Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
9
1. Instanz
SG Mannheim (BWB)
Aktenzeichen
S 17 R 1805/13
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 9 R 1550/14
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Zur Ermittlung von Entgeltpunkten nach dem FRG bei einer Tätigkeit als Hauptökonom in Rumänien (§ 256b SGB VI i.V.m. Anlage 14)
Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 25. Februar 2014 abgeändert und der Bescheid vom 11. Dezember 2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 6. Mai 2013 aufgehoben.
Im Übrigen wird die Berufung des Klägers zurückgewiesen.
Die Beklagte trägt 1/10 der außergerichtlichen Kosten des Klägers in beiden Instanzen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten im Rahmen eines Überprüfungsverfahrens wegen höherer Rentenleistungen um die Zuordnung der seitens des Klägers in Rumänien zurückgelegten Beitragszeiten zum Wirtschaftsbereich 19 (Wissenschaft, Hoch- und Fachschulwesen) bzw. 6 (Maschinen- und Fahrzeugbau) anstelle des Wirtschaftsbereichs 12 (Sonstige produzierende Bereiche) in der Zeit vom 27.12.1974 bis 26.10.1980 sowie vom 09.03.1981 bis 19.10.1988.
Der 1949 in Rumänien geborene Kläger zog am 22.09.1989 in die Bundesrepublik Deutschland (BRD) zu. Er ist Inhaber des Vertriebenenausweises A.
Nach einer Fachschulausbildung studierte er von 1968 bis 1973 Wirtschaftswissenschaften. Im Anschluss daran war er vom 26.12.1973 bis 27.10.1980 und - nach seinem zwischenzeitlich geleisteten Militärdienst - vom 09.03.1981 bis 20.10.1988 bei dem Institut für Wissenschaft und Forschung Technologische Ingenieurschaft "T." (heutiger Name S.) als Hauptökonom tätig.
In einem Kontenklärungsbescheid vom 03.08.2001 erkannte die Landesversicherungsanstalt Baden-Württemberg, die Rechtsvorgängerin der Beklagten (im Folgenden einheitlich Beklagte), bei dem Kläger die im Versicherungsverlauf enthaltenen Daten an. Unter anderem stufte sie die Zeiten vom 27.12.1974 bis 26.10.1980 und vom 09.03.1981 bis 19.10.1988 als Pflichtbeitragszeiten in den Bereich 12 (Sonstige produzierende Bereiche), Qualifikationsgruppe I, ein und berücksichtigte diese Beschäftigungszeiten als glaubhaft gemachte Zeiten nach dem Fremdrentengesetz (FRG) mit 5/6. Den hiergegen erhobenen Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 31.10.2001 zurück.
Mit Bescheid vom 11.04.2007 gewährte die Beklagte dem Kläger eine Rente wegen voller Erwerbsminderung als vorläufige Leistung für die Zeit vom 01.03.2007 bis 31.03.2009. Dabei stufte sie erneut die Zeiten vom 27.12.1974 bis 26.10.1980 sowie vom 09.03.1981 bis 19.10.1998 als glaubhaft gemachte Zeiten nach dem FRG in den Bereich 12, Qualifikationsgruppe I, ein. Der Kläger erhob hiergegen Widerspruch. Mit Bescheid vom 23.05.2007 stellte die Beklagte die Rente des Klägers neu fest unter Berücksichtigung einer weiteren Arbeitslosigkeitszeit im Jahre 2005. Mit Bescheid vom 04.11.2008 stellte die Beklagte die als vorläufige Leistung erbrachte Rente endgültig fest. Mit Widerspruchsbescheid vom 27.11.2008 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers gegen den Bescheid vom 11.04.2007 zurück. Im hiergegen erhobenen Klageverfahren vor dem Sozialgericht Mannheim (SG) machte der Kläger eine höhere Rente unter Geltendmachung von nachgewiesenen Pflichtbeitragszeiten geltend (S 8 R 4182/08). Das SG wies die Klage ab (Urteil vom 08.10.2009). Auf die Berufung des Klägers hob das Landessozialgericht [LSG] Baden-Württemberg (L 9 R 4758/09) mit Urteil vom 30.08.2011 das Urteil des SG auf und verurteilte die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 04.11.2008 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27.11.2008, dem Kläger höhere Rente wegen voller Erwerbsminderung für die Zeit ab 01.03.2007 bis 31.03.2009 unter Berücksichtigung der Zeiten vom 26.12.1973 bis 19.10.1988 als nachgewiesene Beitragszeit zu gewähren.
Bereits mit Bescheid vom 13.02.2009 hatte die Beklagte dem Kläger Rente wegen voller Erwerbsminderung für die Zeit bis 31.03.2012 weitergewährt. Am 04.02.2010 bat der Kläger die Beklagte außerdem um Neuberechnung seiner Erwerbsminderungsrente, da die Zeiten nach dem FRG falsch berechnet worden seien. Im Einzelnen wandte er sich gegen die Anerkennung der Zeit vom 26.12.1973 bis 26.12.1974 lediglich als Ausbildungs- und nicht als Beschäftigungszeit, gegen die Eingruppierung in den Wirtschaftsbereich 12 und nicht 19 sowie gegen die Berücksichtigung seiner Beitragszeiten als lediglich glaubhaft gemachte Zeiten. Mit Bescheid vom 01.03.2010 gewährte die Beklagte dem Kläger eine Altersrente für schwerbehinderte Menschen für die Zeit ab 01.01.2010. Der Kläger erhob hiergegen am 22.03.2010 unter Bezugnahme auf sein Schreiben vom 04.02.2010 Widerspruch.
Die Beklagte wertete den Widerspruch des Klägers gegen den Bescheid vom 01.03.2010 als Überprüfungsantrag auf Anerkennung der rumänischen Versicherungszeiten für die Zeit vom 26.12.1973 bis 20.10.1988 als nachgewiesene Beitragszeiten und lehnte diesen mit Bescheid vom 14.06.2010 ab.
In Umsetzung des Urteils des LSG Baden-Württemberg vom 30.08.2011 berechnete die Beklagte mit Bescheid vom 11.10.2011 die Erwerbsminderungsrente für die Zeit ab 01.03.2007 neu unter Berücksichtigung der Zeit vom 26.12.1973 bis 19.10.1988 als nachgewiesene Beitragszeit. Ebenso berechnete die Beklagte mit Bescheid vom 13.10.2011 seine Altersrente für schwerbehinderte Menschen für die Zeit ab 01.01.2010 neu wiederum unter Berücksichtigung dieser Beitragszeit.
Mit Widerspruchsbescheid vom 04.05.2012 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers gegen den Bescheid vom 01.03.2010 mit der Begründung zurück, der Widerspruch sei nicht zulässig. Eine Änderung der Anerkennung der Versicherungszeiten sei durch den angegriffenen Bescheid nicht erfolgt. Eine geänderte Anerkennung der rumänischen Versicherungszeiten könne nur im Rahmen des § 44 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) erfolgen.
Die Beklagte wertete den Widerspruch des Klägers vom 22.03.2010 (erneut) als Antrag auf Überprüfung und stellte mit Bescheid vom 22.05.2012 die Rente wegen voller Erwerbsminderung des Klägers für die Zeit ab 01.03.2007 neu fest. Der Bescheid vom 11.04.2007 werde insoweit zurückgenommen. Die Zeit von 26.12.1973 bis 26.12.1974 werde mit der Qualifikationsgruppe I und dem Wirtschaftsbereich 12 anerkannt. Eine Anerkennung in den Wirtschaftsbereich 19 komme für die Zeit vom 27.12.1974 bis 26.10.1980 sowie vom 09.03.1981 bis 19.10.1988 nicht in Betracht. Dem Wirtschaftsbereich 19 seien nur wissenschaftliche Forschungsinstitute und Laboratorien zuzuordnen. Forschungs- und Entwicklungszentren der wirtschaftsleitenden Organe, also auch Institute der Industrie, gehörten dagegen dem Wirtschaftsbereich 12 an. Da der Kläger in der industriellen Forschung beschäftigt gewesen sei, sei ihm der Wirtschaftsbereich 12 zuzuordnen. Außerdem stellte die Beklagte mit Bescheid vom 23.05.2012 die Altersrente für schwerbehinderte Menschen für die Zeit ab 01.01.2010 mit derselben Begründung wie im Bescheid vom 22.05.2012 neu fest.
Der Kläger erhob gegen beide Bescheide am 25.06.2012 Widerspruch. Hierzu teilte er mit, dass der Bescheid vom 22.05.2012 seinem Bevollmächtigten erst am 29.05.2012 zugestellt worden sei. Zur Begründung führte er unter Vorlage einer Adeverinta Nr. 233 der Firma S. vom 28.08.2012 aus, dass er in einem Unternehmen beschäftigt gewesen sei, welches als unabhängiges Forschungsinstitut für Maschinen, Anlagen und Aggregate sowie im Bereich der Forschung als Pilotprojekt für die rumänische Entwicklung gegründet worden sei. Dieses Forschungsinstitut sei 1979 umgewandelt worden in ein Institut für wissenschaftliche Forschung. Demnach lägen die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Wirtschaftsbereiches 19 vor.
Mit Bescheid vom 11.12.2012 lehnte die Beklagte den Antrag des Klägers "auf Überprüfung des Wirtschaftsbereiches für die Zeit vom 27.12.1974 bis 26.10.1980" ab. Der Kläger habe im Widerspruchsverfahren die Adeverinta Nr. 233 vorgelegt. Hieraus gehe hervor, dass sein damaliger Arbeitgeber in der Entwicklung und Fortentwicklung der Herstellung von Werkzeugmaschinen tätig gewesen sei. Dies sei der industriellen Forschung zuzuordnen. Somit sei die bisherige Zuordnung des Wirtschaftsbereiches 12 korrekt. Dieser Bescheid werde gemäß § 86 Sozialgerichtsgesetz (SGG) Gegenstand des Widerspruchsverfahrens.
Der Kläger erhob hiergegen am 20.12.2012 (vorsorglich) Widerspruch. Hierzu trug er sinngemäß vor, er habe gegen die Bescheide vom 22.05.2012 und 23.05.2012 Widerspruch eingelegt und keinen weiteren Überprüfungsantrag gestellt.
Mit Widerspruchsbescheid vom 06.05.2013 wies die Beklagte die Widersprüche des Klägers gegen die Bescheide vom 22.05.2012, 23.05.2012 und 11.12.2012 zurück. Bei der Ermittlung von Entgeltpunkten nach dem FRG müsse zusätzlich zu der Einstufung in eine Qualifikationsgruppe je nach Art des Beschäftigungsbetriebes ein entsprechender Wirtschaftsbereich zugeordnet werden. Diese Zuordnung sei danach vorzunehmen, welchem Bereich der Beschäftigungsbetrieb angehöre. Sei der Beschäftigungsbetrieb Teil einer größeren Unternehmenseinheit gewesen, sei diese für die Zuordnung maßgebend. Kämen mehrere Bereiche in Betracht, sei der Bereich mit dem niedrigsten Durchschnittsverdienst maßgeblich. Der zugeordnete Wirtschaftsbereich 12 (Sonstige produzierende Betriebe) umfasse auch Forschungs- und Entwicklungszentren von Instituten der Industrie und des Handels. Der geltend gemachte Wirtschaftsbereich 19 umfasse im Forschungsbereich in erster Linie wissenschaftliche Forschungsinstitute und Laboratorien sowie Akademien und medizinisch-theoretische Institute des Gesundheits- und Sozialwesens. Laut der vorgelegten Adeverinta Nr. 233 habe der Kläger Marktstudien hinsichtlich der Werkzeugmaschinen und der Entwicklung der Produktion durchgeführt. Laut seiner eigenen weiteren Mitteilung habe der Betrieb neue Prototypen auf den Markt gebracht. Er selbst habe die hierzu erforderliche Studie für Optimierung und Effizienz gemacht. Danach seien bei seinem Betrieb Forschungen zu Industrie- und Handelszwecken im Vordergrund gestanden. Es handele sich weniger um Forschung im akademisch-wissenschaftlichen Bereich.
Hiergegen hat der Kläger am 04.06.2013 vor dem SG Klage erhoben und ergänzend vorgetragen, das Institut sei damals das einzige Forschungsinstitut für die einschlägige Arbeitsgruppe (Entwicklung und Projektierung von Maschinen) in Rumänien gewesen. Nachdem die Studien fertiggestellt gewesen seien, habe das Ministerium die Produktion erst bewilligen müssen. Er habe in den Bereichen Hydraulik, Kühlung, Neue Motoren und CNC-Systeme gearbeitet. Die Zuordnung in den Wirtschaftsbereich 12 sei somit unzutreffend gewesen. Mit Urteil vom 25.02.2014 hat das SG die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, die Beklagte habe den streitigen Zeitraum zutreffend dem Wirtschaftsbereich 12 zugeordnet. Dieser Wirtschaftsbereich umfasse als Sammelbereich die Wirtschaftsbereiche, die Dienstleistungen oder Erzeugnisse anböten, die unter den Begriff der Produktion fielen, aber nicht handwerklicher Natur seien. Dabei enthalte der Bereich auch die Teilgebiete der Forschungs- und Entwicklungszentren der wirtschaftsleitenden Organe und die Forschung und Erprobung von Produkten, Prozessen und technologischen Verfahren. Aus den Beschreibungen des Klägers ergebe sich, dass es sich bei dem Beschäftigungsbetrieb um ein Forschungs- und Entwicklungszentrum der wirtschaftsleitenden Organe und somit um einen Betrieb gehandelt habe, der nach den oben genannten Grundsätzen dem Wirtschaftsbereich 12 zuzuordnen sei. Sowohl die Beschreibungen des Klägers als auch jene in der Adeverinta Nr. 233 belegten, dass in dem Betrieb vorbereitende Forschungsarbeiten für Herstellung und Produktion von Werkzeugmaschinen durchgeführt worden seien. Dagegen finde sich kein Bezug zu akademischer Forschung, welche die Zuordnung zum Wirtschaftsbereich 19 rechtfertigen könnte. Selbst wenn man jedoch die Zuordnung zum Wirtschaftsbereich 19 für möglich halten würde, bleibe dennoch der von der Beklagten angenommene Wirtschaftsbereich 12 maßgeblich, da dieser den niedrigeren Durchschnittsverdienst ausweise.
Gegen das den Klägerbevollmächtigten am 10.03.2014 zugestellte Urteil hat der Kläger am 04.04.2014 bei dem LSG Baden-Württemberg Berufung eingelegt und vorgetragen, er sei in einem unabhängigen Forschungsinstitut für Maschinen, Anlagen und Aggregate tätig gewesen. Da das Forschungsinstitut 1979 in ein Institut für wissenschaftliche Forschung umgewandelt worden sei, sei widerlegt, dass die Forschung nicht akademischer Natur sei. Im Übrigen käme für die Zuordnung alternativ auch der Wirtschaftsbereich 6 in Frage. In dem in Rede stehenden Unternehmen seien Maschinen zur Fertigung von Autos oder ähnlichen Produkten erstellt worden.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 25. Februar 2014 sowie den Bescheid vom 11. Dezember 2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 6. Mai 2013 aufzuheben und die Bescheide vom 22. Mai 2012 und 23. Mai 2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 6. Mai 2013 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, unter teilweiser Rücknahme der Bescheide vom 4. November 2008, 13. Februar 2009 sowie vom 1. März 2010 ihm eine höhere Rente wegen voller Erwerbsminderung für die Zeit vom 1. März 2007 bis 31. Dezember 2009 und eine höhere Altersrente für schwerbehinderte Menschen für die Zeit ab 1. Januar 2010 zu gewähren unter Zuordnung seiner Beitragszeiten vom 26. Dezember 1974 bis 27. Oktober 1980 sowie vom 9. März 1981 bis 20. Oktober 1988 in den Wirtschaftsbereich 19 oder 6.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie stützt sich zur Begründung auf die Ausführungen im Urteil des SG. Ergänzend trägt sie vor, auch eine Einordnung in den Wirtschaftsbereich 6 komme nicht in Betracht. Im Vordergrund des Unternehmens habe nicht eine Produktion gestanden, sondern vielmehr die Entwicklung neuer Maschinen für die Unternehmen in Rumänien. Doch selbst bei Zweifeln hinsichtlich des Haupterwerbszweckes des ehemaligen Arbeitgebers und damit einhergehenden möglichen mehreren Wirtschaftsbereichen sei die Zuordnung zu dem Bereich vorzunehmen, der die niedrigsten Durchschnittsverdienste aufweise.
Mit den Beteiligten ist am 13.08.2015 ein Erörterungstermin durchgeführt worden. Der Kläger ist hierbei persönlich angehört worden. Ferner haben sich die Beteiligten darin mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt. Insoweit wird auf die Niederschrift zum Termin und wegen der weiteren Einzelheiten auf die Gerichtsakten beider Instanzen sowie die Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung, über die der Senat im Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung gemäß § 124 Abs. 2 SGG entschieden hat, ist statthaft und auch im Übrigen zulässig. Berufungsausschließungsgründe liegen nicht vor (§ 144 SGG). Sie ist jedoch nur teilweise begründet. Das SG hat die Klage überwiegend zu Recht abgewiesen. Dem Kläger steht kein Recht auf teilweise Rücknahme der angegriffenen Bescheide sowie Neuberechnung seiner Erwerbsminderungsrente und Altersrente für schwerbehinderte Menschen und somit auch nicht auf eine höhere Rentenleistung zu. Der Bescheid vom 11.12.2012 ist jedoch rechtswidrig und war daher aufzuheben.
Gegenstand des Berufungsverfahrens sind zunächst die Bescheide vom 22.05.2012 und 23.05.2012, mit denen die Beklagte über einen als Überprüfungsantrag nach § 44 SGB X gewerteten Rechtsbehelf des Klägers entschieden und die jeweiligen Bescheide über die Gewährung einer Erwerbsminderungsrente bzw. Altersrente für schwerbehinderte Menschen abgeändert und höhere Renten gewährt hat, jedoch nur unter Zugrundelegung eines Teils der vorgetragenen Begründungen. Die vom Kläger in seinem Widerspruch vom 22.03.2010 als weiteres Begründungselement vorgetragene fehlerhafte Zuordnung in den Wirtschaftsbereich 12 behielt die Beklagte mit den angegriffenen Bescheiden ausdrücklich bei und gewährte insoweit keine höhere Rente. Dass die Beklagte im Bescheid vom 22.05.2012 lediglich den Bescheid vom 11.04.2007 über die Bewilligung der Erwerbsminderungsrente als vorläufige Leistung teilweise zurückgenommen und nicht eine Überprüfung des endgültigen Bewilligungsbescheides vom 04.11.2008 vorgenommen hat, führt nicht zu einer Rechtswidrigkeit der Entscheidung. Zwar ist der Bescheid vom 11.04.2007 durch den Bescheid vom 04.11.2008 vollständig ersetzt worden (vgl. Urteil des erkennenden Senats vom 30.08.2011, L 9 R 4758/09), so dass auch nur noch dieser - ebenso wie der Bescheid vom 13.02.2009 - einer Änderung zugänglich war. Da die Beklagte jedoch mit dem angegriffenen Bescheid vom 22.05.2012 die als endgültige Leistung gewährte Erwerbsminderungsrente abänderte, und zwar auch für die Zeit über den 31.03.2009 hinaus (Bewilligungszeitraum des Bescheides vom 13.02.2009), kann der angegriffene Verwaltungsakt vom 22.05.2012 inhaltlich als Ergebnis einer Überprüfung der Bescheide vom 04.11.2008 und 13.02.2009 gesehen werden. Mit dem Bescheid vom 23.05.2012 nahm die Beklagte den Bescheid vom 01.03.2010 teilweise zurück. Mit dem ebenfalls angegriffenen Bescheid vom 11.12.2012 lehnte die Beklagte ein von ihr als Überprüfungsantrag gewertetes Gesuch des Klägers auf Anerkennung des Wirtschaftsbereichs 19 für die Zeit vom 27.12.1974 bis 26.10.1980 ab. Statthafte Klageart zur Erreichung des vom Kläger angestrebten Ziels ist die kombinierte Anfechtungs-, Verpflichtungs- und Leistungsklage nach § 54 Abs. 1, Abs. 4 SGG.
Nach § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X ist ein Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass des Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind. Ist ein Verwaltungsakt mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen, werden Sozialleistungen nach den Vorschriften der besonderen Teile dieses Gesetzbuchs längstens für einen Zeitraum bis zu vier Jahren vor der Rücknahme erbracht (§ 44 Abs. 4 Satz 1 SGB X).
Der Bescheid vom 11.12.2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 06.05.2013 war aufzuheben. Nach der genannten Vorschrift sind die Behörden zwar zur Rücknahme eines Verwaltungsaktes auf Antrag oder von Amts wegen befugt. Zu einer die Rücknahme ablehnenden Regelung ist die Behörde jedoch nur dann legitimiert, wenn ein Betroffener ein Begehren geäußert hat, das von der Rücknahme eines Verwaltungsaktes abhängt (vgl. Steinwedel in: Kasseler Kommentar, SGB X, Stand September 2013, § 44 Rn. 22). Mit den ebenfalls angegriffenen Bescheiden vom 22.05.2012 und 23.05.2012 hat die Beklagte bereits über das Gesuch des Klägers auf Gewährung höherer Rentenleistungen unter Zuordnung der in Rede stehenden Beitragszeiten zu einem anderen Wirtschaftsbereich entschieden. Dies ergibt sich insbesondere aus dem Bescheid vom 22.05.2012, in dem die Beklagte Ausführungen zu der jeweiligen Einordnung machte. Es bestehen auch keine Anhaltspunkte dafür, dass der vom Kläger am 25.06.2015 erhobene Widerspruch gleichzeitig als neuer Antrag auf Überprüfung des noch streitigen Sachverhalts auszulegen war. Dies hat der Kläger auch in seinem Widerspruch vom 20.12.2012 bestätigt. Im Übrigen wäre im entgegengesetzten Fall der Bescheid über den weiteren Überprüfungsantrag auch nicht nach § 86 SGG Gegenstand des Widerspruchsverfahrens geworden. Da ein ablehnender Verwaltungsakt in die Rechtsposition des Betroffenen eingreift und somit eine belastende Regelung darstellt, war der vorliegende Bescheid ohne weitere Sachprüfung aufzuheben.
Die Beklagte hat das Recht jedoch richtig angewandt, als sie die Höhe der dem Kläger gewährten Renten unter Zugrundelegung von Entgeltpunkten ermittelte, deren Höhe wiederum sie unter Einordnung seiner in Rumänien zurückgelegten Beitragszeiten in der Zeit vom 27.12.1974 bis 26.10.1980 sowie vom 09.03.1981 bis 19.10.1988 in den Wirtschaftsbereich 12 und nicht in die Bereiche 6 oder 19 eingruppierte.
Die Höhen der dem Kläger gemäß § 43 Abs. 2 SGB VI bewilligten Erwerbsminderungsrente und der gemäß § 236a SGB VI bewilligten Altersrente für schwerbehinderte Menschen bestimmen sich nach § 63 SGB VI. Gemäß Absatz 1 der Vorschrift richtet sich die Höhe einer Rente vor allem nach der Höhe der während des Versicherungslebens durch Beiträge versicherten Arbeitsentgelte und Arbeitseinkommen. Das in den einzelnen Kalenderjahren durch Beiträge versicherte Arbeitsentgelt und Arbeitseinkommen wird in Entgeltpunkte umgerechnet, § 63 Abs. 2 Satz 1 SGB VI.
Da der Kläger als Vertriebener im Sinne des § 1 Bundesvertriebenengesetzes (BVFG) anerkannt ist, findet auf die von ihm in Rumänien zurückgelegten Beitragszeiten das FRG Anwendung (§ 1a FRG). Die Ermittlung von Entgeltpunkten nach dem FRG bestimmt sich nach § 22 dieses Gesetzes. Nach § 22 Abs. 1 Satz 1 FRG werden für Zeiten der in §§ 15 und 16 genannten Art Entgeltpunkte in Anwendung von § 256b Abs. 1 Satz 1 erster Halbsatz, Satz 2 und 9 des SGB VI ermittelt. Hierzu werden für Zeiten nach dem 31. Dezember 1949 die in Anlage 14 des SGB VI genannten oder nach § 256b Abs. 1 Satz 2 SGB VI festgestellten Durchschnittsjahresverdienste um ein Fünftel erhöht und für Zeiten vor dem 1. Januar 1950 Entgeltpunkte auf Grund der Anlagen 1 bis 16 dieses Gesetzes ermittelt (§ 22 Abs. 1 Satz 2 FRG). Die Bestimmung des maßgeblichen Bereichs richtet sich danach, welchem Bereich der Betrieb, in dem der Versicherte seine Beschäftigung ausgeübt hat, zuzuordnen wäre, wenn der Betrieb im Beitrittsgebiet gelegen hätte (§ 22 Abs. 1 Satz 3 FRG). Ist der Betrieb Teil einer größeren Unternehmenseinheit, ist für die Bestimmung des Bereichs diese maßgeblich (§ 22 Abs. 1 Satz 4 FRG). Kommen nach dem Ergebnis der Ermittlungen mehrere Bereiche in Betracht, ist von ihnen der Bereich mit den niedrigsten Durchschnittsverdiensten des jeweiligen Jahres maßgeblich (§ 22 Abs. 1 Satz 5 FRG). Ist eine Zuordnung zu einem oder zu einem von mehreren Bereichen nicht möglich, so erfolgt die Zuordnung zu dem Bereich mit den für das jeweilige Jahr niedrigsten Durchschnittsverdiensten (§ 22 Abs. 1 Satz 6 FRG).
Die Beklagte hat, orientiert an diesen Vorschriften, die Zuordnung der streitgegenständlichen Beschäftigungszeiten zutreffend zu dem Wirtschaftsbereich 12 vorgenommen. Der Gesetzgeber unterscheidet in der Anlage 14 zum SGB VI 23 Wirtschaftsbereiche. Grundlage für dessen Gliederung ist die Wirtschaftsstruktur der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik (DDR). Die für die Zuordnung der ausgeübten Tätigkeit zu einem der in Anlage 14 genannten Wirtschaftsbereiche maßgebenden tatsächlichen Umstände sind im Wege der Glaubhaftmachung nachzuweisen (vgl. Dankelmann in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB VI, Stand Dezember 2015 § 256b Rn. 106).
Der Wirtschaftsbereich 12 (Sonstige produzierende Bereiche) umfasst als Sammelbereich die Wirtschaftsbereiche, die Dienstleistungen oder Erzeugnisse anbieten, die unter dem Begriff der Produktion subsumiert werden, die aber nicht handwerklicher Natur sind. Der Begriff umschließt dabei auch die Teilgebiete der • For¬schungs- und Ent¬wick¬lungs¬zen¬tren der wirt¬schafts¬lei¬ten¬den Organe (z. B. Insti¬tute der Indus¬trie, der Land- und Forst¬wirt¬schaft, des Ver¬kehrs, des Post- und Fern¬mel¬de¬we¬sens und des Han¬dels) • Pro¬jek¬tie¬rungs- und Anla¬gen¬bau¬be¬triebe • geologische Untersuchungen • Betriebe des staatlichen Vermessungs- und Kartenwesens • Verlage/Reparaturkombinate, textiles Reinigungswesen, Rechenbetriebe • sonstige produzierende Betriebe (z.B. DEFA-Studios)
(vgl. BT-Drucks. 12/405, S. 138; Dankelmann, a.a.O. Rn. 201ff.).
In den Wirtschaftsbereich 19 (Wissenschaft, Hoch- und Fachschulwesen) dagegen fallen • wissenschaftliche Forschungsinstitute und Laboratorien • Akademien (ohne Lehrtätigkeit) • Institute des Gesundheits- und Sozialwesens • sonstige Einrichtungen der Wissenschaft und Forschung • der Teilbereich Hoch- und Fachschulwesen mit den Hoch- und Fachschulen
Dem Wirtschaftsbereich 6 (Maschinen- und Fahrzeugbau) gehören unter anderem an • Energiemaschinenbau • Bau-, Baustoff- und Keramikmaschinenbau • Werkzeugmaschinenbau • Werkzeug- und Vorrichtungsbau • Plast- und Elastverarbeitungsmaschinenbau • Bau von tech¬no¬lo¬gi¬schen Spe¬zi¬al¬aus¬rüs¬tun¬gen • Bau¬teile- und Maschi¬nen¬ele¬men¬te¬in¬dus¬trie • Bau von Metallkonstruktionen (vgl. Dankelmann, a.a.O. Rn. 233 ff. bzw. 134 ff.)
Maßgebend für die Zuordnung ist der Hauptzweck des Beschäftigungsbetriebes. Nach Angaben des Klägers ist das ihn ehemals beschäftigende Unternehmen als Forschungsinstitut gegründet und 1979 in ein "Institut für wissenschaftliche Forschung" umbenannt worden. Unternehmensgegenstand war nach seinen Angaben die Entwicklung von maßgeschnittenen Maschinen und Aggregaten für die Auto- oder Elektroindustrie im Auftrag anderer Unternehmen. Nach der vorgelegten Adeverinta Nr. 233 war das Unternehmen ein Pilotelement in der Entwicklung und Fortentwicklung der Herstellung von Werkzeugmaschinen. Nach Überzeugung des Senats bestand ein typischer Arbeitsablauf des Unternehmens aus vier Abschnitten: Der erste Arbeitsabschnitt kann dabei als Entwicklungsphase bezeichnet werden. Der Kläger gab hierzu im Erörterungstermin an, zunächst hätten die Ingenieure einen Entwurf erstellt, bevor die verschiedenen Teile sowie Bauart, Materialien und Methodik geprüft bzw. "erforscht" worden seien. Nach Abschluss dieses Prozesses wurde von der Produktionsabteilung ein Prototyp gebaut und getestet, ob es den Anforderungen genüge. Dieser Teil kann als Zwischenproduktionsphase charakterisiert werden. Anschließend wurde in einem dritten Abschnitt das entsprechende Ministerium eingeschaltet und ein Genehmigungsverfahren eingeleitet (Genehmigungsphase). Nach Vorliegen der Genehmigung begann dann die eigentliche Produktion (Produktionsphase), in der nach Angaben des Klägers manchmal nur eine Maschine gebaut worden sei, manchmal auch zwei, drei oder vier. Dieser letzte Abschnitt endete mit der Auslieferung der hergestellten Maschine oder des Aggregats an das beauftragende Unternehmen.
Vor diesem Hintergrund ist die Einordnung durch die Beklagte in den Wirtschaftsbereich 12 rechtlich nicht zu beanstanden. Der Wirtschaftsbereich 12 erfasst auch For¬schungs- und Ent¬wick-lungs¬zen¬tren der wirt¬schafts¬lei¬ten¬den Organe. Unter wirtschaftsleitenden Organen können hierbei beispielsweise die Industrie, die Landwirtschaft, der Verkehr oder der Handel gesehen werden. Außerdem enthält der Bereich auch Projektierungs- und Anlagenbaubetriebe. Stark zusammengefasst bestand ein Arbeitsprozess aus zwei Hauptabschnitten, nämlich der Entwicklung der Maschinen einerseits sowie der Herstellung der entwickelten Produkte andererseits. Dabei ist nach Auffassung des Senats unter Zugrundelegung der Angaben des Klägers der Schwerpunkt der Arbeit im Entwicklungsbereich zu sehen. Dies ergibt sich bereits daraus, dass der unternehmerische Produktionsumfang sich meist nur auf wenige Ausfertigungen, sogenannte Unikate, erstreckte. Zum anderen ist unter Berücksichtigung der jeweiligen Teilarbeitsprozesse dem zeitlichen Umfang im Entwicklungsbereich das größere Gewicht beizumessen. Schließlich war auch die Produktion der einzelnen Teile nicht ohne den vorangegangenen unerlässlichen Entwicklungsprozess möglich. Zudem hat der Kläger angegeben, das Unternehmen habe außerdem Projektierungsaufgaben durchgeführt. So hat er in einem im Erörterungstermin vorgelegten Schreiben ausgeführt, dass er zu Hydraulikaggregaten deren Bestandteile und Preise ermittelt und danach die Arbeitsvorbereitung durchgeführt habe.
Die Zuordnung zu dem Wirtschaftsbereich 6 dagegen würde erfordern, dass zumindest der Schwerpunkt des Unternehmens oder dessen alleiniges Tätigkeitsfeld im Produktionsbereich angesiedelt wäre. Dies kann jedoch aus den oben genannten Gründen nicht angenommen werden.
Auch eine Bewertung als Unternehmen des Wirtschaftsbereichs 19 kommt nicht in Betracht. Den Teilbereichen der Wirtschaftsgruppe 19 ist gemein, dass sie der Wissenschaft und Forschung angehören. Das vorliegend zu bewertende Unternehmen befasste sich jedoch nicht mit Strukturen, Zusammenhängen und Mechanismen grundlegender Art, sondern wurde jeweils mit konkreten Fallkonstellationen betraut, für deren Einzelfall eine maßgeschnittene Lösung zu entwickeln war. Zwar gehört zum Begriff der Forschung auch die praxisbezogene oder angewandte Forschung, bei der die gewonnenen Erkenntnisse in technische Entwicklungen umgesetzt werden. Aber auch diese Unterart der Forschung beschäftigt sich mit allgemeinen, wenn auch praxisbezogenen Fragestellungen und bietet keine Lösungen für wirtschaftliche Einzelaufträge an. Den Ausführungen des Klägers, insbesondere unter Berücksichtigung seiner Angaben im Erörterungstermin vom 13.08.2015, ist nicht zu entnehmen, dass die Grundlagenforschung Hauptbetätigungsfeld des Unternehmens war. Vielmehr beschrieb der Kläger eine im Einzelfall erfolgte Forschung bzw. Entwicklung mit direktem Anwenderbezug. Unbeachtlich ist ferner, dass das Unternehmen als wissenschaftliches Institut benannt war, denn ausschlaggebend für die Eingruppierung in die maßgebliche Wirtschaftsgruppe ist der tatsächliche Betriebsgegenstand, somit die den Hauptzweck des Unternehmens prägenden Arbeitsabläufe und Betätigungsfelder, und nicht die bloße Bezeichnung.
Da die Beklagte nicht zu verpflichten ist, den Rentenbescheid teilweise zurückzunehmen, kommt auch ein Leistungsanspruch nach § 44 Abs. 4 SGB X nicht in Betracht.
Aus diesen Gründen war lediglich der Bescheid vom 11.12.2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 06.05.2013 aufzuheben und die Berufung im Übrigen zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und berücksichtigt, dass zum einen die Berufung nur insoweit Erfolg hatte, als einer der drei angegriffenen Bescheide aufzuheben war, zum anderen, dass das hauptsächliche Begehren des Klägers auf die Gewährung einer höheren Rentenzahlung ausgerichtet war, dem jedoch nicht entsprochen worden ist.
Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor.
Im Übrigen wird die Berufung des Klägers zurückgewiesen.
Die Beklagte trägt 1/10 der außergerichtlichen Kosten des Klägers in beiden Instanzen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten im Rahmen eines Überprüfungsverfahrens wegen höherer Rentenleistungen um die Zuordnung der seitens des Klägers in Rumänien zurückgelegten Beitragszeiten zum Wirtschaftsbereich 19 (Wissenschaft, Hoch- und Fachschulwesen) bzw. 6 (Maschinen- und Fahrzeugbau) anstelle des Wirtschaftsbereichs 12 (Sonstige produzierende Bereiche) in der Zeit vom 27.12.1974 bis 26.10.1980 sowie vom 09.03.1981 bis 19.10.1988.
Der 1949 in Rumänien geborene Kläger zog am 22.09.1989 in die Bundesrepublik Deutschland (BRD) zu. Er ist Inhaber des Vertriebenenausweises A.
Nach einer Fachschulausbildung studierte er von 1968 bis 1973 Wirtschaftswissenschaften. Im Anschluss daran war er vom 26.12.1973 bis 27.10.1980 und - nach seinem zwischenzeitlich geleisteten Militärdienst - vom 09.03.1981 bis 20.10.1988 bei dem Institut für Wissenschaft und Forschung Technologische Ingenieurschaft "T." (heutiger Name S.) als Hauptökonom tätig.
In einem Kontenklärungsbescheid vom 03.08.2001 erkannte die Landesversicherungsanstalt Baden-Württemberg, die Rechtsvorgängerin der Beklagten (im Folgenden einheitlich Beklagte), bei dem Kläger die im Versicherungsverlauf enthaltenen Daten an. Unter anderem stufte sie die Zeiten vom 27.12.1974 bis 26.10.1980 und vom 09.03.1981 bis 19.10.1988 als Pflichtbeitragszeiten in den Bereich 12 (Sonstige produzierende Bereiche), Qualifikationsgruppe I, ein und berücksichtigte diese Beschäftigungszeiten als glaubhaft gemachte Zeiten nach dem Fremdrentengesetz (FRG) mit 5/6. Den hiergegen erhobenen Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 31.10.2001 zurück.
Mit Bescheid vom 11.04.2007 gewährte die Beklagte dem Kläger eine Rente wegen voller Erwerbsminderung als vorläufige Leistung für die Zeit vom 01.03.2007 bis 31.03.2009. Dabei stufte sie erneut die Zeiten vom 27.12.1974 bis 26.10.1980 sowie vom 09.03.1981 bis 19.10.1998 als glaubhaft gemachte Zeiten nach dem FRG in den Bereich 12, Qualifikationsgruppe I, ein. Der Kläger erhob hiergegen Widerspruch. Mit Bescheid vom 23.05.2007 stellte die Beklagte die Rente des Klägers neu fest unter Berücksichtigung einer weiteren Arbeitslosigkeitszeit im Jahre 2005. Mit Bescheid vom 04.11.2008 stellte die Beklagte die als vorläufige Leistung erbrachte Rente endgültig fest. Mit Widerspruchsbescheid vom 27.11.2008 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers gegen den Bescheid vom 11.04.2007 zurück. Im hiergegen erhobenen Klageverfahren vor dem Sozialgericht Mannheim (SG) machte der Kläger eine höhere Rente unter Geltendmachung von nachgewiesenen Pflichtbeitragszeiten geltend (S 8 R 4182/08). Das SG wies die Klage ab (Urteil vom 08.10.2009). Auf die Berufung des Klägers hob das Landessozialgericht [LSG] Baden-Württemberg (L 9 R 4758/09) mit Urteil vom 30.08.2011 das Urteil des SG auf und verurteilte die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 04.11.2008 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27.11.2008, dem Kläger höhere Rente wegen voller Erwerbsminderung für die Zeit ab 01.03.2007 bis 31.03.2009 unter Berücksichtigung der Zeiten vom 26.12.1973 bis 19.10.1988 als nachgewiesene Beitragszeit zu gewähren.
Bereits mit Bescheid vom 13.02.2009 hatte die Beklagte dem Kläger Rente wegen voller Erwerbsminderung für die Zeit bis 31.03.2012 weitergewährt. Am 04.02.2010 bat der Kläger die Beklagte außerdem um Neuberechnung seiner Erwerbsminderungsrente, da die Zeiten nach dem FRG falsch berechnet worden seien. Im Einzelnen wandte er sich gegen die Anerkennung der Zeit vom 26.12.1973 bis 26.12.1974 lediglich als Ausbildungs- und nicht als Beschäftigungszeit, gegen die Eingruppierung in den Wirtschaftsbereich 12 und nicht 19 sowie gegen die Berücksichtigung seiner Beitragszeiten als lediglich glaubhaft gemachte Zeiten. Mit Bescheid vom 01.03.2010 gewährte die Beklagte dem Kläger eine Altersrente für schwerbehinderte Menschen für die Zeit ab 01.01.2010. Der Kläger erhob hiergegen am 22.03.2010 unter Bezugnahme auf sein Schreiben vom 04.02.2010 Widerspruch.
Die Beklagte wertete den Widerspruch des Klägers gegen den Bescheid vom 01.03.2010 als Überprüfungsantrag auf Anerkennung der rumänischen Versicherungszeiten für die Zeit vom 26.12.1973 bis 20.10.1988 als nachgewiesene Beitragszeiten und lehnte diesen mit Bescheid vom 14.06.2010 ab.
In Umsetzung des Urteils des LSG Baden-Württemberg vom 30.08.2011 berechnete die Beklagte mit Bescheid vom 11.10.2011 die Erwerbsminderungsrente für die Zeit ab 01.03.2007 neu unter Berücksichtigung der Zeit vom 26.12.1973 bis 19.10.1988 als nachgewiesene Beitragszeit. Ebenso berechnete die Beklagte mit Bescheid vom 13.10.2011 seine Altersrente für schwerbehinderte Menschen für die Zeit ab 01.01.2010 neu wiederum unter Berücksichtigung dieser Beitragszeit.
Mit Widerspruchsbescheid vom 04.05.2012 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers gegen den Bescheid vom 01.03.2010 mit der Begründung zurück, der Widerspruch sei nicht zulässig. Eine Änderung der Anerkennung der Versicherungszeiten sei durch den angegriffenen Bescheid nicht erfolgt. Eine geänderte Anerkennung der rumänischen Versicherungszeiten könne nur im Rahmen des § 44 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) erfolgen.
Die Beklagte wertete den Widerspruch des Klägers vom 22.03.2010 (erneut) als Antrag auf Überprüfung und stellte mit Bescheid vom 22.05.2012 die Rente wegen voller Erwerbsminderung des Klägers für die Zeit ab 01.03.2007 neu fest. Der Bescheid vom 11.04.2007 werde insoweit zurückgenommen. Die Zeit von 26.12.1973 bis 26.12.1974 werde mit der Qualifikationsgruppe I und dem Wirtschaftsbereich 12 anerkannt. Eine Anerkennung in den Wirtschaftsbereich 19 komme für die Zeit vom 27.12.1974 bis 26.10.1980 sowie vom 09.03.1981 bis 19.10.1988 nicht in Betracht. Dem Wirtschaftsbereich 19 seien nur wissenschaftliche Forschungsinstitute und Laboratorien zuzuordnen. Forschungs- und Entwicklungszentren der wirtschaftsleitenden Organe, also auch Institute der Industrie, gehörten dagegen dem Wirtschaftsbereich 12 an. Da der Kläger in der industriellen Forschung beschäftigt gewesen sei, sei ihm der Wirtschaftsbereich 12 zuzuordnen. Außerdem stellte die Beklagte mit Bescheid vom 23.05.2012 die Altersrente für schwerbehinderte Menschen für die Zeit ab 01.01.2010 mit derselben Begründung wie im Bescheid vom 22.05.2012 neu fest.
Der Kläger erhob gegen beide Bescheide am 25.06.2012 Widerspruch. Hierzu teilte er mit, dass der Bescheid vom 22.05.2012 seinem Bevollmächtigten erst am 29.05.2012 zugestellt worden sei. Zur Begründung führte er unter Vorlage einer Adeverinta Nr. 233 der Firma S. vom 28.08.2012 aus, dass er in einem Unternehmen beschäftigt gewesen sei, welches als unabhängiges Forschungsinstitut für Maschinen, Anlagen und Aggregate sowie im Bereich der Forschung als Pilotprojekt für die rumänische Entwicklung gegründet worden sei. Dieses Forschungsinstitut sei 1979 umgewandelt worden in ein Institut für wissenschaftliche Forschung. Demnach lägen die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Wirtschaftsbereiches 19 vor.
Mit Bescheid vom 11.12.2012 lehnte die Beklagte den Antrag des Klägers "auf Überprüfung des Wirtschaftsbereiches für die Zeit vom 27.12.1974 bis 26.10.1980" ab. Der Kläger habe im Widerspruchsverfahren die Adeverinta Nr. 233 vorgelegt. Hieraus gehe hervor, dass sein damaliger Arbeitgeber in der Entwicklung und Fortentwicklung der Herstellung von Werkzeugmaschinen tätig gewesen sei. Dies sei der industriellen Forschung zuzuordnen. Somit sei die bisherige Zuordnung des Wirtschaftsbereiches 12 korrekt. Dieser Bescheid werde gemäß § 86 Sozialgerichtsgesetz (SGG) Gegenstand des Widerspruchsverfahrens.
Der Kläger erhob hiergegen am 20.12.2012 (vorsorglich) Widerspruch. Hierzu trug er sinngemäß vor, er habe gegen die Bescheide vom 22.05.2012 und 23.05.2012 Widerspruch eingelegt und keinen weiteren Überprüfungsantrag gestellt.
Mit Widerspruchsbescheid vom 06.05.2013 wies die Beklagte die Widersprüche des Klägers gegen die Bescheide vom 22.05.2012, 23.05.2012 und 11.12.2012 zurück. Bei der Ermittlung von Entgeltpunkten nach dem FRG müsse zusätzlich zu der Einstufung in eine Qualifikationsgruppe je nach Art des Beschäftigungsbetriebes ein entsprechender Wirtschaftsbereich zugeordnet werden. Diese Zuordnung sei danach vorzunehmen, welchem Bereich der Beschäftigungsbetrieb angehöre. Sei der Beschäftigungsbetrieb Teil einer größeren Unternehmenseinheit gewesen, sei diese für die Zuordnung maßgebend. Kämen mehrere Bereiche in Betracht, sei der Bereich mit dem niedrigsten Durchschnittsverdienst maßgeblich. Der zugeordnete Wirtschaftsbereich 12 (Sonstige produzierende Betriebe) umfasse auch Forschungs- und Entwicklungszentren von Instituten der Industrie und des Handels. Der geltend gemachte Wirtschaftsbereich 19 umfasse im Forschungsbereich in erster Linie wissenschaftliche Forschungsinstitute und Laboratorien sowie Akademien und medizinisch-theoretische Institute des Gesundheits- und Sozialwesens. Laut der vorgelegten Adeverinta Nr. 233 habe der Kläger Marktstudien hinsichtlich der Werkzeugmaschinen und der Entwicklung der Produktion durchgeführt. Laut seiner eigenen weiteren Mitteilung habe der Betrieb neue Prototypen auf den Markt gebracht. Er selbst habe die hierzu erforderliche Studie für Optimierung und Effizienz gemacht. Danach seien bei seinem Betrieb Forschungen zu Industrie- und Handelszwecken im Vordergrund gestanden. Es handele sich weniger um Forschung im akademisch-wissenschaftlichen Bereich.
Hiergegen hat der Kläger am 04.06.2013 vor dem SG Klage erhoben und ergänzend vorgetragen, das Institut sei damals das einzige Forschungsinstitut für die einschlägige Arbeitsgruppe (Entwicklung und Projektierung von Maschinen) in Rumänien gewesen. Nachdem die Studien fertiggestellt gewesen seien, habe das Ministerium die Produktion erst bewilligen müssen. Er habe in den Bereichen Hydraulik, Kühlung, Neue Motoren und CNC-Systeme gearbeitet. Die Zuordnung in den Wirtschaftsbereich 12 sei somit unzutreffend gewesen. Mit Urteil vom 25.02.2014 hat das SG die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, die Beklagte habe den streitigen Zeitraum zutreffend dem Wirtschaftsbereich 12 zugeordnet. Dieser Wirtschaftsbereich umfasse als Sammelbereich die Wirtschaftsbereiche, die Dienstleistungen oder Erzeugnisse anböten, die unter den Begriff der Produktion fielen, aber nicht handwerklicher Natur seien. Dabei enthalte der Bereich auch die Teilgebiete der Forschungs- und Entwicklungszentren der wirtschaftsleitenden Organe und die Forschung und Erprobung von Produkten, Prozessen und technologischen Verfahren. Aus den Beschreibungen des Klägers ergebe sich, dass es sich bei dem Beschäftigungsbetrieb um ein Forschungs- und Entwicklungszentrum der wirtschaftsleitenden Organe und somit um einen Betrieb gehandelt habe, der nach den oben genannten Grundsätzen dem Wirtschaftsbereich 12 zuzuordnen sei. Sowohl die Beschreibungen des Klägers als auch jene in der Adeverinta Nr. 233 belegten, dass in dem Betrieb vorbereitende Forschungsarbeiten für Herstellung und Produktion von Werkzeugmaschinen durchgeführt worden seien. Dagegen finde sich kein Bezug zu akademischer Forschung, welche die Zuordnung zum Wirtschaftsbereich 19 rechtfertigen könnte. Selbst wenn man jedoch die Zuordnung zum Wirtschaftsbereich 19 für möglich halten würde, bleibe dennoch der von der Beklagten angenommene Wirtschaftsbereich 12 maßgeblich, da dieser den niedrigeren Durchschnittsverdienst ausweise.
Gegen das den Klägerbevollmächtigten am 10.03.2014 zugestellte Urteil hat der Kläger am 04.04.2014 bei dem LSG Baden-Württemberg Berufung eingelegt und vorgetragen, er sei in einem unabhängigen Forschungsinstitut für Maschinen, Anlagen und Aggregate tätig gewesen. Da das Forschungsinstitut 1979 in ein Institut für wissenschaftliche Forschung umgewandelt worden sei, sei widerlegt, dass die Forschung nicht akademischer Natur sei. Im Übrigen käme für die Zuordnung alternativ auch der Wirtschaftsbereich 6 in Frage. In dem in Rede stehenden Unternehmen seien Maschinen zur Fertigung von Autos oder ähnlichen Produkten erstellt worden.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 25. Februar 2014 sowie den Bescheid vom 11. Dezember 2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 6. Mai 2013 aufzuheben und die Bescheide vom 22. Mai 2012 und 23. Mai 2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 6. Mai 2013 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, unter teilweiser Rücknahme der Bescheide vom 4. November 2008, 13. Februar 2009 sowie vom 1. März 2010 ihm eine höhere Rente wegen voller Erwerbsminderung für die Zeit vom 1. März 2007 bis 31. Dezember 2009 und eine höhere Altersrente für schwerbehinderte Menschen für die Zeit ab 1. Januar 2010 zu gewähren unter Zuordnung seiner Beitragszeiten vom 26. Dezember 1974 bis 27. Oktober 1980 sowie vom 9. März 1981 bis 20. Oktober 1988 in den Wirtschaftsbereich 19 oder 6.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie stützt sich zur Begründung auf die Ausführungen im Urteil des SG. Ergänzend trägt sie vor, auch eine Einordnung in den Wirtschaftsbereich 6 komme nicht in Betracht. Im Vordergrund des Unternehmens habe nicht eine Produktion gestanden, sondern vielmehr die Entwicklung neuer Maschinen für die Unternehmen in Rumänien. Doch selbst bei Zweifeln hinsichtlich des Haupterwerbszweckes des ehemaligen Arbeitgebers und damit einhergehenden möglichen mehreren Wirtschaftsbereichen sei die Zuordnung zu dem Bereich vorzunehmen, der die niedrigsten Durchschnittsverdienste aufweise.
Mit den Beteiligten ist am 13.08.2015 ein Erörterungstermin durchgeführt worden. Der Kläger ist hierbei persönlich angehört worden. Ferner haben sich die Beteiligten darin mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt. Insoweit wird auf die Niederschrift zum Termin und wegen der weiteren Einzelheiten auf die Gerichtsakten beider Instanzen sowie die Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung, über die der Senat im Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung gemäß § 124 Abs. 2 SGG entschieden hat, ist statthaft und auch im Übrigen zulässig. Berufungsausschließungsgründe liegen nicht vor (§ 144 SGG). Sie ist jedoch nur teilweise begründet. Das SG hat die Klage überwiegend zu Recht abgewiesen. Dem Kläger steht kein Recht auf teilweise Rücknahme der angegriffenen Bescheide sowie Neuberechnung seiner Erwerbsminderungsrente und Altersrente für schwerbehinderte Menschen und somit auch nicht auf eine höhere Rentenleistung zu. Der Bescheid vom 11.12.2012 ist jedoch rechtswidrig und war daher aufzuheben.
Gegenstand des Berufungsverfahrens sind zunächst die Bescheide vom 22.05.2012 und 23.05.2012, mit denen die Beklagte über einen als Überprüfungsantrag nach § 44 SGB X gewerteten Rechtsbehelf des Klägers entschieden und die jeweiligen Bescheide über die Gewährung einer Erwerbsminderungsrente bzw. Altersrente für schwerbehinderte Menschen abgeändert und höhere Renten gewährt hat, jedoch nur unter Zugrundelegung eines Teils der vorgetragenen Begründungen. Die vom Kläger in seinem Widerspruch vom 22.03.2010 als weiteres Begründungselement vorgetragene fehlerhafte Zuordnung in den Wirtschaftsbereich 12 behielt die Beklagte mit den angegriffenen Bescheiden ausdrücklich bei und gewährte insoweit keine höhere Rente. Dass die Beklagte im Bescheid vom 22.05.2012 lediglich den Bescheid vom 11.04.2007 über die Bewilligung der Erwerbsminderungsrente als vorläufige Leistung teilweise zurückgenommen und nicht eine Überprüfung des endgültigen Bewilligungsbescheides vom 04.11.2008 vorgenommen hat, führt nicht zu einer Rechtswidrigkeit der Entscheidung. Zwar ist der Bescheid vom 11.04.2007 durch den Bescheid vom 04.11.2008 vollständig ersetzt worden (vgl. Urteil des erkennenden Senats vom 30.08.2011, L 9 R 4758/09), so dass auch nur noch dieser - ebenso wie der Bescheid vom 13.02.2009 - einer Änderung zugänglich war. Da die Beklagte jedoch mit dem angegriffenen Bescheid vom 22.05.2012 die als endgültige Leistung gewährte Erwerbsminderungsrente abänderte, und zwar auch für die Zeit über den 31.03.2009 hinaus (Bewilligungszeitraum des Bescheides vom 13.02.2009), kann der angegriffene Verwaltungsakt vom 22.05.2012 inhaltlich als Ergebnis einer Überprüfung der Bescheide vom 04.11.2008 und 13.02.2009 gesehen werden. Mit dem Bescheid vom 23.05.2012 nahm die Beklagte den Bescheid vom 01.03.2010 teilweise zurück. Mit dem ebenfalls angegriffenen Bescheid vom 11.12.2012 lehnte die Beklagte ein von ihr als Überprüfungsantrag gewertetes Gesuch des Klägers auf Anerkennung des Wirtschaftsbereichs 19 für die Zeit vom 27.12.1974 bis 26.10.1980 ab. Statthafte Klageart zur Erreichung des vom Kläger angestrebten Ziels ist die kombinierte Anfechtungs-, Verpflichtungs- und Leistungsklage nach § 54 Abs. 1, Abs. 4 SGG.
Nach § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X ist ein Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass des Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind. Ist ein Verwaltungsakt mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen, werden Sozialleistungen nach den Vorschriften der besonderen Teile dieses Gesetzbuchs längstens für einen Zeitraum bis zu vier Jahren vor der Rücknahme erbracht (§ 44 Abs. 4 Satz 1 SGB X).
Der Bescheid vom 11.12.2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 06.05.2013 war aufzuheben. Nach der genannten Vorschrift sind die Behörden zwar zur Rücknahme eines Verwaltungsaktes auf Antrag oder von Amts wegen befugt. Zu einer die Rücknahme ablehnenden Regelung ist die Behörde jedoch nur dann legitimiert, wenn ein Betroffener ein Begehren geäußert hat, das von der Rücknahme eines Verwaltungsaktes abhängt (vgl. Steinwedel in: Kasseler Kommentar, SGB X, Stand September 2013, § 44 Rn. 22). Mit den ebenfalls angegriffenen Bescheiden vom 22.05.2012 und 23.05.2012 hat die Beklagte bereits über das Gesuch des Klägers auf Gewährung höherer Rentenleistungen unter Zuordnung der in Rede stehenden Beitragszeiten zu einem anderen Wirtschaftsbereich entschieden. Dies ergibt sich insbesondere aus dem Bescheid vom 22.05.2012, in dem die Beklagte Ausführungen zu der jeweiligen Einordnung machte. Es bestehen auch keine Anhaltspunkte dafür, dass der vom Kläger am 25.06.2015 erhobene Widerspruch gleichzeitig als neuer Antrag auf Überprüfung des noch streitigen Sachverhalts auszulegen war. Dies hat der Kläger auch in seinem Widerspruch vom 20.12.2012 bestätigt. Im Übrigen wäre im entgegengesetzten Fall der Bescheid über den weiteren Überprüfungsantrag auch nicht nach § 86 SGG Gegenstand des Widerspruchsverfahrens geworden. Da ein ablehnender Verwaltungsakt in die Rechtsposition des Betroffenen eingreift und somit eine belastende Regelung darstellt, war der vorliegende Bescheid ohne weitere Sachprüfung aufzuheben.
Die Beklagte hat das Recht jedoch richtig angewandt, als sie die Höhe der dem Kläger gewährten Renten unter Zugrundelegung von Entgeltpunkten ermittelte, deren Höhe wiederum sie unter Einordnung seiner in Rumänien zurückgelegten Beitragszeiten in der Zeit vom 27.12.1974 bis 26.10.1980 sowie vom 09.03.1981 bis 19.10.1988 in den Wirtschaftsbereich 12 und nicht in die Bereiche 6 oder 19 eingruppierte.
Die Höhen der dem Kläger gemäß § 43 Abs. 2 SGB VI bewilligten Erwerbsminderungsrente und der gemäß § 236a SGB VI bewilligten Altersrente für schwerbehinderte Menschen bestimmen sich nach § 63 SGB VI. Gemäß Absatz 1 der Vorschrift richtet sich die Höhe einer Rente vor allem nach der Höhe der während des Versicherungslebens durch Beiträge versicherten Arbeitsentgelte und Arbeitseinkommen. Das in den einzelnen Kalenderjahren durch Beiträge versicherte Arbeitsentgelt und Arbeitseinkommen wird in Entgeltpunkte umgerechnet, § 63 Abs. 2 Satz 1 SGB VI.
Da der Kläger als Vertriebener im Sinne des § 1 Bundesvertriebenengesetzes (BVFG) anerkannt ist, findet auf die von ihm in Rumänien zurückgelegten Beitragszeiten das FRG Anwendung (§ 1a FRG). Die Ermittlung von Entgeltpunkten nach dem FRG bestimmt sich nach § 22 dieses Gesetzes. Nach § 22 Abs. 1 Satz 1 FRG werden für Zeiten der in §§ 15 und 16 genannten Art Entgeltpunkte in Anwendung von § 256b Abs. 1 Satz 1 erster Halbsatz, Satz 2 und 9 des SGB VI ermittelt. Hierzu werden für Zeiten nach dem 31. Dezember 1949 die in Anlage 14 des SGB VI genannten oder nach § 256b Abs. 1 Satz 2 SGB VI festgestellten Durchschnittsjahresverdienste um ein Fünftel erhöht und für Zeiten vor dem 1. Januar 1950 Entgeltpunkte auf Grund der Anlagen 1 bis 16 dieses Gesetzes ermittelt (§ 22 Abs. 1 Satz 2 FRG). Die Bestimmung des maßgeblichen Bereichs richtet sich danach, welchem Bereich der Betrieb, in dem der Versicherte seine Beschäftigung ausgeübt hat, zuzuordnen wäre, wenn der Betrieb im Beitrittsgebiet gelegen hätte (§ 22 Abs. 1 Satz 3 FRG). Ist der Betrieb Teil einer größeren Unternehmenseinheit, ist für die Bestimmung des Bereichs diese maßgeblich (§ 22 Abs. 1 Satz 4 FRG). Kommen nach dem Ergebnis der Ermittlungen mehrere Bereiche in Betracht, ist von ihnen der Bereich mit den niedrigsten Durchschnittsverdiensten des jeweiligen Jahres maßgeblich (§ 22 Abs. 1 Satz 5 FRG). Ist eine Zuordnung zu einem oder zu einem von mehreren Bereichen nicht möglich, so erfolgt die Zuordnung zu dem Bereich mit den für das jeweilige Jahr niedrigsten Durchschnittsverdiensten (§ 22 Abs. 1 Satz 6 FRG).
Die Beklagte hat, orientiert an diesen Vorschriften, die Zuordnung der streitgegenständlichen Beschäftigungszeiten zutreffend zu dem Wirtschaftsbereich 12 vorgenommen. Der Gesetzgeber unterscheidet in der Anlage 14 zum SGB VI 23 Wirtschaftsbereiche. Grundlage für dessen Gliederung ist die Wirtschaftsstruktur der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik (DDR). Die für die Zuordnung der ausgeübten Tätigkeit zu einem der in Anlage 14 genannten Wirtschaftsbereiche maßgebenden tatsächlichen Umstände sind im Wege der Glaubhaftmachung nachzuweisen (vgl. Dankelmann in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB VI, Stand Dezember 2015 § 256b Rn. 106).
Der Wirtschaftsbereich 12 (Sonstige produzierende Bereiche) umfasst als Sammelbereich die Wirtschaftsbereiche, die Dienstleistungen oder Erzeugnisse anbieten, die unter dem Begriff der Produktion subsumiert werden, die aber nicht handwerklicher Natur sind. Der Begriff umschließt dabei auch die Teilgebiete der • For¬schungs- und Ent¬wick¬lungs¬zen¬tren der wirt¬schafts¬lei¬ten¬den Organe (z. B. Insti¬tute der Indus¬trie, der Land- und Forst¬wirt¬schaft, des Ver¬kehrs, des Post- und Fern¬mel¬de¬we¬sens und des Han¬dels) • Pro¬jek¬tie¬rungs- und Anla¬gen¬bau¬be¬triebe • geologische Untersuchungen • Betriebe des staatlichen Vermessungs- und Kartenwesens • Verlage/Reparaturkombinate, textiles Reinigungswesen, Rechenbetriebe • sonstige produzierende Betriebe (z.B. DEFA-Studios)
(vgl. BT-Drucks. 12/405, S. 138; Dankelmann, a.a.O. Rn. 201ff.).
In den Wirtschaftsbereich 19 (Wissenschaft, Hoch- und Fachschulwesen) dagegen fallen • wissenschaftliche Forschungsinstitute und Laboratorien • Akademien (ohne Lehrtätigkeit) • Institute des Gesundheits- und Sozialwesens • sonstige Einrichtungen der Wissenschaft und Forschung • der Teilbereich Hoch- und Fachschulwesen mit den Hoch- und Fachschulen
Dem Wirtschaftsbereich 6 (Maschinen- und Fahrzeugbau) gehören unter anderem an • Energiemaschinenbau • Bau-, Baustoff- und Keramikmaschinenbau • Werkzeugmaschinenbau • Werkzeug- und Vorrichtungsbau • Plast- und Elastverarbeitungsmaschinenbau • Bau von tech¬no¬lo¬gi¬schen Spe¬zi¬al¬aus¬rüs¬tun¬gen • Bau¬teile- und Maschi¬nen¬ele¬men¬te¬in¬dus¬trie • Bau von Metallkonstruktionen (vgl. Dankelmann, a.a.O. Rn. 233 ff. bzw. 134 ff.)
Maßgebend für die Zuordnung ist der Hauptzweck des Beschäftigungsbetriebes. Nach Angaben des Klägers ist das ihn ehemals beschäftigende Unternehmen als Forschungsinstitut gegründet und 1979 in ein "Institut für wissenschaftliche Forschung" umbenannt worden. Unternehmensgegenstand war nach seinen Angaben die Entwicklung von maßgeschnittenen Maschinen und Aggregaten für die Auto- oder Elektroindustrie im Auftrag anderer Unternehmen. Nach der vorgelegten Adeverinta Nr. 233 war das Unternehmen ein Pilotelement in der Entwicklung und Fortentwicklung der Herstellung von Werkzeugmaschinen. Nach Überzeugung des Senats bestand ein typischer Arbeitsablauf des Unternehmens aus vier Abschnitten: Der erste Arbeitsabschnitt kann dabei als Entwicklungsphase bezeichnet werden. Der Kläger gab hierzu im Erörterungstermin an, zunächst hätten die Ingenieure einen Entwurf erstellt, bevor die verschiedenen Teile sowie Bauart, Materialien und Methodik geprüft bzw. "erforscht" worden seien. Nach Abschluss dieses Prozesses wurde von der Produktionsabteilung ein Prototyp gebaut und getestet, ob es den Anforderungen genüge. Dieser Teil kann als Zwischenproduktionsphase charakterisiert werden. Anschließend wurde in einem dritten Abschnitt das entsprechende Ministerium eingeschaltet und ein Genehmigungsverfahren eingeleitet (Genehmigungsphase). Nach Vorliegen der Genehmigung begann dann die eigentliche Produktion (Produktionsphase), in der nach Angaben des Klägers manchmal nur eine Maschine gebaut worden sei, manchmal auch zwei, drei oder vier. Dieser letzte Abschnitt endete mit der Auslieferung der hergestellten Maschine oder des Aggregats an das beauftragende Unternehmen.
Vor diesem Hintergrund ist die Einordnung durch die Beklagte in den Wirtschaftsbereich 12 rechtlich nicht zu beanstanden. Der Wirtschaftsbereich 12 erfasst auch For¬schungs- und Ent¬wick-lungs¬zen¬tren der wirt¬schafts¬lei¬ten¬den Organe. Unter wirtschaftsleitenden Organen können hierbei beispielsweise die Industrie, die Landwirtschaft, der Verkehr oder der Handel gesehen werden. Außerdem enthält der Bereich auch Projektierungs- und Anlagenbaubetriebe. Stark zusammengefasst bestand ein Arbeitsprozess aus zwei Hauptabschnitten, nämlich der Entwicklung der Maschinen einerseits sowie der Herstellung der entwickelten Produkte andererseits. Dabei ist nach Auffassung des Senats unter Zugrundelegung der Angaben des Klägers der Schwerpunkt der Arbeit im Entwicklungsbereich zu sehen. Dies ergibt sich bereits daraus, dass der unternehmerische Produktionsumfang sich meist nur auf wenige Ausfertigungen, sogenannte Unikate, erstreckte. Zum anderen ist unter Berücksichtigung der jeweiligen Teilarbeitsprozesse dem zeitlichen Umfang im Entwicklungsbereich das größere Gewicht beizumessen. Schließlich war auch die Produktion der einzelnen Teile nicht ohne den vorangegangenen unerlässlichen Entwicklungsprozess möglich. Zudem hat der Kläger angegeben, das Unternehmen habe außerdem Projektierungsaufgaben durchgeführt. So hat er in einem im Erörterungstermin vorgelegten Schreiben ausgeführt, dass er zu Hydraulikaggregaten deren Bestandteile und Preise ermittelt und danach die Arbeitsvorbereitung durchgeführt habe.
Die Zuordnung zu dem Wirtschaftsbereich 6 dagegen würde erfordern, dass zumindest der Schwerpunkt des Unternehmens oder dessen alleiniges Tätigkeitsfeld im Produktionsbereich angesiedelt wäre. Dies kann jedoch aus den oben genannten Gründen nicht angenommen werden.
Auch eine Bewertung als Unternehmen des Wirtschaftsbereichs 19 kommt nicht in Betracht. Den Teilbereichen der Wirtschaftsgruppe 19 ist gemein, dass sie der Wissenschaft und Forschung angehören. Das vorliegend zu bewertende Unternehmen befasste sich jedoch nicht mit Strukturen, Zusammenhängen und Mechanismen grundlegender Art, sondern wurde jeweils mit konkreten Fallkonstellationen betraut, für deren Einzelfall eine maßgeschnittene Lösung zu entwickeln war. Zwar gehört zum Begriff der Forschung auch die praxisbezogene oder angewandte Forschung, bei der die gewonnenen Erkenntnisse in technische Entwicklungen umgesetzt werden. Aber auch diese Unterart der Forschung beschäftigt sich mit allgemeinen, wenn auch praxisbezogenen Fragestellungen und bietet keine Lösungen für wirtschaftliche Einzelaufträge an. Den Ausführungen des Klägers, insbesondere unter Berücksichtigung seiner Angaben im Erörterungstermin vom 13.08.2015, ist nicht zu entnehmen, dass die Grundlagenforschung Hauptbetätigungsfeld des Unternehmens war. Vielmehr beschrieb der Kläger eine im Einzelfall erfolgte Forschung bzw. Entwicklung mit direktem Anwenderbezug. Unbeachtlich ist ferner, dass das Unternehmen als wissenschaftliches Institut benannt war, denn ausschlaggebend für die Eingruppierung in die maßgebliche Wirtschaftsgruppe ist der tatsächliche Betriebsgegenstand, somit die den Hauptzweck des Unternehmens prägenden Arbeitsabläufe und Betätigungsfelder, und nicht die bloße Bezeichnung.
Da die Beklagte nicht zu verpflichten ist, den Rentenbescheid teilweise zurückzunehmen, kommt auch ein Leistungsanspruch nach § 44 Abs. 4 SGB X nicht in Betracht.
Aus diesen Gründen war lediglich der Bescheid vom 11.12.2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 06.05.2013 aufzuheben und die Berufung im Übrigen zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und berücksichtigt, dass zum einen die Berufung nur insoweit Erfolg hatte, als einer der drei angegriffenen Bescheide aufzuheben war, zum anderen, dass das hauptsächliche Begehren des Klägers auf die Gewährung einer höheren Rentenzahlung ausgerichtet war, dem jedoch nicht entsprochen worden ist.
Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor.
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