L 13 R 1212/14

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
13
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 4 R 6264/12
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 13 R 1212/14
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stuttgart vom 19. Februar 2014 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Dem Kläger werden Kosten des Gerichts in Höhe von 225 EUR auferlegt.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung

Der am 1966 in der T. geborene Kläger zog am 5. Oktober 1979 in die Bundesrepublik Deutschland. Er war zuletzt bis 1997 als Druckereihelfer versicherungspflichtig beschäftigt. Ein erster Rentenantrag des Klägers vom 2. September 1998 wurde von der Beklagten bestandskräftig abgelehnt. Mit Bescheid vom 9. Juni 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 2. April 2009 lehnte die Beklagte einen weiteren Rentenantrag des Klägers vom 2. April 2008 ab. Das Sozialgericht Ulm wies die dagegen gerichtete Klage mit Gerichtsbescheid vom 30. Dezember 2009 ab (S 17 R 3024/09). Im anschließenden Berufungsverfahren (L 5 R 621/10) wurde der Facharzt für Innere Medizin, Betriebsmedizin und Sozialmedizin Dr. S. als gerichtlicher Sachverständiger bestellt. In seinem Gutachten vom 26. November 2010 führte Dr. S. aus, als Gesundheitsstörungen lägen berichtetes Asthma und eine Allergie der Nasenschleimhäute und Nasennebenhöhlenentzündung, kein Anhalt für eine leistungsmindernde Herzkranzgefäßerkrankung, Übergewicht (WHO Grad II), Diabetes mellitus und eine Fettstoffwechselstörung sowie eine Dysthmia mit psychogen akzentuierten Körperbeschwerden und Lumbago vor. Der Kläger könne unter Beachtung der genannten Funktionseinschränkungen an fünf Tagen in der Woche sechs Stunden und mehr arbeiten. Der Kläger nahm daraufhin die Berufung zurück.

Am 20. März 2012 beantragte der Kläger erneut die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung. Die Beklagte veranlasste eine sozialmedizinische Begutachtung durch die Fachärztin für Allgemeinmedizin Dr. K ... Diese nannte in ihrem Gutachten vom 8. Mai 2012 als Diagnosen eine Somatisierungsstörung ohne relevanten funktionellen Beeinträchtigungen, eine Zuckerstoffwechselstörung, inzwischen insulinpflichtig, HbA1c 7,5 % und eine dokumentierte chronifizierte Depression, aktuell nicht höhergradig depressiv. Es bestehe eine vollschichtige Leistungsfähigkeit für mittelschwere körperliche Arbeiten in wechselnder Arbeitshaltung auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt. Dabei sollten besondere Stressbelastungen (extremer Zeitdruck, Nachtschicht u.ä.) sowie saisonale Freiarbeiten nicht abverlangt werden. Mit Bescheid vom 15. Mai 2012 lehnte die Beklagte den Antrag ab, da der Kläger die medizinischen Voraussetzungen für eine Rente wegen Erwerbsminderung nicht erfülle. Der Neurologe und Psychiater U. gab im Rahmen des Widerspruchs gegen den Bescheid vom 15. Mai 2012 mit Schreiben vom 15. Juni 2012 eine Stellungnahme ab und teilte mit, der Kläger befinde sich seit 1985 in seiner Mitbehandlung. Der Kläger erscheine ihm höhergradig depressiv als von der Beklagten berücksichtigt. Diesbezüglich spielten möglicherweise die Belastung durch den Diabetes mellitus und die Blutzuckerschwankungen eine Rolle und zusätzlich der Tod des Vaters vor zwei Jahren, der für den Kläger immer ein Bezugspunkt gewesen sei. Aufgrund der Chronifizierung und der neu hinzu gekommenen Belastungen sei der Kläger weniger als sechs Stunden pro Tag arbeitsfähig. Der Kläger übersandte ferner den Bescheid des Landkreises E. vom 1. März 2012, mit welchem ihm ein Grad der Behinderung von 60 seit dem 5. Dezember 2011 zuerkannt wurde. Die Beklagte veranlasste daraufhin eine sozialmedizinische Begutachtung durch die Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie Dr. E.-D. Diese nannte in ihrem Gutachten vom 30. August 2012 als Diagnosen eine Somatisierungsstörung hauptsächlich mit Angabe von somatoformen Schmerzen, eine Dysthmie und eine Zuckerstoffwechselstörung, inzwischen insulinpflichtig. Die Stimmung des Klägers sei leicht gedrückt, jedoch nicht mittelschwer oder schwer depressiv. Affektive Schwingungsfähigkeit, Antrieb und Psychomotorik seien unauffällig. Die Lebensführung des Klägers sei nicht beeinträchtigt. Aus neurologisch-psychiatrischer Sicht sei der Kläger als Arbeiter sowie für mittelschwere Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt sechs Stunden und mehr leistungsfähig. Mit Widerspruchsbescheid vom 31. Oktober 2012 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Unter Berücksichtigung aller Gesundheitsstörungen und den sich daraus ergebenden funktionellen Einschränkungen bei der Ausübung von Erwerbstätigkeiten seien keine Auswirkungen ersichtlich, die das Leistungsvermögen des Klägers für Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt zeitlich einschränkten. Ihm seien daher noch mittelschwere Tätigkeiten überwiegend im Stehen, Gehen und Sitzen in Tagesschicht und Früh-/Spätschicht ohne besonderen Zeitdruck sechs Stunden und mehr täglich zumutbar.

Dagegen hat der Kläger am 16. November 2012 Klage beim Sozialgericht Stuttgart erhoben und auf die Stellungnahmen der Dres. U. vom 15. Juni 2012, Dr. S. vom 19. Juni 2012 sowie Dr. B. vom 20. Juni 2012 verwiesen. Alle drei Ärzte gingen übereinstimmend davon aus, dass bei ihm kein vollschichtiges Leistungsvermögen mehr bestehe. Das SG hat sachverständige Zeugenauskünfte der behandelnden Ärzte des Klägers, des HNO-Arztes Dr. B. des Neurologen und Psychiaters U. und des Allgemeinarztes Dr. S. eingeholt. Dr. B. hat in seinem Bericht vom 13. Juni 2013 ausgeführt, als Diagnosen lägen eine chronische Sinusitis ethmoidalis, eine Milbenallergie, eine depressive Symptomatik, ein Tubenkatarrh, Asthma, Laryngitis; Pharyngitis; Rhinitis; akute Pansinusitis; eine Kopfschmerzsymptomatik; Otitis externa, Gehörgangsekzem, eine Depression und Somatisation vor. Aufgrund der hno-ärztlichen Diagnosen und Befunde müsste der Kläger in der Lage sein, sechs Stunden täglich als Druckereimitarbeiter tätig zu sein. Der Neurologe und Psychiater U. hat in seinem Bericht vom 25. Juni 2013 auf die beiliegenden Berichte verwiesen und mitgeteilt, seines Erachtens sei eine schwere körperliche Arbeit für den Kläger ungünstig, da er ohnehin zu wechselnden körperlichen Beschwerden neige. Medizinisch sinnvoll sei eine leichtere Arbeit. In welchem Umfang dies für den Kläger möglich wäre, habe er nicht untersucht. Der Facharzt für Allgemeinmedizin Dr. S. hat in seinem Bericht vom 8. Juli 2013 mitgeteilt, der Kläger sei ihm seit 2000 bekannt und zuletzt habe er ihn im Juni 2013 behandelt. In beiden Gutachten (gemeint wohl Gutachten der Dr. K. und der Dr. E. D.) sei nur ein Teilaspekt berücksichtigt worden. Er stimme daher im Wesentlichen nicht mit diesen Gutachten überein, auch nicht hinsichtlich der Beurteilung des Leistungsvermögens. Dazu hat er auf seine Stellungnahme aus dem Jahr 2009 verwiesen. Die Defizite auf hno-ärztlichem Gebiet seien völlig übergangen worden. Es bestehe eine ausgeprägte Atopie mit IgE-Spiegeln von über 1000, in deren Folge chronische Schleimhautschwellungen der NNH (MRT) mit Kopfschmerzen, Konzentrationsstörungen, Gesichtsneuralgien und Asthmaanfällen letztlich zu einem chronischen sinusbronchialen Syndrom geführt hätten; des Weiteren bestehe eine Innenohrschwerhörigkeit bds. sowie eine Belastungsangina bei 125 Watt mit Indikation zur Koronarangio. Dem Kläger sei infolge seiner komplexen Beschwerdesymptomatik zwischenzeitlich ein GdB von 60 zuerkannt worden, was ja letztlich auch die dauerhafte Fähigkeits- bzw. Funktionseinschränkung beweise. Die Gesundheitsstörungen wirkten sich sehr negativ auf das Leistungsbild aus, auch bei sogenannten leichten Tätigkeiten. Die Leistungsfähigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt betrage drei Stunden und weniger. Es handele sich um ein komplexes Beschwerdebild, wobei die Allergie und die HNO-Beschwerden im Vordergrund stünden, zu bedenken seien aber auch der chronische Medikamentengebrauch (Analgetika bei Wirbelsäulenschmerzen, Magentabletten zum Schutz vor Nebenwirkungen der Schmerzmittel, Antidepressiva mit Sedierungseffekt, Herzspray bei Bedarf und letztlich die ganze Palette der anti-allergischen Mittel - einschließlich hochdosiertem Kortison bei allergischen Exazerbationen). Es sei allenfalls eine erwartete Zunahme der elektrisierenden Missempfindungen der Beine zu verzeichnen, wohl Ausdruck einer Polyneuropathie und/oder eines Restless-legs-Syndroms.

Das SG hat die Klage mit Gerichtsbescheid vom 19. Februar 2014 abgewiesen und sich zur Begründung im Wesentlichen auf die Gutachten der Dr. E.-D. vom 29. August 2012 und der Dr. K. vom 8. Mai 2012 gestützt. Gegen den ihm am 24. Februar 2014 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 12. März 2014 Berufung eingelegt und zur Begründung ausgeführt, das SG habe seine verschiedensten Leiden auf neurologischem, psychiatrischem und orthopädischem Gebiet nicht ausreichend berücksichtigt, insbesondere auch die Stellungnahme des Hausarztes Dr. S. nicht ausreichend gewürdigt. Dr. S. habe ihn über Jahre medizinisch betreut und könne daher seine Leistungsfähigkeit zuverlässiger einschätzen als die Gutachterin Dr. K. Ferner habe das SG die Stellungnahmen des Dr. U. vom 15. Juni 2012, des Herrn Bergbreiter vom 20. Juni 2012 und des Dr. S. vom 19. Juni 2012 nicht ausreichend berücksichtigt. Alle Ärzte kämen zu dem Ergebnis, dass er weniger als sechs Stunden pro Tag arbeitsfähig sei. Aktuell sei er nicht mehr in der Lage, mehr als zwei Stunden täglich zu arbeiten. Dies habe das neueste Attest des Neurologen und Psychiaters U. ergeben. Der Kläger hat die Atteste des Dr. S. vom 5. Mai 2014 und vom 8. Februar 2015 sowie des Dr. U. vom 29. Januar 2015 vorgelegt.

Der Kläger beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stuttgart vom 19. Februar 2014 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 15. Mai 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 31. Oktober 2012 zu verurteilen, ihm eine Rente wegen voller, hilfsweise teilweiser Erwerbsminderung ab dem 1. März 2012 zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verweist auf ihren Vortrag im erstinstanzlichen Verfahren und den angefochtenen Gerichtsbescheid sowie die sozialmedizinischen Stellungnahmen des Obermedizinalrats F. vom 12. Juni 2014, 6. August 2014 und 3. Juli 2015.

Der Senat hat bei Dr. S. die ihm vorliegenden Befunde seit Januar 2012 beigezogen und von Amts wegen den Internisten Dr. S. zum gerichtlichen Sachverständigen bestellt. In seinem Gutachten vom 29. November 2014 hat Dr. S. als Diagnosen eine koronare Ein-Gefäßerkrankung, Diabetes mellitus Typ II, insulinpflichtig, Hypercholesterinämie und ein Krampfaderleiden am linken Unterschenkel angegeben. Der Kläger könne keine schweren körperlichen Arbeiten verrichten, keine mittelschweren körperlichen Arbeiten drei Stunden und länger arbeitstäglich und es sei kein häufiges Heben oder Tragen von Lasten über 10 kg möglich. Möglich seien leichte körperliche Tätigkeiten, in Belastungsspitzen auch mittelschwere körperliche Tätigkeiten im Gehen, Stehen oder Sitzen, in geschlossenen Räumen, bei Anwendung entsprechender Kleidung auch im Freien im Rahmen einer Fünf-Tage-Woche mindestens acht Stunden pro Arbeitstag.

Der Senat hat ferner die sachverständige Zeugenauskunft des Neurologen und Psychiaters U. vom 26. Mai 2015 eingeholt. Dieser hat ausgeführt, der Kläger sei mit seinem depressiven Syndrom ein resignierter und gebrochener Mann. Seit Jahren nehme er Amitriptylin 75 mg retard abends ein zur Stabilisierung von Nachtschlaf, Stimmung und Antrieb. Dennoch lebe er auf niedrigem Niveau und habe dementsprechend keine Valenzen frei für eine Arbeitstätigkeit. Aus ärztlich-menschlicher Sicht bestehe Arbeitsfähigkeit unter zweistündig.

Auf Antrag des Klägers gemäß § 109 SGG hat der Senat Dr. B. mit der Erstellung des neurologisch-psychiatrischen Fachgutachtens vom 3. Dezember 2015 beauftragt. Dieser hat folgende Diagnosen auf nervenheilkundlichem Gebiet genannt: 1. rezidivierende depressive Störung, derzeit allenfalls leichtgradig, 2. Ausschluss einer Polyneuropathie, 3. degenerative Veränderungen der HWS und der LWS, 4. chronisches Schmerzsyndrom, 5. deutliche Hinweise auf Aggravations- bzw. Simulationsverhalten sowie als Diagnosen auf nicht nervenheilkundlichem Fachgebiet: insulinpflichtiger Diabetes mellitus; arterielle Hypertonie und Hyperlipidämie. Es bestünden derzeit nur geringe depressive Symptome und deutliche Aggravationstendenzen im Rahmen des jetzigen Rentenverfahrens. Dies ergebe sich zum einen aus der mehrstündigen Verhaltensbeobachtung, der Diskrepanz der beklagten Beschwerden und der objektivierbaren psychiatrischen und neurologischen Befunde, so dass nach Ansicht von Dr. B. ein deutliches Rentenbegehren im Vordergrund stehe. Dies decke sich mit den Befunden der neurologischen Klinik E. im Rahmen einer zweimaligen stationären Abklärung, welche bis auf den grenzwertigen Vitamin-B12-Spiegel kein behandlungsbedürftiges Krankheitsbild gefunden habe. Übereinstimmend mit Dr. S. hielt Dr. B. eine vollschichtige Leistungsfähigkeit für leichte körperliche Tätigkeiten, in Belastungsspitzen auch mittelschwere körperliche Tätigkeiten, im Gehen, Stehen oder Sitzen, in geschlossenen Räumen, bei entsprechender Kleidung auch im Freien, sechs Stunden und mehr an fünf Tagen in der Woche für gegeben. Schwere körperliche Tätigkeiten als Druckereihelfer seien seines Erachtens nicht mehr möglich.

Wegen des weiteren Vorbringens und der Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Verwaltungsakten der Beklagten sowie die Prozessakten beider Instanzen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die gemäß den §§ 143, 144, 151 SGG zulässige Berufung des Klägers ist nicht begründet.

Der Kläger hat keinen Anspruch auf Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung. Das SG hat in den Entscheidungsgründen des angefochtenen Gerichtsbescheids zutreffend die rechtlichen Grundlagen für die vom Kläger beanspruchte Rente wegen voller bzw. teilweiser Erwerbsminderung - §§ 43, 240 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) - dargelegt und - gestützt auf die schlüssigen Gutachten der Dr. K. und der Dr. E.-D. - zutreffend ausgeführt, dass der Kläger keinen Anspruch auf Rente wegen voller oder teilweiser Erwerbsminderung hat, weil er in der Lage ist, ihm zumutbare Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes bei Beachtung rentenrechtlich nicht relevanter qualitativer Einschränkungen wenigstens sechs Stunden arbeitstäglich zu verrichten. Der Senat schließt sich dem nach eigener Überprüfung und unter Berücksichtigung des gesamten Vorbringens des Klägers uneingeschränkt an und weist die Berufung aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung gem. § 153 Abs. 2 SGG zurück.

Auch aus dem Vorbringen des Klägers im Berufungsverfahren folgt nichts Anderes. Der Senat stützt sich bei dieser Einschätzung auf das internistische Gutachten des Dr. S. und das neurologisch-psychiatrische Fachgutachten des Dr. B ... Dr. S. hat – gestützt auf die von ihm erhobenen Untersuchungsergebnisse – überzeugend dargelegt, dass der Kläger aus internistischer Sicht noch in der Lage ist, leichte körperliche Tätigkeiten mit bestimmten qualitativen Einschränkungen auszuüben. Zu den erhobenen Laborwerten hat Dr. S. mitgeteilt, der Glukosewert im Serum sei tagesaktuell leicht überhöht. Bei bekanntem Diabetes mellitus liege der Wert für HbA1c bei 7,7%, entsprechend einer ausreichenden Einstellung des Blutzuckerleidens. Im Urin finde sich eine mäßige Glukoseausscheidung, jedoch keine Eiweißausscheidung, so dass bei normalen harnpflichtigen Substanzen kein Hinweis auf eine diabetische Nephropathie bestehe. Es ergebe sich außerdem kein Hinweis auf eine Pumpfunktionsstörung der linken Herzkammer bei Normalwert für BNP. Bei bekannter Atopie sei der Wert für IgE unverändert deutlich überhöht. Die weiteren Laborwerte, die außerhalb des Normbereichs gelegen hätten, hätten keine sozialmedizinische Relevanz. Im Ruhe-EKG haben sich keine relevanten Auffälligkeiten gezeigt und auch der Blutdruck hat sich unter Ruhebedingungen im Normbereich bewegt. In der Belastungselektrokardiographie mit dem Fahrradergometer ist der Kläger zwar nur vier Sekunden mit 75 Watt belastbar gewesen, jedoch hat er bei der im Auftrag von Dr. S. von Dr. B. am selben Tag durchgeführten Ergospirometrie eine Belastung bis 126 Watt erreichen können, wobei die kardiorespiratorischen Parameter alle im Normbereich verliefen, das Blutdruckverhalten unauffällig war und die anaerobe Schwelle nicht überschritten wurde. Dr. S. hat zu dem von Dr. B. erhobenen Befund ausführlich Stellung genommen und überzeugend ausgeführt, dass der Kläger aufgrund dieses Befunds - und auch aufgrund der weiteren von ihm erhobenen Befunde - nicht daran gehindert ist, unter Beachtung der von ihm aufgeführten qualitativen Einschränkungen zumindest leichte körperliche Arbeiten vollschichtig zu verrichten. Der Senat schließt sich dieser aufgrund der Untersuchungsbefunde durchweg nachvollziehbaren und in sich schlüssigen Leistungsbeurteilung des Dr. S. in vollem Umfang an. Auch aus dem neurologisch-psychiatrischen Gutachten des Dr. B. ergibt sich keine zeitliche Leistungseinschränkung. Dr. B. hat sich ausführlich mit der aktenkundigen Krankengeschichte des Klägers sowie den von ihm geschilderten Beschwerden beschäftigt und umfangreiche Untersuchungsbefunde erhoben. Im Rahmen des psychischen Befunds hat Dr. B. mitgeteilt, der Kläger wirke affektiv weitgehend ausgeglichen und ausreichend schwingungsfähig. Er habe keine inhaltlichen Denkstörungen, wie z.B. Wahn, Halluzinationen oder Ich-Störungen. In der Exploration habe er formal in hohem Maße auf seine Schmerzen und körperlichen Beschwerden fixiert gewirkt, sei auf der anderen Seite jedoch in der Lage gewesen, im Rahmen der mehrstündigen Exploration und Untersuchung ruhig auf dem Stuhl sitzen zu bleiben. Vom intellektuellen Standpunkt her mache der Kläger einen normal strukturierten Eindruck mit deutlich eingeschränkter Introspektionsfähigkeit. Insgesamt sei eine "Belle-Indifference" festzustellen, wobei sich im Rahmen der testpsychologischen Untersuchung und der körperlich neurologischen Untersuchung ausgeprägte Verdeutlichungstendenzen gezeigt hätten. Dr. B. hat darauf hingewiesen, dass von der Neurologie des Klinikums E. eine Polyneuropathie und Spinalkanalstenose bzw. eine entzündliche Erkrankung per Lumbalpunktion gerade ausgeschlossen worden sei und sich diese Einschätzung auch in der jetzigen nervenärztlichen Begutachtung wiederfinde. Es lägen allenfalls dem Lebensalter entsprechende degenerative Veränderungen vor, so dass die beklagten Schmerzen schwer objektiv nachzuvollziehen seien. Dr. B. hat darüber hinaus mitgeteilt, die vom behandelnden Nervenarzt angegebene schwere Depressivität eines "gebrochenen Mannes" stehe in deutlichem Kontrast zu dem fast leutseligen, wenig depressiven und affektiv schwingungsfähigen Verhalten im Rahmen der jetzigen Exploration, so dass eine mittel- bis schwergradige depressive Störung auszuschließen sei und die "schmerzbedingten" Beschwerden auf nervenärztlichem Fachgebiet als Aggravation im Sinne des Rentenbegehrens einzuordnen seien. Dr. B. hat dementsprechend für den Senat durchweg nachvollziehbar und konform mit der Einschätzung des Dr. S. eine vollschichtige Leistungsfähigkeit des Klägers für leichte körperliche Tätigkeiten, in Belastungsspitzen auch mittelschwere körperliche Tätigkeiten im Gehen, Stehen oder im Sitzen, in geschlossenen Räumen und bei entsprechender Kleidung auch im Freien, angenommen.

Der Kläger ist demnach bei Beachtung der angegebenen qualitativen Einschränkungen noch in der Lage, mindestens sechs Stunden täglich auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt erwerbstätig zu sein und hat keinen Anspruch auf Rente wegen voller bzw. teilweiser Erwerbsminderung gemäß § 43 SGB VI.

Die Gewährung einer Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit kommt schon deshalb nicht in Betracht, weil der Kläger nicht vor dem 2. Januar 1961 geboren ist (§ 240 Abs. 1 Nr. 1 SGB VI).

Da das SG somit zu Recht die Klage abgewiesen hat, weist der Senat die Berufung zurück.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 192, 193 SGG.

Der Senat hat im Rahmen seines Ermessens von der Möglichkeit Gebrauch gemacht, gemäß § 192 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGG Verschuldenskosten aufzuerlegen. Nach dieser Vorschrift kann das Gericht einem Beteiligten ganz oder teilweise die Kosten auferlegen, die dadurch verursacht werden, dass er den Rechtsstreit fortführt, obwohl ihm die Missbräuchlichkeit der Rechtsverfolgung dargelegt worden und er auf die Möglichkeit der Kostenauferlegung bei Fortführung des Rechtsstreites hingewiesen worden ist. Eine entsprechende Belehrung ist bereits im Erörterungstermin am 12. Februar 2016 und erneut in der mündlichen Verhandlung vom 22. März 2016 erfolgt, wobei der Kläger jeweils rechtskundig vertreten war. Die Rechtsverfolgung ist im vorliegenden Fall missbräuchlich. Ein Missbrauch ist dann anzunehmen, wenn die Rechtsverfolgung offensichtlich unzulässig oder (wie hier) unbegründet ist und sie von jedem Einsichtigen als völlig aussichtslos angesehen werden muss. Diese Auslegung entspricht der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) zur Missbrauchsgebühr in § 34 Abs. 2 Bundesverfassungsgerichtsgesetz (vgl. BVerfG, NJW 1996 S. 1273, 1274). Die Rechtsprechung des BVerfG ist auch zur Auslegung des § 192 SGG heranzuziehen, denn Wortlaut und Zweck beider Vorschriften stimmen überein (LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 16. Juni 2004 - L 12 AL 59/03, Thüringer LSG, Urteil vom 18. September 2003 - L 2 RA 379/03 - beide veröffentlicht in Juris). Maßgeblich für die Auferlegung von Verschuldenskosten war für den Senat, dass der rechtserhebliche Sachverhalt eindeutig ist, nachdem im Berufungsverfahren sowohl der von Amts wegen bestellte internistische Sachverständige Dr. S. als auch der vom Kläger selbst bestimmte Sachverständige Dr. B. auf neurologisch-psychiatrischem Fachgebiet schlüssig dargelegt haben, dass beim Kläger keine zeitliche Leistungseinschränkung besteht und daher die Voraussetzungen für die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung eindeutig nicht erfüllt sind. Damit muss sich auch dem rechtskundig vertretenen Kläger aufdrängen, dass sein Begehren jeder nachvollziehbaren Grundlage entbehrt, zumal der Sachverständige Dr. B. in seinem Gutachten auch deutliche Hinweise auf Aggravations- bzw. Simulationsverhalten beschrieben hat. Das dennoch demonstrierte fortwährende Beharren des Klägers auf Gewährung der Rente zeigt daher aus Sicht des Senats ein hohes Maß an Uneinsichtigkeit, welches die Auferlegung von Verschuldenskosten rechtfertigt. Der Senat hält daher im Rahmen des ihm eingeräumten Ermessens die Auferlegung einer Verschuldensgebühr für geboten. Für die Höhe der dem Senat verursachten Kosten erscheint die gesetzliche Mindestgebühr als zunächst angemessen (§ 192 Abs. 1 S. 3 in Verbindung mit § 184 Abs. 2 SGG).

Im Übrigen war für den Senat bezüglich der Kostenentscheidung im Rahmen des dem Senat nach § 193 SGG eingeräumten Ermessens maßgeblich, dass der Kläger mit der Rechtsverfolgung ohne Erfolg geblieben ist und die Beklagte keinen Anlass zur Klageerhebung gegeben hat. Der Senat hält es auch im Falle einer Zurückweisung des Rechtsmittels für erforderlich, nicht nur über die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zu entscheiden, sondern auch über die Kosten der vorausgehenden Instanz (so Lüdtke, Kommentar zum SGG, 4. Aufl., § 193 SGG Rdnr. 8; erkennender Senat, Urteil vom 19. November 2013, L 13 R 1662/12, veröffentlicht in Juris; a.A. Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, Kommentar zum SGG, 11. Auflage, § 193 SGG Rdnr. 2a; Hintz/Lowe, Kommentar zum SGG, § 193 SGG Rdnr. 11; Jansen, Kommentar zum SGG, 4. Auflage, § 193 SGG Rdnr. 4).

Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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