L 5 KR 3551/15

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 11 KR 2329/14
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 5 KR 3551/15
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stuttgart vom 27.07.2015 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Der Kläger wendet sich (noch) gegen die Höhe der Beitragsfestsetzung hinsichtlich seiner Einkünfte aus selbstständiger Tätigkeit für den Zeitraum vom 01.07.2013 bis zum 30.06.2014.

Der 1932 geborene Kläger ist seit dem 01.03.2004 aufgrund des Bezugs einer Rente der gesetzlichen Rentenversicherung bei der Beklagten zu 1) im Rahmen der Krankenversicherung der Rentner (KVdR) versicherungspflichtig krankenversichert und bei der Beklagten zu 2) pflegeversichert. Neben einer Rente der gesetzlichen Rentenversicherung und einem Versorgungsbezug erzielte er bis 2015 Einkünfte aus selbstständiger Tätigkeit.

Im Oktober 2012 legte der Kläger den - nicht in der Akte befindlichen - Einkommenssteuerbescheid 2011 vor, der Einkünfte aus selbstständiger Tätigkeit in Höhe von 1.182,00 EUR (:12 = 98,50 EUR) auswies. Mit Bescheid vom 25.02.2013 setzte die Beklagte zu 1) - auch im Namen der Beklagten zu 2) - daher die Beiträge aus dem Arbeitseinkommen ab dem 01.11.2012 neu fest. Für den Zeitraum ab 01.01.2013 wurden die Beiträge wie folgt festgesetzt:

Beitrag zur Krankenversicherung 304,15 EUR Beitragssatz (15,5 %) Beitrag zur Pflegeversicherung 40,23 EUR Beitragssatz (2,05 %) monatlicher Beitrag insgesamt 344,38 EUR.

Der Beitragsfestsetzung lag ein monatlicher Versorgungsbezug in Höhe von 1.863,77 EUR und ein zu berücksichtigendes monatliches Einkommen in Höhe von 98,50 EUR zugrunde.

Mit Schreiben vom 26.06.2013 teilte die BBW den Beklagten mit, dass der Kläger ab 01.07.2013 ein Ruhegehalt in Höhe von 1.306,46 EUR erhalte. Mit Bescheid vom 16.07.2013 setzte die Beklagte zu 1) - auch im Namen der Beklagten zu 2) - die Beiträge ab 01.07.2013 wie folgt fest:

Beitrag zur Krankenversicherung 217,77 EUR (Beitragssatz 15,5 %) Beitrag zur Pflegeversicherung 28,80 EUR (Beitragssatz 2,05 %) monatlicher Beitrag insgesamt 246,57 EUR.

Der Beitragsfestsetzung lagen Versorgungsbezüge in Höhe von monatlich 1.306,46 EUR und Arbeitseinkommen aus selbstständiger Tätigkeit in Höhe von monatlich 98,50 EUR zugrunde.

Hiergegen legte der Kläger am 14.08.2013 Widerspruch ein. Sein Arbeitseinkommen ab 01.07.2013 könne erst nach Vorlage des Einkommenssteuerbescheides für 2013 festgelegt werden. Die Beiträge ab 01.07.2013 dürften daher nur vorläufig bis zur Vorlage des Einkommenssteuerbescheids 2013 festgesetzt werden.

Am 29.08.2013 legte der Kläger den Einkommenssteuerbescheid für 2012 vom 19.08.2013 vor. Dieser wies Einkünfte aus selbstständiger Arbeit in Höhe von 1.347,00 EUR (:12 = 112,25 EUR) aus. Mit Bescheid vom 05.09.2013 setzte die Beklagte zu 1) - auch im Namen der Beklagten zu 2) - die Beiträge wie folgt fest:

Beitrag zur Krankenversicherung 219,90 EUR (Beitragssatz 15,5 %) Beitrag zur Pflegeversicherung 29,08 EUR (Beitragssatz 2,05 %) der monatliche Beitrag betrage insgesamt 248,98 EUR.

Zur Begründung teilte die Beklagte mit, dass der Kläger im Zeitraum ab 01.09.2013 Versorgungsbezüge in Höhe von monatlich 1.306,46 EUR und Arbeitseinkommen aus selbstständiger Tätigkeit in Höhe von monatlich 112,25 EUR erziele.

Am 16.09.2013 legte der Kläger gegen den Bescheid vom 05.09.2013 Widerspruch ein. Eine endgültige Beitragsfestsetzung, wie im Bescheid erfolgt, könne nur nach Vorliegen des Einkommensteuerbescheides 2013 erfolgen. Daher seien die Beiträge vorläufig festzusetzen. Gegen eine vorläufige Festsetzung in der bisherigen Höhe bestünden jedoch keine Einwände.

Mit Widerspruchsbescheid vom 19.03.2014 wies die Beklagte die Widersprüche des Klägers als unbegründet zurück.

Hiergegen richtete sich die am 14.04.2014 zum Sozialgericht Stuttgart (SG) erhobene Klage. Insoweit wies der Kläger zunächst daraufhin, dass für ihn unklar sei, warum die Beklagte über seinen Widerspruch vom 20.03.2013 gegen den Bescheid vom 25.02.2013 nicht in dem Widerspruchsbescheid vom 19.03.2014 entschieden habe. Dies sei nicht nachvollziehbar. Kernpunkt der Klage sei im Übrigen, dass der Gesetzgeber das nach § 237 Satz 1 Nr. 3 Sozialgesetzbuch (SGB) V bei der Beitragsbemessung zu berücksichtigende Arbeitseinkommen in § 15 Abs. 1 SGB IV definiert habe. Arbeitseinkommen sei hiernach der nach dem Einkommenssteuerrecht ermittelte Gewinn aus einer selbstständigen Tätigkeit. Der Gesetzgeber habe damit eine Bezugsgröße gewählt, die nur nach Ablauf des Veranlagungszeitraums, in der Regel nach Ablauf eines Kalenderjahres, festgestellt werden könne. Dies erfordere daher eine vorläufige Festsetzung, die nach Vorlage des jeweiligen Steuerbescheides in eine endgültige umzusetzen sei. Die Heranziehung des Arbeitseinkommens eines früheren Jahres für eine mehr als vorläufige Bemessung der Beiträge späterer Jahre sei im Rahmen der Auslegung des § 15 SGB IV ausgeschlossen. Zwar könne der Gesetzgeber bestimmen, dass das Arbeitseinkommen vergangener Jahre nur für die Zukunft zu berücksichtigen sei. Für den vorliegenden Fall habe der Gesetzgeber jedoch eine solche Regelung nicht getroffen. § 240 Abs. 4 Satz 6 SGB V sei insoweit auch nicht analog anwendbar.

Die Beklagte trat der Klage entgegen und führte aus, dass ein Widerspruch gegen den Bescheid vom 25.02.2013 nicht vorliege. Daher sei dieser auch nicht Gegenstand des Widerspruchsbescheids vom 19.03.2014 gewesen. Im Übrigen werde auf die Ausführungen im Widerspruchsbescheid Bezug genommen.

Mit Bescheid vom 08.08.2014 setzte die Beklagte die Beiträge für den Zeitraum vom 01.07.2013 bis 31.08.2013 wie folgt fest:

Beitrag zur Krankenversicherung 307,03 EUR (Beitragssatz 15,5 %) Beitrag zur Pflegeversicherung 40,61 EUR (Beitragssatz 2,05 %) der monatliche Beitrag betrage insgesamt 347,64 EUR.

Darüber hinaus wurden ebenfalls mit Bescheid vom 08.08.2014 die Beiträge für den Zeitraum vom 01.09.2013 bis 30.06.2014 wie folgt festgelegt:

Beitrag zur Krankenversicherung 309,16 EUR (Beitragssatz 15,5 %) Beitrag zur Pflegeversicherung 40,89 EUR (Beitragssatz 2,05 %) der monatliche Beitrag betrage insgesamt 350,05 EUR.

Der Beitragsbemessung legte sie dabei einen Versorgungsbezug von monatlich 1.306,46 EUR, einen Versorgungsbezug in Höhe von 575,90 EUR und ein monatliches Arbeitseinkommen in Höhe von 98,50 EUR bzw. 112,25 EUR zugrunde.

Mit Schreiben vom 15.09.2014 erweiterte der Kläger daraufhin seine Klage auf die Bescheide vom 25.02.2013 und den Bescheid vom 08.08.2014.

Am 29.09.2014 legte der Kläger den Beklagten den Einkommenssteuerbescheid 2013 vom 17.09.2014 vor. Dieser wies Einkommen aus selbstständiger Tätigkeit in Höhe von 813,00 EUR aus.

Mit Bescheid vom 17.10.2014 hob die Beklagte den Bescheid vom 08.08.2014 auf. Gleichzeitig erklärte sie sich mit dem Wunsch des Klägers einverstanden, die zwischenzeitlich eingelegten Widersprüche gegen die Bescheide vom 30.07.2014 über die Beiträge ab 01.07.2014 sowie den Bescheid vom 01.10.2014 über die Beiträge ab 01.10.2014 ruhend zu stellen. Auch der Widerspruch des Klägers gegen den Bescheid vom 14.01.2015 hinsichtlich der Beiträge ab 01.01.2015 wurde in der Folge ruhend gestellt.

Auf Nachfrage des Klägers erklärte die Beklagte mit Schreiben vom 18.11.2014, dass es bei der Aufhebung des Bescheids vom 08.08.2014 verbleibe. Ebenso verbleibe es bei der Beitragsfestsetzung in der genannten Höhe für den Zeitraum 01.07.2013 bis 30.06.2014. Insoweit teilte die Beklagte in der Anlage unter dem 04.11.2014 die Beiträge für den Zeitraum 01.07.2013 bis 31.08.2013 bzw. 01.09.2013 bis 30.06.2014 nochmals entsprechend den Bescheiden vom 16.07.2013 und vom 05.09.2013 mit.

Mit Gerichtsbescheid vom 27.07.2015 wies das SG die Klage ab. Soweit sich die Klage vorliegend gegen den Beitragsbescheid vom 25.02.2013 richte, sei die Klage bereits unzulässig. Es liege nicht der notwendige Widerspruchsbescheid vor. Eine Aussetzung des Verfahrens analog § 114 Sozialgerichtsgesetz (SGG) komme nicht in Betracht. Unzulässig sei ferner der Klageantrag des Klägers, wonach er eine Feststellung begehre, dass die Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung für die Jahre ab 2013 und später nach Vorlage der Einkommenssteuerbescheide für diese Jahre entsprechend den darin ausgewiesenen Einkünften aus selbstständiger Arbeit neu festzusetzen seien. Insoweit fehle es an einem entsprechenden Feststellungsinteresse. Streitgegenstand sei im Übrigen der Bescheid der Beklagten vom 04.11.2014. Dieser sei nach Klageerhebung ergangen und habe die ursprünglichen mit der Klage angegriffenen Bescheide vom 16.07.2013 und vom 05.09.2013, jeweils in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 19.03.2014 ersetzt. Der Bescheid vom 04.11.2014 habe ferner die Bescheide vom 08.08.2014 und vom 17.10.2014 ersetzt. Das Schreiben der Beklagten vom 18.11.2014, das auch nicht mit einer Rechtsbehelfsbelehrung versehen sei, enthalte als wiederholende Verfügung keine eigenständige Regelung und stelle keinen Verwaltungsakt dar. Der Bescheid vom 04.11.2014 sei im Übrigen rechtmäßig und verletze den Kläger nicht in seinen Rechten. Rechtsgrundlage für die Änderung der Beitragshöhe durch den streitbefangenen Bescheid sei § 48 Abs. 1 SGB X. Hiernach sei, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die beim Erlass eines Verwaltungsakts mit Dauerwirkung vorgelegen hätten, eine wesentliche Änderung eintrete, der Verwaltungsakt aufzuheben. Die Beitragsfestsetzung sei ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung. Eine wesentliche Änderung, die zur Festsetzung höherer Beiträge führe, sei der Ansatz geänderter Einnahmen. Bei versicherungspflichtigen Rentnern würden der Beitragsbemessung der Zahlbetrag der Rente in der gesetzlichen Rentenversicherung, der Zahlbetrag der der Rente vergleichbaren Einnahmen und das Arbeitseinkommen gemäß § 237 Satz 1 SGB V zugrunde gelegt. Arbeitseinkommen sei der nach den allgemeinen Gewinnermittlungsvorschriften des Einkommensteuerrechts ermittelte Gewinn aus einer selbstständigen Tätigkeit (§ 15 Abs. 1 Satz 1 SGB IV). Nach der geltenden Fassung des § 15 Abs. 1 SGB IV werde für die Sozialversicherungsträger eine praktikable dynamische Einbindung der Einkünfte aus selbstständiger Tätigkeit an den von den Finanzbehörden festgestellten Gewinn hergestellt. Dabei sei in der Regel an den jüngsten vorliegenden Einkommenssteuerbescheid anzuknüpfen, und zwar bis zum Vorliegen eines diesen ersetzenden Bescheides. Die vom Kläger favorisierte Auslegung finde demgegenüber keine Stütze im Wortlaut des Gesetzes. Eine endgültige Beitragsbemessung werde durch die Formulierung des § 237 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB V nicht ausgeschlossen. Eine endgültige Festsetzung entspreche gerade auch dem Sinn und Zweck der einschlägigen Regelungen. Mit der Neuregelung des § 15 Abs. 1 SGB V (richtig: IV) habe der Gesetzgeber erreichen wollen, dass die Sozialversicherungsträger die maßgeblichen Einkünfte nicht selbst unter Anwendung der Normen des Einkommensteuerrechts ermitteln müssen, sondern das Arbeitseinkommen dem Steuerbescheid entnehmen könnten. Die Vorschrift diene nicht nur dazu, widersprüchliche Ergebnisse zwischen Einkommensteuer einerseits und Sozialrecht andererseits so weit wie möglich auszuschließen, sondern auch der Verwaltungsvereinfachung. Zu dieser Parallelität zwischen Einkommenssteuerrecht und Sozialrecht trete der Umstand, dass Sozialversicherungsbeiträge im Voraus festgesetzt werden müssten. Beides lasse sich am sachgerechtesten dadurch vereinbaren, dass die Beiträge auf der Grundlage des jeweils neuesten Steuerbescheides für die Zukunft bemessen würden. Die damit erfolgte zeitversetzte Berücksichtigung der tatsächlichen Einnahmen sei nicht zu beanstanden. Auf einen längeren Zeitraum werde die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit zutreffend berücksichtigt, denn es erfolge ein Ausgleich der wechselnden Einnahmen. Die vom Kläger angeführte Lösung einer jeweils lediglich vorläufigen Bemessung laufe dem Gesetzeszweck demgegenüber zu wider. Wie das Bundessozialgericht (BSG) zu § 180 Abs. 4 Satz 3 Reichsversicherungsordnung (RVO) ausgeführt habe, würden die Folgen einer nachträglichen Korrektur schwerwiegen. Sie würden bedeuten, dass die erste Beitragsfestsetzung später auf Grund neuer Erkenntnisse wiederholt werden müsste; die ursprünglich festgesetzten und geforderten Beiträge erwiesen sich nur als vorläufige Zahlung. Unsicherheiten der Versicherten über die Beitragshöhe und der Krankenkassen über die Höhe der Einnahmen wären die Folge. Da fast kein Steuerbescheid mit dem Ergebnis des Vorjahres übereinstimmen würde, müssten im Übrigen nahezu alle Beitragsbescheide später geändert werden. Der Verwaltungsaufwand würde sich damit verdoppeln, was dem Willen des Gesetzgebers widerspräche. Dies komme auch in § 240 Abs. 4 Satz 6 SGB V zum Ausdruck, der insoweit einen allgemeinen Grundsatz darstelle. Daher sei es nicht zu beanstanden, dass die Beklagte die aus dem Arbeitseinkommen fälligen Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge ab dem 01.07.2013 auf der Grundlage des Einkommenssteuerbescheides für 2011 und ab dem 01.09.2013 auf der Grundlage des Einkommenssteuerbescheides für 2012 bemessen habe.

Der Gerichtsbescheid wurde dem Kläger am 31.07.2015 mittels Postzustellungsurkunde zugestellt.

Hiergegen richtet sich die am 21.08.2015 zum Landessozialgericht Baden-Württemberg (LSG) erhobene Berufung. Zur Begründung trägt der Kläger vor, dass er gegen den Bescheid vom 25.02.2013 mit Schreiben vom 20.03.2013 Widerspruch eingelegt habe. Diesen habe er am 21.03.2013 zur Post aufgegeben. Insoweit hat der Kläger den Einlieferungsbeleg und das Schreiben vom 20.03.2013 vorgelegt. In der Sache selbst gehe das SG auf das eigentliche Problem nicht ein. Dieses bestehe darin, dass das nach § 237 Satz 1 Nr. 3 SGB V der Beitragsbemessung zugrunde zu legende Arbeitseinkommen nach § 15 Abs. 1 SGB IV der nach den allgemeinen Gewinnermittlungsvorschriften des Einkommensteuerrechts ermittelte Gewinn aus einer selbstständigen Tätigkeit sei. Hiernach dürfe das Arbeitseinkommen nur bezogen auf die in der Vergangenheit liegenden Veranlagungszeiträume festgestellt werden. Zwar werde durch die Formulierung des § 237 Satz 1 Nr. 3 SGB V eine zeitversetzte Beitragsbemessung nicht ausgeschlossen, wohl aber durch § 15 Abs. 1 SGB IV. Ein mit der vorläufigen Festsetzung verbundener Mehraufwand stelle keinen ausreichenden Grund dar, um ein Gesetz gegen seien Wortlaut anzuwenden. Dies gelte umso mehr, als der Mehraufwand deutlich überschätzt werde. Soweit das SG im Übrigen auf die Entscheidung des BSG aus dem Jahr 1987 Bezug genommen habe, seien die damals maßgeblichen Regelungen nicht mehr gültig. Daher könne sich das SG auch nicht auf die frühere Rechtsprechung des BSG stützen. Schließlich könne auch § 240 Abs. 4 Satz 6 SGB V kein allgemeiner Grundsatz entnommen werden, vielmehr sei § 240 Abs. 4 Satz 6 SGB V als Ausnahmeregelung zu verstehen.

Am 14.10.2015 hat der Kläger den Beklagten die Einkünfte laut Einkommenssteuerbescheid 2014 (773 EUR) mitgeteilt.

Im Erörterungstermin vor dem Berichterstatter am 20.01.2016 haben die Beteiligten einen Teilvergleich hinsichtlich des Zeitraums vom 01.01.2013 bis 30.06.2013 geschlossen und den Rechtsstreit auf den Zeitraum vom 01.07.2013 bis 30.06.2014 beschränkt. Im Hinblick auf die zwischenzeitlich erlassenen Steuerbescheide für die Jahre 2013 und 2014 hat der Kläger darüber hinaus sein Klagebegehren umgestellt.

Der Kläger beantragt,

1. den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stuttgart vom 27.07.2015 aufzuheben und die Bescheide der Beklagten vom 16.07.2013 und 05.09.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 19.03.2014 in Gestalt der Bescheide vom 08.08.2014, 17.10.2014, 04.11.2014 und 18.11.2014 dahingehend abzuändern, dass hinsichtlich der Beitragsfestsetzung vom 01.07.2013 bis zum 31.12.2013 der Steuerbescheid für das Jahr 2013 und für den Zeitraum vom 01.01.2014 bis 30.06.2014 der Steuerbescheid für das Jahr 2014 zugrunde gelegt wird.

2. hilfsweise die Revision zuzulassen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Im Erörterungstermin vor dem Berichterstatter am 20.01.2016 haben die Beteiligten ihre Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung mitgeteilt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts sowie des Vorbringens der Beteiligten wird im Übrigen auf die Gerichtsakte erster und zweiter Instanz sowie die Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Im Einverständnis der Beteiligten entscheidet der Senat ohne mündliche Verhandlung (§§ 153 Abs. 1, 124 Abs. 2 SGG).

Die gemäß § 151 Abs. 1 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers ist zulässig, sie ist auch statthaft. Der Beschwerdewert des § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG (750,00 EUR) ist zwar vorliegend nicht überschritten. Streitig waren bei Berufungseinlegung jedoch Beiträge für einen Zeitraum von über einem Jahr (§ 144 Abs. 1 Satz 2 SGG). Nach § 202 Satz 1 SGG in Verbindung mit § 4 Abs. 1 Satz 1 Zivilprozessordnung (ZPO) ist maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Statthaftigkeit der Berufung die Einlegung der selben (Leitherer in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Auflage, § 144 Rn. 21 a). Die Beschränkung der Berufung hat damit auf die Zulässigkeit der Berufung keine Auswirkungen. Da der Kläger zum Zeitpunkt der Einlegung der Berufung Beiträge für den Zeitraum vom 01.01.2013 bis 30.06.2014 beanstandet hat, ist damit der Jahreszeitraum überschritten und die Berufung zulässig.

Streitgegenstand des Berufungsverfahrens ist nach der teilweisen Erledigungserklärung und der Antragstellung des Klägers nur noch die Frage der Beitragsfestsetzung der Beklagten hinsichtlich des Zeitraums vom 01.07.2013 bis 30.06.2014. Streitgegenstand ist damit vorliegend der Bescheid der Beklagten vom 16.07.2013 und 05.09.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19.03.2014. Da der Bescheid vom 08.08.2014 nach Klageerhebung erging und die streitgegenständlichen Bescheide vom 16.07.2013 und 05.09.2013 abgeändert hat, wurde dieser gemäß § 96 SGG Gegenstand des Klageverfahrens. Gleiches gilt für den Bescheid vom 17.10.2014 der den Bescheid vom 08.08.2014 ausdrücklich aufgehoben hat. Dem gegenüber handelt es sich bei dem Schreiben vom 04.11.2014 um eine wiederholende Verfügung und nicht um den Erlass eines Zweitbescheides. Der Senat hat insoweit berücksichtigt, dass der Kläger keinen neuen Bescheid beantragt hat und die Beklagte - wie sich aus dem zeitlichen Zusammenhang ergibt - dem Kläger nochmals wie in den Bescheiden vom 16.07.2013 und 05.09.2013 die dort festgesetzten Beträge mitteilen wollte. In dem Schreiben vom 04.11.2014 hat die Beklagte die gleiche Bemessungsgrundlage und die gleichen Beträge festgesetzt hat, wie in den Bescheiden vom 16.07.2013 und 05.09.2013. Insoweit lässt sich den Bescheiden nicht entnehmen, dass die Beklagte eine erneute Prüfung vorgenommen hat. Beim Kläger bestand offensichtlich im Hinblick auf den Erlass des Bescheides vom 08.08.2014 und dessen Aufhebung im Bescheid vom 17.10.2014 Unklarheit über die den Zeitraum von 01.07.2013 bis 30.06.2014 betreffenden Beiträge. Dies ergibt sich aus dem Schreiben des Klägers vom 23.10.2014. Um diese Unklarheiten zu beseitigen, hat die Beklagte dem Kläger nochmals die maßgeblichen Beträge mitgeteilt. Unschädlich ist hierbei, dass sie dies in der Form getan hat, in der sie grundsätzlich auch die Beitragsfestsetzungen erließ. Aus dem zeitlichen Zusammenhang war für den Kläger deutlich, dass hier lediglich die Festsetzungen aus den früheren Beiträgen wiederholt werden. Dies ergibt sich auch aus der Tatsache, dass die Beklagte nochmals getrennte Festsetzungen für den Zeitraum vom 01.07.2013 bis 31.08.2013 und sodann vom 01.09.2013 bis 30.06.2014 vorgenommen hat und insoweit die Bescheide vom 16.07.2013 und 05.09.2013 "gespiegelt" hat. Dass keine neue Prüfung erfolgte, zeigt sich im Übrigen auch darin, dass die Beklagte den zwischenzeitlich vorliegenden Einkommenssteuerbescheid vom 17.09.2014 nicht berücksichtigte. Auch das Schreiben vom 18.11.2014 stellt sich nicht als Verwaltungsakt dar. Mit diesem wurde dem Kläger lediglich nochmals im Hinblick auf bestehende Unklarheiten bestätigt, dass es bei der Aufhebung des Bescheides vom 08.08.2014 verbleibe.

Die so gefasste Berufung ist unbegründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Die angegriffenen Bescheid sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten.

Die Beklagte zu 1) war berechtigt, auch die Beiträge zur Pflegeversicherung festzusetzen. Denn nach § 46 Abs. 2 Satz 4 SGB XI können Krankenkassen und Pflegekassen für Mitglieder, - die - wie vorliegend der Kläger - ihre Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung selbst zu zahlen haben, die Höhe der Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung in einem gemeinsamen Beitragsbescheid festsetzen. Hierbei ist das Mitglied darauf hinzuweisen, dass der Bescheid über den Beitrag zur Pflegeversicherung im Namen der Pflegekasse ergeht (§ 46 Abs. 2 Atz 5 SGB XI). Die Bescheide der Beklagten zu 1) enthielten entsprechende Hinweise.

Die Bescheide sind auch materiell rechtmäßig.

Rechtsgrundlage für die Änderung der Beitragshöhe durch die streitbefangenen Bescheide ist § 48 Abs. 1 SGB X. Soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die beim Erlass eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt, ist der Verwaltungsakt mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben. Der Verwaltungsakt soll mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufgehoben werden, soweit

1. die Änderung zu Gunsten des Betroffenen erfolgt, 2. der Betroffene einer durch Rechtsvorschrift vorgeschriebenen Pflicht zur Mitteilung wesentlicher für ihn nachteiliger Änderungen der Verhältnisse vorsätzlich oder grob fahrlässig nicht nachgekommen ist, 3. nach Antragstellung oder Erlass des Verwaltungsaktes Einkommen oder Vermögen erzielt worden ist, das zum Wegfall oder zur Minderung des Anspruchs geführt haben würde, oder 4. der Betroffene wusste oder nicht wusste, weil die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat, dass der sich aus dem Verwaltungsakt ergebende Anspruch kraft Gesetzes zum Ruhen gekommen oder ganz oder teilweise weggefallen ist (§ 48 Abs. 1 Satz 1, 2 SGB X).

Zutreffend hat das SG darauf hingewiesen, dass ein Beitragsbescheid ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung ist, da er ein auf Dauer angelegtes und in seinem Bestand vom Verwaltungsakt abhängiges Rechtsverhältnis begründet bzw. verändert. Wesentlich ist dabei die Änderung, soweit der ursprüngliche Verwaltungsakt nach den nunmehr eingetretenen tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, so, wie er ergangen ist, nicht mehr erlassen werden dürfte. Die wesentliche Änderung, die zur Festsetzung höherer Beiträge führte, ist vorliegend die Änderung der Bemessungsgrundlage. Insoweit war die Beklagte auf der Grundlage der Datenlage bei Abschluss des Verwaltungsverfahrens (Fischer in: Schlegel/Voelzke, juris PK-SGB IV, 2. Auflage 2011, § 15 SGB IV, Rn. 55.1) berechtigt für den Zeitraum 01.07.2013 bis 31.08.2013 mit Bescheid vom 16.07.2013 den Steuerbescheid aus dem Jahr 2011 und mit Bescheid vom 05.09.2013 für den Zeitraum vom 01.09.2013 bis 30.06.2014 den Steuerbescheid aus dem Jahr 2012 hinsichtlich des Einkommens aus der selbstständigen Tätigkeit zugrunde zu legen. Fehler bei der Berücksichtigung des Versorgungsbezugs sind weder vorgetragen noch ersichtlich.

Gemäß § 237 SGB V wird bei versicherungspflichtigen Rentner der Beitragsbemessung zugrunde gelegt:

1. der Zahlbetrag der Rente der gesetzlichen Rentenversicherung, 2. der Zahlbetrag der der Rente vergleichbaren Einnahmen und 3. das Arbeitseinkommen.

Zutreffend hat die Beklagte im vorliegenden Fall im streitigen Zeitraum gemäß § 237 Satz 1 Nr. 2 in Verbindung mit § 229 SGB V die Versorgungsbezüge des Klägers in Höhe von 1.306,46 EUR berücksichtigt. Dies wird von Seiten des Klägers auch nicht beanstandet. Soweit die Beklagte für den Zeitraum vom 01.07.2013 bis 31.08.2013 ein monatliches Einkommen aus selbstständiger Tätigkeit in Höhe von 98,50 EUR und für den Zeitraum vom 01.09.2013 bis 30.06.2013 ein monatliches Einkommen in Höhe von 112,25 EUR angenommen hat, ist darüber hinaus - entgegen des Vorbringens des Klägers - auch dies nicht zu beanstanden.

Die Beklagte hat das Arbeitseinkommen, bei dem es sich nach der in § 15 Abs. 1 SGB IV enthaltenen Legaldefinition um die nach den allgemeinen Gewinnermittlungsvorschriften des Einkommenssteuerrechts ermittelten Gewinne aus selbstständiger Tätigkeit handelt, in nicht zu beanstandender Weise festgestellt. Zutreffend hat das SG diesbezüglich ausgeführt, dass mit der seit dem 01.01.1995 geltenden Fassung des § 15 Abs. 1 SGB IV eine für die Sozialversicherungsträger praktikable dynamische Anbindung der Einkünfte aus selbstständiger Tätigkeit an den von den Finanzbehörden festgestellten Gewinn aus solcher Tätigkeit für alle Zweige der Sozialversicherung und die Arbeitsförderung hergestellt werden sollte (Fischer in: Schlegel-Voelzke, jurisPK- SGB IV, 2. Auflage 2011, § 15 SGB IV, Rn. 28). Die Anknüpfung an den jüngsten vorliegenden Einkommenssteuerbescheid bis zum Vorliegen eines diesen ersetzenden Bescheids ist daher grundsätzlich nicht zu beanstanden (Knospe, in: Hauck/Noftz, SGB IV K § 15 Rn. 32; Fischer, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB IV, 2. Auflage 2011, § 15 SGB IV, Rn. 77).

Dies entspricht auch dem Willen des Gesetzgebers, der in materiell rechtlicher Hinsicht eine Anbindung des Beitragsrechts an das Steuerrecht geregelt hat, um auf diese Weise das Verfahren der Beitragserhebung zu vereinfachen und zu erleichtern sowie die Bearbeitungsdauer zu verkürzen (vgl. BT-Drs. 12/5700 Seite 92). Der Senat konnte insoweit dahingestellt lassen, ob sich etwas anderes ergibt, wenn das Einkommen des Versicherten stark schwankt oder er mit der Übersendung des Beitragsbescheids aktuelle Unterlagen vorlegt, die eine abweichende Beitragsfestsetzung rechtfertigen (vgl. LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 15.11.2006, - L 9 B 360/06 KR ER, in juris). Ein solcher Sachverhalt ist nämlich vorliegend nicht gegeben. Ausweislich der vorliegenden Steuerbescheide hat der Kläger im Jahr 2010 ein Einkommen aus selbstständiger Tätigkeit in Höhe von 621 EUR erzielt, im Jahr 2011 von 1.182,00 EUR und im Jahr 2012 von 1.347 EUR. Eine wesentliche Schwankung ist insoweit nicht ersichtlich. Gleichzeitig hat der Kläger auch nicht vorgetragen, dass sich sein Einkommen wesentlich ändern wird und insoweit konkrete Unterlagen oder Zahlen genannt.

Soweit der Kläger demgegenüber zunächst eine vorläufige Festsetzung für den Zeitraum begehrt hat und nach Erlass der Einkommensteuerbescheide eine endgültige Festsetzung begehrt, findet diese Vorgehensweise im Gesetz keine Stütze. Das Gesetz regelt im Recht der gesetzlichen Krankenversicherung die vorläufige Beitragsfestsetzung nicht. Beitragsbescheide müssen daher in der Regel die Beiträge endgültig festsetzen (BSG, Urteil vom 22.03.2006, - B 12 KR 14/05 R -, in juris m.w.N.). Die höchstrichterliche Rechtsprechung geht zutreffend davon aus, dass die Beiträge der Versicherten in der Regel endgültig festgesetzt werden, da der Nachweis geänderter Einnahmen nur zukunftsbezogen berücksichtigt werden darf. Die tatsächlich erzielten Einnahmen bei Selbstständigen sind in der Regel nur zeitversetzt zu berücksichtigen, auch wenn der Beitragsbemessung das Arbeitseinkommen im Sinne von § 15 SGB IV und damit der Gewinn aus der selbstständigen Tätigkeit nach den allgemeinen Gewinnermittlungsvorschriften des Einkommenssteuerrechts zu ermitteln ist, der nicht vor Schluss des Kalenderjahres feststeht. Die damit lediglich zeitversetzt erfolgte Berücksichtigung der tatsächlichen Einnahmen ist nicht zu beanstanden, auf einen längeren Zeitraum gesehen wird die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit zutreffend berücksichtigt, denn es erfolgt ein Ausgleich der wechselnden Einnahmen, in dem sowohl die nachgewiesene Erhöhung der Einnahmen als auch deren nachgewiesene Verringerung für die zukünftige Beitragsfestsetzung jeweils bis zum Nachweis einer Änderung berücksichtigt wird. Anderes gilt nur zu Beginn der selbstständigen Tätigkeit. Solange kein Einkommenssteuerbescheid vorliegt und keine Nachweise über die Einkünfte vorliegen, hat die Beklagte eine vorläufige Beitragsfestsetzung vorzunehmen. Ein solcher Fall liegt hier aber nicht vor. Der Kläger ist schon viele Jahre selbstständig tätig.

Demnach ist es nicht zu beanstanden, dass die Beklagten die aus dem Arbeitseinkommen fälligen Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge ab dem 01.07.2013 auf der Grundlage des Einkommenssteuerbescheides für 2011 und ab dem 01.09.2013 auf der Grundlage des Einkommenssteuerbescheides für 2012 bemessen hat, da der Steuerbescheid 2013 erst am 17.09.2014 und damit erst nach Abschluss des Verwaltungsverfahrens (Widerspruchsbescheid vom 19.03.2014) für den jeweiligen streitigen Zeitraum vorgelegt wurde.

Anhaltspunkte für eine fehlerhafte Berechnung der Beitragshöhe sind weder vorgetragen noch ersichtlich. Da der Kläger in den Beitragsbescheiden darauf hingewiesen wurde, dass eine Änderung der Bemessungsgrundlage zu einer Änderung der Beitragshöhe führt, steht auch § 48 Abs. 1 S. 2 SGB X mangels schutzwürdigem Vertrauen des Klägers einer Aufhebung nicht entgegen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 160 Abs. 2 SGG).
Rechtskraft
Aus
Saved