L 5 R 2781/13

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Heilbronn (BWB)
Aktenzeichen
S 5 R 1467/11
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 5 R 2781/13
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Heilbronn vom 27.05.2013 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Die Klägerin begehrt Rente wegen voller Erwerbsminderung, hilfsweise wegen teilweiser Erwerbsminderung.

Die 1967 geborene Klägerin, bei welcher seit Oktober 1990 ein Grad der Behinderung (GdB) von 50 anerkannt ist, hat keinen Beruf erlernt. Sie war zuletzt bis April 1995 im Hol- und Bring-Dienst im D. Sch. H. versicherungspflichtig beschäftigt. Am 02.06.1995 wurde ihr Kind J. und am 02.09.1996 ihr Kind N. geboren. Die Klägerin hat die Kinder von der Geburt bis zu deren vollendetem 10. Lebensjahr erzogen. Im Zeitraum September 2001 bis zum 10.06.2002 hat die Klägerin Arbeitslosengeld erhalten.

Der Versicherungsverlauf (Versicherungsverlauf der Beklagten vom 09.11.2015) enthält vom 01.09.1990 bis 06.04.1995 durchgehend Pflichtbeitragszeiten. Der Zeitraum vom 07.04.1995 bis 30.06.1995 ist als Zeit der "Schwangerschaft/Mutterschutz" anerkannt. Hieran schließen sich durchgängig bis 30.06.2001 Pflichtbeitragszeiten für Kindererziehung sowie zusätzlich Zeiten wegen "Schwangerschaft/Mutterschutz" an. Vom 01.09.2001 bis 10.06.2002 ist eine Pflichtbeitragszeit wegen Arbeitslosengeld vorgemerkt. Vorgemerkt ist darüber hinaus eine Berücksichtigungszeit wegen Kindererziehung vom 02.06.1995 bis 01.09.2006. Schließlich ist eine geringfüge nicht versicherungspflichtige Beschäftigung vom 13.08. bis 08.09.2012 vermerkt.

In der Zeit vom 30.03.2005 bis zum 04.06.2005 befand sich die Klägerin, zeitweise zusammen mit ihren Kindern, in stationärer psychotherapeutischer Rehabilitation in der Klinik R. in Sch ... In dem Entlassbericht vom 24.06.2005 werden folgende Diagnosen gestellt: Ängstliche (vermeidende) Persönlichkeitsstörung, Anpassungsstörung mit längerer depressiver Reaktion, Essattacken bei sonstigen psychischen Störungen, spezifische Phobien, Adipositas, Schwindel, Allergien, Hypertonie. Angesichts der tiefgreifenden Problematik mit starken depressiven Tendenzen mit latenter Suizidalität sei zur Fortführung des Erreichten dringend eine ambulante Psychotherapie indiziert.

Am 12.08.2010 beantragte die Klägerin bei der Beklagten die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung. In der Anlage zum Rentenantrag gab sie u. a. an, dass sie sich seit Oktober 2004 für erwerbsgemindert halte.

Die Beklagte veranlasste daraufhin die Begutachtung der Klägerin durch die Internistin und Sozialmedizinerin G ... In ihrem Gutachten vom 24.11.2010 nach ambulanter Untersuchung der Klägerin am 15.11.2010 stellte diese folgende Diagnosen: 1. Rezidivierende Dorsalgien mit leichter Funktionseinschränkung bei Fehlhaltung 2. Gonalgie beidseits bei Fehlstellung und Zustand nach Umstellungsosteotomie rechtes Kniegelenk ohne Funktionsbeeinträchtigung noch Einschränkung der Gehfähigkeit 3. Hinweis auf Persönlichkeitsstörung 4. Arterielle Hypertonie, in Behandlung 5. Sonstige Diagnosen: Behandlungsbedürftiger Diabetes mellitus, Adipositas Grad III (BMI 44) mit Hypertriglyceridämie, Stressinkontinenz ersten Grades bei Gebärmuttersenkung.

Vom körperlichen Befund könne die Klägerin leichte bis mittelschwere Tätigkeiten unter Berücksichtigung qualitativer Einschränkungen vollschichtig verrichten. Eine nervenärztliche Begutachtung sei jedoch vorliegend erforderlich.

Die Beklagte veranlasste daraufhin die Begutachtung der Klägerin im Verwaltungsverfahren durch den Arzt für Neurologie und Psychiatrie, Psychotherapie Dr. H ... In seinem Gutachten vom 19.01.2011 nach Untersuchung am selben Tage stellte dieser folgende Diagnosen:

1. Kombinierte Persönlichkeitsvariante mit zwanghaften, negativistischen, paranoiden, schizoiden und auch Borderline-Anteilen. 2. Adipositas 3. Somatisierung mit Angabe von Spannungskopfschmerzen 4. Zustand nach CTS-OP zum Untersuchungszeitpunkt ohne Symptomatik mit Relevanz für das Leistungsvermögen.

Aus neurologischer-psychiatrischer Sicht sei die Klägerin als Hilfsarbeiterin und für leichte bis mittelschwere Tätigkeiten, kognitiv einfacher Art, ohne Nachtschicht, ohne erhöhten Zeitdruck und ohne Verantwortung für Personen sechs Stunden und mehr täglich leistungsfähig.

Mit Bescheid vom 31.01.2011 lehnte die Beklagte den Antrag der Klägerin auf Gewährung einer Erwerbsminderungsrente ab, weil die besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für diese Rente gemäß §§ 43 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 Nr. 2, Abs. 4 Sozialgesetzbuch (SGB) VI nicht erfüllt seien. Ausgehend von einem möglichen Eintritt der Erwerbsminderung am 12.08.2010 seien in dem Fall der Klägerin maßgeblichen Zeitraum vom 01.03.2001 bis zum 11.08.2010 nur 14 statt der erforderlichen 36 Monate Pflichtbeiträge vorhanden. Zwar sei die Mindestzahl von Pflichtbeiträgen nicht erforderlich, wenn die Erwerbsminderung zum Beispiel durch einen Arbeitsunfall oder innerhalb von sechs Jahren nach einer Ausbildung eingetreten sei (§ 43 Abs. 5 i. V. m. § 53 SGB VI), dies sei bei der Klägerin jedoch nicht der Fall. Außerdem seien die medizinischen Voraussetzungen für eine Rente wegen Erwerbsminderung nicht erfüllt, weil die Klägerin nach den durchgeführten medizinischen Ermittlungen nicht erwerbsgemindert sei.

Hiergegen legte die Klägerin am 10.02.2011 Widerspruch ein. Zur Begründung trug sie vor, dass im Rahmen eines Beratungsgesprächs am 29.07.2010 der bisherige Versicherungsverlauf als ausreichend gewertet und eine Antragstellung befürwortet worden sei. Auch erscheine das Ergebnis der medizinischen Ermittlungen nicht zutreffend. Insoweit verwies sie auf die Zuerkennung der Schwerbehinderteneigenschaft. Darüber hinaus seien auch die Ergebnisse des Klinik-aufenthalts vom 30.03.2005 bis zum 04.06.2005 nicht ausreichend berücksichtigt worden. Insoweit legte die Klägerin nochmals den Entlassbericht der Klinik R. vom 24.06.2005 vor.

In ihrer sozialmedizinischen Stellungnahme vom 17.02.2011 führte die Internistin und Sozialmedizinerin G. u. a. aus, dass der Entlassbericht vom 24.06.2005 keinen Schluss auf das Vorliegen einer Erwerbsminderung zulasse. Er enthalte keine Aussage darüber, inwieweit die Leistungsfähigkeit über einen längeren Zeitraum auf unter drei Stunden abgesunken sei. Die gesundheitlichen Beeinträchtigungen durch erhebliche äußere Belastungssituationen seien auch als durchaus beeinflussbar durch weiterführende ambulante Behandlungsmaßnahmen beurteilt worden. Ein GdB von 50 sei nicht gleich bedeutend mit Erwerbsminderung.

Mit Widerspruchsbescheid vom 18.03.2011 wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. Die Klägerin sei unter Berücksichtigung der Begutachtung durch Frau G. und Dr. H. trotz des Berichts der Klinik R. und des Nachweises über den GdB von 50 noch in der Lage, leichte bis mittelschwere Tätigkeiten zeitweise im Stehen bzw. überwiegend im Gehen oder Sitzen, ohne Nachtschicht, ohne häufiges Bücken, ohne häufiges Klettern oder Steigen, ohne besonderen Zeitdruck (zum Beispiel Akkord, Fließband) sowie ohne Verantwortung für Personen mindestens sechs Stunden täglich zu verrichten. Auch seien die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen nicht erfüllt.

Hiergegen erhob die Klägerin am 18.04.2011 Klage zum Sozialgericht Heilbronn (SG). Zur Begründung trug die Klägerin im Wesentlichen vor, dass der Leistungsfall der Erwerbsminderung spätestens im Oktober 2004 eingetreten sei. Seit 1990 sei die Schwerbehinderteneigenschaft anerkannt. Die Beschwerden, die schließlich zum Aufenthalt in der Klinik R. 2005 geführt hätten, seien bereits im Oktober 2004 festgestellt worden. Bei der durchzuführenden Gesamtschau ergebe sich, dass der Leistungsfall der Erwerbsminderung bereits zu diesem Zeitpunkt eingetreten sei. Die Beklagte habe fehlerhaft schlicht den Tag der Rentenantragstellung in Ansatz gebracht. Der Zeitpunkt des Eintritts der Erwerbsminderung müsse jedoch nach objektiven Kriterien festgelegt werden. Insoweit sei zu beachten, dass sie bereits im Jahr 1981 einen Autounfall mit Stammhirnquetschung und -blutungen erlitten habe. Dessen Folgen hätten schließlich zu stationären Behandlungen im Jahr 1993 geführt. Die psychischen Beeinträchtigungen hätten sich dann weiter verstärkt. Daran ändere auch die weitere Berufstätigkeit nichts, da der erlernte Beruf lediglich mit einer unzumutbaren Anstrengung der Willenskraft und auf Kosten der Gesundheit verrichtet worden sei.

Die Beklagte trat der Klage entgegen. Sie trug vor, dass die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für eine Rente wegen Erwerbsminderung nur erfüllt wären, wenn die Leistungsminderung spätestens im Oktober 2008 eingetreten wäre. Der Eintritt des Leistungsfalls (spätestens) zu diesem Zeitpunkt sei jedoch nicht nachgewiesen, insbesondere lasse der Entlassbericht der Klinik R. vom 24.06.2005 keinen Schluss auf das Vorliegen einer Erwerbsminderung zu. Außerdem sei die Klägerin nach dem Ergebnis der medizinischen Sachaufklärung aktuell nicht erwerbsgemindert, so dass ein Anspruch auf Erwerbsminderung schon aus diesem Grund nicht bestehe.

Auf Antrag der Klägerin beauftragte das SG nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) den Nervenarzt Dr. L. mit der Erstellung eines Gutachtens. Dr. L. untersuchte die Klägerin am 31.07.2012. In seinem Gutachten vom 11.08.2012 nannte er folgende Diagnosen:

1. Mittelschwere Depressionen und Angst 2. Schmerzhaftes Wirbelsäulensyndrom mit Ausstrahlungen 3. Gefühlsstörungen im Narbenbereich am rechten Schienbein 4. Anhaltende sensible Halbseitenstörung rechts, Zustand nach Schädelhirntrauma mit Einblutung und Contusionsverletzung.

Auch leichte körperliche Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt seien allenfalls drei Stunden täglich bis unterhalbschichtig durchführbar. Zusätzlich seien qualitative Leistungseinschränkungen zu berücksichtigen. Dr. L. führte außerdem aus, dass die Leistungsfähigkeit aus seiner Sicht seit Jahren gemindert sei. Er könne weder aus der Akte noch aus den Angaben der Klägerin einen exakten Zeitraum nach 2005 erkennen, an dem sich das Leistungsvermögen gebessert oder verschlechtert habe. In dem Bericht der Klinik R. vom 24.06.2005 sei letztlich auch eine tiefergreifende Problematik mit einer starken depressiven Tendenz und latenter Suizidalität festgestellt worden, welche bei nicht adäquater psychiatrischer und psychopharmakologischer Versorgung auch heute noch bestehe.

In seiner sozialmedizinischen Stellungnahme vom 26.09.2012 erhob der Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie Dr. N. Einwände gegen das Gutachten. Die Behauptung des Gutachters in Bezug auf die Länge, Dauer und den Schweregrad der Erkrankung sei vorliegend nicht ausreichend belegt. Der Entlassbericht der Klinik R. stelle als Erstdiagnose die Persönlichkeitsstörung der Versicherten in den Vordergrund, was dem Ergebnis der Begutachtung durch Dr. H. auf nervenärztlichem Gebiet entspreche. Mit dieser Persönlichkeitsvariante habe die Klägerin jedoch über lange Jahre hin gearbeitet. Im Bereich der affektiven Erkrankungen nenne der Entlassbericht der Klinik R. eine Anpassungsstörung mit längerer depressiver Reaktion, also ein leichtgradiges depressives Krankheitsbild, das im Schweregrad nicht mit einer endogenen Depression zu vergleichen sei. Auch insoweit sei der Argumentation des Gutachtens nicht zu folgen. Auch der psychopathologische Befund gebe ein depressives Krankheitsbild ohne leistungsrelevante Anteile (Konzentration, Merkfähigkeit, Antrieb etc.). Zu berücksichtigen sei ferner, dass lediglich eine niedrige Dosierung mit einem Neuroleptikum ohne weitere fachärztliche Behandlung seit 2005 erfolge. Auch dies spreche gegen ein entsprechend schwergradiges Krankheitsbild auf psychiatrischem Fachgebiet. Schließlich kümmere sich die Klägerin um ihre minderjährigen Kinder, mache verschiedene Erledigungen und nehme Termine wahr. Auch bereite sie das Essen zu, erledige Hausarbeiten und komme voll umfänglich ihren sozialen Verpflichtungen nach.

Mit Urteil vom 27.05.2013 wies das SG die Klage ab. Die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen wären letztmalig im Oktober 2008 erfüllt. Ein Anspruch auf die Gewährung der begehrten Rente bestehe daher nur dann, wenn eine teilweise oder volle Erwerbsminderung spätestens im Oktober 2008 eingetreten wäre, seither durchgehend bis zur Rentenantragstellung und darüber hinaus zumindest eine gewisse Zeit vorgelegen hätte oder noch vorliegen würde. Jedenfalls bei Antragstellung habe jedoch kein Anspruch auf Gewährung der begehrten Rente bestanden. Das Gericht stütze sich hierbei auf die zeitnah zur Rentenantragstellung von der Beklagten im Verwaltungsverfahren eingeholten Gutachten der Internistin und Sozialmedizinerin G. vom 24.11.2010 und des Nervenarztes Dr. H. vom 19.01.2011. Der Einschätzung im Gutachten von Dr. L. könne hingegen nicht gefolgt werden. Auf Grund der von Dr. L. gestellten Diagnosen seien zwar qualitative Leistungseinschränkungen anzunehmen. Eine quantitative Leistungseinschränkung lasse sich den mitgeteilten Befunden und Diagnosen jedoch nicht ohne weiteres entnehmen. Erst recht könne den Ausführungen von Dr. L., die von ihm angenommene Leistungsminderung bestehe bereits seit Jahren, weil weder aus der Akte noch aus den Angaben der Klägerin ein exakter Zeitraum nach 2005 erkennbar sei, an dem sich das Leistungsvermögen gebessert oder verschlechtert haben sollte, gefolgt werden. Eine eingehende Auseinandersetzung mit dem Verwaltungsgutachten von Dr. H. habe Dr. L. nicht durchgeführt. Der von Dr. L. angenommene und seit Jahren unveränderte Zustand stelle letztlich eine Vermutung dar. Es sei jedoch zu beachten, dass das Vorliegen einer Erwerbsminderung als anspruchsbegründende Tatsache durch die Klägerin nachzuweisen sei. Vorliegend bestünden erhebliche Zweifel an dem von Dr. L. unterstellten gleichbleibenden Verlauf. Depressive Erkrankungen würden vielmehr oftmals variieren. Die Behauptung, die psychische Erkrankung der Klägerin bestehe durchgehend in dem angenommenen Schweregrad seit etlichen Jahren, hätte einer Untermauerung und eingehenden Begründung anhand von fortlaufend erhobenen Befunden bedurft, welche jedoch vorliegend fehlen würden. Im Übrigen spreche auch das Fehlen einer fachärztlichen Behandlung über Jahre hinweg gegen einen entsprechenden Leidensdruck und somit gegen relevante Auswirkungen auf das Leistungsvermögen.

Das Urteil wurde dem Bevollmächtigten der Klägerin am 11.06.2013 mittels Empfangsbekenntnis zugestellt.

Hiergegen richtet sich die am 08.07.2013 zum Landessozialgericht Baden-Württemberg (LSG) erhobene Berufung. Unzutreffend sei das SG in seiner Entscheidung nicht der Einschätzung des Gutachters Dr. L. gefolgt. Hierdurch sei belegt, dass die Leistungsfähigkeit der Klägerin seit 2005 in quantitativer Hinsicht eingeschränkt sei.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Heilbronn vom 27.05.2013 sowie den Bescheid der Beklagten vom 31.01.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 18.03.2011 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin ab 01.08.2010 eine Rente wegen voller bzw. teilweiser Erwerbsminderung in gesetzlicher Höhe zu gewähren, hilfsweise die Revision zuzulassen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Senat hat den Facharzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. S. mit der Begutachtung der Klägerin von Amts wegen beauftragt. In seinem Gutachten vom 03.12.2013 hat der Gutachter aufgrund der ambulanten Untersuchung der Klägerin am 20.11.2013 folgende Diagnosen gestellt:

1. Dysthymia 2. Folgen einer Hirnstammverletzung im Jahr 1980 mit diskreter Hemisymptomatik rechts 3. Ausgeprägte Adipositas 4. Diabetes mellitus 5. Hypertonie.

Die vorhandenen körperlichen und psychischen Störungen führten zu einer nur geringen körperlichen Belastbarkeit. Die Motivation für berufliche Tätigkeiten sei durch die vorhandene psychische Störung deutlich eingeschränkt. Es bestehe kein Selbstvertrauen und keine Motivation für eine berufliche Arbeit. Vor allem die körperliche Leistungsfähigkeit sei durch häufig benötigte Unterbrechungen und Pausen eingeschränkt. Schwerere körperliche Belastungen seien nicht möglich. Dies beruhe vor allem auf den vorliegenden internistischen Erkrankungen und fehlendem körperlichen Training. Die Klägerin sei allenfalls noch in der Lage, leichte körperliche Arbeit zu verrichten. Die vorhandenen Gesundheitsstörungen seien so ausgeprägt, dass allerdings allenfalls vier Stunden täglich leichte Tätigkeiten ausgeübt werden könnten. Hierbei seien jedoch mehrere Pausen notwendig. Die Leistungseinschränkung bestehe dabei mindestens seit 2005. Leistungseinschränkungen seien auch in der Epikrise der Klinik R. dokumentiert, in der sich die Klägerin 2005 in längerer stationärer Behandlung befunden habe. Die heute vorliegenden Erkrankungen würden im Wesentlichen den Befunden zur damaligen Zeit entsprechen.

In seiner sozialmedizinischen Stellungnahme vom 20.12.2013 hat Dr. N. gegen die Leistungseinschätzung erneut Einwände erhoben. Insoweit weist er darauf hin, dass zum Zeitpunkt der Gutachtenerstattung Psychopharmaka nicht eingenommen worden seien, was als Indiz für einen mangelnden Leidensdruck zu werten sei. Der neurologische Status sei nahezu normal. Im Hinblick auf den psychopathologischen Befund sei eine depressive Grundstimmung zu verzeichnen gewesen. Es hätten sich allerdings nur zeitweilig Konzentrationsstörungen und eine Neigung, in Tränen auszubrechen, gezeigt. Insoweit sei auf psychiatrischem Fachgebiet nachvollziehbar das Bild einer Dysthymie gegeben. Dies entspreche einer leichtgradig depressiven Verstimmung, die nicht die Kriterien einer wenigstens leichten depressiven Episode erfülle. Eine Minderung des quantitativen Leistungsvermögens könne sich hieraus folglich nicht ergeben.

Mit Schreiben vom 06.02.2014 hat Dr. S. zu den Einwendungen Stellung genommen. Erst durch das Zusammenkommen verschiedener Krankheitsbilder, die sich gegenseitig verstärken würden, sei die vorliegende Minderung der Leistungsfähigkeit hervorgerufen worden. Die mangelnden therapeutischen Anstrengungen könnten nicht als Indiz für die Geringwertigkeit der vorliegenden Erkrankung gewichtet werden. Die Klägerin sei nicht mehr in der Lage, ihren Alltag angemessen und adäquat zu bewältigen. Sie sei auch nicht in der Lage, ihre Hausarbeit ohne Hilfe selbstständig und ohne besonderen Aufwand zu erledigen. Die vielfältigen psychischen und körperlichen Beschwerden würden dies verhindern. Es sei nicht vorstellbar, dass die Klägerin für eine Erwerbstätigkeit außerhalb ihres Familienumfeldes motiviert werden könne. Zwar erfülle die Dysthymia formal nicht die Kriterien einer leichten depressiven Episode. Hierbei handele es sich gleichwohl um eine schwerwiegende Erkrankung. Die Klägerin sei sowohl psychisch als auch physisch in ihrer Kindheit und Jugend schwer traumatisiert worden. Daraus resultiere ein chronischer und schwer beeinflussbarer gestörter affektiver Zustand, der auch durch psychotherapeutische Maßnahmen und medikamentöse Therapien in vielen Fällen nicht beseitigt werden könne. Hieraus resultiere die Einschätzung der Erwerbsunfähigkeit.

In seiner Stellungnahme vom 26.02.2014 hat Dr. N. hierzu nochmals seine gegenteilige Auffassung dargelegt.

Der Senat hat darüber hinaus die handelnden Ärzte der Klägerin befragt. Die Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie Dr. B.-K. hat in ihrer Stellungnahme vom 26.06.2014 unter Beifügung eigener Arztbriefe angegeben, dass sie die Klägerin erstmals im Jahr 2000 behandelt habe. Eine erneute Behandlung sei sodann im August 2003 sowie erneut im Mai, Juni, Juli und Oktober 2004 erfolgt. Eine kurze Vorstellung habe nochmals im Juli 2005 stattgefunden. Letztmalig habe sie die Klägerin im September 2006 gesehen. Die Vorstellungen nach 2000 seien wegen Cephalgien im Rahmen von Kopfschmerzen erfolgt. Die Vorstellung im Jahr 2003 wegen eines beidseitigen Karpaltunnelsyndroms und die Behandlung im Jahr 2004 sei wegen Schwindels und Konzentrationsstörungen erfolgt. Anlass für die letzte Vorstellung im September 2006 sei eine periphere elektrophysiologische Diagnostik bei Schmerzen in der linken Hand gewesen. Dr. H. hat als behandelnder Facharzt für Allgemeinmedizin über eine symptomatische hausärztliche Behandlung bei Hypertonus, Diabetes mellitus, Schmerzbehandlung sowie Behandlung von Erkältungskrankheiten berichtet (Auskunft vom 03.09.2014).

Auf Antrag und Kostenrisiko der Klägerin hat der Senat darüber hinaus Prof. Dr. Dr. N. mit der Begutachtung der Klägerin betraut. In seinem psychiatrischen Gutachten vom 12.10.2015 und in der ergänzenden Stellungnahme vom 25.01.2016 hat er unter Berücksichtigung eines von dem Psychologen Dr. L. erstatteten testpsychologischen Zusatzgutachtens vom 24.03.2015 auf Grund der ambulanten Untersuchung der Klägerin am 19.03.2015 folgende Diagnose gestellt: Depressives Syndrom, welches entweder im Sinne einer Dysthymie schwererer Ausprägung zu bewerten oder aber organisch mitbedingt sei. Eine episodische depressive Störung liege nicht vor. Die Gesundheitsstörungen auf psychiatrischem Gebiet führten dazu, dass die Klägerin nur noch in der Lage sei, an fünf Tagen in der Woche, leichte Tätigkeiten in einem zeitlichen Umfang (halbschichtig) mit auszuführen. Die festgestellten Leistungseinschränkungen bestünden mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit seit der Begutachtung durch Dr. S ...

In seiner sozialmedizinischen Stellungnahme von 06.11.2015 hat Dr. N. Einwände gegen das Gutachten erhoben. Zwar sei die diagnostische Einschätzung als Dysthymia nachvollziehbar. Eine Minderung des quantitativen Leistungsvermögens lasse sich hieraus jedoch nicht ableiten.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts sowie des Vorbringens der Beteiligten wird im Übrigen auf die Sozialgerichts- sowie die Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die gemäß §§ 143, 144, 151 SGG statthafte und auch sonst zulässige Berufung der Klägerin ist unbegründet. Die Bescheide der Beklagten vom 31.01.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18.03.2011 sind rechtmäßig und verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen.

Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Gewährung einer Rente wegen voller bzw. teilweiser Erwerbsminderung ab August 2010.

Gemäß § 34 Abs. 1 SGB VI haben Versicherte Anspruch auf Rente, wenn die für die jeweilige Rente erforderliche Mindestversicherungszeit (Wartezeit) erfüllt ist und die besonderen versicherungsrechtlichen und persönlichen Voraussetzungen vorliegen.

Die persönlichen Voraussetzungen der Gewährung von Erwerbsminderungsrente sind in § 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und Abs. 1 Satz 2 bzw. § 43 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 und Abs. 2 Satz 2 SGB VI geregelt. Danach haben Versicherte bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze Anspruch auf Rente wegen teilweiser bzw. voller Erwerbsminderung, wenn sie teilweise oder voll erwerbsgemindert sind. Teilweise erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit (länger als sechs Monate - vgl. KassKomm/Gürtner, SGB VI § 43 Rdnr. 25 unter Hinweis auf § 101 Abs. 1 SGB VI) außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein (§ 43 Abs. 1 Satz 2 SGB VI); volle Erwerbsminderung liegt vor, wenn das Leistungsvermögen krankheits- oder behinderungsbedingt auf unter drei Stunden täglich abgesunken ist (§ 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI). Erwerbsgemindert ist nicht, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigten.

Die versicherungsrechtlichen Voraussetzung der Gewährung von Erwerbsminderungsrente sind (i. W.) in § 43 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 SGB VI geregelt. Danach ist neben der Erfüllung der allgemeinen Wartezeit (§ 50 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB VI) erforderlich, dass der Versicherte in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit hat. Der Zeitraum von fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung der mit mindestens drei Jahren Pflichtbeiträgen erfüllt sein muss, verlängert sich um die in § 43 Abs. 4 SGB VI genannten Anrechnungszeiten, Berücksichtigungszeiten und Zeiten einer schulischen Ausbildung. Nach § 241 Abs. 1 SGB VI verlängert sich der Zeitraum von fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung, in dem Versicherte für einen Anspruch auf Rente drei Jahre Pflichtbeiträge haben müssen, auch um Ersatzzeiten und Zeiten des Bezugs einer Knappschaftsausgleichsleistung vor dem 01.01.1992. Gemäß § 241 Abs. 2 SGB VI sind Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit vor Eintritt der Erwerbsminderung für Versicherte nicht erforderlich, die vor dem 01.01.1984 die allgemeine Wartezeit erfüllt haben, wenn jeder Kalendermonat (§ 122 Abs. 1 SGB VI) vom 01.01.1984 bis zum Kalendermonat vor Eintritt der Erwerbsminderung mit Anwartschaftserhaltungszeiten belegt ist. Gemäß § 43 Abs. 5 SGB VI ist eine Pflichtbeitragszeit von drei Jahren nicht erforderlich, wenn die Erwerbsminderung aufgrund eines Tatbestandes eingetreten ist, durch den die allgemeine Wartezeit vorzeitig erfüllt ist (z.B. Arbeitsunfall, Wehr- oder Zivildienstbeschädigung; § 53 SGB VI).

Davon ausgehend kann der Senat offen lassen, ob die Klägerin die persönlichen Voraussetzungen der Gewährung einer Erwerbsminderung ab August 2010 erfüllt hat, da es jedenfalls an der Erfüllung der versicherungsrechtlichen Voraussetzungen fehlt. Die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen der Gewährung von Erwerbsminderungsrente wären - worüber die Beteiligten nicht streiten - nur erfüllt, wenn der Leistungsfall der Erwerbsminderung spätestens zum Stichtag 31.10.2008 eingetreten wäre; nur dann wären, was erforderlich wäre, da vom 01.01.1984 bis zum Kalendermonat vor Eintritt der Erwerbsminderung nicht jeder Monat mit Anwartschaftserhaltungszeiten belegt ist, im unter Berücksichtigung der Kindererziehungszeiten davor liegenden verlängerten Zeitraum (01.05.1999 bis 31.10.2008) mindestens 36 Monate mit Pflichtbeiträgen belegt. Die Pflichtbeitragszeit von drei Jahren für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit ist auch nicht nach § 43 Abs. 5 SGB VI entbehrlich. Die Voraussetzungen für eine vorzeitige Wartezeiterfüllung liegen nach dem Vorbringen der Klägerin nicht vor; hierfür gibt es auch keine Anhaltspunkte.

Der Eintritt des Leistungsfalls spätestens im Oktober 2008 lässt sich auf der Grundlage der eingeholten Gutachten und sachverständigen Zeugenauskünfte nicht feststellen.

Der Senat verkennt insoweit keineswegs, dass sowohl Dr. S. als auch Dr. L. in ihren nervenärztlichen Gutachten durchgehend eine quantitative Leistungsminderung seit 2005 annehmen. Ihre Einschätzung ist für den Senat jedoch weder nachvollziehbar noch schlüssig. So stützen sich die Sachverständigen mangels anderweitiger Behandlungsunterlagen vorliegend allein auf den Entlassbericht aus dem Jahr 2005, der sich zum Leistungsvermögen der Klägerin nicht explizit äußert. Aus der gleichgelagerten Befundlage zum Zeitpunkt der Begutachtung und dem Jahr 2005 schlussfolgern sie sodann eine durchgehende Leistungsminderung. Hiergegen spricht jedoch, dass nach den vorliegenden medizinischen Unterlagen die psychische Erkrankung der Klägerin Schwankungen unterliegt. So ging Dr. L. in seinem Gutachten von einer mittelschweren Depression und Angst aus, während Dr. S. auf psychiatrischem Fachgebiet nur eine Dysthymia annimmt und insoweit eine quantitative Leistungseinschränkung nur im Zusammenhang mit den vorhandenen körperlichen Erkrankungen sowie der besonderen Lebensumstände und der besonderen biographischen Entwicklung annimmt, und Dr. H. keine depressive Erkrankung im weiteren Sinne, sondern nur eine kombinierte Persönlichkeitsvariante nannte. Im Hinblick auf das negative Gutachten von Dr. H. aus dem Verwaltungsverfahren führt Dr. S. sogar ausdrücklich aus, dass vorstellbar sei, dass die Klägerin zum Zeitpunkt der Untersuchung vorübergehend in einem etwas besseren Zustand gewesen sei.

Den von Dr. L. und Dr. S. statuierten unveränderten Krankheitszustand seit 2005 und insbesondere auch im Oktober 2008 vermag der Senat daher nicht festzustellen. Dies gilt umso mehr, als Dr. N. zutreffend darauf hingewiesen hat, dass sich die Klägerin zwischen 2005 und 2010 hinsichtlich der psychischen Erkrankung auch nicht in fachärztlicher oder zumindest hausärztlicher Behandlung befunden hat. Keiner der befragten Ärzte hat eine entsprechende Behandlung bestätigt. Auch hat Dr. N. im Hinblick auf die unterbliebene Behandlung auf einen wohl geringen Leidensdruck hingewiesen. Dem entsprechend hat auch Prof. Dr. N. in seinem Gutachten das von ihm angenommene quantitative Leistungsvermögen auf den Zeitpunkt der Begutachtung von Dr. S. (20.11.2013) beschränkt, zu dem die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen jedoch nicht mehr erfüllt sind.

Etwas anderes lässt sich auch nicht darauf stützen, dass bei der Klägerin entsprechend dem Gutachten von Dr. H. seit längerem eine kombinierte Persönlichkeitsvariante mit zwanghaften, negativistischen, paranoiden, schizoiden und auch Borderline-Anteilen sowie ein Zustand nach Stammhirnquetschung und -blutung besteht. Die Klägerin hat diesbezüglich im Rahmen der Begutachtung durch Dr. H. angegeben, dass sie sich selbst nicht verletzt. Dies geht auch aus den übrigen ärztlichen Unterlagen nicht hervor. Zum Zeitpunkt der Untersuchung bei Dr. H. bestand auch keine Affektlabilität. Die Klägerin war selbstbewusst im Auftreten, gab hinsichtlich des Tagesablaufes an, dass sie sich um den Haushalt und die Kindererziehung kümmert. Zutreffend weist Dr. N. auch darauf hin, dass die Persönlichkeitsvariante die Klägerin nicht gehindert hat, vor der Kindererziehung berufstätig zu sein und sich anschließend um die Kindererziehung und den Haushalt zu kümmern. Damit ist jedoch Dr. H. folgend von einer vollschichtigen Leistungsfähigkeit der Klägerin zum Zeitpunkt der Begutachtung durch Dr. H. (19.01.2011) auszugehen, was die von den Gutachtern Dr. L. und Dr. S. behauptete durchgängige quantitative Leistungsminderung widerlegt.

Auch die Anerkennung eines Grades der Behinderung von 50 seit 1990 belegt nicht, dass die Klägerin im Oktober 2008 erwerbsgemindert war. Zwischen der Schwerbehinderung nach dem SGB IX und der Erwerbsminderung nach dem SGB VI besteht keine Wechselwirkung, da die gesetzlichen Voraussetzungen unterschiedlich sind (BSG, Beschluss vom 08.08.2001 – B 9 SB 5/01 B, in juris, Rn. 5; BSG, Beschluss vom 09.12.1987 – 5b BJ 156/87, in juris, Rn. 3). Für die Erwerbsminderung nach § 43 SGB VI sind die Erwerbsmöglichkeiten des Betroffenen maßgeblich, während § 69 Abs. 1 Satz 5 SGB IX in der bis zum 14. Januar 2015 geltenden Fassung und § 159 Abs. 7 SGB IX in der seit dem 15. Januar 2015 geltenden Fassung (geändert durch Art. 1a des Gesetzes vom 7. Januar 2015, BGBl. II, S. 15) auf die abstrakten Maßstäbe des § 30 Abs. 1 Bundesversorgungsgesetz (BVG) verweist (BSG, Beschluss vom 08.08.2001 – B 9 SB 5/01 B –, in juris, Rn. 5; BSG, Beschluss vom 09.12.1987 – 5b BJ 156/87 –, in juris, Rn. 3).

Eine quantitative Einschränkung des Leistungsvermögens ergibt sich zur Überzeugung des Senats im Oktober 2008 auch nicht aufgrund der internistischen und orthopädischen Erkrankungen, die neben den Erkrankungen auf nervenärztlichem Fachgebiet bestehen. Der Senat stützt sich insoweit auf das Verwaltungsgutachten von der Internistin G. vom 24.11.2010, die aus den erhobenen Befunden und Diagnosen nachvollziehbar und schlüssig lediglich qualitative Leistungseinschränkungen ableitet. Eine Leistungsminderung aufgrund dieser Erkrankungen wird im Übrigen auch von keinem der behandelnden Ärzte oder der Klägerin gesehen.

Deshalb vermochte der Senat der Einschätzung von Dr. S. auch nicht unter dem Aspekt zu folgen, dass dieser in seinem Gutachten bei einer fachübergreifenden Betrachtungsweise eine Einschränkung des quantitativen Leistungsvermögens seit 2005 sieht. Zwar geht er davon aus, dass sich die verschiedenen Leiden gegenseitig verstärken und negativ beeinflussen. Eine nähere Erläuterung hierzu fehlt jedoch im Gutachten. Insoweit hatte der Senat vielmehr zu berücksichtigen, dass bei der Klägerin der psychiatrische Befund ganz deutlich im Vordergrund steht und die internistischen und orthopädischen Leiden allenfalls qualitative Leistungseinschränkungen begründen können. Hierauf hat auch Dr. N. in seiner sozialmedizinischen Stellungnahme vom 20.12.2013 zutreffend hingewiesen.

Anhaltspunkte dafür, dass bei der Klägerin im Oktober 2008 eine Summierung ungewöhnlicher Leistungsbeeinträchtigungen oder eine spezifische Leistungsbeeinträchtigung gegeben wären, bestehen nicht. Ein Großteil der qualitativen Beschränkungen werden bereits durch den Umstand, dass nur leichte Arbeiten zumutbar sind, mitberücksichtigt. Schließlich ist hier auch nicht von einem verschlossenen Arbeitsmarkt im Sinne der Rechtsprechung des BSG und der dort aufgestellten Kriterien auszugehen (siehe BSG, Urteil vom 30.11.1983, - 5 ARKn 28/82 - ; siehe insbesondere auch hierzu den bestätigenden Beschluss des Großen Senats vom 19.12.1996, BSGE 80,24; siehe auch BSG, Urteil vom 05.10.2005, - B 5 RJ 6/05 R - , alle in juris). Es war im Übrigen im Hinblick auf das zur Überzeugung des Senats bestehende Leistungsvermögen von mindestens sechs Stunden pro Arbeitstag unter Berücksichtigung nicht arbeitsmarktunüblicher qualitativer Leistungseinschränkungen zu der Frage, inwieweit welche konkrete Tätigkeit der Klägerin leidensgerecht unzumutbar ist, keine Prüfung durchzuführen, da die jeweilige Arbeitsmarktlage bei einer Leistungsfähigkeit von sechs Stunden täglich oder mehr nicht zu berücksichtigen ist (§ 43 Abs. 3 letzter Halbsatz SGB VI).

Vor diesem Hintergrund ist ein Leistungsfall im Oktober 2008 mit einer anschließenden durchgängigen quantitativen Leistungsminderung zur Überzeugung des Senats nicht nachgewiesen, weshalb die notwendigen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für die begehrte Erwerbsminderungsrente vorliegend nicht gegeben ist.

Bei dieser Sachlage drängen sich dem Senat angesichts der vorliegenden Gutachten und Arztberichte weitere Ermittlungen nicht auf. Insbesondere war eine weitere Befragung von Prof. Dr. Dr. N. zum Zeitpunkt des von ihm angenommenen Leistungsfalls nicht erforderlich. Dieser hat die Frage des Senats hierzu eindeutig beantwortet. Auch weitere streiterhebliche Tatsachen wurden nicht vorgetragen (vgl. Keller, in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Auflage, § 109 Rn 10b), weshalb sich der Senat nicht zur weiteren Beweiserhebung gedrängt fühlen musste.

Einen Anspruch auf eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit (§ 240 SGB VI) hat die Klägerin schon deshalb nicht, weil sie im Jahr 1967 und damit nach dem 01. 01.1961 geboren ist, so dass sie die persönliche Voraussetzung des § 240 Abs. 1 Nr. 1 SGB VI nicht erfüllt.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 SGG) liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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