L 11 EG 4686/14

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Kindergeld-/Erziehungsgeldangelegenheiten
Abteilung
11
1. Instanz
SG Ulm (BWB)
Aktenzeichen
S 12 EG 3450/12
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 11 EG 4686/14
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 06.10.2014 abgeändert und die Klage insgesamt abgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind in beiden Rechtszügen nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten noch über die Gewährung von Bundeserziehungsgeld für den Zeitraum 01.08.2006 bis 27.01.2007.

Die 1976 geborene Klägerin und ihr 1977 geborener Ehemann sind irakische Staatsangehörige. Der Ehemann der Klägerin ist seit Juni 2002 in der Bundesrepublik Deutschland versicherungspflichtig beschäftigt. Die Klägerin hält sich nach eigenen Angaben seit August 2002 in der Bundesrepublik Deutschland auf. Sie stellte am 27.08.2002 einen Asylantrag und erhielt zunächst eine Aufenthaltsgestattung zur Durchführung des Asylverfahrens nach § 63 Asylverfahrensgesetz (AsylVfG). Für die Zeit vom 01.08.2006 bis 01.08.2007 wurde der Klägerin eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs 3 Aufenthaltsgesetz (AufenthG) erteilt mit der Nebenbestimmung: "Erwerbstätigkeit nur mit Zustimmung der Ausländerbehörde gestattet."

2005 wurde der Sohn der Klägerin S. H. A. (im Folgenden S) geboren. Am 14.02.2005 beantragte die Klägerin die Gewährung von Bundeserziehungsgeld. Mit Bescheid vom 05.04.2005 lehnte die Beklagte den Antrag auf Gewährung von Bundeserziehungsgeld für das erste Lebensjahr des Kindes ab. Die Klägerin sei nicht im Besitz eines der in § 1 Abs 6 Bundeserziehungsgeldgesetz (BErzGG) genannten Aufenthaltstitels.

Am 29.08.2006 beantragte die Klägerin Bundeserziehungsgeld für das zweite Lebensjahr von S unter Vorlage ihrer ab 01.08.2006 gültigen Aufenthaltserlaubnis. Mit Bescheid vom 15.09.2006 lehnte die Beklagte diesen Antrag ab, da keiner der in § 1 Abs 6 BErzGG genannten Aufenthaltstitel vorliege.

Mit ihrem Widerspruch vom 11.10.2006 machte die Klägerin geltend, die Versagung des Erziehungsgeldes für Ausländer im Besitz einer (bloßen) Aufenthaltsbefugnis verstoße gegen Art 3 Abs 1 Grundgesetz (GG). Sie nahm Bezug auf Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 17.03.2005 (1 BvR 272/96) und 06.07.2004 (1 BvR 2515/95).

Nach ausführlichem Schriftwechsel wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 11.05.2007 den Widerspruch zurück. Die Klägerin erfülle die Anspruchsvoraussetzungen weder nach der ab 01.01.2005 geltenden Fassung des § 1 Abs 6 BErzGG noch nach der Neufassung gemäß Gesetz vom 13.12.2006. Die Klägerin sei seit 01.08.2006 im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs 3 AufenthG. Um die Anspruchsvoraussetzungen zu erfüllen, müsse sie sich daher seit mindestens 3 Jahren rechtmäßig, gestattet oder geduldet im Bundesgebiet aufhalten und im Bundesgebiet berechtigt erwerbstätig sein, laufende Geldleistungen nach dem Dritten Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) beziehen oder Elternzeit in Anspruch nehmen. Zwar sei die 3-Jahres-Frist erfüllt, die Klägerin habe jedoch keine Erwerbstätigkeit ausgeübt und nehme auch keine Elternzeit in Anspruch; sie beziehe auch keine Geldleistungen nach dem SGB III. § 1 Abs 1 Nr 4 BErzGG, wonach anspruchsberechtigt sei, wer keine oder keine volle Erwerbstätigkeit ausübe, stehe entgegen dem Vortrag der Klägerin nicht im Widerspruch zu § 1 Abs 6 Nr 2c iVm Nr 3b BErzGG. Danach sei ein Ausländer mit einer in Nr 2c genannten Aufenthaltserlaubnis nur anspruchsberechtigt, wenn er im Bundesgebiet berechtigt erwerbstätig sei, laufende Geldleistungen nach dem SGB III beziehe oder Elternzeit in Anspruch nehme. Somit sei zum einen die Ausübung einer Erwerbstätigkeit nicht zwingend notwendig, da auch ein Anspruch auf Elternzeit genüge oder der Bezug von Leistungen nach SGB III. Zum anderen sei eine Erwerbstätigkeit auch im Einklang mit § 1 Abs 1 Nr 4b BErzGG möglich, da Erwerbstätigkeit bis zu 30 Wochenstunden erlaubt sei.

Hiergegen richtet sich die am 18.06.2007 zum Sozialgericht Ulm (SG) erhobene Klage. § 1 Abs 6 BErzGG sei verfassungswidrig, zudem verstoße die Bundesrepublik Deutschland mit dem Ausschluss aus dem Leistungsbezug gegen ihre Verpflichtung aus der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK). Im Übrigen habe sich das Aufenthaltsrecht der Klägerin verfestigt, da sie sich jedenfalls auf § 25 Abs 5 AufenthG iVm Art 8 EMRK berufen könne, solange sie mit ihrem Kind zusammen lebe. Im Übrigen ergebe sich die Möglichkeit der Verfestigung ihres Aufenthaltsrechts aus § 26 Abs 4 AufenthG. Spätestens Mitte August 2009 lägen die Voraussetzungen vor, da die Klägerin am 12.08.2002 ins Bundesgebiet eingereist sei. Das Bundesverfassungsgericht habe in seiner Entscheidung vom 06.07.2004 - 1 BvR 2515/95 - erklärt, dass der Gesetzgeber zwar im Einklang mit Art 3 Abs 1 GG handele, wenn er Ausländer vom Erziehungsgeldbezug ausschließe, die aus Rechtsgründen ohnehin einer Erwerbstätigkeit nicht nachgehen dürften. Das vom Gesetzgeber gewählte Unterscheidungskriterium sei jedoch nicht geeignet, dieses legitime Ziel zu erreichen, weil ein Ausschluss vom Arbeitsmarkt nicht aufgrund des Besitzes einer Aufenthaltsbefugnis eintrete. Nichts anderes könne für die jetzige Fassung des BErzGG gelten.

Mit Beschluss vom 24.06.2009 (S 3 EG 2340/07) hat das SG den Rechtsstreit vor dem Hintergrund anhängiger Verfahren beim BVerfG zur Verfassungsmäßigkeit von § 1 Abs 6 BErzGG zum Ruhen gebracht. Am 05.11.2012 hat die Beklagte das Verfahren wieder angerufen. Das BVerfG habe mit Beschluss vom 10.07.2012 (1 BvL 2/10, 1 BvL 3/10, BvL 4/10 und 1 BvL 3/11) § 1 Abs 6 Nr 3b BErzGG für das Erziehungsgeld und die vergleichbare Regelung zum Elterngeld wegen Verstoßes gegen Art 3 Abs 1 und Abs 3 Satz1 GG für nichtig erklärt. Dies bedeute, dass § 1 Abs 6 Nr 3b BErzGG nicht mehr für die Anspruchsberechtigung auf Erziehungsgeld für nicht freizügigkeitsberechtigte Ausländer geprüft werden könne. Allerdings seien damit für Ausländer mit bestimmten Aufenthaltstiteln nicht alle Voraussetzungen für den Bezug von Erziehungsgeld entfallen. Für die Zeit vom 28.01. bis 31.07.2006 sei die Klägerin im Besitz einer Aufenthaltsgestattung gewesen, ab dem 01.08.2006 habe sie eine Aufenthaltserlaubnis gemäß § 25 Abs 3 AufenthG (Erwerbstätigkeit nicht gestattet) besessen. Damit habe sie sich im Bezugszeitraum nicht im Besitz eines zum Bezug von Erziehungsgeld berechtigenden Aufenthaltstitels gemäß § 1 Abs 6 Nr 2 BErzGG befunden, so dass ihr auch nach der Entscheidung des BVerfG kein Bundeserziehungsgeld zustehe.

Mit Urteil vom 06.10.2014 (S 12 EG 3450/12) hat das SG den angefochtenen Bescheid aufgehoben, die Beklagte verurteilt, der Klägerin Bundeserziehungsgeld für S für die Zeit vom 01.08.2006 bis 27.01.2007 zu gewähren und im Übrigen die Klage abgewiesen. Nach § 1 Abs 6 BErzGG sei ein nicht freizügigkeitsberechtigter Ausländer nur anspruchsberechtigt, wenn er ua nach Nr 2c eine Aufenthaltserlaubnis besitze, die zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit berechtige oder berechtigt habe, es sei denn, die Aufenthaltserlaubnis sei ua nach § 25 Abs 3 AufenthG erteilt oder er nach Nr 3 eine in Nr 2 Buchst c genannte Aufenthaltserlaubnis besitze und (Buchst a) sich seit mindestens drei Jahren rechtmäßig, gestattet oder geduldet im Bundesgebiet aufhalte. Die Klägerin habe sich seit 27.08.2002 gestattet in Deutschland aufgehalten und sei seit 01.08.2006 im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs 3 AufenthG mit dem Zusatz "Erwerbstätigkeit nur mit Zustimmung der Ausländerbehörde gestattet". Es könne hier dahinstehen, ob gem § 1 Abs 6 Nr 3a BErzGG, der nach seinem Wortlaut lediglich den Besitz einer in Nr 2c genannten Aufenthaltserlaubnis und einen dreijährigen rechtmäßigen, gestatteten oder geduldeten Aufenthalt in Deutschland voraussetze, auch zusätzlich fordere, dass die in Nr 2c genannte Aufenthaltserlaubnis zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit berechtige. Denn die Klägerin verfüge ab 01.08.2006 über einen Aufenthaltstitel, der eine Erwerbstätigkeit nicht von vornherein ausschließe, sondern lediglich im konkreten Fall von der Zustimmung der Ausländerbehörde bzw der Bundesagentur für Arbeit abhängig mache. Der vom Gesetzgeber gewünschte Bezug zum Arbeitsmarkt sei damit auch mit der vorliegenden Einschränkung gegeben. Die Klägerin erfülle daher ab dem 01.08.2006 die Voraussetzungen für einen Anspruch auf Bundeserziehungsgeld. Für die Zeit davor seien die Voraussetzungen nicht erfüllt.

Gegen das ihr am 31.10.2014 zugestellte Urteil richtet sich die am 13.11.2014 eingelegte Berufung der Beklagten. Eine nicht freizügigkeitsberechtigte Ausländerin sei nur anspruchsberechtigt, wenn sie eine Aufenthaltserlaubnis besitze, die "zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit berechtige oder berechtigt habe" (§ 1 Abs 6 Nr 2 BErzGG). Laut der vorliegenden Aufenthaltserlaubnis sei die Erwerbstätigkeit nur mit Zustimmung der Ausländerbehörde erlaubt. Damit werde eine Erwerbstätigkeit sogar explizit untersagt. Die Auffassung des SG gehe damit bereits nach dem Wortlaut des § 1 Abs 6 Nr 2 BErzGG fehl. Das BVerfG habe in der Entscheidung vom 06.07.2004 (1 BvR 2515/95) zum Erziehungsgeld ausdrücklich festgestellt, dass die Berechtigung zum Bezug von Bundeserziehungsgeld grundsätzlich vom Besitz eines Aufenthaltstitels abhängig gemacht werden könne, insbesondere auch vor dem Hintergrund, dass der Gesetzgeber für das Erziehungsgeld nach dem eindeutigen Gesetzeswortlaut ("besitzt") nicht an eine Prognose, sondern an das tatsächliche Vorliegen der ausländerbehördlichen Entscheidung angeknüpft habe. Das Bundessozialgericht (BSG) habe die Voraussetzung des tatsächlichen Besitzes eines Aufenthaltstitels als Anspruchsvoraussetzung für das Erziehungsgeld/Elterngeld bestätigt. Im Urteil vom 30.09.2010 (B 10 EG 6/09 R) habe das BSG explizit auch die hier in Frage stehende Formulierung behandelt: "Kommt es demnach auf die dem Aufenthaltstitel beigefügte Nebenbestimmung an, so reicht der bei der Klägerin im streitigen Zeitraum vorliegende Zusatz "Erwerbstätigkeit nur mit Zustimmung der Ausländerbehörde gestattet" nicht aus. Denn es wird darin ausdrücklich eine gesonderte Zustimmungsentscheidung vorbehalten, an der verwaltungsintern gegebenenfalls auch die BA mitzuwirken hat (vgl § 4 Abs 2 Satz 3, § 39 AufenthG). Die Klägerin bedurfte mithin zur Ausübung einer Beschäftigung einer ausdrücklichen Beschäftigungserlaubnis ..." Die Beklagte habe das SG zuletzt in der mündlichen Verhandlung auf diese Rechtsprechung hingewiesen. Warum das SG diese Rechtsprechung vollständig ignoriert habe, ergebe sich für die Beklagte weder aus der mündlichen Urteilsverkündung noch aus den schriftlichen Urteilsgründen.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 06.10.2014 abzuändern und die Klage insgesamt abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge und die Verwaltungsakten der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung der Beklagten hat Erfolg.

Die form- und fristgerecht (§ 151 Abs 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG)) eingelegte Berufung ist statthaft (§§ 143, 144 Abs 1 Satz 1 Nr 1 SGG) und damit zulässig und in der Sache auch begründet. Das SG hat die Beklagte zu Unrecht verurteilt, der Klägerin Bundeserziehungsgeld für die Zeit vom 01.08.2006 bis 27.01.2007 zu gewähren, denn die Klägerin hat hierauf keinen Anspruch.

Streitgegenstand ist nur die Gewährung von Bundeserziehungsgeld für den Zeitraum 01.08.2006 bis 27.01.2007. Hinsichtlich des Zeitraums 28.01. bis 31.07.2006 ist das klageabweisende Urteil des SG nicht angefochten worden.

Nach § 1 BErzGG in der ab 01.01.2006 geltenden Fassung (Art 3 Gesetz zur Anspruchsberechtigung von Ausländern wegen Kindergeld, Erziehungsgeld und Unterhaltsvorschuss vom 13.12.2006, BGBl I 2915) hat gem Abs 1 Anspruch auf Erziehungsgeld, wer (1.) einen Wohnsitz oder seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland hat, (2.) mit einem Kind, für das ihm die Personensorge zusteht, in einem Haushalt lebt, (3.) dieses Kind selbst betreut und erzieht und (4.) keine oder keine volle Erwerbstätigkeit ausübt. Diese Grundvoraussetzungen des § 1 Abs 1 BErzGG hat die Klägerin unstreitig erfüllt. Sie hat ihren Wohnsitz in Deutschland, lebt mit S, für den ihr die Personensorge zusteht, in einem Haushalt, betreut und erzieht ihn selbst und übt keine Erwerbstätigkeit aus.

Nach § 1 Abs 6 BErzGG ist ein nicht freizügigkeitsberechtigter Ausländer nur anspruchsberechtigt, wenn er 1. eine Niederlassungserlaubnis besitzt, 2. eine Aufenthaltserlaubnis besitzt, die zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit berechtigt oder berechtigt hat, es sei denn, die Aufenthaltserlaubnis wurde a) nach § 16 oder § 17 des Aufenthaltsgesetzes erteilt, b) nach § 18 Abs 2 des Aufenthaltsgesetzes erteilt und die Zustimmung der Bundesagentur für Arbeit darf nach der Beschäftigungsverordnung nur für einen bestimmten Höchstzeitraum erteilt werden, c) nach § 23 Abs 1 des Aufenthaltsgesetzes wegen eines Krieges in seinem Heimatland oder nach den §§ 23a, 24, 25 Abs 3 bis 5 des Aufenthaltsgesetzes erteilt oder 3. eine in Nr 2 Buchst c genannte Aufenthaltserlaubnis besitzt und a) sich seit mindestens 3 Jahren rechtmäßig, gestattet oder geduldet im Bundesgebiet aufhält und b) im Bundesgebiet berechtigt erwerbstätig ist, laufende Geldleistungen nach dem Dritten Buch Sozialgesetzbuch bezieht oder Elternzeit in Anspruch nimmt.

Dabei hat das Bundesverfassungsgericht mit Beschluss vom 10.07.2012 (1 BvL 2/10, 1 BvL 3/10, 1 BvL 4/10, 1 BvL 3/11, BVerfGE 132, 72) festgestellt, dass der Ausschluss ausländischer Staatsangehöriger vom Bundeserziehungsgeld, denen der Aufenthalt aus völkerrechtlichen, humanitären oder politischen Gründen erlaubt ist und die keines der in § 1 Abs 6 Nr 3 Buchst b BErzGG genannten Merkmale der Arbeitsmarktintegration erfüllen, gegen Art 3 Abs 1 und Art 3 Abs 3 Satz 1 GG verstößt. § 1 Abs 6 Nr 3 Buchst b BErzGG ist daher nichtig (BGBl I 2012, 1898).

Die Klägerin ist als irakische Staatsangehörige nicht freizügigkeitsberechtigt. Sie erfüllt die Voraussetzungen des § 1 Abs 6 BErzGG nicht und ist damit vom Bezug von Bundeserziehungsgeld ausgeschlossen.

Ausgangspunkt des § 1 Abs 6 BErzGG ist es, dass der nicht freizügigkeitsberechtigte Ausländer nur dann einen Anspruch hat, wenn er eine Niederlassungserlaubnis besitzt (§ 9 AufenthG) oder Inhaber einer Aufenthaltserlaubnis ist, die zur Erwerbstätigkeit berechtigt oder berechtigt hat. Diesen Grundsatz, dass jeder (ehemals) zur Arbeit berechtigte Ausländer mit einer Aufenthaltserlaubnis Anspruch auf Bundeserziehungsgeld haben soll, hat der Gesetzgeber für konkret benannte Fallkonstellationen (vgl § 1 Abs 6 Nr 2 Buchst a - c, letztere iVm Nr 3 BErzGG) wieder eingeschränkt. Durch § 1 Abs 6 Nr 2 Buchst a und b BErzGG gänzlich ausgeschlossen sind Ausländer mit Aufenthaltstiteln zum Studium bzw zur Ausbildung (§§ 16, 17 AufenthG) sowie Ausländer, die eine Arbeitsberechtigung aufgrund der Gegebenheiten des deutschen Arbeitsmarktes von vornherein nur vorübergehend erhalten haben (§ 18 Abs 2 AufenthG).

Die Klägerin war nicht im Besitz einer Niederlassungserlaubnis gem § 1 Abs 6 Nr 1 BErzGG, auch die Voraussetzungen nach § 1 Abs 6 Nr 2 BErzGG sind ersichtlich nicht erfüllt, da eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs 3 AufenthG vorlag.

Darüber hinaus erfüllt die Klägerin aber auch nicht die Voraussetzungen des § 1 Abs 6 Nr 3 BErzGG. Zwar ist nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 10.07.2012 nicht mehr erforderlich, dass die Klägerin gem § 1 Abs 6 Nr 3b BErzGG berechtigt erwerbstätig war, Geldleistungen nach dem SGB III bezogen hat oder in Elternzeit war, jedoch fehlt bei ihr weiterhin die Voraussetzungen einer zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit berechtigenden Aufenthaltserlaubnis. Zwar ließe sich mit dem Wortlaut des § 1 Abs 6 BErzGG auch eine Auslegung vereinbaren, die in der Nr 3 eine eigenständige Tatbestandsvariante sieht. Dann wäre hier nicht vorab der Grundtatbestand des § 1 Abs 6 Nr 2 Halbsatz 1 BErzGG zu prüfen, vielmehr könnte unmittelbar bei der Nr 3 angesetzt werden. Bei einer solchen Vorgehensweise würde jedoch die Struktur des § 1 Abs 6 BErzGG vernachlässigt. Denn die Nr 3 bezieht sich erkennbar nur auf den von Nr 2 Buchst c erfassten Personenkreis, bei dem die Voraussetzungen des § 1 Abs 6 Nr 2 Halbsatz 1 BErzGG vorliegen müssen (so ausdrücklich BSG 30.09.2010, B 10 EG 6/09 R, juris; vgl hierzu auch Öndül, juris-PR-SozR 22/12 Anm 2 zu BVerfG, Beschluss vom 10.07.2012, 1 BvL 2/10).

Indem § 1 Abs 6 Nr 2 Halbsatz 1 BErzGG verlangt, dass der nicht freizügigkeitsberechtigte Ausländer eine Aufenthaltserlaubnis besitzt, die zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit berechtigt oder berechtigt hat, bringt er deutlich zum Ausdruck, dass die betreffende Aufenthaltserlaubnis selbst zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit berechtigen oder berechtigt haben muss. Da nach § 4 Abs 2 Satz 2 AufenthG jeder Aufenthaltstitel erkennen lassen muss, ob die Ausübung einer Erwerbstätigkeit erlaubt ist, ergibt sich die Erwerbsberechtigung entweder nach dem Gesetz oder aus einer diesem ausdrücklich beigefügten Nebenbestimmung. Berechtigt der Aufenthaltstitel für sich genommen nicht bereits zu einer Erwerbstätigkeit, so muss der Ausländer mithin zu Beginn des Leistungszeitraums im Besitz einer entsprechenden Nebenbestimmung sein.

Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG setzt der Besitz eines zum Bezug von Bundeserziehungsgeld berechtigenden ausländerrechtlichen Aufenthaltstitels einen für die Bezugszeit geltenden Verwaltungsakt der Ausländerbehörde voraus. Das Aufenthaltsrecht muss also durch die Ausländerbehörde bereits zu Beginn des Leistungszeitraumes förmlich festgestellt sein. Nicht ausreichend ist hingegen ein materiell-rechtlicher Anspruch auf einen entsprechenden Aufenthaltstitel. Es ist nämlich nicht Aufgabe der für die Bewilligung von Bundeserziehungsgeld zuständigen Behörden, darüber zu entscheiden, ob einem Ausländer ein zum Bezug des Bundeserziehungsgeld berechtigender Titel zusteht. Insoweit kommt der Entscheidung der Ausländerbehörde Tatbestandswirkung zu. Für den Anspruch auf Bundeserziehungsgeld entfaltet die Erteilung eines solchen Titels selbst dann keine rückwirkende Kraft, wenn der Beginn der Geltungsdauer des Titels auf einen Zeitpunkt vor seiner tatsächlichen Erteilung zurückreicht (BSG 24.03.1992, 14b/4 REg 23/91, BSGE 70, 197 = SozR 3-7833 § 1 Nr 7; BSG 09.02.1994, 14/14b REg 9/93, SozR 3-7833 § 1 Nr 12; BSG 28.02.1996, 14 REg 8/95, SozR 3-7833 § 1 Nr 18; BSG 02.10.1997, 14 REg 1/97, SozR 3-1200 § 14 Nr 24; BSG 30.09.2010, B 10 EG 6/09 R, juris). Was für den Aufenthaltstitel selbst gilt, muss im Hinblick auf § 4 Abs 2 Satz 2 AufenthG auch für die Berechtigung zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit maßgebend sein (BSG 30.09.2010, B 10 EG 6/09 R, juris). Es kommt daher nicht darauf an, ob der Klägerin eine Erwerbstätigkeit erlaubt werden könnte, sondern ob sie im streitigen Zeitraum tatsächlich erlaubt war (BSG 30.09.2010, aaO, unter Hinweis auf BT-Drs 16/1368 S 10 und S 14).

Die der Klägerin erteilte Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs 3 AufenthG berechtigte sie für sich genommen ihrer Art nach nicht zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit (vgl Verwaltungsgericht Osnabrück 05.11.2009, 5 A 154/09, juris mit zustimmender Anmerkung von Hamann, juris-PR-ArbR 5/2010 Anm 3). Der bei der Klägerin vorliegende Zusatz "Erwerbstätigkeit nur mit Zustimmung der Ausländerbehörde gestattet" reicht nicht aus, denn darin wird ausdrücklich eine gesonderte Zustimmungsentscheidung vorbehalten, an der verwaltungsintern gegebenenfalls auch die Bundesagentur für Arbeit mitzuwirken hat (so ausdrücklich BSG 30.09.2010, B 10 EG 6/09 R, juris). Eine Erwerbstätigkeit war der Klägerin im streitigen Zeitraum nach alledem gerade nicht erlaubt.

Der Ausschluss von Leistungen nach dem BErzGG für nicht freizügigkeitsberechtigte Ausländer, denen die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit nicht erlaubt ist, ist nach Überzeugung des Senats auch nicht verfassungswidrig. Das BVerfG hat es in seiner Entscheidung vom 06.07.2004 (1 BvR 2515/95, BVerfGE 111, 176, 185 = SozR 4-7833 § 1 Nr 4) als sachgerecht angesehen, diejenigen Ausländer vom Bundeserziehungsgeld-Bezug auszuschließen, die aus Rechtsgründen ohnehin einer Erwerbstätigkeit nicht nachgehen dürften. Die Gewährung einer Sozialleistung, die Eltern einen Anreiz zum Verzicht auf eine Erwerbstätigkeit geben will, verfehlt ihr Ziel, wenn eine solche Erwerbstätigkeit demjenigen Elternteil, der zur Betreuung des Kindes bereit ist, rechtlich nicht erlaubt ist. Der Gesetzgeber kann daher die Anspruchsberechtigung nicht freizügigkeitsberechtigter Ausländer an den Besitz einer Aufenthaltserlaubnis knüpfen, die zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit berechtigt oder berechtigt hat (BSG 30.09.2010, B 10 EG 9/09 R, BSGE 107, 1 = SozR 4-7837 § 1 Nr 2; BSG 28.11.2012, B 10 EG 14/12 B, juris; Senatsurteil vom 18.03.2014, L 11 EG 2191/12). Auch im Rahmen der Entscheidung vom 10.07.2012 (aaO) hat das BSG bestätigt, dass die Beschränkung des Leistungsbezugs auf Personen, die überhaupt rechtmäßig erwerbstätig sein können, gerechtfertigt ist.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs 2 Nrn 1 und 2 SGG) liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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