L 5 KR 3499/15

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 14 KR 5574/12
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 5 KR 3499/15
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 13.07.2015 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt die Erstattung der Kosten einer Tinnitus-Behandlung durch hyperbare Sauerstofftherapie (HBO).

Der 1987 geborene Kläger ist bei der Beklagten gesetzlich krankenversichert. Anfang Mai 2012 erlitt er aufgrund eines Lärmtraumas eine akute Perzeptionsstörung mit akutem sensorineuralem Hörverlust beider Innenohren mit Tinnitus; außerdem besteht eine subjektive Hörminderung.

Am 05.06.2012 beantragte der Kläger die Gewährung bzw. die Übernahme der Kosten einer HBO. Er legte das (Antrags-)Schreiben des Dr. S. (Leitender Arzt am D. F. GmbH, eingerichtet am St. J.-Krankenhaus, F. - im Folgenden: D. F.) vom 05.06.2012 sowie die Therapieverordnung der (ebenfalls am D. F. tätigen) Allgemeinärztin Sch. vom 05.06.2012 vor. Dr. S. führte aus, der Kläger leide an einem Lärmtrauma mit Tinnitus. Sein behandelnder HNO-Arzt Dr. D. habe die HBO empfohlen. Diese stelle eine wissenschaftlich gut abgesicherte Behandlungsmethode im HNO-Bereich dar; ihre Wirksamkeit sei durch qualifizierte Studien sehr gut belegt. Die Behandlung sei eilbedürftig und müsse baldmöglichst begonnen werden. Es sollten 10 bis 15 Einzelbehandlungen (in der Druckkammer) durchgeführt werden mit Kosten (bestehend aus ärztlichen Leistungen und Druckkammerkosten) von jeweils 199,00 EUR; man sei bereit die (an sich höheren) Kosten bei gesetzlich Versicherten auf diesen Betrag zu begrenzen. Hinzu kämen Kosten für die ärztliche Drucktauglichkeitsuntersuchung. Die Ärztin Sch. führte aus, da es unter der bereits durchgeführten oralen rheologischen und der Cortison-Therapie nicht zu einer Normalisierung des Hörvermögens und der Ohrgeräuschempfindung gekommen sei, habe Dr. D. die Durchführung der HBO nach den Richtlinien der Deutschen-HNO-Gesellschaft empfohlen. Eine weitere Behandlungsmöglichkeit der akuten Innenohrfunktionsstörung sei nicht bekannt. Alle aus der Erfahrungsmedizin bekannten schulmedizinischen Therapieverfahren seien ausgeschöpft. Es sollten insgesamt 10 bis 15 Einzelbehandlungen (in der Druckkammer) an aufeinanderfolgenden Tagen nach den Richtlinien der Gesellschaft für Tauch- und Überdruckmedizin durchgeführt werden. Die HBO sei die einzige evidenzbasierte anerkannte Therapie zur Verbesserung der akuten Hörminderung. Sie werde in einem maßgeblichen Lehrbuch sowohl bei Hörsturz als auch bei Tinnitus und erst recht bei Schalltrauma als nützliche zusätzliche Therapiemaßnahme empfohlen. Zur Wirksamkeit bei Tinnitus liege eine hochrangige wissenschaftliche Bewertung vor.

Der Kläger nahm die HBO am D. F. am 05.06.2012 auf. An diesem Tag fanden zunächst (nur) ärztliche (Vor-)Untersuchungen statt. Die (eigentlichen) Druckkammerbehandlungen wurden sodann jeweils täglich vom 12. bis 16.06.2012, 18. bis 23.06.2012 und am 26. und 28.06.2012 durchgeführt. Das D. F. stellte dem Kläger unter dem 29.06.2012 nach Maßgabe der Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ) Kosten für ärztliche Leistungen und Druckkammerkosten i.H.v. insgesamt 2.693,38 EUR in Rechnung. Der Rechnungsbetrag ist beglichen. Einen schriftlichen Behandlungsvertrag hatte der Kläger nicht abgeschlossen.

Mit Bescheid vom 11.06.2012 lehnte die Beklagte den Antrag des Klägers nach Befragung des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (MDK), der die Kostenübernahme bei den vorliegenden Diagnosen nicht befürwortet hatte (Stellungnahme des Dr. H. vom 05.06.2012), ab.

Am 18.06.2012 legte der Kläger Widerspruch ein. Er trug (unter Vorlage der Bescheinigung des Dr. D. vom 15.06.2012) vor, er leide seit 01.05.2012 an einem schalltraumatisch bedingten Tinnitus. Durch die ständigen Ohrgeräusche würden seine Konzentration und Leistungsfähigkeit massiv eingeschränkt. Da die medikamentöse Behandlung keine Besserung bewirkt habe, stelle die HBO nach Ansicht des Dr. D. die einzige noch verbleibende Behandlungsmöglichkeit dar.

Mit Widerspruchsbescheid vom 10.10.2012 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Zur Begründung führte sie aus, der Gemeinsame Bundesausschuss (GBA) habe die vom Kläger begehrte HBO in Anlage II Nr. 16 der Richtlinien zu Untersuchungs- und Behandlungsmethoden der vertragsärztlichen Versorgung (Richtlinie Methoden vertragsärztliche Versorgung - Method-RL - vom 17.01.2006, BAnz Nr. 48 S. 1523) aus dem Leistungskatalog der Krankenkassen ausgeschlossen; daran sei sie gebunden. Eine lebensbedrohliche oder regelmäßig tödlich verlaufende Erkrankung liege nicht vor.

Am (Montag, dem) 12.11.2012 erhob der Kläger Klage beim Sozialgericht Freiburg (SG). Er trug vor, die HBO sei unaufschiebbar gewesen. Dr. D. habe diese Therapie empfohlen, weil die zuvor durchgeführte Behandlung mit Medikamenten und Cortison erfolglos geblieben sei. Angesichts seiner Lebenssituation - anstehende Prüfungen (Wirtschaftsdiplom Betriebswirt) - und der psychischen Beeinträchtigung sei von einem Notfall auszugehen gewesen. Außerdem liege ein Systemversagen vor. Die Nichtanerkennung der HBO bei Tinnitus dürfte auf grob fehlerhaftem Handeln des GBA beruhen (vgl. etwa Bundessozialgericht (BSG), Urteil vom 07.05.2013, - B 1 KR 44/12 R -, in juris). Der GBA habe sich mit der HBO des Knalltraumas, nicht jedoch des - bei ihm vorliegenden - Lärmtraumas befasst. Das Lärmtrauma entstehe im Unterschied zum Knalltrauma durch länger anhaltende Lärmbelastung. Außerdem habe es der GBA rechtswidrig unterlassen, die Richtlinien zu aktualisieren. Gemäß § 2 Abs. 1 Satz 3 Sozialgesetzbuch (SGB) Fünftes Buch (V) gehörten auch neue medizinische Verfahren zum Leistungskatalog der Krankenkassen. Vor Aufnahme der HBO habe man ihn am D. F. darüber aufgeklärt, dass die Behandlung grundsätzlich nicht zu Lasten der Krankenkassen durchgeführt werden könne, dass aber auch Ausnahmen zulässig seien.

Die Beklagte trat der Klage entgegen. Der GBA habe die HBO auch hinsichtlich der Indikation "akutes Knalltrauma" und "akuter Hörsturz", jeweils mit und ohne Tinnitus, unter Analyse der Studienlage bewertet (Beschluss des GBA vom 10.12.1999). Der zuständige Ausschuss des GBA habe die Notwendigkeit der HBO nicht bestätigen können, weil ein überzeugender wissenschaftlicher Nachweis des Nutzens nicht vorliege.

Am 13.07.2015 fand die mündliche Verhandlung des SG statt. Der Kläger gab an, die HBO habe ihm etwas gebracht; in der Folgezeit hätten die Ohrgeräusche abgenommen, seien aber nicht ganz verschwunden. Ihm sei bekannt gewesen, dass die Beklagte die Behandlungskosten eventuell nicht übernehmen werde. Beim ersten Druckkammertermin habe er den Ablehnungsbescheid der Beklagten noch nicht gehabt. Es habe damals aber alles recht schnell gehen müssen. Er habe sich insoweit auf die Einschätzung seines Arztes verlassen. Danach müsse die Behandlung innerhalb von 4 bis 6 Wochen nach dem (den Tinnitus auslösenden) Vorfall begonnen werden.

Mit Urteil vom 13.07.2015 wies das SG die Klage ab. Zur Begründung führte es aus, der Kläger könne die Erstattung seiner Aufwendungen für die HBO nicht beanspruchen; die Voraussetzungen des Erstattungsanspruchs aus § 13 Abs. 3 Satz 1 SGB V seien nicht erfüllt. Der Kläger habe die Behandlung noch vor Ergehen der Ablehnungsentscheidung der Beklagten aufgenommen. Deswegen fehle es am Ursachenzusammenhang zwischen der Leistungsablehnung und den Kosten für die Selbstbeschaffung der Leistung. Ob die Behandlung unaufschiebbar gewesen sei, könne offen bleiben, weil die HBO (ohnehin) nicht zum Leistungskatalog der Krankenkassen gehöre. Neue Untersuchungs- und Behandlungsmethoden dürften zu Lasten der Krankenkassen nur erbracht werden, wenn der GBA in Richtlinien nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 SGB V eine positive Empfehlung über den diagnostischen und therapeutischen Nutzen abgegeben habe. Daran fehle es hinsichtlich der HBO. Diese Behandlungsmethode sei erstmals 1994 vom Rechtsvorgänger des GBA beraten und durch Beschluss vom 22.11.1994 als nicht anerkannte Methode eingestuft worden. Unter dem 22.04.1998 habe die Kassenärztliche Bundesvereinigung unter Hinweis auf die regelhafte Erstattung der Kosten für HBO-Behandlungen durch die Krankenkassen die erneute Beratung dieser Behandlungsmethode beantragt. Der Antrag habe (u.a.) die Indikationen "akutes Knalltrauma" und "Hörsturz mit und ohne Tinnitus" umfasst. Nach indikationsbezogener Auswertung der eingeholten Stellungnahmen und der wissenschaftlichen Literatur durch die zuständige Arbeitsgruppe sei der Arbeitsausschuss des GBA zu der Erkenntnis gelangt, dass mit den bisher vorliegenden klinischen Studien hinsichtlich der in Rede stehenden Indikationen der therapeutische Nutzen der HBO nicht nachgewiesen und auch Behandlungsrisiken nicht ausgeschlossen werden könnten; man habe daher die Notwendigkeit für die Anwendung der HBO insbesondere mangels überzeugenden wissenschaftlichen Nutzennachweises nicht bestätigen können. Der GBA habe am 10.04.2000 beschlossen, die HBO nicht in den Leistungskatalog der Krankenkassen aufzunehmen. In den (vormaligen) Richtlinien über die Bewertung ärztlicher Untersuchungs- und Behandlungsmethoden gemäß § 135 Abs. 1 SGB V (BUB-Richtlinie) sei die HBO unter Nr. 16 der Anlage B als Methode aufgeführt worden, die nicht als vertragsärztliche Leistung zu Lasten der Krankenkassen erbracht werden dürfe. Mit Beschluss vom 17.01.2006 habe der GBA die BUB-Richtlinie in die Richtlinie über die Methoden der vertragsärztlichen Versorgung (Method-RL) überführt. Darin sei die HBO nach wie vor als nicht zum Leistungskatalog der Krankenkassen gehörende Behandlungsmethode eingestuft (vgl. hierzu: BSG, Urteil vom 21.03.2012, - B 6 KA 16/11 R -, in juris). Anhaltspunkte für ein Systemversagen der gesetzlichen Krankenversicherung lägen nicht vor. Es sei nichts dafür ersichtlich, dass der GBA die Aktualisierung der Method-RL rechtswidrig unterlassen hätte. Hierfür sei die vom Kläger angeführte Unterscheidung des Knalltrauma vom Lärmtrauma nicht von Belang, nachdem beide akustische Traumata als unterschiedliche Krankheitsursachen zur Schädigung des Innenohrs (mit der Folge etwa eines Tinnitus) führten. Hierüber habe der GBA entschieden. Neue wissenschaftliche Erkenntnisse seien nicht ersichtlich (auch hierzu BSG, Urteil vom 21.03.2012, a. a. O.). Das vom Kläger für seine Rechtsansicht angeführte Urteil des BSG vom 07.05.2013 (- B 1 KR 44/12 R -, in juris) sei nicht einschlägig. Gegenstand dieses Urteils sei die Behandlung des diabetischen Fußsyndroms. Außerdem habe der GBA, was das BSG beanstandet habe, die Therapie dieser Erkrankung durch HBO im Rahmen der stationären Leistungserbringung befürwortet und damit die Anforderungen des Qualitäts- und Wirtschaftlichkeitsgebots als erfüllt angesehen, ohne zugleich eine (entsprechende) Empfehlung nach § 135 Abs. 1 SGB V für die ambulante Leistungserbringung auszusprechen. Schließlich habe das BSG in dem genannten Urteil (vom 07.05.2013, a. a. O.) ausdrücklich darauf hingewiesen, dass von der Rechtsprechung des 6. Senats des BSG (Urteil vom 21.03.2012, a. a. O.) zum Ausschluss der HBO bei den Indikationen "akutes Knalltrauma" und "Hörsturz" mit bzw. ohne Tinnitus nicht abgewichen werde.

Gegen das ihm am 24.07.2015 zugestellte Urteil hat der Kläger am 19.08.2015 Berufung eingelegt. Zur Begründung wiederholt und bekräftigt er sein bisheriges Vorbringen. Die HBO sei nach erfolgloser Ausschöpfung der zum Leistungskatalog der Krankenkassen gehörenden Behandlungsmaßnahmen aus medizinischen Gründen unaufschiebbar gewesen. Bei Einhaltung des vorgeschriebenen Beschaffungswegs hätten ihm unzumutbare Gesundheitsschäden gedroht. Das gehe aus den vorliegenden ärztlichen Bescheinigungen, etwa des Dr. D., hervor. Das SG hätte weitere Ermittlungen durchführen und ein Gutachten zur Bewertung der HBO erheben müssen.

Der Kläger beantragt sachgerecht gefasst,

das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 13.07.2015 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 11.06.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 10.10.2012 zu verurteilen, ihm die Kosten der während der Zeit vom 05. bis 28.06.2012 im D. F. durchgeführten HBO i.H.v. 2.693,38 EUR zu erstatten.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.

Die Beteiligten haben sich mit einer Senatsentscheidung ohne mündliche Verhandlung gemäß §§ 153 Abs. 1, 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) einverstanden erklärt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf deren Schriftsätze sowie die Akten der Beklagten, des SG und des Senats Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung des Klägers, über die der Senat im Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheidet, ist gemäß §§ 143, 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthaft; der Beschwerdewert des § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG (750 EUR) ist bei einem geltend gemachten Erstattungsbetrag von 2.693,38 EUR überschritten. Die Berufung ist form- und fristgerecht eingelegt und daher auch sonst gemäß § 151 SGG zulässig. Sie ist jedoch nicht begründet.

Streitgegenstand ist die Erstattung der Aufwendungen, die dem Kläger für die HBO seiner mit Ohrgeräuschen verbundenen Gehörschädigung (Lärmtrauma mit Tinnitus) im D. F. entstanden sind. Die Beklagte hat dies mit den angefochtenen Bescheiden zu Recht abgelehnt. Der Kläger hat darauf keinen Anspruch.

Rechtsgrundlage des geltend gemachten Erstattungsanspruchs ist § 13 Abs. 3 Satz 1 SGB V. Die Vorschrift bestimmt: Konnte die Krankenkasse eine unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig erbringen oder hat sie eine Leistung zu Unrecht abgelehnt und sind dadurch Versicherten für die selbst beschaffte Leistung Kosten entstanden, sind diese von der Krankenkasse in der entstandenen Höhe zu erstatten, soweit die Leistung notwendig war. Das Gesetz sieht damit in Ergänzung des Sachleistungssystems der gesetzlichen Krankenversicherung (§ 2 Abs. 2 Satz 1 SGB V) ausnahmsweise Kostenerstattung vor, wenn der Versicherte sich eine Leistung auf eigene Kosten selbst beschaffen musste, weil sie von der Krankenkasse als Sachleistung wegen eines Mangels im Versorgungssystem nicht oder nicht in der gebotenen Zeit zur Verfügung gestellt worden ist (vgl. etwa BSG, Urteil vom 02.11.2007, - B 1 KR 14/07 R -; Urteil vom 14.12.2006, - B 1 KR 8/06 R -, beide in juris). Der Kostenerstattungsanspruch aus § 13 Abs. 3 Satz 1 (Fall 1 und 2) SGB V reicht daher nicht weiter als ein entsprechender Sachleistungsanspruch des Versicherten gegen seine Krankenkasse (etwa auf Krankenbehandlung nach § 27 SGB V). Die Krankenkasse muss Aufwendungen des Versicherten nur erstatten, wenn die selbst beschaffte Leistung (nach Maßgabe des im Zeitpunkt der Leistungserbringung geltenden Rechts, BSG, Urteil vom 08.03.1995, - 1 RK 8/94 -, in juris) ihrer Art nach oder allgemein von den Krankenkassen als Sachleistung zu erbringen ist oder nur deswegen nicht erbracht werden kann, weil ein Systemversagen die Erfüllung des Leistungsanspruchs im Wege der Sachleistung gerade ausschließt (BSG, Urteil vom 08.09.2015, - B 1 KR 14/14 R - m.w.N., in juris). Die Selbstbeschaffung der Leistung muss außerdem zu einer (zivil-)rechtlich wirksamen Kostenlast des Versicherten geführt haben. Daran kann es insbesondere bei Verstößen gegen das einschlägige öffentlich-rechtliche Preisrecht fehlen (vgl. etwa BSG, Urteil vom 08.09.2015, - B 1 KR 14/14 R - zur Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ) und zum Preisrecht für Krankenhausleistungen; auch etwa jurisPK-SGB V Schlegel/Voelzke, § 33 Rdnr. 49).

Der regelmäßig im Vordergrund stehende Erstattungstatbestand des § 13 Abs. 3 Satz 1 Fall 2 SGB V (rechtswidrige Leistungsablehnung) setzt die rechtswidrige Ablehnung der Leistung durch die Krankenkasse und außerdem einen Ursachenzusammenhang zwischen der rechtswidrigen Leistungsablehnung und der dem Versicherten durch die Selbstbeschaffung der Leistung entstandenen Kostenlast voraus. Dieser Ursachenzusammenhang fehlt, wenn die Krankenkasse vor Inanspruchnahme bzw. Beschaffung der Leistung mit dem Leistungsbegehren nicht befasst wurde, obwohl dies möglich gewesen wäre (BSG, Urteil vom 30.06.2009, - B 1 KR 5/09 R -, in juris; vgl. auch § 19 Abs. 1 Satz 1 SGB IV sowie ab 01.01.2013 die Beschleunigungsvorschrift in § 13 Abs. 3a SGB V) oder wenn der Versicherte sich unabhängig davon, wie die Entscheidung der Krankenkasse ausfällt, von vornherein auf eine bestimmte Art der Krankenbehandlung durch einen bestimmten Leistungserbringer festgelegt hat und fest entschlossen ist, sich die Leistung selbst dann zu beschaffen, wenn die Krankenkasse den Antrag ablehnen sollte. Das mit einer Entscheidung der Krankenkasse abzuschließende Verwaltungsverfahren stellt weder einen "Formalismus" in dem Sinne dar, dass es ganz entbehrlich ist, noch in dem Sinne, dass es zwar durchlaufen werden muss, aber der Versicherte nicht gehalten ist, die Entscheidung der Krankenkasse in seine eigene Entscheidung inhaltlich einzubeziehen, sondern den Abschluss des Verwaltungsverfahrens nur "formal" abwarten muss, jedoch schon vorbereitende Schritte einleiten darf, die Ausdruck seiner Entschlossenheit sind, sich die Leistung in jedem Fall endgültig zu verschaffen. § 13 Abs. 3 Satz 1 Fall 2 SGB V will dem Versicherten einerseits die Möglichkeit eröffnen, sich eine von der Krankenkasse geschuldete, aber als Sachleistung nicht erhältliche Behandlung selbst zu beschaffen, andererseits jedoch die Befolgung des Sachleistungsgrundsatzes dadurch absichern, dass eine Kostenerstattung nur erfolgt, wenn tatsächlich eine Versorgungslücke festgestellt wird. Diese Feststellung zu treffen, ist nicht Sache des Versicherten, sondern der Krankenkasse. Nur sie hat in der Regel einen vollständigen Überblick über die rechtlichen Rahmenbedingungen und die vorhandenen Versorgungsstrukturen und kann mit Hilfe dieser Informationen zuverlässig beurteilen, ob die begehrte Behandlung überhaupt zu den Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung gehört und wenn ja, wie sie in dem bestehenden Versorgungssystem realisiert werden kann. Eine vorherige Prüfung durch die Krankenkasse, verbunden mit der Möglichkeit einer Beratung des Versicherten, ist sachgerecht; sie liegt gerade auch im eigenen Interesse des Versicherten, weil sie ihn von dem Risiko entlastet, die Behandlungskosten gegebenenfalls selbst tragen zu müssen, wenn ein zur Erstattungspflicht führender Ausnahmetatbestand nicht vorliegt (so: BSG, Urteil vom 08.09.2015, - B 1 KR 14/14 R - m.w.N., in juris). Dem steht nicht entgegen, dass § 13 Abs. 3 Satz 1 Fall 2 SGB V nach der Rechtsprechung des BVerfG (Beschluss vom 19.03.2009, - 1 BvR 316/09 -, in juris) nicht in der Weise ausgelegt werden darf, dass er für einen bestehenden Leistungsanspruch die Funktion eines anspruchsvernichtenden Tatbestands entwickelt.

Der Erstattungstatbestand des § 13 Abs. 3 Satz 1 Fall 1 SGB V (unaufschiebbare Leistung) setzt voraus, dass die beantragte Leistung im Zeitpunkt ihrer tatsächlichen Erbringung so dringlich ist, dass aus medizinischer Sicht keine Möglichkeit eines nennenswerten Aufschubes mehr besteht, um vor der Beschaffung die Entscheidung der Krankenkasse abzuwarten. Ein Zuwarten darf dem Versicherten aus medizinischen Gründen nicht mehr zumutbar sein, weil der angestrebte Behandlungserfolg zu einem späteren Zeitpunkt nicht mehr eintreten kann oder z.B. wegen der Intensität der Schmerzen ein auch nur vorübergehendes weiteres Zuwarten nicht mehr zuzumuten ist. Es kommt nicht (mehr) darauf an, ob es dem Versicherten - aus medizinischen oder anderen Gründen - nicht möglich oder nicht zuzumuten war, vor der Beschaffung die Krankenkasse einzuschalten; die gegenteilige Rechtsprechung hat das BSG im Urteil vom 08.09.2015, - B 1 KR 14/14 R -, in juris) aufgegeben. Unaufschiebbar kann auch eine zunächst nicht eilbedürftige Behandlung werden, wenn der Versicherte mit der Ausführung so lange wartet, bis die Leistung zwingend erbracht werden muss, um den mit ihr angestrebten Erfolg noch zu erreichen oder um sicherzustellen, dass er noch innerhalb eines therapeutischen Zeitfensters die benötigte Behandlung erhalten wird. Dies gilt umso mehr, wenn der Beschaffungsvorgang aus der Natur der Sache heraus eines längeren zeitlichen Vorlaufs bedarf und der Zeitpunkt der Entscheidung der Krankenkasse nicht abzusehen ist. § 13 Abs. 3 Satz 1 Fall 1 SGB V erfasst auch die Fälle, in denen der Versicherte zunächst einen Antrag bei der Krankenkasse stellte, aber wegen Unaufschiebbarkeit deren Entscheidung nicht mehr abwarten konnte (BSG, Urteil vom 08.09.2015, - B 1 KR 14/14 R - m.w.N., in juris). Liegt hingegen nicht nur ein Eilfall in diesem Sinne, sondern (sogar) ein (medizinischer) Notfall i.S.d. § 76 Abs. 1 Satz 2 SGB V vor, muss also ein unvermittelt aufgetretener Behandlungsbedarf sofort befriedigt werden, ist der Erstattungstatbestand des § 13 Abs. 3 Satz 1 Fall 2 SGB V nicht einschlägig, sondern ausgeschlossen. Der Leistungserbringer erhält seine Vergütung für Notfallleistungen nicht vom (erstattungsberechtigten) Versicherten, sondern bei ambulanter Leistungserbringung von der Kassenärztlichen Vereinigung (aus der Gesamtvergütung, § 85 SGB V) und bei stationärer Leistungserbringung von der Krankenkasse. Der Erstattungstatbestand des § 13 Abs. 3 Satz 1 Fall 1 SGB V kann daher (gerade) auch dann erfüllt sein, wenn zwischen der erstmaligen Anfrage des Versicherten bei einem Behandler, einer etwaigen Voruntersuchung und dem eigentlichen Behandlungsbeginn längere (Warte-)Zeiten, ggf. auch mehrere Wochen, verstreichen (auch dazu: BSG, Urteil vom 08.09.2015, - B 1 KR 14/14 R -, in juris).

Davon ausgehend steht dem Kläger ein Anspruch auf Erstattung der Kosten für die HBO seiner Hörstörung (Lärmtrauma mit Tinnitus) nicht zu. Das SG hat die hierauf gerichtete Klage zu Recht abgewiesen. Ob der Kläger - im Hinblick auf den Erstattungstatbestand des § 13 Abs. 3 Satz 1 Fall 2 SGB V - den vorgeschriebenen Beschaffungsweg eingehalten hat, obgleich er noch am Tag der Antragstellung bei der Beklagten, dem 05.06.2012, die für die HBO notwendigen Voruntersuchungen absolviert hat, kann der Senat ebenso offen lassen wie die Frage des Vorliegens einer unaufschiebbaren Leistung i.S.d. § 13 Abs. 3 Satz 1 Fall 1 SGB V bzw. eines Eilfalls im vorstehend beschriebenen Sinn. Denn es fehlt schon an der den (besonderen) Voraussetzungen der beiden Erstattungstatbestände des § 13 Abs. 3 Satz 1 SGB V vorausliegenden (allgemeinen) Voraussetzung der Zugehörigkeit der selbst beschafften Leistung zum Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung. Wie das SG im Einzelnen zutreffend dargelegt hat, zählt die HBO von Hörstörungen mit Tinnitus nicht zu den Behandlungsleistungen, die die Krankenkassen den gesetzlich Versicherten gemäß § 27 Abs. 1 Satz 1 SGB V als Sachleistung zu erbringen haben. Der Senat kann hierfür auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils Bezug nehmen (§ 153 Abs. 2 SGG). Der GBA hat die HBO in Anlage II Nr. 16 der Method-RL als nicht zum Leistungskatalog der Krankenkassen gehörende Behandlungsmethode eingestuft. Die Vorschriften der Method-RL sind als Richtlinienbestimmungen i.S.d. § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 SGB V für die Krankenkassen und für die (Sozial-)Gerichte bindend. Dass der GBA mit der genannten Ausschlussentscheidung die rechtlichen Grenzen seines normgeberischen Entscheidungsspielraums verletzt hätte, ist weder ersichtlich noch substantiiert behauptet. Das BSG hat in seinem (vom SG auch angeführten) Urteil vom 21.03.2012 (- B 6 KA 16/11 R - in juris) vielmehr dargelegt, dass die Entscheidung (des Rechtsvorgängers des GBA), die HBO für die Indikationen "akutes Knalltrauma" und "Hörsturz" mit oder ohne Tinnitus als nicht den Kriterien des § 135 Abs. 1 Satz 1 SGB V entsprechende und damit nicht auf Kosten der Krankenkassen zu erbringende Behandlungsmethode zu bewerten und für sie keine positive Empfehlung abzugeben, keine Rechtsfehler erkennen lässt. Anhaltspunkte dafür, dass für die Indikation "Lärmtrauma" mit Tinnitus anderes gelten könnte, sind weder ersichtlich noch vorgetragen. Der Kläger hat lediglich die nicht weiter untermauerte Vermutung geäußert, insoweit könnte es Unterschiede zwischen der HBO des durch ein Lärmtrauma und der HBO des durch ein Knalltrauma oder einen Hörsturz verursachten Tinnitus geben. Für die Erhebung eines Sachverständigengutachtens genügt das nicht. Auch für ein Systemversagen der gesetzlichen Krankenversicherung gibt es keinerlei Anhaltspunkte. Der Kläger äußert insoweit ebenfalls nur unsubstantiierte Vermutungen. Dass der GBA die Aktualisierung der Method-RL hinsichtlich des hier streitigen Regelungsgegenstands rechtswidrig unterlassen hätte, wird nur behauptet; neue wissenschaftliche Erkenntnisse sind nicht ersichtlich und auch nicht dargetan. Das Urteil des BSG vom 07.05.2013 (- B 1 KR 44/12 R -, in juris) betrifft die HBO des diabetischen Fußsyndroms und ist daher nicht einschlägig. Außerdem hat das BSG in dem genannten Urteil ausdrücklich betont, dass von der Rechtsprechung des 6. Senats des BSG (Urteil vom 21.03.2012, - B 6 KA 16/11 R -, in juris) zum Ausschluss der HBO aus dem Leistungskatalog der Krankenkassen bei Knalltrauma bzw. Hörsturz mit oder ohne Tinnitus nicht abgewichen werde. Die Voraussetzungen des § 2 Abs. 1a SGB V sind schließlich ebenfalls nicht erfüllt. Eine lebensbedrohliche oder regelmäßig tödliche Erkrankung oder eine mit solchen Erkrankungen wertungsmäßig vergleichbare Erkrankung (dazu etwa BSG, Urteil vom 20.04.2010, - B 1/3 KR 22/08 R -, in juris: drohende Erblindung) liegt offensichtlich nicht vor; der Kläger macht das auch nicht geltend.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision bestehen nicht (§ 160 Abs. 2 SGG).
Rechtskraft
Aus
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