L 2 R 2790/14

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
2
1. Instanz
SG Heilbronn (BWB)
Aktenzeichen
S 5 R 2995/13
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 2 R 2790/14
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Heilbronn vom 30. Mai 2014 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Streitig ist die Gewährung von Rente wegen Erwerbsminderung.

Die Klägerin hat keinen Beruf erlernt und war zuletzt als Rezeptionistin versicherungspflichtig beschäftigt. Seit 2011 ist sie arbeitsunfähig bzw. arbeitslos.

Am 6.7.2012 beantragte die Klägerin bei der Beklagten Rente wegen Erwerbsminderung wegen einer Augenerkrankung beidseits (Grauer Star), einer Venenerkrankung und erheblichen Rückenbeschwerden.

Die Beklagte veranlasste die Begutachtung der Klägerin durch den Chirurgen Dr. L ... In seinem Gutachten vom 24.10.2012 diagnostizierte er degenerative Veränderungen im LWS-Bereich mit Funktionseinschränkung und Dysthymie. Leichte bis mittelschwere Arbeiten könne die Klägerin noch in vollschichtigem Umfang bei Beachtung gewisser qualitativer Einschränkungen ausüben.

Die Beklagte lehnte mit Bescheid vom 5.11.2012 den Rentenantrag ab und hielt die medizinischen Voraussetzungen für die begehrte Rente nicht für erfüllt. Auf den Widerspruch der Klägerin veranlasste die Beklagte nach Beiziehung weiterer Behandlungsunterlagen die psychiatrische Untersuchung der Klägerin durch Dr. L ... In ihrem Gutachten vom 8.7.2013 diagnostizierte sie rezidivierende Lumbalgien bei degenerativen Veränderungen im LWS-Bereich ohne relevante Funktionseinschränkungen, eine histrionische Persönlichkeitsstruktur und Zustand nach beidseitiger Kataraktoperation. Leichte bis mittelschwere Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt könne die Klägerin 6 Stunden und mehr arbeitstäglich ausüben. Von psychiatrischer Seite bestünden keine relevanten qualitativen Einschränkungen.

Hierauf gestützt wies die Beklagte den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 20.8.2013 zurück.

Dagegen hat die Klägerin am 28.8.2013 Klage zum Sozialgericht Heilbronn (SG) erhoben und ihr Begehren insbesondere unter Berufung auf die orthopädischen Beschwerden sowie auf die nach der Augenoperation verbliebene Blendung mit erheblicher Sehkrafteinschränkung gestützt weiter verfolgt.

Das SG hat den behandelnden Orthopäden und Unfallchirurgen Dr. L. und den Augenarzt Dr. K. als sachverständige Zeugen schriftlich befragt. Dr. L. teilte als Diagnosen mit: Polyarthralgie und Verdacht auf Fibromyalgiesyndrom, Spondylosis deformans der HWS, degenerative BWS-Veränderung, Bandscheibenvorfall L4/5 und Kompression von Nervenwurzeln beidseitig, spinalkanalstenoselumbalen Bereich, Osteochondrose der LWS, Lumboischialgie durch Bandscheibenschaden beidseitig, Stenose der Foramina interverbralis, knöchern oder durch Subluxation, Spondylarthrose der LWS, Osteochondrose der Lenden-und Sakral-Wirbelsäule, Gonarthrose beidseitig. Die Klägerin könne eine allgemeine Tätigkeit im Wechsel zwischen Sitzen, Stehen, Gehen und Liegen durchführen, was nicht einer Tätigkeit als Rezeptionistin entspreche, die die Klägerin nur 2 Stunden durchführen könne (Auskunft vom 9.12.2013). Am 10.4.2014 hat er ergänzend mitgeteilt, dass Hinlegen nicht erforderlich sei. Dr. K. hielt die Klägerin bei gelegentlichen Untersuchungen und letzter Vorstellung am 2.12.2013 für in der Lage, auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt 6 Stunden täglich zu arbeiten. Der geklagten Seeverschlechterung beidseits durch Linsentrübung sei durch die beidseitige Operation am Grauen Star begegnet worden. Unter Umständen bestünden Beeinträchtigungen im Nacht- Sehvermögen, da die Klägerin beidseits eine Kunstlinse trage. Hierbei könne die Blendungsempfindlichkeit erhöht sein (Auskunft vom 27.12.2013).

Mit Gerichtsbescheid vom 30.5.2014 hat das SG die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Klägerin habe keinen Anspruch auf die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung, weil sie gestützt auf die Gutachten Dres. L. und L. sowie die Auskünfte der Dres. L. und K. noch unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens 6 Stunden erwerbstätig sein könne. Auch die im Vordergrund stehenden Erkrankungen der Wirbelsäule schränkten das Leistungsvermögen der Klägerin nicht in zeitlicher Hinsicht ein. Der insbesondere bedeutsamen Osteochondrose und Spondylarthrose im Bereich der LWS mit damit verbundenen Schmerzen könne durch die Beachtung qualitativer Leistungseinschränkungen ausreichend Rechnung getragen werden. Von daher seien nur Tätigkeiten mit der Möglichkeit zum Haltungswechsel, ohne Wirbelsäulenzwangshaltungen, ohne Überkopfarbeiten und ohne das Heben und Tragen von Lasten über 10 kg ohne Hilfsmittel zumutbar. Hinsichtlich der beidseitigen Gonarthrose seien Tätigkeiten im Hocken und Knien nicht zumutbar. Nicht maßgeblich seien die von der Klägerin mitgeteilten radiologischen Befunderhebungen, sondern die daraus resultierenden Funktionseinschränkungen, die überwiegend Normalwerte bzw. allenfalls minimale Einschränkungen der Beweglichkeit auswiesen. Hinsichtlich des nervenärztlichen Fachgebiets sei eine Erkrankung mit Relevanz für das Leistungsvermögen nicht nachgewiesen, wie sich aus dem Gutachten der Dr. L. ergebe. Das augenärztliche Fachgebiet betreffend ergebe sich keine Einschränkung des Leistungsvermögens, da lediglich unter Umständen eine Beeinträchtigung des Nachtsehvermögens bestehe.

Gegen den dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin gegen Empfangsbekenntnis am 5.6.2014 zugestellten Gerichtsbescheid hat sie am 3.7.2014 schriftlich zum Landessozialgericht Baden-Württemberg Berufung eingelegt und das Begehren weiter verfolgt. Das SG habe den Sachverhalt nicht genügend aufgeklärt. Auf orthopädischem Fachgebiet bestünden gravierende Befunde. Zudem habe sich eine Verschlechterung eingestellt mit ständig starken Schmerzen im LWS-Bereich. Seit 2012 leide die Klägerin zunehmend unter Depression als Folge der starken Schmerzen. Zusätzlich wirkten sich ein Knieleiden und eine Fibromyalgie leistungsmindernd aus. Zur Bestätigung hat die Klägerin den Befundbericht des Internisten und Rheumatologen Dr. B. vom 28.7.2014 vorgelegt.

Die Klägerin beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Heilbronn vom 30. Mai 2014 sowie den Bescheid der Beklagten vom 5. November 2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 20. August 2013 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin eine Rente wegen voller, hilfsweise wegen teilweiser Erwerbsminderung ab Antragstellung am 6. Juli 2012 zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält den angefochtenen Gerichtsbescheid für zutreffend.

Der Senat hat Dr. B. schriftlich als sachverständigen Zeugen befragt. In seiner Auskunft vom 18.10.2014 teilt er als Diagnosen mit: Verdacht auf Kniegelenkarthritis rechts, Unterschenkelfraktur rechts Sturz 2014, Verdacht auf Polyarthritis a.n.k., myofasziales Schmerzsyndrom, chronisches LWS-Syndrom bei degenerativer LWS-Veränderung, Zustand nach Katarakt beidseitig, Fibromyalgie, Allergie gegen Antibiotika in der Eigenanamnese. Die genaue Beurteilung der Belastbarkeit könne erst aufgrund einer längeren Verlaufsbeobachtung oder im Rahmen eines Gutachtens vorgenommen werden. Leichte Arbeiten könnten nur noch qualitativ eingeschränkt und möglicherweise auch nur noch zeitlich begrenzt ausgeführt werden.

Auf Antrag der Klägerin gemäß § 109 SGG hat der Senat weiter das unfallchirurgisch/orthopädische Gutachten des Dr. Sch. vom 9.11.2015 eingeholt. Er diagnostizierte bei der Klägerin eine Rezidivvarikosis beidseits, leichte Knickfussbildung links, Funktionsstörung der Halswirbelsäule bei Abnutzung und Verschleiß der unteren Halswirbelsäule (Osteochondrose, Spondylarthrose C5/C6 und C6/C7), Funktionsstörung der Brustwirbelsäule bei leichter Abnutzung und leichtem Verschleiß ohne grobe Verformung, deutliche Funktionsstörung der Lendenwirbelsäule bei Aufbrauch der Bandscheiben L4/L5 und L5/S1 (erosive Osteochondrose) ohne grobe Verformung und Instabilität. Die Wirbelsäulenveränderungen waren alle ohne radikuläre Reizzeichen und ohne sensomotorische Defizite. Leichte körperliche Tätigkeiten im Sitzen bei freier Sitzposition mit selbst gewählten gelegentlichen entlastenden Wechseln zum Stehen könne die Klägerin auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt noch 6 Stunden und mehr an 5 Tagen in der Woche ausüben.

Ergänzend hat sich die Klägerin auf psychiatrischem Fachgebiet zwischenzeitlich als voll erwerbsgemindert angesehen. Hierzu hat der Senat den behandelnden Neurologen und Psychiater Dr. von Z. sowie die Ärztin für Psychiatrie und Psychotherapie Dr. E. schriftlich als sachverständige Zeugen befragt. Dr. von Z. berichtet unter dem 22.12.2015 über eine Behandlung am 23.4.2012 sowie nachfolgende Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen bis 27.6.2012. Sodann hat sich die Klägerin am 3.12.2015 wieder bei ihm vorgestellt. Als Diagnosen teilt er mit: Rückenschmerzen, Hyposomnie, Dysthymia, psychosomatische Beschwerden, depressive Episode schwere ohne psychotische Symptome, soziale Anpassungsstörung mit emotionaler Beeinträchtigung, Nikotinmissbrauch, skapulo-costales Syndrom. Nach seiner Einschätzung sei die Klägerin noch in der Lage, ohne unmittelbare Gefährdung der Gesundheit leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt an 5 Tagen in der Woche auszuüben. Dr. E. berichtet unter dem 10.2.2016 über die 3-malige Behandlung zwischen dem 15.1. und 19.3.2015 mit der Diagnose: Einzelne Episode einer schweren reaktiven Depression ohne psychotische Symptomatik, Schmerzsyndrom. Aktuelle Befunde könne sie nicht nennen, da sie die Klägerin seither nicht mehr gesehen habe. Zum damaligen Zeitpunkt sei die Klägerin nur unter 3 Stunden leistungsfähig für eine Beschäftigung gewesen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die beigezogenen Verwaltungsakten der Beklagten sowie die Prozessakten beider Rechtszüge Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung der Klägerin hat keinen Erfolg.

Die gem. §§ 143, 144 Abs. 1 SGG statthafte Berufung ist zulässig; sie ist unter Beachtung der maßgeblichen Form- und Fristvorschriften (§ 151 Abs. 1 SGG) eingelegt worden. Die Berufung ist jedoch unbegründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Bescheid der Beklagten vom 5.11.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 20.8.2013, gegen den die Klägerin zutreffend mit der kombinierten Anfechtung-und Leistungsklage vorgeht, sind rechtmäßig und verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten.

Das SG hat nach erschöpfender Ermittlung des Sachverhalts, unter Darlegung der zutreffenden Rechtsnormen verbunden mit einer rechtsfehlerfreien und ausführlichen Würdigung des Beweisergebnisses zutreffend entschieden, dass die Klägerin keinen Anspruch auf Rente wegen voller oder teilweiser Erwerbsminderung hat. Der Senat sieht deshalb zur Vermeidung von Wiederholungen von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab und weist die Berufung aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung als unbegründet zurück (§ 153 Abs. 2 SGG).

Ergänzend ist im Hinblick auf die weitere Beweiserhebung im Berufungsverfahren auszuführen, dass die durch das SG erfolgte Leistungseinschätzung insbesondere auf orthopädischem Gebiet durch das nach § 109 SGG bei dem Wahlgutachter der Klägerin eingeholte Gutachten des Dr. Sch. vom 9.11.2015 bestätigt wurde. Auch danach ist die Klägerin in ihrer quantitativen Leistungsfähigkeit nicht in rentenberechtigendem Grade eingeschränkt. Das Gutachten überzeugt den Senat, nachdem es insich schlüssig und widerspruchsfrei ist.

Auch auf nervenärztlichem Fachgebiet ergibt sich durch die eingeholten Auskünfte der sachverständigen Zeugen keine Änderung. Die von der Klägerin behauptete leistungseinschränkende schwere psychische Erkrankung, für deren Vorliegen sie sich auf das Zeugnis der Fachärzte Dr. von Z. und der Dr. E. berufen hat, hat sich danach nicht bestätigt. Auch Dr. von Z. ging in seiner Auskunft vom 22.12.2015 aufgrund der mittelschweren depressiven Verstimmung, den daraus resultierenden Konzentrationsstörungen und Bewältigungsängsten sowie dem reduzierten psychomotorischen Antrieb von einer nur für möglich erachteten leichten Einschränkung der Leistungsfähigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt aus. Die Zukunfts- und Bewältigungsängste könnten auch mit der schweren Krebserkrankung des Lebensabschnittspartners zusammenhängen. Eine zeitliche Leistungseinschränkung kann daher im Zusammenhang mit der Aussage, dass leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt an 5 Tagen in der Woche auszuüben seien, nicht gesehen werden.

Die von Dr. E. mitgeteilte Leistungseinschätzung von unter 3 Stunden bezog sich ausdrücklich auf den Behandlungszeitpunkt zu Beginn des Jahres 2015, zu dem sie auch nur eine einzelne Episode einer schweren reaktiven Depression diagnostiziert hatte. Von einer überdauernden Leistungseinschränkung über eine vorübergehende Arbeitsunfähigkeit hinaus ist damit nichts ausgesagt. Auch ergibt sich aus den Auskünften kein Anlass noch ein weiteres Gutachten einzuholen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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