L 3 U 3045/14

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 9 U 1816/14
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 3 U 3045/14
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 27. Juni 2014 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Die Kosten und baren Auslagen des Klägers für das auf seinen Antrag und sein Kostenrisiko eingeholte Gutachten des Dr. M. vom 23. November 2015 werden nicht auf die Staatskasse übernommen.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist die Feststellung eines Ereignisses vom 14.05.2003 als Arbeitsunfall streitig.

Der im Jahr 1978 geborene Kläger stellte sich im Mai 2003 bei dem Internisten und Kardiologen Dr. A. wegen einer Hodenprellung, die nach einer Auseinandersetzung am Arbeitsplatz entstanden sei, vor (Schreiben vom 10.01.2013). Ferner gab er am 25.06.2003 im Universitätsklinikum G. an, infolge eines am 14.05.2003 erfolgten Griffs in seine Genitalien an Hodenschmerzen beidseits zu leiden (Anamnesebogen des Dr. B. ohne Datum). Im Rahmen der sodann erfolgten Ultraschalluntersuchung wurde ein nicht pathologischer Befund der Nieren, der Harnblase, der Prostata und des Skrotums beidseits festgestellt (Schreiben vom 06.03.2013 und Sonographie-Befund vom 25.06.2003). Sodann stellte sich der Kläger am 26.06.2003 bei dem Neurologen und Psychiater Dr. C. wegen einer depressiven Entwicklung nach Hodentrauma vor (Arztbrief vom 26.06.2003). Außerdem stellte sich der Kläger am 01.09.2003 bei Dr. D. vor und teilte mit, bei der Arbeit habe ihn ein Kollege im Genitalbereich angefasst (Zweitschrift des Durchgangsarztberichtes vom 31.10.2013). Am 27.09.2003 stellte sich der Kläger im Klinikum E. vor und gab an, am 14.05.2003 habe ein Kollege ihn an seinem Hoden fest gedrückt. Die röntgenologische Untersuchung ergab im Bereich der Hoden keinen pathologischen Befund (Ambulanter Behandlungsschein vom 27.09.2003). Im Rahmen einer weiteren Vorstellung im Klinikum E. wurde der rechte Hoden als leicht höherliegend beschrieben (Kurzbrief ohne Datum).

Mit Schreiben vom 10.10.2012 stellte der Kläger wegen eines Vorfalls vom 14.05.2003 Strafanzeige. Der von ihm beschuldigte Kollege S. gab in der Beschuldigten-Vernehmung vom 24.10.2012 an, er habe den Kläger damals ertappt, als dieser in seiner Schublade herumgewühlt habe. Er habe dem Kläger gesagt, er solle dies sein lassen. Dieser habe durch Gesten gezeigt, dass er mit seinen Äußerungen nicht einverstanden gewesen sei, und habe sich vor ihm aufgerichtet. Er habe dem Kläger nach einer kurzen verbalen Auseinandersetzung einen leichten Schubs gegeben. Ob sich der Kläger hierbei mit seinem Genitalbereich an irgend einer Kante oder einem sonstigen Gegenstand angestoßen habe, wisse er nicht. In dem sodann vom Kläger angestrengten Verfahren habe er im Rahmen eines Täter-Opfer-Ausgleichs 500,00 Euro bezahlt. Der Zeuge R. gab in seiner Zeugen-Vernehmung vom 30.10.2012 an, zum Zeitpunkt des Vorfalls nicht in der Werkhalle gewesen zu sein. Unmittelbar danach habe der Kläger ihm gesagt, dass S ihn geschlagen habe. Auf Nachfrage habe S zu ihm gesagt, er habe den Kläger nicht geschlagen, sondern ihm nur einen Stoß oder Schubs gegeben, da der Kläger in seinen Schubladen herumgewühlt habe. Mit Verfügung vom 23.11.2012 stellte die Staatsanwaltschaft E. das unter dem Aktenzeichen 307 Js 13928/12 geführte Ermittlungsverfahren ein und führte zur Begründung aus, der Sachverhalt sei bereits im Jahr 2003 Gegenstand des unter dem Aktenzeichen 9 Js 11175/03 geführten Verfahrens gewesen, das durch einen Täter-Opfer-Ausgleich abgeschlossen worden sei. Im Übrigen sei Verfolgungsverjährung eingetreten. Nachdem sich der Kläger hiermit in mehreren Schriftsätzen nicht einverstanden erklärt und ärztliche Unterlagen vorgelegt hatte, stellte die Staatsanwaltschaft E. mit Verfügung vom 21.03.2013 erneut das Ermittlungsverfahren ein und führte ergänzend aus, die vorgelegten ärztlichen Atteste belegten keine schwere Körperverletzung. Die hiergegen vom Kläger eingelegte Beschwerde wies die Generalstaatsanwaltschaft Karlsruhe mit Verfügung vom 14.06.2013 zurück. Das Ermittlungsverfahren sei zu Recht und mit zutreffenden Gründen mangels hinreichenden Tatverdachts eingestellt worden.

Mit Schreiben vom 18.10.2013 beantragte der Kläger wegen des Vorfalls vom 14.05.2003 bei der Beklagten Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung. Die Beklagte zog die unter dem Aktenzeichen 307 Js 13928/12 geführte staatsanwaltschaftliche Ermittlungsakte bei. Aus dieser geht unter anderem hervor, dass die unter dem Aktenzeichen 9 Js 11175/03 geführte Ermittlungsakte bereits vernichtet worden war. Auf Anfrage der Beklagten legte die ehemalige Arbeitgeberin des Klägers zunächst ihr an die Beklagte gerichtetes Schreiben vom 25.09.2003 vor, wonach nicht bekannt sei, wie es zu dem Vorfall gekommen sei und welche Gründe hierfür die Ursache gewesen seien. Sie führte sodann unter dem 24.01.2014 aus, die Ursache des Konflikts zwischen dem Kläger und S sei nicht betriebsbedingt gewesen. Beide hätten private Differenzen gehabt.

Mit Bescheid vom 20.02.2014 lehnte die Beklagte die Feststellung des Ereignisses vom 14.05.2003 als Arbeitsunfall und die Erbringung von Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung ab. Sie führte zur Begründung aus, es lägen keine Hinweise dafür vor, dass das angeschuldigte Ereignis in einem Zusammenhang mit der betrieblichen Tätigkeit gestanden beziehungsweise sich daraus entwickelt habe. Die Arbeitgeberin habe angegeben, dass es zwischen dem Kläger und S private Differenzen gegeben habe. Aus den Akten der Staatsanwaltschaft E. gehe hervor, dass das Ermittlungsverfahren eingestellt worden sei, weil kein hinreichender Tatverdacht habe ermittelt werden können. Da somit nicht nachgewiesen sei, dass die tätliche Auseinandersetzung betriebliche Gründe gehabt habe, seien die Voraussetzungen für eine Leistungspflicht aus der gesetzlichen Unfallversicherung aus Anlass des angeschuldigten Ereignisses vom 14.05.2003 nicht erfüllt.

Hiergegen legte der Kläger Widerspruch ein. Fakt sei, dass "dieser schwerst brutale Angriff" am Arbeitsplatz stattgefunden habe und er mit keinem der dortigen Mitarbeiter außerbetrieblichen Umgang gepflegt habe. Die daraus resultierten gesundheitlichen Beeinträchtigungen seien schwerwiegend. Mit Widerspruchsbescheid vom 09.04.2014 wies die Beklagte den Widerspruch zurück.

Hiergegen hat der Kläger am 14.04.2014 Klage zum Sozialgericht Freiburg (SG) erhoben.

Mit Gerichtsbescheid vom 27.06.2014 hat das SG die Klage abgewiesen. Es hat zur Begründung ausgeführt, ein mit der versicherten Tätigkeit des Klägers in einem inneren Zusammenhang stehender Gesundheitserstschaden ergebe sich insbesondere nicht aus den aktenkundigen ärztlichen Unterlagen. Es sei insbesondere weder in der Universitätsklinik G. noch im Klinikum E. noch bei Dr. B. ein objektiver krankhafter Befund festgestellt worden. Dr. D. und Dr. C. seien zwar bei der von ihnen diagnostizierten depressiven Entwicklung von einem Zustand nach Hodentrauma beziehungsweise Hodenquetschung ausgegangen. In Anbetracht der Tatsache, dass diese Ärzte den Kläger erst fast fünf Monate nach dem angeschuldigten Ereignis untersucht hätten und frühere fachärztliche Untersuchungen ohne Ergebnis geblieben seien, sei jedoch davon auszugehen, dass sie diese Annahme allein auf die Angaben des Klägers gestützt hätten. Ein objektiver Gesundheitserstschaden im Genitalbereich werde daher dadurch nicht nachgewiesen. Es möge zwar sein, dass dem Kläger tatsächlich am 14.05.2003 eine Hodenquetschung zugefügt worden sei. In Anbetracht der bis zur ersten ärztlichen Untersuchung verstrichenen Zeit sowie der fehlenden objektiven Befunde bestünden jedoch gewisse Zweifel, die es ausschlössen, einen solchen Gesundheitserstschaden als bewiesen anzunehmen. Selbst wenn man einen Gesundheitserstschaden in Form einer Hodenquetschung unterstellen würde, stünde der Anerkennung eines Arbeitsunfalles entgegen, dass sich ein innerer Zusammenhang zur versicherten Tätigkeit nicht feststellen lasse. So sei bei einem Unfall in Form einer tätlichen Auseinandersetzung oder eines körperlichen Angriffs zu prüfen, ob die Beweggründe des Kontrahenten in Umständen zu suchen seien, die in Verbindung mit der versicherten Tätigkeit des Verletzten stünden. Sei dies nicht der Fall, fehle es an einem erforderlichen inneren Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit. Bei einem aus betriebsfremden Motiven unternommenen Angriff sei der innere Zusammenhang gegeben, wenn die besonderen Umstände, unter denen die versicherte Tätigkeit ausgeübt werde, oder die Verhältnisse am Arbeitsplatz den Überfall erst ermöglicht oder wesentlich begünstigt hätten. Vorliegend bestünden Anhaltspunkte für betriebliche Beweggründe des S nicht. Der Kläger selbst habe keine Angaben zum Motiv des S gemacht. Diesbezüglich habe er nicht einmal Vermutungen mitgeteilt. Die Arbeitgeberin gehe von privaten Differenzen aus. Der Ermittlungsakte der Staatsanwaltschaft zufolge habe S angegeben, dem Kläger einen leichten Schubs gegeben zu haben, weil dieser in seiner privaten Schublade gewühlt habe. Der Zeuge R habe bestätigt, dass der Beschuldigte dies bereits unmittelbar nach dem Vorfall angegeben habe. Zusammenfassend seien daher betriebsfremde Gründe der Auseinandersetzung wahrscheinlicher als betriebsbezogene. Hinweise auf eine wie auch immer geartete betrieblich bedingte Begünstigung der Tätlichkeit seien ebenfalls nicht ersichtlich.

Hiergegen hat der Kläger am 04.07.2014 Berufung zum Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg eingelegt. Er ist der Ansicht, die versicherte Tätigkeit, der körperliche Übergriff sowie die paranoide Schizophrenie stünden in einem inneren Zusammenhang. Der Kläger hat das in dem unter dem Aktenzeichen S 4 R 4892/13 geführten Rentenverfahren vom SG eingeholte Gutachten des Neurologen und Psychiaters Dr. H. vom 13.05.2014 vorgelegt. Dieser hat ausgeführt, die Beschwerdeausweitung der erlebten Verletzung des Hodens auf Beine, Bauch, bis hin zu Kopfschmerzen, Sprachstörungen und Verlust mathematischer Fähigkeiten könne vom Kläger nicht kritisch hinterfragt werden und sei wahnhaft fixiert. Angedeutet würden vielfältige soziale Bezüge, unter anderem auch zum Geheimdienst. Das bizarre körperliche Erleben, die Verknüpfungen der einzelnen Symptome und der Kausalität seien nicht aus kognitiven Defiziten ableitbar. Der Gutachter hat eine wahnhafte Störung als hypochondrischen Wahn, in der Ausprägung und mit gegebenen Begleitsymptomen am ehesten als Symptom einer Schizophrenie einzuordnen, diagnostiziert. Der Kläger hat ferner diverse die Untersuchung seiner Halswirbelsäule und unteren Extremitäten betreffende Arztbriefe vorgelegt.

Der Kläger beantragt sinngemäß,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 27. Juni 2014 und den Bescheid der Beklagten vom 20. Februar 2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 9. April 2014 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, das Ereignis vom 14. Mai 2003 als Arbeitsunfall festzustellen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie beruft sich auf die aus ihrer Sicht zutreffenden Gründe des angefochtenen Gerichtsbescheides.

Der Senat hat die unter dem Aktenzeichen 307 Js 13928/12 geführte Ermittlungsakte der Staatsanwaltschaft E., die Verwaltungsakte der Deutschen Rentenversicherung Baden-Württemberg (DRV), die unter dem Aktenzeichen S 4 R 4892/13 geführte Rentenakte des SG sowie die unter dem Aktenzeichen S 17 VG 1491/14 geführte Opferentschädigungsakte des SG beigezogen. Die Akte der DRV enthält das Gutachten des Orthopäden und Unfallchirurgen Dr. I. vom 17.07.2013, in dem ausgeführt wird, die Beschwerden und die Schilderung des Klägers schienen deutlich von einem im Jahr 2003 stattgehabten Hodentrauma beeinflusst zu sein, wobei sich dies der orthopädischen Beurteilung entziehe, und das Gutachten des Psychiaters und Psychotherapeuten Dr. J. vom 08.08.2013, in dem ausgeführt wird, es finde sich ein gewisses Kränkungserleben in Bezug auf Ereignisse des Jahres 2003. Abgesehen von einer Konsultation bei einem Urologen, der einen Normalbefund und eine leichtgradige depressive Reaktion diagnostiziert habe, die niedrigst dosiert über kurze Zeit mit einem Antidepressivum behandelt worden sei, sei nach den Angaben des Klägers im Verlauf der letzten zehn Jahre keine dem entsprechende therapeutische Aktivität zu verzeichnen gewesen. Bei der gutachterlichen Untersuchung finde sich außer diskrepanten Angaben in der Anamnese und einer deutlichen Aggravationsneigung ein psychopathologischer Normalbefund. Eine psychische Erkrankung im engeren Sinne habe nicht gefunden werden können. Der Antrag auf Rente wegen Erwerbsminderung ist sodann mit Bescheid der DRV vom 16.08.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25.10.2013 abgelehnt worden. Aus der Opferentschädigungsakte des SG geht hervor, dass das Landratsamt Ortenaukreis die Gewährung von Opferentschädigung mit Bescheid vom 29.01.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18.03.2014 abgelehnt hat und vom SG im Klageverfahren das aufgrund der Aktenlage erstellte Gutachten des Dr. H. vom 18.07.2014 eingeholt worden ist, in dem dieser ausgeführt hat, die psychischen Störungen seien nicht mit einer Verletzung oder Hodenquetschung oder auch nur Verletzung des Schamgefühls durch eine nicht auszuschließende Hodenberührung in einer körperlichen Auseinandersetzung zu erklären.

Der Senat hat ferner das im Rahmen eines auf die Gewährung von Leistungen nach dem Opferentschädigungsrecht gerichteten und unter dem Aktenzeichen L 6 VG 5430/14 vor dem LSG Baden-Württemberg geführten Rechtsstreites auf Antrag und Kostenrisiko des Klägers eingeholte Gutachten des Psychiaters und Psychotherapeuten Prof. Dr. K., Ärztlicher Direktor am Sigma-Zentrum L., vom 27.04.2015 beigezogen. Darin ist ausgeführt, dem Griff in die Genitalien des Klägers komme in naturwissenschaftlich-philosophischem Sinn der auslösende, aber nicht der ursächliche Einfluss auf die psychische Erkrankung zu.

Daraufhin hat der Senat auf Antrag und Kostenrisiko des Klägers das Gutachten des Psychiaters und Psychotherapeuten Dr. M., Chefarzt der N.- Klinik N., vom 23.11.2015 eingeholt. Der Sachverständige hat ausgeführt, im Wesentlichen handele es sich um eine wahnhafte Störung. Wahnhafte Störungen würden nicht durch äußere Einflüsse verursacht, sondern entstünden aus Prädisposition im Sinne von angeborener oder früh erworbener Vulnerabilität. Das vom Kläger angeschuldigte Ereignis könne allenfalls als Auslöser oder Anlass der Störungsentwicklung, nicht aber als dessen Ursache angesehen werden.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Akteninhalt verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die gemäß §§ 143 und 144 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte, nach § 151 Abs. 2 SGG form- und fristgerechte sowie auch im Übrigen zulässige Berufung des Klägers ist unbegründet.

Gegenstand des Berufungsverfahrens ist die Aufhebung des Gerichtsbescheides des SG vom 27.06.2014, mit dem die Klage des Klägers gegen den Bescheid der Beklagten vom 20.02.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 09.04.2014 abgewiesen worden ist. Der Kläger erstrebt nach richtiger Auslegung seines Klagebegehrens die Aufhebung dieses Bescheides, mit dem die Feststellung eines Ereignisses vom 14.05.2003 als Arbeitsunfall abgelehnt worden ist, und die Verurteilung der Beklagten hierzu. Diese prozessualen Ziele kann der Kläger zulässigerweise gemäß § 54 Abs. 1 Satz 1 SGG mit der kombinierten Anfechtungs- und Verpflichtungsklage verfolgen (zum Wahlrecht zwischen Verpflichtungs- und Feststellungsklage: Bundessozialgericht [BSG], Urteil vom 15.05.2012 - B 2 U 31/11 R - juris Rn. 17 unter Hinweis auf BSG, Urteil vom 05.07.2011 - B 2 U 17/10 R - juris).

Die Beklagte hat zu Recht die Feststellung eines Ereignisses vom 14.05.2003 als Arbeitsunfall abgelehnt.

Nach § 8 Abs. 1 Satz 1 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) sind Arbeitsunfälle Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach § 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit. Nach § 8 Abs. 1 Satz 2 SGB VII sind Unfälle zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führen. Nach der Rechtsprechung des BSG ist für einen Arbeitsunfall im Regelfall erforderlich, dass die Verrichtung des Versicherten zur Zeit des Unfalls einer versicherten Tätigkeit zuzurechnen (innerer beziehungsweise sachlicher Zusammenhang) ist sowie diese Verrichtung wesentlich ein zeitlich begrenztes, von außen auf den Körper einwirkendes Ereignis (Unfallereignis) verursacht (Unfallkausalität) und das Unfallereignis wesentlich einen Gesundheitserstschaden oder den Tod des Versicherten verursacht (haftungsbegründende Kausalität) hat (BSG, Urteil vom 31.01.2012 - B 2 U 2/11 R - juris Rn. 16 unter Hinweis auf BSG, Urteil vom 29.11.2011 - B 2 U 10/11 R - juris; BSG, Urteil vom 18.01.2011 - B 2 U 9/10 R - juris; BSG Urteil vom 18.11.2008 - B 2 U 27/07 R - juris).

Hinsichtlich des Beweismaßstabes gilt für die Beweiswürdigung der Tatsacheninstanzen bei der Tatsachenfeststellung, dass die Tatsachen, die die Tatbestandsmerkmale "versicherte Tätigkeit", "Verrichtung zur Zeit des Unfalls", "Unfallereignis" sowie "Gesundheitsschaden" erfüllen sollen im Grad des Vollbeweises, also mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit, für das Gericht feststehen müssen. Demgegenüber genügt für den Nachweis der naturphilosophischen Ursachenzusammenhänge zwischen diesen Voraussetzungen der Grad der (hinreichenden) Wahrscheinlichkeit, nicht allerdings die Glaubhaftmachung und erst Recht nicht die bloße Möglichkeit (BSG, Urteil vom 31.01.2012 - B 2 U 2/11 R - juris Rn. 17 unter Hinweis auf BSG, Urteil vom 02.04.2009 - B 2 U 30/07 R - juris). Es gelten die allgemeinen Regeln der materiellen Beweislast. Danach trägt derjenige, der ein Recht - hier Feststellung eines Arbeitsunfalls - für sich beansprucht, nach Ausschöpfung aller Möglichkeiten der Ermittlung die materielle Beweislast für das Vorliegen der tatsächlichen Voraussetzungen dieses Rechts (BSG, Urteil vom 31.01.2012 - B 2 U 2/11 R - juris Rn. 28 unter Hinweis auf BSG, Urteil vom 18.11.2008 - B 2 U 27/07 R - juris; BSG, Urteil vom 09.05.2006 - B 2 U 1/05 R - juris).

Dass sich vorliegend der Nachweis eines Gesundheitserstschadens im Zusammenhang mit einer versicherten Tätigkeit nicht führen lässt, hat das SG in der angefochtenen Entscheidung zutreffend und umfassend dargestellt. Das SG hat auch korrekt dargelegt, dass selbst unter der Annahme, dass es am 14.05.2003 im Rahmen einer körperlichen Auseinandersetzung mit S beim Kläger zu einem Gesundheitserstschaden - hier der vom Kläger angeschuldigten Hodenquetschung - gekommen sein sollte, es an einem inneren Zusammenhang zwischen dieser körperlichen Auseinandersetzung und der versicherten Tätigkeit gefehlt hätte. Der Senat schließt sich gemäß § 153 Abs. 2 SGG diesen Ausführungen nach eigener Prüfung unter Verweis auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Gerichtsbescheides zur Vermeidung von Wiederholungen an.

Auch unter Würdigung des Vorbringens des Klägers im Berufungsverfahren, den vorgelegten und beigezogenen ärztlichen Unterlagen sowie den weiteren Ermittlungen ergibt sich kein anderes Bild.

So haben die im Rahmen des auf die Gewährung von Leistungen nach dem Opferentschädigungsrecht eingeschalteten Gutachter eine haftungsausfüllende Kausalität zwischen der vom Kläger angeschuldigten Hodenquetschung und seiner psychischen Erkrankung nicht gesehen. Dr. H. hat überzeugend dargelegt, dass die psychischen Störungen nicht mit einer Verletzung oder Hodenquetschung oder auch nur Verletzung des Schamgefühls durch eine nicht auszuschließende Hodenberührung in einer körperlichen Auseinandersetzung zu erklären sind. Prof. Dr. K. hat schlüssig und in sich widerspruchsfrei ausgeführt, dass und warum dem Griff in die Genitalien des Klägers in naturwissenschaftlich-philosophischem Sinn ein ursächlicher Einfluss auf die psychische Erkrankung nicht zukommt. Diese Beurteilung hat in dem in diesem Verfahren auf Antrag und Kostenrisiko des Klägers eingeholten Gutachten des Psychiaters und Psychotherapeuten Dr. M. ihre Bestätigung gefunden. Auch er hat dargelegt, dass das vom Kläger angeschuldigte Ereignis nicht als Ursache der Störungsentwicklung angesehen werden kann.

Nach alledem war die Berufung zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Die Kosten und baren Auslagen des Klägers für das von Dr. M. nach § 109 SGG erstattete Gutachten werden nicht auf die Staatskasse übernommen, da hierdurch die Sachverhaltsaufklärung nicht wesentlich gefördert worden ist und es daher auch keine wesentliche Bedeutung für die gerichtliche Entscheidung gewonnen hat. Denn dieses Gutachten hat - wie oben bereits dargelegt - lediglich die von der Beklagten bereits getroffene Entscheidung bestätigt.

Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen.
Rechtskraft
Aus
Saved