Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Pflegeversicherung
Abteilung
6
1. Instanz
SG Würzburg (FSB)
Aktenzeichen
S 13 P 149/13
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 6 P 58/14
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
- Zu den Voraussetzungen der Gewährung von Pflegegeld nach der Übergangsregelung des § 123 SGB XI (verbesserte Pflegeleistungen für Personen mit erheblich eingeschränkter Alltagskompetenz) für Versicherte ohne Pflegestufe.
- Die Auszahlung von Pflegegeld nach § 123 SGB X setzt auch für Versicherte ohne zuerkannte Pflegestufe (Pflegestufe "0") das Vorliegen von häuslicher Pflege im Sinne des Ersten Teils des Dritten Abschnitts des SGB XI voraus.
- Bei Unterbringung in einer Einrichtung der Behindertenhilfe nach § 43a i.V.m. § 71 Abs. 4 SGB XI liegt - anders als bei Unterbringung in einer ambulant betreuten Wohngruppe i.S.v. § 38a SGB XI - stationäre Unterbringung und keine häusliche Pflege vor.
- Die Auszahlung von Pflegegeld nach § 123 SGB X setzt auch für Versicherte ohne zuerkannte Pflegestufe (Pflegestufe "0") das Vorliegen von häuslicher Pflege im Sinne des Ersten Teils des Dritten Abschnitts des SGB XI voraus.
- Bei Unterbringung in einer Einrichtung der Behindertenhilfe nach § 43a i.V.m. § 71 Abs. 4 SGB XI liegt - anders als bei Unterbringung in einer ambulant betreuten Wohngruppe i.S.v. § 38a SGB XI - stationäre Unterbringung und keine häusliche Pflege vor.
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Würzburg vom 23. Juli 2014 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist die Gewährung bzw. Auszahlung von Leistungen nach dem SGB XI in Form von Pflegegeld für Personen mit erheblich eingeschränkter Alltagskompetenz streitig.
Der 1967 geborene, unter Betreuung stehende Kläger leidet an progredienter Schizophrenie. Er lebt in einem betreuten Wohnheim des E.-Sozialwerks für psychisch Kranke in A-Stadt und arbeitet in einer Behindertenwerkstatt desselben Trägers. Es handelt sich hierbei um stationäre Einrichtungen der Behindertenhilfe. Die Kosten der Unterbringung in diesen Einrichtungen werden vom Bezirk Unterfranken als überörtlicher Sozialhilfeträger getragen. An Wochenenden wie auch während des Urlaubs hält sich der Kläger überwiegend bei seinen Eltern auf.
Am 30.07.2009 hatte der Kläger zusätzliche Betreuungsleistungen aufgrund Einschränkungen der Alltagskompetenz beantragt. Der daraufhin von der Beklagten mit der Untersuchung des Klägers beauftragte medizinische Dienst der Krankenkassen (MDK) stellte beim Kläger bei bestehender Antriebsarmut, Zurückgezogenheit, Affektverflachung und leichter Intelligenzminderung eine überwiegende Unfähigkeit zur Einhaltung sozialer Normen fest. Unter Aufforderung und Endkontrolle könne der Kläger jedoch sämtliche Verrichtungen der Grundpflege völlig selbstständig ausführen. Die Voraussetzungen für die Anerkennung einer Pflegestufe lägen nicht vor, eine erhebliche Einschränkung der Alltagskompetenz wurde hingegen bestätigt.
Mit Schreiben u.a. vom 28.12.2012 wies die Beklagte auf den ab 01.01.2013 nach § 123 SGB XI bestehenden Anspruch auf Pflegegeld oder Pflegesachleistungen hin, welcher Leistungen für Personen mit erheblicher Einschränkung der Alltagskompetenz auch ohne Erfüllung der Voraussetzungen einer Pflegestufe vorsehe. Am 04.01.2013 stellte der Kläger Antrag auf Bewilligung dieser Leistung. Mit Bescheid vom 08.01.2013 gewährte die Beklagte Pflegegeld in Höhe von EUR 120 monatlich. Mit Datum vom 21.01.2013 teilte sie mit, dass Pflegegeld nur für Zeiten ausgezahlt werde, in welchen - z.B. an Wochenenden oder im Urlaub - häusliche Pflege erfolge. Ein Vordruck zur Bestätigung der tatsächlichen Abwesenheitstage wurde übermittelt. Mit Bescheid vom 08.02.2013 stellte die Beklagte verbindlich fest, dass Pflegegeld nur für Zeiten der häuslichen Pflege gezahlt werde und der Höchstbetrag bei 30 Tagen 120 EUR monatlich betrage. In der Rechtsbehelfsbelehrung wurde auf die Möglichkeit der Einlegung eines Widerspruchs innerhalb der Frist von einem Monat hingewiesen Dieser Bescheid wurde nicht angefochten.
Mit Schreiben vom 07.07.2013 teilte die Bevollmächtigte des Klägers der Beklagten mit, dass dieser jedes zweite Wochenende von Freitag bis Sonntag, sämtliche Brückentage sowie den Jahresurlaub bei seinen Eltern verbringe. Gleichwohl sei die Auszahlung von Pflegegeld seit Monaten unterblieben. Soweit eine erneute Bestätigung der Aufenthaltstage im E.-Sozialwerk benötigt werde, wurde gebeten, diese dort anzufordern. Mit weiterem Schreiben vom 04.09.2013 bat die Bevollmächtigte des Klägers um einen Bescheid bezüglich der Höhe des tatsächlich ausgezahlten Pflegegeldes unter Angabe des Leistungsdatums sowie der zugrunde gelegten Abrechnungsunterlagen. Mit Schreiben vom 09.09.2013 teilte die Beklagte daraufhin für die Zeit von Januar bis Juni 2013 entsprechend den Abwesenheitstagen des Klägers das anteilig ausgezahlte Pflegegeld mit.
Gegen dieses Schreiben legte die Bevollmächtigte des Klägers am 16.09.2013 Widerspruch ein. Es seien keine Sach- oder Kombinationsleistungen sondern Pflegegeld beantragt worden. Es bestehe daher ein monatlicher Gesamtleistungsanspruch. Die Kürzung des Pflegegelds sei ohne Rechtsgrund erfolgt. Im Übrigen würden vom Wohnheim keine Leistungen der Pflegeversicherung erbracht oder abgerechnet, vielmehr werde der Kläger auch unter der Woche durch seine Mutter besucht, die mit ihm einkaufe und ausgehe. Mit Schreiben vom 16.09. und 25.09.2013 erläuterte die Beklagte ihre Rechtsauffassung, wonach ein Anspruch auf Pflegegeld ausschließlich für tatsächliche Pflegetage im häuslichen Bereich bestehe. Dies gelte auch für Versicherte ohne Pflegestufe. Für die Tage, an denen sich der Kläger im Wohnheim aufhalte, könne dementsprechend Pflegegeld nicht gezahlt werden, da es sich um eine stationäre Einrichtung handle. Nachdem der Widerspruch von Seiten des Klägers gleichwohl aufrechterhalten worden war, wies die Beklagte mit Bescheid vom 15.10.2013 den Widerspruch in der Sache als unbegründet zurück.
Gegen diese Entscheidung erhob der Kläger am 15.11.2013 durch seine Bevollmächtigte Klage zum Sozialgericht Würzburg (SG). Die Spitzenverbände der gesetzlichen Krankenkassen hätten in einem Rundschreiben zur Vorschrift des § 38 SGB XI festgelegt, dass Pflegegeld auch bei Versicherten der Pflegestufe "0", welche Pflegegeld alleine aufgrund erheblich eingeschränkter Alltagskompetenz beziehen, nur insoweit gekürzt werden dürfe, als daneben keine Pflegesachleistungen bezogen werden. Da der Kläger in der Wohneinrichtung des E.-Sozialwerks keine Sachleistungen beziehe, habe er Anspruch auf ungekürzte Auszahlung des Pflegegeldes.
Mit Urteil vom 23.07.2014 wies das SG die Klage sowohl als unzulässig wie auch als unbegründet ab. Soweit sich die Klage gegen den Bescheid vom 08.02.2013 richte, sei die Klage unzulässig, da dieser nicht innerhalb der Widerspruchsfrist angefochten worden sei. Soweit das Schreiben vom 09.09.2013 Gegenstand des Klageverfahrens sei, handle es sich um keinen Verwaltungsakt nach § 31 Satz 1 SGB X. Dieses Schreiben enthalte keinerlei eigenständigen Regelungsgehalt, es werde lediglich die Höhe des ausgezahlten Pflegegeldes mitgeteilt. Daneben sei die Klage auch unbegründet, da ein Anspruch auf Pflegegeld stets voraussetze, dass die Pflege in häuslicher Umgebung durchgeführt werde. Für die Zeit des Aufenthaltes im E.-Sozialwerk, in welchem unstreitig keine häusliche Pflege geleistet werde, bestehe kein Anspruch auf Pflegegeld.
Am 27.08.2014 legte die Bevollmächtigte des Klägers Berufung beim Bayer. Landessozialgericht ein. Die Entscheidung des SG sei fehlerhaft und gehe von einem unzutreffenden Sachverhalt aus. Der Kläger nehme weder Sachleistungen noch Kombinationsleistungen in Anspruch. Das Wohnheim des E.-Sozialwerks sei weder als Pflegeeinrichtung noch als niedrigschwelliger Betreuungsdienstleister anerkannt. Die Tatsache, dass es sich um Einrichtungen der Behindertenhilfe des Bezirks Unterfranken handele, sei nicht von Bedeutung, da die häusliche Pflege von der Mutter und Schwester am Wohnort der Eltern sichergestellt werde. Dort habe der Kläger ein eigenes Zimmer, im würden dort Mahlzeiten zubereitet, die Haare gewaschen und auch hauswirtschaftliche Versorgung erbracht. Auch wenn sich der Kläger unter der Woche in A-Stadt aufhalte, werde er dort von seiner Mutter besucht. Die Beklagte habe im Übrigen die volle Bewilligung des Pflegegeldes sowohl mit Hinweisschreiben vom Dezember 2012 als auch mit Bescheid vom 08.01.2013 verbindlich zugesagt. Soweit diese Zusage durch weitere Bescheide wieder eingeschränkt werde, seien diese rechtswidrig. Eine anteilige Kürzung sei weder in der Anspruchsgrundlage des § 123 SGB XI noch in sonstigen Vorschriften vorgesehen. Auch die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zum Zusammentreffen von häuslicher Pflege und Pflege in einer vollstationären Einrichtung der Behindertenhilfe sei nicht anwendbar, da der Kläger in den Behinderteneinrichtungen gerade keine Sachleistungen in Anspruch nehme. Die Beklagte gewähre keine Leistungen für den Aufenthalt des Klägers im Wohnheim. Sie zahle insbesondere keinen Pauschbetrag, welcher nach § 43a SGB XI von den Pflegekassen bei Aufnahme in Einrichtungen der Behindertenhilfe zu entrichten sei, da dieser nur bei Vorliegen einer Pflegestufe anfalle. Im Übrigen komme dem Schreiben vom 09.09.2013 wie auch sämtlichen weiteren Weigerungen der Beklagten, das Pflegegeld in bewilligter Höhe auszuzahlen, Regelungscharakter im Sinne eines Verwaltungsaktes zu, da hiermit die Art und Weise der Kürzung des Pflegegeldes bestimmt werde.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Würzburg vom 23.07.2014 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung der Bescheide vom 08.02.2013 und 09.09.2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 15.10.2013 zu verurteilen, dem Kläger das für die Zeit ab 01.01.2013 bewilligte Pflegegeld in ungekürzter Höhe von 120EUR (123 EUR) auszuzahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagte ist der Auffassung, dass Ihre Schreiben vom 21.01., 08.02., 09.09., 16.09. sowie vom 25.09.2013 keine Verwaltungsakte darstellten, so dass die Anfechtungsklage - wie vom SG zutreffend dargestellt - unzulässig sei. Daneben sei eine Leistungsklage auf ungekürzte Auszahlung des Pflegegeldes unbegründet. Neben den Voraussetzungen des § 123 SGB XI seien auch die des § 37 SGB XI zu beachten, wonach Pflegegeld ausschließlich für die Zeiten häuslicher Pflege gezahlt werden könne. Entgegen der Auffassung der Klägerbevollmächtigten sei nicht Voraussetzung, ob die Beklagte für den Aufenthalt in der stationären Einrichtung Leistungen nach § 43a SGB XI erbringe. Maßgeblich sei alleine, ob sich des Klägers unter der Woche in einer stationären Einrichtung aufhalte. Dies sei nach der Auskunft des Bezirks Unterfranken der Fall.
Zur Ergänzung des Sachverhalts wird auf die Senatsakte, die beigezogenen Akten des Sozialgerichts sowie die Akten der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige, insbesondere form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist nicht begründet.
Im Ergebnis zutreffend hat das SG die Klage auf ungekürzte Auszahlung des Pflegegeldes abgewiesen. Allerdings erweist sich die Klage nicht bereits als unzulässig. Dem Schreiben vom 09.09.2013 kommt auch ohne entsprechende Rechtsbehelfsbelehrung Regelungscharakter im Sinne des § 31 SGB X zu, da dort eine Entscheidung über die Höhe der Kürzung des dem Grunde nach bewilligten Pflegegeldes getroffen wurde. Aber selbst wenn man dieser Auffassung nicht folgen würde, wäre die Klage nicht unzulässig. Denn der Widerspruch vom 16.09.2013 richtet sich in der Sache nicht ausschließlich gegen die mit Schreiben vom 09.09.2013 konkret vorgenommene Leistungskürzung, sondern insgesamt gegen die Klarstellung, dass das mit Bescheid vom 08.01.2013 dem Grunde nach bewilligte Pflegegeld nur für Zeiten der häuslichen Pflege gezahlt werden kann. Der Rechtsbehelf des Klägers ist damit nach dem Grundsatz der Meistbegünstigung dahingehend auszulegen, dass damit jedenfalls auch die mit Schreiben vom 21.01. sowie mit Bescheid vom 08.02.2013 insoweit vorgenommene Einschränkung angegriffen werden sollte. Da sich die Beklagte im Widerspruchsbescheid vom 15.10.2013 nicht auf die Unzulässigkeit des Widerspruchs aufgrund fehlender Verwaltungsaktqualität des Schreibens vom 09.09.2013 oder auf die Verfristung des Widerspruchs im Hinblick auf den Bescheid vom 08.02.2013 berufen, sondern eine Entscheidung in der Sache getroffen hat, wären etwaige Form- und Fristverletzungen damit geheilt (Meyer-Ladewig, SGG, 11. Auflage 2014, Rn. 7 zu § 84).
Die Berufung ist jedoch unbegründet. Dem Kläger steht kein Anspruch auf ungekürzte Auszahlung des Pflegegeldes in Höhe von Euro 120 (aktuell Euro 123) pro Monat zu, da ihm für die Zeit des Aufenthaltes im Wohnheim des E.-Sozialwerks ein Anspruch auf Pflegegeld nicht zusteht. Nach der Vorschrift des § 123 Abs. 1 SGB XI haben Versicherte, die wegen erheblich eingeschränkter Alltagskompetenz die Voraussetzungen des § 45a SGB XI erfüllen, neben den Leistungen nach § 45b SGB XI bis zum Inkrafttreten eines Gesetzes, das die Leistungsgewährung aufgrund eines neuen Pflegebedürftigkeitsbegriffs und eines entsprechenden Begutachtungsverfahrens regelt, Ansprüche auf Pflegeleistungen nach Maßgabe der folgenden Absätze. Für Versicherte ohne Pflegestufe bestimmte sodann § 123 Abs. 2 Satz 1 SGB XI in der bis 31.12.2014 geltenden Fassung die folgenden monatlichen Ansprüche: 1. Pflegegeld nach § 37 in Höhe von 120 Euro oder 2. Pflegesachleistungen nach § 36 in Höhe von bis zu 225 Euro oder 3. Kombinationsleistungen aus den Nummern 1 und 2 (§ 38) sowie Ansprüche nach den §§ 39 und 40.
Für den vorliegend vom Kläger geltend gemachten Anspruch auf Pflegegeld nach Ziff. 1 richten sich die weiteren Voraussetzungen damit nach § 37 SGB XI. Diese Vorschrift regelt den Anspruch auf Pflegegeld bei häuslicher Pflege für Versicherte, welche die Voraussetzungen einer Pflegestufe erfüllen. Leistungsberechtigt sind hierbei nur Pflegebedürftige der Pflegestufe I, II oder III, die häuslich gepflegt werden. Diese Voraussetzung gilt auch für Versicherte ohne Pflegestufe. Dies ergibt sich zum einen bereits aus der Verweisung des § 123 Abs. 2 Satz 1Nr. 1 SGB XI auf § 37 SGB XI, eine Vorschrift des dritten Abschnitts des ersten Titels des SGB XI (Leistungen der häuslichen Pflege). Dass eine Zahlung von Pflegegeld bei Aufenthalt in stationären Einrichtungen nicht in Betracht kommt, ergibt sich daneben auch aus dem Wortlaut des § 123 Abs. 1 Satz 1SGB XI. Dieser nimmt ausdrücklich Bezug auf "Versicherte, die ... die Voraussetzungen des § 45a erfüllen". § 45a regelt aber ausschließlich Leistungen an Pflegebedürftige in häuslicher Pflege (Udsching, SGB XI 4. Auflage 2015, Rn. 4 zu § 123; vgl. auch juris-PK, Rn. 7 zu § 123, " ... bei häuslicher Pflege ...").
Letztlich wird der Bezug zur häuslichen Pflege auch durch die mit dem ersten Pflegestärkungsgesetz (PSG I) vom 17.12.2015 (BGBl. I 2222) mit Wirkung vom 01.01.2015 vorgenommene Erweiterung des § 123 Abs. 2 S. 1 SGB XI deutlich. Für Versicherte mit Pflegestufe 0 wurde dadurch die Möglichkeit geschaffen, Leistungen der Pflegeversicherung zur pflegerischen Versorgung und Betreuung über die rein häusliche Pflege hinaus auch in ambulant betreuten Wohngruppen, teilstationären Einrichtungen der Tages- und Nacht- und Kurzzeitpflege zu erhalten. Hierdurch wurden die Unterstützungsleistungen der Pflegeversicherung, die entsprechende Versicherte seit Inkrafttreten des PNG für die Betreuung und Versorgung nur in häuslicher Umgebung beanspruchen konnten, zweck- und bedarfsgerecht ergänzt (Kasseler Kommentar, Koch, Rn. 2a zu § 123 SGB XI). Würde § 123 SGB XI Ansprüche in dem vom Kläger verstandenen Sinne umfassend, d.h. auch für alle sonstigen, insbesondere auch alle stationären Pflegeformen gewähren, hätte es dieser Ergänzung nicht bedurft.
Aus all dem ergibt sich, dass § 123 Abs. 2 SGB XI keinen Anspruch auf Pflegegeld bei dauerhaftem Aufenthalt in einer stationären Einrichtung gewährt. Hierbei spielt der Umstand, dass für den Aufenthalt des Klägers im Wohnheim aufgrund fehlender Pflegebedürftigkeit derzeit keine Leistungen nach § 43a SGB XI durch die Beklagte erbracht werden, keine Rolle. Maßgeblich ist alleine, ob es sich bei dem Wohnheim um eine stationäre Einrichtung im Sinne von § 43a i.V.m. § 71 Abs. 4 SGB XI handelt. Dies ist nach der Auskunft des zuständigen überörtlichen Sozialhilfeträgers der Fall und wird auch auf der Internet-Präsenz des E.-Sozialwerks so bestätigt. Danach stellt das Wohnheim, in welchem sich der Kläger aufhält (A-Straße, A-Stadt), ein stationäres Wohnangebot für psychisch erkrankte Menschen dar (http://www. wohnverbund.E.-sozialwerk.de/ wohnheim). Es handelt sich insbesondere nicht um die - ebenfalls vom E.-Sozialwerk angebotene - Sonderform einer im Wesentlichen organisatorisch selbstständigen ambulanten Wohngruppe im Sinne von § 38a SGB XI.
Ein Anspruch auf Pflegegeld besteht damit nur für Zeiten, in welchen sich der Kläger in häuslicher Pflege bei seinen Eltern befindet. Dass insbesondere die Mutter den Kläger auch unter der Woche des Öfteren besucht und hierbei möglicherweise auch Verrichtungen der Grundpflege erbringt, ändert nichts an der Tatsache, dass sich der Kläger in einer stationären Einrichtung der Behindertenhilfe i.S.v. § 71 Abs. 4 SGB XI aufhält. Einen weitergehenden Anspruch vermag der Kläger auch nicht aus den Informationsschreiben der Beklagten aus dem Jahr 2012 herzuleiten, da diese keine Verwaltungsakte darstellen. Auch die mit Bescheid vom 08.01.2013 vorgenommene Bewilligung von Pflegegeld dem Grunde nach steht nicht entgegen, da bei einem anteiligen Ruhen wegen stationärem Aufenthalt in einer Einrichtung nach § 71 Abs. 4 SGB XI die anteilige Kürzung des Pflegegeldes gesetzlich ausdrücklich vorgesehen ist, vgl. §§ 34 Abs. 2 S. 1 2. HS, § 37 Abs. 2 S. 1 SGB XI. Letztlich geht auch der Verweis der Klägerbevollmächtigten auf das Gemeinsame Rundschreiben der Spitzenverbände der gesetzlichen Krankenkassen zu § 38 SGB XI fehl, da der Kläger gerade keine Kombinationsleistungen im Sinne dieser Vorschrift in Anspruch nimmt.
Die Berufung ist demnach als unbegründet zurückzuweisen
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist die Gewährung bzw. Auszahlung von Leistungen nach dem SGB XI in Form von Pflegegeld für Personen mit erheblich eingeschränkter Alltagskompetenz streitig.
Der 1967 geborene, unter Betreuung stehende Kläger leidet an progredienter Schizophrenie. Er lebt in einem betreuten Wohnheim des E.-Sozialwerks für psychisch Kranke in A-Stadt und arbeitet in einer Behindertenwerkstatt desselben Trägers. Es handelt sich hierbei um stationäre Einrichtungen der Behindertenhilfe. Die Kosten der Unterbringung in diesen Einrichtungen werden vom Bezirk Unterfranken als überörtlicher Sozialhilfeträger getragen. An Wochenenden wie auch während des Urlaubs hält sich der Kläger überwiegend bei seinen Eltern auf.
Am 30.07.2009 hatte der Kläger zusätzliche Betreuungsleistungen aufgrund Einschränkungen der Alltagskompetenz beantragt. Der daraufhin von der Beklagten mit der Untersuchung des Klägers beauftragte medizinische Dienst der Krankenkassen (MDK) stellte beim Kläger bei bestehender Antriebsarmut, Zurückgezogenheit, Affektverflachung und leichter Intelligenzminderung eine überwiegende Unfähigkeit zur Einhaltung sozialer Normen fest. Unter Aufforderung und Endkontrolle könne der Kläger jedoch sämtliche Verrichtungen der Grundpflege völlig selbstständig ausführen. Die Voraussetzungen für die Anerkennung einer Pflegestufe lägen nicht vor, eine erhebliche Einschränkung der Alltagskompetenz wurde hingegen bestätigt.
Mit Schreiben u.a. vom 28.12.2012 wies die Beklagte auf den ab 01.01.2013 nach § 123 SGB XI bestehenden Anspruch auf Pflegegeld oder Pflegesachleistungen hin, welcher Leistungen für Personen mit erheblicher Einschränkung der Alltagskompetenz auch ohne Erfüllung der Voraussetzungen einer Pflegestufe vorsehe. Am 04.01.2013 stellte der Kläger Antrag auf Bewilligung dieser Leistung. Mit Bescheid vom 08.01.2013 gewährte die Beklagte Pflegegeld in Höhe von EUR 120 monatlich. Mit Datum vom 21.01.2013 teilte sie mit, dass Pflegegeld nur für Zeiten ausgezahlt werde, in welchen - z.B. an Wochenenden oder im Urlaub - häusliche Pflege erfolge. Ein Vordruck zur Bestätigung der tatsächlichen Abwesenheitstage wurde übermittelt. Mit Bescheid vom 08.02.2013 stellte die Beklagte verbindlich fest, dass Pflegegeld nur für Zeiten der häuslichen Pflege gezahlt werde und der Höchstbetrag bei 30 Tagen 120 EUR monatlich betrage. In der Rechtsbehelfsbelehrung wurde auf die Möglichkeit der Einlegung eines Widerspruchs innerhalb der Frist von einem Monat hingewiesen Dieser Bescheid wurde nicht angefochten.
Mit Schreiben vom 07.07.2013 teilte die Bevollmächtigte des Klägers der Beklagten mit, dass dieser jedes zweite Wochenende von Freitag bis Sonntag, sämtliche Brückentage sowie den Jahresurlaub bei seinen Eltern verbringe. Gleichwohl sei die Auszahlung von Pflegegeld seit Monaten unterblieben. Soweit eine erneute Bestätigung der Aufenthaltstage im E.-Sozialwerk benötigt werde, wurde gebeten, diese dort anzufordern. Mit weiterem Schreiben vom 04.09.2013 bat die Bevollmächtigte des Klägers um einen Bescheid bezüglich der Höhe des tatsächlich ausgezahlten Pflegegeldes unter Angabe des Leistungsdatums sowie der zugrunde gelegten Abrechnungsunterlagen. Mit Schreiben vom 09.09.2013 teilte die Beklagte daraufhin für die Zeit von Januar bis Juni 2013 entsprechend den Abwesenheitstagen des Klägers das anteilig ausgezahlte Pflegegeld mit.
Gegen dieses Schreiben legte die Bevollmächtigte des Klägers am 16.09.2013 Widerspruch ein. Es seien keine Sach- oder Kombinationsleistungen sondern Pflegegeld beantragt worden. Es bestehe daher ein monatlicher Gesamtleistungsanspruch. Die Kürzung des Pflegegelds sei ohne Rechtsgrund erfolgt. Im Übrigen würden vom Wohnheim keine Leistungen der Pflegeversicherung erbracht oder abgerechnet, vielmehr werde der Kläger auch unter der Woche durch seine Mutter besucht, die mit ihm einkaufe und ausgehe. Mit Schreiben vom 16.09. und 25.09.2013 erläuterte die Beklagte ihre Rechtsauffassung, wonach ein Anspruch auf Pflegegeld ausschließlich für tatsächliche Pflegetage im häuslichen Bereich bestehe. Dies gelte auch für Versicherte ohne Pflegestufe. Für die Tage, an denen sich der Kläger im Wohnheim aufhalte, könne dementsprechend Pflegegeld nicht gezahlt werden, da es sich um eine stationäre Einrichtung handle. Nachdem der Widerspruch von Seiten des Klägers gleichwohl aufrechterhalten worden war, wies die Beklagte mit Bescheid vom 15.10.2013 den Widerspruch in der Sache als unbegründet zurück.
Gegen diese Entscheidung erhob der Kläger am 15.11.2013 durch seine Bevollmächtigte Klage zum Sozialgericht Würzburg (SG). Die Spitzenverbände der gesetzlichen Krankenkassen hätten in einem Rundschreiben zur Vorschrift des § 38 SGB XI festgelegt, dass Pflegegeld auch bei Versicherten der Pflegestufe "0", welche Pflegegeld alleine aufgrund erheblich eingeschränkter Alltagskompetenz beziehen, nur insoweit gekürzt werden dürfe, als daneben keine Pflegesachleistungen bezogen werden. Da der Kläger in der Wohneinrichtung des E.-Sozialwerks keine Sachleistungen beziehe, habe er Anspruch auf ungekürzte Auszahlung des Pflegegeldes.
Mit Urteil vom 23.07.2014 wies das SG die Klage sowohl als unzulässig wie auch als unbegründet ab. Soweit sich die Klage gegen den Bescheid vom 08.02.2013 richte, sei die Klage unzulässig, da dieser nicht innerhalb der Widerspruchsfrist angefochten worden sei. Soweit das Schreiben vom 09.09.2013 Gegenstand des Klageverfahrens sei, handle es sich um keinen Verwaltungsakt nach § 31 Satz 1 SGB X. Dieses Schreiben enthalte keinerlei eigenständigen Regelungsgehalt, es werde lediglich die Höhe des ausgezahlten Pflegegeldes mitgeteilt. Daneben sei die Klage auch unbegründet, da ein Anspruch auf Pflegegeld stets voraussetze, dass die Pflege in häuslicher Umgebung durchgeführt werde. Für die Zeit des Aufenthaltes im E.-Sozialwerk, in welchem unstreitig keine häusliche Pflege geleistet werde, bestehe kein Anspruch auf Pflegegeld.
Am 27.08.2014 legte die Bevollmächtigte des Klägers Berufung beim Bayer. Landessozialgericht ein. Die Entscheidung des SG sei fehlerhaft und gehe von einem unzutreffenden Sachverhalt aus. Der Kläger nehme weder Sachleistungen noch Kombinationsleistungen in Anspruch. Das Wohnheim des E.-Sozialwerks sei weder als Pflegeeinrichtung noch als niedrigschwelliger Betreuungsdienstleister anerkannt. Die Tatsache, dass es sich um Einrichtungen der Behindertenhilfe des Bezirks Unterfranken handele, sei nicht von Bedeutung, da die häusliche Pflege von der Mutter und Schwester am Wohnort der Eltern sichergestellt werde. Dort habe der Kläger ein eigenes Zimmer, im würden dort Mahlzeiten zubereitet, die Haare gewaschen und auch hauswirtschaftliche Versorgung erbracht. Auch wenn sich der Kläger unter der Woche in A-Stadt aufhalte, werde er dort von seiner Mutter besucht. Die Beklagte habe im Übrigen die volle Bewilligung des Pflegegeldes sowohl mit Hinweisschreiben vom Dezember 2012 als auch mit Bescheid vom 08.01.2013 verbindlich zugesagt. Soweit diese Zusage durch weitere Bescheide wieder eingeschränkt werde, seien diese rechtswidrig. Eine anteilige Kürzung sei weder in der Anspruchsgrundlage des § 123 SGB XI noch in sonstigen Vorschriften vorgesehen. Auch die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zum Zusammentreffen von häuslicher Pflege und Pflege in einer vollstationären Einrichtung der Behindertenhilfe sei nicht anwendbar, da der Kläger in den Behinderteneinrichtungen gerade keine Sachleistungen in Anspruch nehme. Die Beklagte gewähre keine Leistungen für den Aufenthalt des Klägers im Wohnheim. Sie zahle insbesondere keinen Pauschbetrag, welcher nach § 43a SGB XI von den Pflegekassen bei Aufnahme in Einrichtungen der Behindertenhilfe zu entrichten sei, da dieser nur bei Vorliegen einer Pflegestufe anfalle. Im Übrigen komme dem Schreiben vom 09.09.2013 wie auch sämtlichen weiteren Weigerungen der Beklagten, das Pflegegeld in bewilligter Höhe auszuzahlen, Regelungscharakter im Sinne eines Verwaltungsaktes zu, da hiermit die Art und Weise der Kürzung des Pflegegeldes bestimmt werde.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Würzburg vom 23.07.2014 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung der Bescheide vom 08.02.2013 und 09.09.2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 15.10.2013 zu verurteilen, dem Kläger das für die Zeit ab 01.01.2013 bewilligte Pflegegeld in ungekürzter Höhe von 120EUR (123 EUR) auszuzahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagte ist der Auffassung, dass Ihre Schreiben vom 21.01., 08.02., 09.09., 16.09. sowie vom 25.09.2013 keine Verwaltungsakte darstellten, so dass die Anfechtungsklage - wie vom SG zutreffend dargestellt - unzulässig sei. Daneben sei eine Leistungsklage auf ungekürzte Auszahlung des Pflegegeldes unbegründet. Neben den Voraussetzungen des § 123 SGB XI seien auch die des § 37 SGB XI zu beachten, wonach Pflegegeld ausschließlich für die Zeiten häuslicher Pflege gezahlt werden könne. Entgegen der Auffassung der Klägerbevollmächtigten sei nicht Voraussetzung, ob die Beklagte für den Aufenthalt in der stationären Einrichtung Leistungen nach § 43a SGB XI erbringe. Maßgeblich sei alleine, ob sich des Klägers unter der Woche in einer stationären Einrichtung aufhalte. Dies sei nach der Auskunft des Bezirks Unterfranken der Fall.
Zur Ergänzung des Sachverhalts wird auf die Senatsakte, die beigezogenen Akten des Sozialgerichts sowie die Akten der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige, insbesondere form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist nicht begründet.
Im Ergebnis zutreffend hat das SG die Klage auf ungekürzte Auszahlung des Pflegegeldes abgewiesen. Allerdings erweist sich die Klage nicht bereits als unzulässig. Dem Schreiben vom 09.09.2013 kommt auch ohne entsprechende Rechtsbehelfsbelehrung Regelungscharakter im Sinne des § 31 SGB X zu, da dort eine Entscheidung über die Höhe der Kürzung des dem Grunde nach bewilligten Pflegegeldes getroffen wurde. Aber selbst wenn man dieser Auffassung nicht folgen würde, wäre die Klage nicht unzulässig. Denn der Widerspruch vom 16.09.2013 richtet sich in der Sache nicht ausschließlich gegen die mit Schreiben vom 09.09.2013 konkret vorgenommene Leistungskürzung, sondern insgesamt gegen die Klarstellung, dass das mit Bescheid vom 08.01.2013 dem Grunde nach bewilligte Pflegegeld nur für Zeiten der häuslichen Pflege gezahlt werden kann. Der Rechtsbehelf des Klägers ist damit nach dem Grundsatz der Meistbegünstigung dahingehend auszulegen, dass damit jedenfalls auch die mit Schreiben vom 21.01. sowie mit Bescheid vom 08.02.2013 insoweit vorgenommene Einschränkung angegriffen werden sollte. Da sich die Beklagte im Widerspruchsbescheid vom 15.10.2013 nicht auf die Unzulässigkeit des Widerspruchs aufgrund fehlender Verwaltungsaktqualität des Schreibens vom 09.09.2013 oder auf die Verfristung des Widerspruchs im Hinblick auf den Bescheid vom 08.02.2013 berufen, sondern eine Entscheidung in der Sache getroffen hat, wären etwaige Form- und Fristverletzungen damit geheilt (Meyer-Ladewig, SGG, 11. Auflage 2014, Rn. 7 zu § 84).
Die Berufung ist jedoch unbegründet. Dem Kläger steht kein Anspruch auf ungekürzte Auszahlung des Pflegegeldes in Höhe von Euro 120 (aktuell Euro 123) pro Monat zu, da ihm für die Zeit des Aufenthaltes im Wohnheim des E.-Sozialwerks ein Anspruch auf Pflegegeld nicht zusteht. Nach der Vorschrift des § 123 Abs. 1 SGB XI haben Versicherte, die wegen erheblich eingeschränkter Alltagskompetenz die Voraussetzungen des § 45a SGB XI erfüllen, neben den Leistungen nach § 45b SGB XI bis zum Inkrafttreten eines Gesetzes, das die Leistungsgewährung aufgrund eines neuen Pflegebedürftigkeitsbegriffs und eines entsprechenden Begutachtungsverfahrens regelt, Ansprüche auf Pflegeleistungen nach Maßgabe der folgenden Absätze. Für Versicherte ohne Pflegestufe bestimmte sodann § 123 Abs. 2 Satz 1 SGB XI in der bis 31.12.2014 geltenden Fassung die folgenden monatlichen Ansprüche: 1. Pflegegeld nach § 37 in Höhe von 120 Euro oder 2. Pflegesachleistungen nach § 36 in Höhe von bis zu 225 Euro oder 3. Kombinationsleistungen aus den Nummern 1 und 2 (§ 38) sowie Ansprüche nach den §§ 39 und 40.
Für den vorliegend vom Kläger geltend gemachten Anspruch auf Pflegegeld nach Ziff. 1 richten sich die weiteren Voraussetzungen damit nach § 37 SGB XI. Diese Vorschrift regelt den Anspruch auf Pflegegeld bei häuslicher Pflege für Versicherte, welche die Voraussetzungen einer Pflegestufe erfüllen. Leistungsberechtigt sind hierbei nur Pflegebedürftige der Pflegestufe I, II oder III, die häuslich gepflegt werden. Diese Voraussetzung gilt auch für Versicherte ohne Pflegestufe. Dies ergibt sich zum einen bereits aus der Verweisung des § 123 Abs. 2 Satz 1Nr. 1 SGB XI auf § 37 SGB XI, eine Vorschrift des dritten Abschnitts des ersten Titels des SGB XI (Leistungen der häuslichen Pflege). Dass eine Zahlung von Pflegegeld bei Aufenthalt in stationären Einrichtungen nicht in Betracht kommt, ergibt sich daneben auch aus dem Wortlaut des § 123 Abs. 1 Satz 1SGB XI. Dieser nimmt ausdrücklich Bezug auf "Versicherte, die ... die Voraussetzungen des § 45a erfüllen". § 45a regelt aber ausschließlich Leistungen an Pflegebedürftige in häuslicher Pflege (Udsching, SGB XI 4. Auflage 2015, Rn. 4 zu § 123; vgl. auch juris-PK, Rn. 7 zu § 123, " ... bei häuslicher Pflege ...").
Letztlich wird der Bezug zur häuslichen Pflege auch durch die mit dem ersten Pflegestärkungsgesetz (PSG I) vom 17.12.2015 (BGBl. I 2222) mit Wirkung vom 01.01.2015 vorgenommene Erweiterung des § 123 Abs. 2 S. 1 SGB XI deutlich. Für Versicherte mit Pflegestufe 0 wurde dadurch die Möglichkeit geschaffen, Leistungen der Pflegeversicherung zur pflegerischen Versorgung und Betreuung über die rein häusliche Pflege hinaus auch in ambulant betreuten Wohngruppen, teilstationären Einrichtungen der Tages- und Nacht- und Kurzzeitpflege zu erhalten. Hierdurch wurden die Unterstützungsleistungen der Pflegeversicherung, die entsprechende Versicherte seit Inkrafttreten des PNG für die Betreuung und Versorgung nur in häuslicher Umgebung beanspruchen konnten, zweck- und bedarfsgerecht ergänzt (Kasseler Kommentar, Koch, Rn. 2a zu § 123 SGB XI). Würde § 123 SGB XI Ansprüche in dem vom Kläger verstandenen Sinne umfassend, d.h. auch für alle sonstigen, insbesondere auch alle stationären Pflegeformen gewähren, hätte es dieser Ergänzung nicht bedurft.
Aus all dem ergibt sich, dass § 123 Abs. 2 SGB XI keinen Anspruch auf Pflegegeld bei dauerhaftem Aufenthalt in einer stationären Einrichtung gewährt. Hierbei spielt der Umstand, dass für den Aufenthalt des Klägers im Wohnheim aufgrund fehlender Pflegebedürftigkeit derzeit keine Leistungen nach § 43a SGB XI durch die Beklagte erbracht werden, keine Rolle. Maßgeblich ist alleine, ob es sich bei dem Wohnheim um eine stationäre Einrichtung im Sinne von § 43a i.V.m. § 71 Abs. 4 SGB XI handelt. Dies ist nach der Auskunft des zuständigen überörtlichen Sozialhilfeträgers der Fall und wird auch auf der Internet-Präsenz des E.-Sozialwerks so bestätigt. Danach stellt das Wohnheim, in welchem sich der Kläger aufhält (A-Straße, A-Stadt), ein stationäres Wohnangebot für psychisch erkrankte Menschen dar (http://www. wohnverbund.E.-sozialwerk.de/ wohnheim). Es handelt sich insbesondere nicht um die - ebenfalls vom E.-Sozialwerk angebotene - Sonderform einer im Wesentlichen organisatorisch selbstständigen ambulanten Wohngruppe im Sinne von § 38a SGB XI.
Ein Anspruch auf Pflegegeld besteht damit nur für Zeiten, in welchen sich der Kläger in häuslicher Pflege bei seinen Eltern befindet. Dass insbesondere die Mutter den Kläger auch unter der Woche des Öfteren besucht und hierbei möglicherweise auch Verrichtungen der Grundpflege erbringt, ändert nichts an der Tatsache, dass sich der Kläger in einer stationären Einrichtung der Behindertenhilfe i.S.v. § 71 Abs. 4 SGB XI aufhält. Einen weitergehenden Anspruch vermag der Kläger auch nicht aus den Informationsschreiben der Beklagten aus dem Jahr 2012 herzuleiten, da diese keine Verwaltungsakte darstellen. Auch die mit Bescheid vom 08.01.2013 vorgenommene Bewilligung von Pflegegeld dem Grunde nach steht nicht entgegen, da bei einem anteiligen Ruhen wegen stationärem Aufenthalt in einer Einrichtung nach § 71 Abs. 4 SGB XI die anteilige Kürzung des Pflegegeldes gesetzlich ausdrücklich vorgesehen ist, vgl. §§ 34 Abs. 2 S. 1 2. HS, § 37 Abs. 2 S. 1 SGB XI. Letztlich geht auch der Verweis der Klägerbevollmächtigten auf das Gemeinsame Rundschreiben der Spitzenverbände der gesetzlichen Krankenkassen zu § 38 SGB XI fehl, da der Kläger gerade keine Kombinationsleistungen im Sinne dieser Vorschrift in Anspruch nimmt.
Die Berufung ist demnach als unbegründet zurückzuweisen
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
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