L 3 U 84/13

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Frankfurt (Oder) (BRB)
Aktenzeichen
S 10 U 64/08
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 3 U 84/13
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung wird zurückgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Klägerin begehrt von der Beklagten im Wege des Überprüfungsverfahrens die Anerkennung einer Berufskrankheit nach Nr. 2106 (BK 2106) der Anlage 1 der Berufskrankheitenverordnung (BKV) – Druckschädigung der Nerven.

Die 1952 geborene Klägerin wandte sich mit Schreiben vom 01. Juli 2002 an die Beklagte und begehrte die Anerkennung eines bei ihr bestehenden beidseitigen Karpaltunnelsyndrom (KTS) als BK. Nach schriftlicher Befragung der Klägerin einschließlich der Einholung von Beschäftigungsübersichten und Beiziehung von Beschäftigungs- und medizinischen Unterlagen lehnte die Beklagte die Anerkennung des bei der Klägerin bestehenden KTS als BK i.S.d. Anlage 1 zur BKV und i.S.v. § 9 Abs. 2 des Siebten Buchs des Sozialgesetzbuchs (SGB VII) mit Bescheid vom 14. März 2005 ab. Den hiergegen gerichteten Widerspruch der Klägerin vom 05. April 2005 wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 23. September 2005 als unbegründet zurück. Der anschließend vor dem Sozialgericht Frankfurt (Oder) (SG) unter dem gerichtlichen Aktenzeichen S geführte Rechtsstreit wurde von den Beteiligten am 11. Juli 2006 übereinstimmend für erledigt erklärt, nachdem sich die Beklagte zur Durchführung eines neuen Verwaltungsverfahrens zur Anerkennung einer BK verpflichtet hatte.

Die Beklagte ließ im Zuge weiterer medizinischer Ermittlungen u.a. ein handchirurgisches Gutachten zur Zusammenhangsfrage vom Handchirurgen Dr. W vom 12. Februar 2007 erstellen, welches u.a. einen Zustand nach operativ behandeltem KTS ergab; Dr. W führte das KTS nicht auf berufliche Belastungen zurück. Die Beklagte lehnte mit Bescheid vom 05. November 2007 die Anerkennung einer BK 2106 ab und verneinte das Bestehen von Leistungsansprüchen. Es könne bereits das für die BK 2106 erforderliche Krankheitsbild nicht festgestellt werden. Ein KTS falle nicht darunter. Den hiergegen gerichteten Widerspruch der Klägerin vom 20. November 2007 wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 24. April 2008 als unbegründet zurück.

Die Klägerin hat ihr Begehren mit der am 21. Mai 2008 zum SG erhobenen Klage weiterverfolgt und die Anerkennung der bei ihr bestehenden krankhaften Veränderungen an den Händen (ausgeprägte Kraftlosigkeit beider Hände, Kraftminderung beider Daumen, Behinderung der primären Greifformen durch Kraftlosigkeit, ausgedehntes Taubheitsgefühl auf der Greifseite der Finger beider Hände) infolge der Nervenschädigungen im Bereich der Karpaltunnel begehrt. Sie hat auf ihre Arbeitsbelastungen verwiesen und die Erkrankung auf die langjährige Tätigkeit an Großrechnern in der ehemaligen DDR zurückgeführt. Das SG hat u.a. einen Befundbericht des die Klägerin behandelnden Orthopäden M vom 07. November 2011 und das schriftliche Sachverständigengutachten des Neurologen und Psychiaters Dr. T vom 08. September 2012 beigezogen, welches bei der Klägerin das Vorliegen eines beidseitigen KTS bestätigt und dies auf die angeschuldigte berufliche Tätigkeit zurückgeführt hat. Das SG hat mit Urteil vom 25. April 2013 die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, dass das bei der Klägerin bestehende KTS vom Tatbestand der BK 2106 nicht erfasst sei. Dementsprechend habe die Klägerin auch keinen Anspruch auf Verletztenrente.

Die Klägerin hat gegen das ihr am 10. Mai 2013 zugestellte Urteil am 05. Juni 2013 Berufung eingelegt und der Sache nach ausgeführt, dass das bei ihr bestehende KTS unter den Tatbestand der BK 2106 zu fassen sei.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt (Oder) vom 25. April 2013 sowie den Bescheid der Beklagten vom 05. November 2007 in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 24. April 2008 aufzuheben und festzustellen, dass das bei ihr bestehende beidseitige Karpaltunnelsyndrom eine Berufskrankheit nach Nr. 2106 der Anlage 1 zur Berufskrankheitenverordnung ist.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.

Die Beigeladene stellt keinen Antrag.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten und Verwaltungsakten der Beklagten und der Beigeladenen verwiesen und inhaltlich Bezug genommen, welche Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.

Entscheidungsgründe:

Zulässiger Gegenstand des vorliegenden Klage- und Berufungsverfahrens ist von Anfang an lediglich die Feststellung der BK 2106. Eine eben so verstandene Feststellungsklage ist gemäß § 55 Abs. 1 Hs. 1 Nr. 3 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) statthaft (vgl. Bundessozialgericht (BSG), Urteil vom 28. April 2004 – B 2 U 21/03 R -, zitiert nach juris Rn. 24); ihr eigen ist das erforderliche Feststellungsinteresse gemäß § 55 Abs. 1 Hs. 2 SGG. Nach der Systematik des Siebten Buchs des Sozialgesetzbuchs (SGB VII) sind in den Vorschriften, welche die Voraussetzungen der verschiedenen sozialen Rechte auf Leistungen der gesetzlichen Unfallversicherung regeln (z.B. §§ 27 ff. SGB VII (Heilbehandlung) und §§ 45 ff. SGB VII (Verletztengeld)), nur die spezifischen Voraussetzungen der jeweiligen einzelnen Arten von Leistungsrechten ausgestaltet. Demgegenüber sind die allgemeinen Rechtsvoraussetzungen, die für alle Leistungsrechte des SGB VII gleichermaßen gelten, nämlich die Regelungen über den Versicherungsfall und die ihm zuzurechnenden Folgen (§§ 7 bis 13 i.V.m. §§ 2 bis 6 SGB VII), vorab und einheitlich ausgestaltet. Ermächtigung und Anspruch betreffen daher auch die Entscheidung über jene Elemente des Anspruchs, die Grundlagen für jede aktuelle oder spätere Anspruchsentstehung gegen denselben Unfallversicherungsträger aufgrund eines bestimmten Versicherungsfalls sind. Zu den abstrakt feststellbaren Anspruchselementen gehören neben dem Versicherungsfall die (sog. unmittelbaren) Unfallfolgen im engeren Sinn, also die Gesundheitsschäden, die wesentlich (und deshalb zurechenbar) spezifisch durch den Gesundheitserstschaden des Versicherungsfalls verursacht wurden. Der Feststellung, ob und welche Gesundheitsstörungen Folgen eines Versicherungsfalls sind, kommt eine über den einzelnen Leistungsanspruch hinausgehende rechtliche Bedeutung für den Träger und den Versicherten zu. Denn trotz unterschiedlicher Tatbestandsvoraussetzungen im Übrigen setzen, wie bereits ausgeführt, alle Leistungsansprüche nach den §§ 26 ff. SGB VII als gemeinsame Tatbestandsmerkmale einen Versicherungsfall (i.S.d. §§ 7 bis 13 SGB VII) und durch ihn verursachte Gesundheitsschäden - bis hin zum Tod des Verletzten - voraus und begründen dafür die Verbandszuständigkeit nur eines bestimmten Trägers der Unfallversicherung (Bundessozialgericht (BSG), Urteil vom 05. Juli 2011 – B 2 U 17/10 R –, zitiert nach juris Rn. 12, 17, 19 ff.).

Davon abgesehen traf die Beklagte mit den verfahrensgegenständlichen Bescheiden keine anfechtbare – verwaltungsaktsmäßige – Regelung i.S.v. § 31 S. 1 des Zehnten Buchs des Sozialgesetzbuchs (SGB X) über die Gewährung konkreter Entschädigungsleistungen wie einer Verletztenrente. Dementsprechend wäre eine auf die Gewährung von Verletztenrente gerichtete Klage unzulässig, weil nicht in einem Verwaltungsverfahren darüber vor Klageerhebung befunden wurde (vgl. etwa BSG, Urteil vom 30. Oktober 2007 – B 2 U 4/06 R -, zitiert nach juris Rn. 10 f.). Dem verfahrensgegenständlichen Ablehnungsbescheid geht insbesondere eine Regelung ab, mit welcher die Gewährung einer Verletztenrente als konkreter Entschädigungsleistung abgelehnt werden sollte. Im Verfügungssatz zu 2 ist zunächst lediglich pauschal – und damit als rechtlich unbeachtliche Leerformel – von einem Nichtbestehen von Ansprüchen auf Leistungen die Rede. Mit der Hervorhebung solcher Maßnahmen und Leistungen, die geeignet sind, dem Entstehen einer BK entgegenzuwirken, wird ein Anspruch auf Verletztenrente ohnehin nicht rechtsbehelfsfähig abgelehnt.

Hiervon ausgehend ist die Berufung zulässig, aber unbegründet. Das SG hat zu Recht entschieden, dass bei der Klägerin keine BK 2106 vorliegt. Die angefochtenen Bescheide sind insofern rechtmäßig und beschweren die Klägerin nicht. Sie hat gegen die Beklagte und die Beigeladene keinen Anspruch auf Anerkennung der BK 2106.

Als Versicherungsfall gilt nach § 7 Abs. 1 SGB VII auch eine BK. BKen sind die Krankheiten, welche die Bundesregierung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates bezeichnet und die ein Versicherter bei einer versicherten Tätigkeit erleidet, § 9 Abs. 1 S. 1 SGB VII. Die versicherten Tätigkeiten ergeben sich aus §§ 2, 4 und 6 SGB VII, wozu nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII vor allem die Beschäftigung gehört. Die Bundesregierung ist ermächtigt, in der Rechtsverordnung solche Krankheiten als BKen zu bezeichnen, die nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft durch besondere Einwirkungen verursacht sind, denen bestimmte Personengruppen durch ihre versicherte Tätigkeit in erheblich höherem Grade als die übrige Bevölkerung ausgesetzt sind; sie kann BKen auf bestimmte Gefährdungsbereiche beschränken oder mit dem Zwang zur Unterlassung aller gefährdenden Tätigkeiten versehen. Die BK 2106 ist die Druckschädigung der Nerven. Gemäß diesen Vorgaben lassen sich etwa bei der BK 2106 folgende Tatbestandsmerkmale ableiten: Die Verrichtung einer - grundsätzlich - versicherten Tätigkeit (sachlicher Zusammenhang) muss zu Einwirkungen von Belastungen oder Ähnlichem auf den Körper geführt haben (Einwirkungskausalität), und die Einwirkungen müssen eine Krankheit verursacht haben (haftungsbegründende Kausalität). Die vorgenannten Merkmale der versicherten Tätigkeit, Verrichtung, Einwirkungen und Krankheit müssen im Sinne des Vollbeweises, also mit an Gewissheit grenzender Wahrscheinlichkeit vorliegen. Für die nach der Theorie der wesentlichen Bedingung zu beurteilenden Ursachenzusammenhänge genügt die hinreichende Wahrscheinlichkeit, nicht allerdings die bloße Möglichkeit (etwa BSG, Urteil vom 27. Juni 2006 - B 2 U 20/04 R –, zitiert nach juris Rn. 15). Ein Zusammenhang ist hinreichend wahrscheinlich, wenn nach herrschender ärztlich-wissenschaftlicher Lehrmeinung mehr für als gegen ihn spricht und ernste Zweifel an einer anderen Ursache ausscheiden (vgl. BSG a.a.O., auch Rn. 18 und 20).

Hiervon ausgehend ist der Senat nicht im nach § 128 Abs. 1 S. 1 SGG gebotenen Maße überzeugt, dass bei der Klägerin eine BK 2106 vorliegt. Es liegt schon kein einschlägiges Erkrankungsbild i.S.d. BK 2106 vor. Das bei der Klägerin letztlich unstreitig bestehende und gutachterlich gesicherte KTS fällt nicht darunter.

Eine arbeitsbedingte Druckschädigung i.S.d. BK 2106 setzt eine sich wiederholende mechanische und durch Druck schädigende Einwirkung voraus. Betroffen sind meist oberflächlich verlaufende Nerven, welche einer von außen kommenden anhaltenden Einwirkung gut zugänglich sind. So tritt eine Druckschädigung gegebenenfalls ein, wenn ein Nerv diesen wiederholten mechanischen Einwirkungen aufgrund einer anatomischen Enge nicht genügend ausweichen kann, zum Beispiel über einer knöchernen Unterlage oder innerhalb eines knöchernen oder fibrösen Kanals wie beim Sulcus-ulnaris-Syndrom. Gefährdend sind zwar für das gesamte Spektrum der für eine BK 2106 in Frage kommenden Erkrankungen vor allem Tätigkeiten mit körperlichen Zwangshaltungen, Haltungskonstanz, einseitigen Belastungen oder Arbeiten mit hohen Wiederholungsraten, insbesondere ständig sich wiederholende, gleichartige Körperbewegungen im Sinne mechanischer Überbelastungen, überwiegend haltungskonstante Arbeiten mit nicht oder nur schwer korrigierbaren Zwangshaltungen, zum Beispiel Daueraufstützen des Handgelenks oder der Ellenbogen, Andrücken eines Werkzeugs oder bestimmte Gelenkstellungen, die längere Zeit beibehalten werden müssen (vgl. Schönberger/ Mehrtens/ Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 8. Aufl. 2010, S. 232). Es bestehen Hinweise auf vermehrt betroffene Berufsgruppen wie zum Beispiel Berufsmusiker, Schleifer, Metzger, Lebensmittelhändler etc. Zusätzlich gibt es zahlreiche Hinweise auf bestimmte schädigende berufliche Expositionsfaktoren wie zum Beispiel großer Kraftaufwand bei Greifbewegungen, repetitive Bewegungen im Handgelenk, gebeugtes oder überstrecktes Handgelenk, wobei diese Expositionsfaktoren auch bei einer Vielzahl anderer Tätigkeiten zu finden sind (vgl. Mehrtens/ Brandenburg, BKV – Kommentar, M 2106 S. 1 f.). Jedoch werden im arbeitsmedizinischen Schrifttum als typische morphologische Schädigungsmöglichkeiten lediglich von außen wirkender Druck, zum Beispiel bei aufgestütztem Ellenbogen, und Friktionstrauma durch repetitive Flexion und Extension im Ellenbogengelenk, zum Beispiel bei Pianisten, Bläsern und Saiteninstrumentalisten genannt (vgl. Merkblatt zur BK 2106: Druckschädigung der Nerven, Bek. des BMA v. 01. Oktober 2002, BArbBl. 11/2002, S. 62, abgedruckt etwa bei Mehrtens/ Brandenburg, a.a.O.).

Hiervon ausgehend handelt es sich beim KTS nicht um eine "Druckschädigung der Nerven" im Sinne der Nr. 2106 der Anlage zur BKV. Bis zum 30. September 2002 lautete die Bezeichnung dieser BK "Drucklähmung der Nerven". Durch Artikel 1 der Verordnung vom 05. September 2002 (BGBl. I S. 3541) wurde die BK 2106 mit Wirkung ab 01. Oktober 2002 neu bezeichnet. Nach der wissenschaftlichen Begründung für die Neufassung dieser BK (Bekanntmachung des Bundesministeriums für Arbeit (BMA) vom 01. August 2001, BArbBl. 9/2001, S. 59) wird durch arbeitsmedizinische Erkenntnisse und epidemiologische Untersuchungsdaten belegt, dass Druckschädigungen der Nerven durch eine Vielzahl arbeitsbedingter Einflussfaktoren verursacht oder wesentlich mitverursacht werden können. In der genannten Begründung wird ausdrücklich darauf hingewiesen, dass das KTS nicht Gegenstand der BK 2106 ist. Dieser Hinweis ist bei der Frage, welche Krankheiten unter den Begriff der "Druckschädigung der Nerven" im Sinne der BK 2106 zu subsumieren sind, zu berücksichtigen, denn insoweit handelt es sich um eine authentische Normauslegung durch den Normgeber selbst. Es wird dadurch deutlich, dass die für die Druckschädigungen der Nerven vorliegenden Erkenntnisse für das KTS gerade nicht zutreffen (so LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 08. Oktober 2004 – L 1 U 2104/03 –, zitiert nach juris Rn. 15).

Allein schon vor diesem Hintergrund vermag der hier erkennende Senat der in die entgegen gesetzte Richtung weisenden Rechtsprechung des LSG Sachsen-Anhalt nicht zu folgen. Derzufolge soll es unerheblich sein, dass das KTS nach dem Merkblatt nicht Gegenstand der BK 2106 sein solle, weil abgesehen davon, dass weder dem Merkblatt noch der wissenschaftlichen Begründung zur Einführung der BK 2106 eine Erläuterung für das Ausklammern einer solchen Gesundheitsstörung zu entnehmen sei, ein Merkblatt schon kein Bestandteil der BKV sei und daher auch nicht wie ein Verordnungstext ausgelegt werden könne (so LSG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 08. Oktober 2009 – L 6 U 1/05 –, zitiert nach juris Rn. 41). Soweit sich das LSG Sachsen-Anhalt hierfür auf die Rechtsprechung des BSG bezieht, verfängt dies hier nicht. Das BSG hat in der vom LSG Sachsen-Anhalt in Bezug genommenen Rechtsprechung anhand der BK 2108 (bandscheibenbedingte Erkrankungen der Lendenwirbelsäule durch langjähriges Heben oder Tragen schwerer Lasten oder durch langjährige Tätigkeit in extremer Rumpfbeugehaltung, die zur Unterlassung aller Tätigkeiten gezwungen haben, die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Krankheit ursächlich waren oder sein können) ausgeführt, dass bei der notwendigen Konkretisierung unbestimmter Begriffe der einzelnen BK-Tatbestände es nicht genügt, auf diejenigen medizinischen Erkenntnisse zurückzugreifen, die den Verordnungsgeber zur Aufnahme der Krankheit in die Liste der BKen bewogen haben, sondern unter Zuhilfenahme medizinischer Sachkunde zu prüfen, welche Einwirkungen nach den neuesten gesicherten medizinischen Erkenntnissen geeignet sind, die in den BK-Tatbeständen genannten Erkrankungen herbeizuführen und daher einen der unbestimmten Begriffe näher ausfüllen. Bei der Ermittlung solcher Erkenntnisse, regelmäßig medizinischer Erfahrungssätze, handelt es sich um eine Tatsachenfeststellung, die das Tatsachengericht gemäß § 128 Abs. 1 Satz 1 SGG nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung zu treffen hat und die der Revision daher nur beschränkt zugänglich ist (vgl. BSG, Urteil vom 02. Mai 2001 – B 2 U 16/00 R –, zitiert nach juris Rn. 23). Dementsprechend dürfen Erfahrungssätze in der Tat nicht durch eine Auslegung des Wortlauts von Merkblättern gewonnen werden. Die vom Ärztlichen Sachverständigenbeirat - Sektion Berufskrankheiten - beim BMA erarbeiteten Merkblätter wenden sich in erster Linie an den Arzt; sie sollen ihm rechtlich unverbindliche Hinweise für die Beurteilung im Einzelfall aus arbeitsmedizinischer Sicht bieten. Als antizipierte Sachverständigengutachten oder als Dokumentation des Standes der einschlägigen Erkenntnisse der medizinischen Wissenschaft können sie nicht verwendet werden, zumal sie häufig nicht auf aktuellem Stand sind; sie stellen lediglich eine wichtige, nicht aber unbedingt ausreichende Informationsquelle für die Praxis dar. Allgemeine medizinische Erfahrungssätze können den Merkblättern allenfalls dann ohne Hinzunahme ärztlicher Sachkunde entnommen werden, wenn sie erkennbar auf aktuellem Stand sind und der betreffende Erfahrungssatz darin auch klar in einer Weise formuliert ist, die auch ohne medizinischen Sachverstand Inhalt und Bedeutung erkennen lässt (BSG, a.a.O., Rn. 27). Diese Rechtsprechung steht indes nach Auffassung des hier erkennenden Senats gerade nicht der Heranziehung des etwa in einem Merkblatt zum Ausdruck kommenden Willens des Normgebers im Rahmen der Gesetzesauslegung entgegen (vgl. zur historischen Auslegung unter Berücksichtigung der Regelungsabsicht des Gesetzgebers als Teil des Gesetzesauslegung etwa Larenz/ Canaris, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 3. Auflage 2007, S. 149). Dementsprechend ist sehr wohl bei der Auslegung des Verordnungstatbestands zur BK 2106 zu berücksichtigen, dass das BMA als Teil der verordnungsermächtigten Bundesregierung eben dort das KTS als BK 2106 ausdrücklich ausschloss (vgl. nochmals Merkblatt zur BK 2106: Druckschädigung der Nerven, Bek. des BMA v. 01. Oktober 2002, BArbBl. 11/2002, S. 62, I. Vorkommen und Gefahrenquellen a.E.). Dass das KTS nach der klaren Intention des Normgebers nicht bereits unter den Tatbestand der BK 2106 zu fassen sein sollte, ergibt sich auch aus der Aufnahme der neuen BK 2113 (Druckschädigung des Nervus medianus im Carpaltunnel (Carpaltunnel-Syndrom) durch repetitive manuelle Tätigkeiten mit Beugung und Streckung der Handgelenke, durch erhöhten Kraftaufwand der Hände oder durch Hand-Arm-Schwingungen) zum 01. Januar 2015 aufgrund der Dritten Verordnung zur Änderung der BKV (BGBl. 2014 Teil I Nr. 62 vom 29. Dezember 2014, S. 2397). Allein schon der Umstand der Neuschaffung eines das KTS erfassenden BK-Tatbestands spricht dagegen, dass bereits die BK 2106 das KTS erfassen sollte. Dies wird durch die in den Materialien zum Ausdruck kommenden Willen des Verordnungsgebers bestätigt (vgl. Bundesratsdrucksache (BR-Drucks) 534/14). Der Verordnungsgeber bezeichnete die Neuschaffung u.a. der BK 2113 als alternativlos. Würden die neuen Krankheiten nicht durch die BKV aufgenommen, bestünde Rechtsunsicherheit über ihre Anerkennungsfähigkeit (BR-Drucks 534/14, S. 4). Nach der ständigen Rechts- und Verwaltungspraxis seien die BKen, die durch die Dritte Änderungsverordnung in die BK-Liste aufgenommen würden, bereits als "Wie-BK" nach § 9 Abs. 2 SGB VII grundsätzlich anerkannt (BR-Drucks 534/14, S. 12), also gerade nicht als Listen-BK wie die BK 2106. Im Übrigen machte sich der Verordnungsgeber (auch hier) die Empfehlungen des Sachverständigenbeirats zu eigen, indem er hinsichtlich der weiteren Einzelheiten auf die wissenschaftlichen Empfehlungen des Ärztlichen Sachverständigenbeirats Berufskrankheiten beim BMA, veröffentlicht im Gemeinsamen Ministerialblatt Ausgabe Nr. 27 vom 30. Juni 2009, S. 573 ff. verweist.

Weil es – wie gezeigt – bereits an einem für die BK 2106 einschlägigen Krankheitsbild fehlt, kommt es im vorliegenden Verfahren nicht mehr auf die Klärung der Frage an, ob das bei der Klägerin bestehende KTS auf berufliche Einwirkungen zurückzuführen ist. Es ist indes nicht ausgeschlossen, dass das KTS als nach dem Recht der DDR bestehende BK bzw. eine BK i.S.v. § 9 Abs. 2 SGB VII und Nr. 2113 der Anlage 1 zur BKV anzuerkennen ist. Dies werden Beklagte und Beigeladene im Rahmen des hierzu nach wie vor laufenden Feststellungsverfahrens zu klären haben. Hierfür mag um einer Beschleunigung des Verfahrens willen auf die von Dr. T in seinem vom SG eingeholten schriftlichen Sachverständigengutachten vom 08. September 2012 angestellten Erwägungen zur Zusammenhangsfrage zurückgegriffen werden.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und folgt dem Ausgang des Verfahrens in der Sache selbst.

Die Revision ist nicht zuzulassen, weil kein Zulassungsgrund vorliegt. Es liegt insbesondere keine grundsätzliche Bedeutung i.S.v. § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG vor; die Rechtsunsicherheit betreffend die Einordnung des KTS als BK ist mit der Neuschaffung der BK 2113 beseitigt. Es fehlt auch an einer Divergenz i.S.v. § 160 Abs. 2 Nr. 2 SGG, wonach Abweichungen von Entscheidungen des BSG, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts für eine Zulassung erforderlich sind. Die Abweichung lediglich von dem o.g. Urteil des LSG Sachsen-Anhalt erfüllt die dortigen Zulassungsvoraussetzungen mithin nicht.
Rechtskraft
Aus
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