noch Weiteres vortragen wollen. Zudem waren die Rechtsauffassungen nach der nochmaligen ausführlichen Stellungnahme des Prozessbevollmächtigten der Antragstellerinnen vom 16.9.2014 ausführlich ausgetauscht. Ihr Vortrag geht vielmehr dahin, dass sie sich bei vorheriger Kenntnis der Entscheidung möglicherweise als Folge davon in der Zukunft anders verhalten hätte, nämlich eventuell die Berufung zurückgenommen statt eine Entscheidung abgewartet hätten. Damit haben sie jedoch nichts vorgetragen, wodurch sie den Senat noch zu einer anderen Entscheidung in der Sache, nämlich der Entscheidung über den PKH-Antrag hätten bewegen wollen, worauf die Anhörungsrüge gerichtet ist.

Im Übrigen verhilft den Antragstellerinnen auch die nach § 178a Abs. 1 Satz 1 SGG vorgesehene Rechtsfolge nicht zum Ziel. Danach wäre bei erfolgreicher Rüge das Verfahren fortzuführen, damit also nochmals über den PKH-Antrag unter Berücksichtigung des weiteren Vorbringens zu entscheiden. Dieses Ziel verfolgen die Antragstellerinnen aber offenbar nicht, sondern machen einen "Schaden" geltend, dessen "Ersatz" nach der hier maßgeblichen Rechtsgrundlage nicht vorgesehen ist.

Im Übrigen wäre dem Senat nachträglich auch eine andere Entscheidung in der Sache - hier PKH-Entscheidung - verwehrt. Die Änderung einer PKH-Entscheidung - gleiches hat hier für die nochmalige Neuentscheidung zu gelten - kann nicht isoliert von der Hauptsache (hier Berufung) gesehen werden. Ficht die Partei die ungünstige Hauptsacheentscheidung nicht an, kann die Erfolgsaussicht nicht abweichend beurteilt werden (vgl. für die PKH-Beschwerde: Büttner/Wrobel-Sachs/Gottschalk/Dürbeck, Prozess- und Verfahrenskostenhilfe, Beratungshilfe 7. Aufl. Rn. 427). Das die Berufung zurückweisende Urteil des Senats vom 17.9.2014 hat die Antragstellerin hingenommen und keine Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt. Entgegen diesem rechtskräftigen Urteil kann die Erfolgsaussicht damit nicht nachträglich noch bejaht werden.

Der Ausnahmefall, in dem von der Bindungswirkung der Hauptsacheentscheidung abgewichen werden kann, liegt nicht vor. Dies ist dann angezeigt, wenn die Entscheidung über das bewilligungsreife Prozesskostenhilfegesuch vom Gericht verzögert worden ist und sich infolge der Verzögerung die Grundlage für die Beurteilung der Erfolgsaussicht zum Nachteil der antragstellenden Partei verändert hat, mithin die Erfolgsaussicht in einem früheren Stadium des Verfahrens anders zu beurteilen gewesen war als zum Zeitpunkt der Entscheidung in der Hauptsache. Für die gemäß § 114 Satz 1 ZPO vorzunehmende Erfolgsprognose ist dann der Sach- und Streitstand im Zeitpunkt der Entscheidungsreife des PKH-Antrags maßgeblich (BGH, Beschluss vom 7.3.2012 – XII ZB 391/10 –, juris Rn. 21; BFHE 141, 494 = DStR 1985, 50, juris Rn. 13). Etwas anderes gilt nur dann, wenn spätere Erkenntnisse zugleich die Unwahrheit des Prozessvortrags des Antragstellers im Sinne von § 124 Nr. 1 ZPO ergeben, weil in diesem Fall sogar eine rückwirkende Aufhebung der bewilligten Prozesskostenhilfe begründet wäre (BGH, aaO.). Zur Entscheidung reif ist das Prozesskostenhilfebegehren, wenn die Partei es schlüssig begründet, die Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse vorgelegt und wenn der Gegner Gelegenheit gehabt hat, sich innerhalb angemessener Frist zum Prozesskostenhilfegesuch zu äußern (BGH, Beschluss vom 18.11.2009 - XII ZB 152/09 - juris Rn. 10 mwN). Ein solcher Fall ist vorliegend nicht gegeben.

Entscheidungsreife über den PKH-Antrag war vorliegend am 15.8.2013 eingetreten. Der Prozessbevollmächtigte der Antragstellerin hatte mit der Berufung die Antragsschrift, und das Formblatt über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nebst Nachweisen vorgelegt. Mit dem Eingang der Berufungserwiderung und Vorlage der Verwaltungsakten am 15.8.2013 war der PKH-Antrag entscheidungsreif. Eine Änderung der Sach- und Rechtslage ist aber in der Zeit bis zur Entscheidung über den Antrag am 22.9.2014 nicht eingetreten, nachdem es in der Berufung um eine Rechtsfrage über die Erstattung von Kosten im Vorverfahren ging. Aus dem vor der Ladung zur mündlichen Verhandlung unternommenen Versuch der Berichterstatterin, den Rechtsstreit eventuell unstreitig zu Gunsten der Antragstellerin zu erledigen, kann diese nichts für sie Positives ableiten. Dies war vor dem Anstellen nicht unerheblicher rechtlicher Erwägungen, worauf die Urteilsbegründung des Senats hindeutet, allein der relativ geringen Berufungssumme von 240 EUR zzgl. Auslagenpauschale und Umsatzsteuer geschuldet und soweit erinnerlich auch nicht anders dem Prozessbevollmächtigten der Antragstellerinnen telefonisch mitgeteilt worden.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG in entsprechender Anwendung.

Dieser Beschluss ist nicht anfechtbar (§ 178 Abs. 4 S. 3 SGG).
Rechtskraft
Aus
Saved