L 4 KA 23/14

Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Vertragsarztangelegenheiten
Abteilung
4
1. Instanz
SG Marburg (HES)
Aktenzeichen
S 12 KA 919/10
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 4 KA 23/14
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Marburg vom 16. November 2011 wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass die Beklagte verurteilt wird, den Kläger über seinen Antrag, ihm für die Quartale I/2009 und II/2009 höheres Honorar unter Zugrundelegung eines höheren Regelleistungsvolumens unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats neu zu bescheiden.

Die Beteiligten tragen die Kosten in beiden Instanzen jeweils zur Hälfte.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Umstritten ist der Anspruch des Klägers auf eine Sonderregelung im Rahmen des Regelleistungsvolumens und ein entsprechend höheres Honorar für die beiden Quartale I/09 und II/09, insbesondere welche Fallzahlen nach Auflösung einer Gemeinschaftspraxis zu berücksichtigen sind.

Der Kläger ist seit 1. Juli 1997 als Facharzt für Innere Medizin zur vertragsärztlichen Versorgung mit Praxissitz in A-Stadt zugelassen und nimmt an der hausärztlichen Versorgung teil. Vom 1. April 2005 bis zum 30. Juni 2008 war er mit der hausärztlich tätigen Internistin Frau Dr. C. sowie dem ebenfalls hausärztlich tätigen Internisten Herrn Dr. D. in Berufsausübungsgemeinschaft (BAG) tätig. Seitdem ist er in Einzelpraxis in Praxisgemeinschaft mit Frau Dr. C. tätig.

Die Beklagte setzte in den streitbefangenen Quartalen I/09 und II/09 das Honorar jeweils mit Honorarbescheid fest, wogegen der Kläger Widerspruch einlegte. Ferner setzte sie das Regelleistungsvolumen für diese Quartale mit Bescheid fest, wogegen der Kläger ebenfalls Widerspruch einlegte. Diese Widersprüche fasste die Beklagte als Antrag auf eine Sonderregelung zum Regelleistungsvolumen auf, den sie mit Bescheid vom 5. August 2010 ablehnte, wogegen der Kläger am 24. August 2010 Widerspruch einlegte. Die Festsetzungen für die Quartale I/08 und II/08 sowie die streitbefangenen Quartale I/09 und II/09 sind nachfolgender Übersicht zu entnehmen:

Quartal I/08 (BAG) II/08 (BAG) I/09 II/09
Honorarbescheid vom 10.07.2008 27.10.2008 20.07.2009 11.10.2009
Widerspruch eingelegt am 02.03.2009 14.12.2009
Nettohonorar gesamt in EUR 103.013,96 100.362,83 41.123,97 38.615,71
Bruttohonorar PK + EK in EUR 100.542,70 98.063,79 41.180,67 39.023,01
Fallzahl PK + EK 1.704 1.643 989 975
Honoraranteile PK + EK
Regelleistungsvolumen in EUR 23.903,16 24.497,04
Quotiertes Regelleistungsvolumen in EUR 3.560,71 5.757,33
Fallwertzuschläge zum Regelleistungsvolumen in EUR 2.812,59 1.729,43
Übrige Leistungen innerhalb der Morbiditätsbedingen Gsamtvergütung (MGV) 2.817.97 1.708,06
Leistungen außerhalb der morbiditätsbedingen Gesamtvergütung (AMG) 8.086,24 5.331,15

Bescheid Regelleistungsvolumen 26.11.2008 26.02.2009
Widerspruch v. 01.12.2008 09.03.2009
Regelleistungsvolumen in EUR
Fallzahl 566 546
Fallwert in EUR 38,18 40,39
Fallwertabstaffelung 1,0000 1,0000
Altersstrukturquote 1,0569 1,0609
Aufschlag fachgleiche BAG 1,1 1,1
Regelleistungsvolumen in EUR 25.123,43 25.735,56

Die Ablehnung der Änderung des Regelleistungsvolumens mit Bescheid vom 5. August 2010 begründete die Beklagte unter Hinweis auf die Vorgaben des Erweiterten Bewertungsausschusses, wonach die Zahl der Arztfälle je Arzt in fachgleichen Berufsausübungsgemeinschaften der Zahl der Behandlungsfälle der Arztpraxis dividiert durch die Anzahl der in der Arztpraxis zu berücksichtigten Ärzte entspreche, da die Kennzeichnung der Abrechnungen unter Angabe der lebenslangen Arztnummer eines Arztes erst zum Quartal III/08 eingeführt worden sei. Unter Berücksichtigung der Praxisstruktur als fachgleiche Berufsausübungsgemeinschaft mit zwei Ärzten sei diese regelleistungsvolumen-relevante Fallzahl (I/09: 1.698 Fälle; II/09: 1.638 Fälle) durch die Zahl der Mitglieder dividiert worden, so dass sich eine aufgerundete Fallzahl von 566 (I/09) und von 546 (II/09) Fällen pro Arzt ergeben habe. Auf das errechnete Regelleistungsvolumen erfolge sodann ein Zuschlag von 10 %, der die im ersten Halbjahr 2009 noch fehlende Generierungsmöglichkeit von Arztfallzahlen ausgleichen solle. Für die Fallgestaltung "Auflösung einer fachgleichen BAG" habe ihr Vorstand die Grundsatzentscheidung getroffen, dass abweichend von der vorstehend genannten grundsätzlichen Aufteilung nach Anzahl der in der Arztpraxis zu berücksichtigten Ärzte bei Vorlage einer von allen ehemaligen BAG-Partnern unterzeichneten einvernehmlichen Erklärung die Fallzahlen der BAG entsprechend dieser Erklärung auf Antrag aufgeteilt werden könnten. Eine solche Erklärung von den ehemaligen Partnern der BAG liege ihr trotz Anforderung nicht vor. Soweit der Kläger darauf hinweise, die Leistungen in den Aufsatzquartalen seien mit den Buchstaben des jeweiligen Arztes gekennzeichnet worden, so könne sie dies leider nicht berücksichtigen, da ihr die übermittelte Quartalsabrechnung ohne Leistungskennzeichnung eingereicht worden seien.

Der Kläger machte zur Begründung seines hiergegen am 24. August 2010 eingelegten Widerspruchs geltend, in dem Beschluss des Erweiterten Bewertungsausschusses in seiner Sitzung am 27./28. August 2008 habe dieser in Teil F Ziffer 3.5 festgelegt, dass bei Umwandlung der Kooperation Anfangs-Übergangsregelungen durch die Partner der Gesamtverträge beschlossen werden müssten. Keineswegs sei der Beklagten allein die entsprechende Regelungskompetenz übertragen worden. Somit könne durch einen Beschluss des Vorstandes der Beklagten eine solche Entscheidung nicht getroffen werden, sondern hätte allenfalls im Honorarverteilungsvertrag vorgesehen werden müssen. In diesem sei jedoch nur eine Regelung für die Neugründung aufgenommen worden. Bei Umwandlung der Kooperationsform sei daher eine Begrenzung nicht möglich. Ebenfalls hätte ein Wachstum auf den Fachgruppendurchschnitt möglich sein müssen.

Seine Widersprüche gegen die Honorarbescheide begründete der Kläger mit der Rechtswidrigkeit der Festsetzung der Regelleistungsvolumina. Im Quartal I/09 sei eine Honorarforderung von 16.924,06 EUR nur zur unteren Quote vergütet worden. Dadurch sei es zu einer geringeren Vergütung in Höhe von lediglich 21,157 % gekommen. Das Honorar betrage absolut 12.870,38 EUR weniger als bei vollständiger Berücksichtigung im Rahmen des Regelleistungsvolumens zur oberen Quote. Aus der von ihm überreichten Übersicht ergebe sich, dass er im Quartal I/08 837 Patienten behandelt habe. Auf Basis dieser Fallzahl hätte das Regelleistungsvolumen berechnet werden müssen. Seine Praxis sei auch mit einer Neugründung zu vergleichen nach Auflösung der Berufsausübungsgemeinschaft. Es seien dann wenigstens die durchschnittliche Fallzahl der Fachgruppe zuzugestehen. Für das Quartal II/09 machte er ein höheres Honorar von 9.624,59 EUR geltend und wies weiter darauf hin, dass im Honorarbescheid abweichend von der Festsetzung im Bescheid über das Regelleistungsvolumen das Regelleistungsvolumen nunmehr lediglich 24.497,04 EUR betrage.

Die Beklagte verband die Widerspruchsverfahren und wies mit Widerspruchsbescheid vom 17. November 2010 alle Widersprüche als unbegründet zurück. Zur Begründung führte sie aus, aus den vom Kläger eingereichten Statistiken ergebe sich, dass er in den Quartalen I/08 und II/08 837 bzw. 803 Patienten behandelt habe, Frau Dr. C. 174 bzw. 224 und Herr Dr. D. 709 bzw. 627 Patienten. Für die Aufsatzquartale I und II/08 ergäben sich für die Berufsausübungsgemeinschaft 1.698 bzw. 1.638 regelleistungsvolumenrelevante Fälle. Unter Berücksichtigung der Praxisstruktur mit drei Ärzten ergäbe sich für den Kläger eine zu berücksichtigende Fallzahl von 566 bzw. 546 Fällen. Von daher sei die Ermittlung der regelleistungsvolumenrelevanten Fallzahlen nicht zu beanstanden. Wegen der nicht eingereichten Quartalserklärungen zu den Fallzahlen könne sie von dieser Festsetzung nicht abweichen. Der Änderungsbeschluss des Bewertungsausschusses vom 20. April 2009 zur Umsetzung und Weiterentwicklung der Regelung zur Neuordnung der vertragsärztlichen Vergütung in 2009 sehe vor, dass Regelungen für Praxen in der Anfangsphase (sog. junge Praxen) getroffen werden sollen. Auf der Basis dieses Beschlusses habe ihr Vorstand am 31. August 2009 beschlossen, dass Sonderregelungen für sog. junge Praxen auf Antrag nach folgenden Kriterien stattzugeben seien:
1. Ärzte, die sich innerhalb von zwei Jahren vor dem Aufsatzquartal niedergelassen haben und
2. deren Fallzahl im Aufsatzquartal unterhalb der Fachgruppenfallzahlen liegen und
3. deren Fallzahlen im Aufsatzquartal erheblich von der aktuellen Gesamtfallzahl abweichen.
Wenn alle Kriterien erfüllt werden, so sei dem Arzt seine aktuelle Fallzahl bzw. maximal die Fallzahl der Fachgruppe bei der Berechnung des Regelleistungsvolumens zugrunde zu legen. Aufgrund der Niederlassung im Jahr 1997 träfen diese Voraussetzungen für den Kläger nicht zu. Die Vorgaben im Beschluss des Erweiterten Bewertungsausschusses vom 20. April 2009 seien abschließend. Dort sei geregelt, dass die Partner der Gesamtverträge für Neuzulassungen, Praxen in der Anfangsphase und Umwandlung der Kooperationsform Anfangs- und Übergangsregelungen zu beschließen hätten. Über das Verfahren einigten sich die Partner der Gesamtverträge. Für unterdurchschnittlich abrechnende Praxen sei dort keine Sonderregelung vorgesehen. Eine unterdurchschnittliche Fallzahl im Aufsatzquartal führe zu einem unterdurchschnittlichen Regelleistungsvolumen. Bereits innerhalb eines Jahres könnten aber durchschnittliche Honorarwerte erzielt werden. Damit enthalte die Regelung des HVV 2009 die Möglichkeit, mit dem Honorar auf durchschnittliche Werte innerhalb eines absehbaren Zeitraums von nur einem Jahr anzuwachsen. Die Entscheidung des SG Marburg vom 6. August 2009 - S 11 KA 430/09 - sei nicht bestandskräftig. LSG Hessen, Beschluss vom 22. Dezember 2009 - L 4 KA 77/09 B ER - habe ausgeführt, dass die der Zuweisung des Regelleistungsvolumens zugrunde liegende untergesetzliche Regelung des HVV 2009 nicht evident rechtswidrig und lückenhaft sei. Bezüglich einer Sonderregelung habe ihr Vorstand beschlossen, dass insbesondere für den Fall, dass ein Arztsitz vakant sei und es im aktuellen Quartal zu einem Fallzahlanstieg komme, eine Erhöhung des Regelleistungsvolumens um die neu übernommenen Patienten gewährt werden könne. Bei den übernommenen Fällen erfolge keine Abstaffelung des Fallwertes. Die Vakanz des Arztsitzes müsse im aktuellen Quartal im eigenen Planungsbezirk fortbestehen. Die übernommenen Patienten müssten im aktuellen Quartal anhand einer Patientenliste nachgewiesen werden. Es sei keine Vakanz der Arztsitze von Frau Dr. C. und Herrn Dr. D. gegeben. Der Kläger bilde vielmehr seit dem 1. Juli 2008 eine Praxisgemeinschaft mit Frau Dr. C. Herr Dr. D. sei seit dem 1. Juli 2008 in A-Stadt in Einzelpraxis tätig. Im Quartal III/09 sei auch das festgesetzte Regelleistungsvolumen von 25.735,56 EUR im Honorarbescheid zugrunde gelegt worden. Dies könne dem "Nachweis zur Berechnung des praxisbezogenen Regelleistungsvolumens sowie den zusätzlichen Fallwertzuschlägen für qualitätsgebundene Leistungen" entnommen werden. Insofern bestehe keine Differenz zwischen dem zugewiesenen und dem zugrunde liegenden Regelleistungsvolumen.

Hiergegen hat der Kläger am 20. Dezember 2010 Klage erhoben und weiterhin die Auffassung vertreten, es seien die tatsächlichen Fallzahlen in den Aufsatzquartalen zu berücksichtigen. Es fehle auch an einer Regelungskompetenz seitens des Vorstandes der Beklagten. Jedenfalls sei ihm wenigstens der Fachgruppendurchschnitt zuzugestehen. Der Beschluss des Erweiterten Bewertungsausschusses vom 27./28. August 2008 regele nicht den Übergang von Kooperationsformen, sondern die Fallzahlermittlung in entsprechenden Einzelpraxen und Berufsausübungsgemeinschaften. Damit sei keineswegs eine Entscheidung darüber getroffen worden, wie die Fallzahlen nach Beendigung einer Berufsausübungsgemeinschaft zu bestimmen seien. Er sei weiterhin der Auffassung, es fehle an einer Regelung hierfür. Wenn die Beklagte selbst auf die Vorlage einer entsprechenden Erklärung der Praxispartner hinweise, so mache dies deutlich, dass sie selbst keineswegs von der zwingenden Regelung des Bewertungsausschusses ausgehe. Die Beklagte hätte auch im Rahmen der Amtsermittlung die früheren Praxispartner befragen müssen.

Die Beklagte vertrat weiterhin der Auffassung, ihre Berechnung der RLV-relevanten Fallzahl entspreche den Vorgaben des Erweiterten Bewertungsausschusses und sei nicht zu beanstanden. Dieser Beschluss sei für sie bindend. Auch sei der Kläger trotz Änderung der Kooperationsform nicht mit einer neu gegründeten Praxis vergleichbar. Ihr Vorstandsbeschluss stelle eine Entscheidung zugunsten des Klägers dar, welche der Kläger jedoch nicht habe nutzen wollen. Auf die Rechtmäßigkeit dieses Beschlusses komme es daher nicht an.

Mit Urteil vom 16. November 2011 hat das Sozialgericht die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 5. August 2010 und unter Abänderung der Honorarbescheide für die Quartale I/09 und II/09, alle in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17. November 2010, verurteilt, den Kläger über seinen Antrag auf eine Sonderregelung zum Regelleistungsvolumen für die Quartale I/09 und II/09 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden.

Die zulässige Klage sei auch begründet, denn der Kläger habe einen Anspruch darauf, ihn über seinen Antrag auf eine Sonderregelung zum Regelleistungsvolumen und über seinen Honoraranspruch für die Quartale I/09 und II/09 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden.

Ausgehend von den gesetzlichen Vorgaben zum Regelleistungsvolumen führt das Sozialgericht zu den Rechtsgrundlagen weiter aus: Der Erweiterte Bewertungsausschuss hat in seiner 7. Sitzung am 27. und 28. August 2008 unter Teil F einen Beschluss gemäß § 87b Abs. 4 Satz 1 SGB V zur Berechnung und zur Anpassung von arzt- und praxisbezogenen Regelleistungsvolumen nach § 87b Abs. 2 und 3 SGB V gefasst (DÄBI. 2008 (Heft 38), A-1988, im Folgenden: EB7F). Nach Nr. 1.2 EB7F werden die Regelleistungsvolumina nach Maßgabe von 2. und 3. für das jeweilige Abrechnungsquartal ermittelt (Nr. 1.2.1 EB7F). Die Regelleistungsvolumen werden nach Maßgabe von 2. und 3. je Arzt ermittelt (Nr. 1.2.2 Abs. 1 EB7F). Für Vertragsärzte, die außer in ihrer Arztpraxis auch in einer oder mehreren Teilberufsausübungsgemeinschaften tätig sind, wird ein gesamtes Regelleistungsvolumen für die vom jeweiligen Vertragsarzt in der Arztpraxis und in der(n) Teilberufsausübungsgemeinschaft(en) erbrachten Leistungen ermittelt (Nr. 1.2.2 Abs. 2 EB7F). Nach Nr. 7 Anlage 2 EB7F gilt als Übergangsregelung, dass zur Umsetzung des Arztbezuges gemäß 1.2.2 die Bemessung des Regelleistungsvolumens mit den Arztfällen vorgegeben ist. Für das 1. und 2. Quartal 2009 sind die Arztfälle des 1. bzw. 2. Quartals 2008 zu verwenden. Die Kennzeichnung der Abrechnungen unter Angabe der Arztnummer eines Arztes gemäß § 44 Abs. 6 BMV-Ä bzw. § 34 Abs. 12 EKV wurde erst zum 3. Quartal 2008 eingeführt. Zur Bemessung der Anzahl der Arztfälle für das 1. und 2. Quartal 2009 werden daher die Abrechnungen des 1. bzw. 2. Quartals 2008 wie folgt ausgewertet:

a) In Einzelpraxen entspricht die Zahl der Arztfälle der Zahl der Behandlungsfälle.
b) In fachgleichen Berufsausübungsgemeinschaften und Praxen mit angestellten Ärzten der gleichen Arztgruppe entspricht die Zahl der Arztfälle je Arzt der Zahl der Behandlungsfälle der Arztpraxis dividiert durch die Anzahl der in der Arztpraxis zu berücksichtigenden Ärzte.
c) Die Zahl der Arztfälle in fachungleichen Berufsausübungsgemeinschaften und Praxen mit angestellten Ärzten anderer Arztgruppen werden nach der Zahl der abgerechneten arztgruppenspezifischen Versicherten-, Grund- und Konsiliarpauschalen bemessen. Für Ärzte des gleichen Fachgebiets wird die Zahl der Arztfälle je Arzt mit der Zahl der entsprechenden abgerechneten Versicherten-, Grund- und Konsiliarpauschalen bemessen.

Bei der Ermittlung des Regelleistungsvolumens eines Arztes ist der Umfang seiner Tätigkeit It. Zulassungs- bzw. Genehmigungsbescheid zu berücksichtigen (Nr. 1.2.3 EB7F). Die Zuweisung der Regelleistungsvolumina erfolgt praxisbezogen (Nr. 1.2.4 Satz 1 EB7F). Dabei ergibt sich die Höhe des Regelleistungsvolumens einer Arztpraxis aus der Addition der Regelleistungsvolumen je Arzt, die in der Arztpraxis tätig sind (Nr. 1.2.4 Satz 2 EB7F). Dem einer Arztpraxis zugewiesenen Regelleistungsvolumen steht die in der Arztpraxis abgerechnete Leistungsmenge gegenüber (Nr. 1.2.4 Satz 3 EB7F). Hierbei sind auch die Leistungen zu berücksichtigen, die von den beteiligten Vertragsärzten ggf. in Teilberufsausübungsgemeinschaften erbracht werden (Nr. 1.2.4 Satz 4 EB7F). Nach Nr. 2.1 Satz 1 EB7F kommen Regelleistungsvolumen für Ärzte der in Anlage 1 genannten Arztgruppen zur Anwendung. Dabei sieht der Beschluss vor, dass die Partner der Gesamtverträge Modifikationen (z. B. Differenzierungen oder Zusammenfassungen) von relevanten Arztgruppen vereinbaren können (Nr. 2 Anlage 1 EB7F). Fachärzte für Kinder-und Jugendmedizin mit (Versorgungs-)Schwerpunkt können durch die Kassenärztlichen Vereinigungen entsprechenden Arztgruppen zugeordnet werden (Nr. 3 Anlage 1 EB7F). Die Fachrichtung des Klägers wird in dieser Anlage genannt. Für Regelleistungsvolumen relevante Fälle sind nach Nr. 2.3 EB7F kurativ-ambulante Arzt- und Behandlungsfälle gemäß § 21 Abs. 1, Abs. lb Satz 1 und Abs. 2 BMV-Ä bzw. § 25 Abs. 1, Abs. l b Satz und Abs. 2 EKV, ausgenommen Notfälle im organisierten Notfalldienst (Muster 19a der Vordruckvereinbarung) und Überweisungsfälle zur Durchführung ausschließlich von Probenuntersuchungen oder zur Befundung von dokumentierten Untersuchungsergebnissen und Fälle, in denen ausschließlich Leistungen und Kostenerstattungen, die gemäß 2.2 nicht dem Regelleistungsvolumen unterliegen, abgerechnet werden. Die Höhe des Regelleistungsvolumens eines Arztes ergibt sich für die in Anlage 1 benannten Arztgruppen aus der Multiplikation des zum jeweiligen Zeitpunkt gültigen KV-bezogenen arztgruppenspezifischen Fallwertes (FW-AG) gemäß Anlage 2 und der Fallzahl des Arztes im Vorjahresquartal (Nr. 3.2.1 Satz 2 EB7F sowie Nr. 5 Anlage 2 EB7F).

Der Bewertungsausschuss hat ergänzend mit Wirkung zum 1. Januar 2009 bis zum 30. Juni 2009 beschlossen, dass die Höhe des zutreffenden Regelleistungsvolumens für arztgruppen- und schwerpunktgleiche Berufsausübungsgemeinschaften und Praxen mit angestellten Ärzten derselben Arztgruppe/desselben Schwerpunktes unter Berücksichtigung eines Aufschlages in Höhe von 10 % berechnet wird (Nr. 1. Beschluss des Bewertungsausschusses zur Änderung des Einheitlichen Bewertungsmaßstabs (EBM) sowie zur Neuordnung der vertragsärztlichen Vergütung im Jahr 2009 durch den Bewertungsausschuss nach § 87 Abs. 1 Satz 1 SGB V in seiner 164. Sitzung am 17. Oktober 2008, Teil B zur Neuordnung der vertragsärztlichen Vergütung, DÄBI. 2008 (Heft 48), A-2607, zitiert nach www.kbv.de/8157.html, im Folgenden B164B). Die Berechnung des arztgruppenspezifischen Fallwertes gemäß 3.2.1 erfolgt zunächst Schritt 1 - durch Ermittlung der arztgruppenspezifischen Anzahl der kurativ-ambulanten Arztfälle gemäß 2.3 des Vorjahresquartals (Nr. 4 Abs. 1 Anlage 2 EB7F). Der arztgruppenspezifische Fallwert - Schritt 2 — ist der Quotient aus dem arztgruppenspezifischen Anteil am RLV-Vergütungsvolumen eines Versorgungsbereichs (vgl. Nr. 3 Anlage 2 EB7F) und eben der arztgruppenspezifischen Anzahl der kurativ-ambulanten Arztfälle gemäß 2.3 des Vorjahresquartals (Nr. 4 Abs. 2 Anlage 2 EB7F). Auf Antrag des Arztes und nach Genehmigung durch die Kassenärztliche Vereinigung können Leistungen über das arzt-/praxisbezogene Regelleistungsvolumen hinaus mit den Preisen der regionalen Euro-Gebührenordnung vergütet werden (Nr. 3.4 Satz 1 EB7F). Über das Verfahren der Umsetzung einigen sich die Partner der Gesamtverträge (Nr. 3.4 Satz 2 EB7F). Als Kriterien zur Ausnahme von der Abstaffelung gibt der Beschluss (Nr. 3.4 Satz 3 EB7F) vor: Bei einer außergewöhnlich starken Erhöhung der Zahl der behandelten Versicherten aufgrund Urlaubs- und krankheitsbedingte Vertretung eines Arztes der eigenen Berufsausübungsgemeinschaft Urlaubs- und krankheitsbedingte Vertretung eines Arztes einer Arztpraxis in der näheren Umgebung der Arztpraxis Aufgabe einer Zulassung oder genehmigten Tätigkeit eines Arztes der eigenen Berufsausübungsgemeinschaft Aufgabe einer Zulassung oder genehmigten Tätigkeit eines Arztes in der näheren Umgebung der Arztpraxis eines außergewöhnlichen und/oder durch den Arzt unverschuldeten Grundes, der zu einer niedrigeren Fallzahl des Arztes im Aufsatzquartal geführt hat. Hierzu zählt z. B. Krankheit des Arztes. Für Neuzulassungen von Vertragsärzten und Umwandlung der Kooperationsform delegiert Nr. 3.5 Satz 1 EB7F die Beschlussfassung von Anfangs- und Übergangsregelungen auf die Partner der Gesamtverträge. Über das Verfahren der Umsetzung einigen sich die Partner der Gesamtverträge. Sofern nichts entsprechend anderes vereinbart wurde, gilt für Ärzte, die im Aufsatzzeitraum noch nicht niedergelassen waren (Neupraxen), das arztgruppendurchschnittliche Regelleistungsvolumen für das jeweilige Quartal (Nr. 3.5 Satz 2 und 3 EB7F). In Umsetzung seines Ankündigungsbeschlusses aus der 175. Sitzung am 27. Februar 2009 (DÄ 2009 (Heft 12), A-576) hat der Bewertungsausschuss mit Beschluss in seiner 180. Sitzung am 20. April 2009 zur Umsetzung und Weiterentwicklung der Regelungen zur Neuordnung der vertragsärztlichen Vergütung im Jahr 2009, Teil A "Änderung des Beschlusses zur Berechnung und zur Anpassung von arzt- und praxisbezogenen Regelleistungsvolumen nach § 87b Abs. 2 und 3 SGB V" (DÄ 2009 (Heft 19), A-942, im Folgenden: B180A) mit Wirkung zum 01. Juli 2009 — sofern in einer Region die Regelleistungsvolumina im 2. Quartal unter Vorbehalt zugewiesen wurden, können die nachfolgend angekündigten Maßnahmen in dem betroffenen KV-Bezirk auf Beschluss der Partner der Gesamtverträge bereits mit Wirkung zum 1. April 2009 in Kraft gesetzt werden; in diesem Fall sind die Berechnungen und Anpassungen von arzt- und praxisbezogenen Regelleistungsvolumen auf die Abrechnungen des 2., 3. und 4. Quartals 2008 aufzusetzen (Fußnote 1 B180A) - Anpassungen der im EB7F getroffenen Regelungen vorgenommen. Der Bewertungsausschuss wird nach Vorliegen der. Abrechnungsergebnisse des ersten Quartals 2009 diese prüfen und ggf. ergänzende Beschlüsse fassen. Auf der Grundlage dieser Regelungen im SGB V und des Bewertungsausschusses haben die Kassenärztliche Vereinigung Hessen und die Verbände der Primärkassen sowie die Ersatzkassen einen Honorarvertrag vom 13.12.2008 für die Zeit ab 01.01.2009 geschlossen (im Folgenden; HVV). In Abschnitt II HVV werden auf der Grundlage des EB7F, B164B und EB8Il (Beschluss des Erweiterten Bewertungsausschusses gemäß § 87 Abs. 4 SGB V in seiner 8. Sitzung am 23. Oktober 2008 zur Anpassung des Einheitlichen Bewertungsmaßstabs (EBM) sowie zur Neuordnung der vertragsärztlichen Vergütung im Jahr 2009, Teil A, DÄBI. 2008 (Heft 4), A 2602) weitgehend wortgleich die Regelungen des EB7F mit den Änderungen durch den B164B übernommen.

Maßgeblich für die Bemessung der Fallzahlen sei Abschnitt II Ziffer 3.5 HVV (Regelleistungsvolumen bei Neuzulassung und Umwandlung der Kooperationsform). Abschnitt II Ziffer 3.5 HVV treffe aber keine Regelung für die Umwandlung oder Auflösung einer Kooperationsform, sondern lediglich für Ärzte, die im Aufsatzzeitraum noch nicht niedergelassen waren. Ziff. 7 (Übergangsregelung) der Anlage 2 EB7F, worauf die Beklagte ihre Entscheidung stütze und wonach die Zahl der Arztfälle je Arzt in fachgleichen Berufsausübungsgemeinschaften der Zahl der Behandlungsfälle der Arztpraxis dividiert durch die Anzahl der in der Arztpraxis zu berücksichtigenden Ärzte entspreche, gelte nur für fortbestehende Arztpraxen. Die Beklagte erkenne selbst grundsätzlich einen Regelungsbedarf für die Fälle an, in denen die Aufteilung pro Behandler gerade nicht der tatsächlichen Aufteilung entspricht, weshalb ihr Vorstand die von der Beklagten angeführte Grundsatzentscheidung getroffen habe. Nach Ziffer 3.5 EB7F hätten aber die Partner der Gesamtverträge nicht nur für Neuzulassungen von Vertragsärzten, sondern auch für die Umwandlung der Kooperationsform Anfangs- und Übergangsregelungen zu beschließen. Wenn auch grundsätzlich der Bewertungsausschuss nach § 87b Abs. 4 SGB V das Verfahren zur Berechnung und zur Anpassung der Regelleistungsvolumina selbst zu regeln habe, so sei es noch zulässig, Detailregelungen an die Gesamtvertragsparteien zu delegieren (Hinweis auf SG Marburg, Urteil vom 6. Oktober 2010 - S 11 KA 189/10 - juris Rdnr. 119 f.), wenn dies auch im Hinblick auf fehlende regionale Besonderheiten der hier zu treffenden Regelung wenig Sinn mache.

Den Vorgaben des Erweiterten Bewertungsausschusses sei die Beklagte mit den übrigen Gesamtvertragsparteien aber nicht nachgekommen. Die fehlende Regelung könne auch angesichts der eindeutigen Vorgabe des Erweiterten Bewertungsausschusses nicht durch einen Vorstandsbeschluss ersetzt werden, da es sich nicht um eine Einzelfallentscheidung für einen atypischen Fall handele. Die besondere Lage nach Beendigung einer Gemeinschaftspraxis stelle keine unvorhersehbare Besonderheit oder unspezifische Härte dar. Vielmehr handele es sich um "typische", immer wieder auftretende Ausnahmefälle. Die für die Honorarverteilung wesentlichen Grundsätze müssten im HVV selbst geregelt werden und dürften nicht dem Vorstand der Kassenärztlichen Vereinigung im Wege von Einzelfallentscheidungen überlassen bleiben. Andernfalls würde es zu einer dem Gesetz widersprechenden Kompetenzverlagerung zum Vorstand sowie zum Unterlaufen der Einbeziehung der Krankenkassen in die Honorarverteilung kommen. Dies gelte erst recht seit der ab dem Jahre 2004 vorgeschriebenen vertraglichen Vereinbarung des HVV zwischen den Kassenärztlichen Vereinigungen und den Verbänden der Krankenkassen (vgl. BSG, Urteil vom 3. Februar 2010 - B 6 KA 1/09 R - SozR 4-2500 § 85 Nr. 50 = MedR 2010, 809 = USK 2010-53, juris Rdnr. 26 f.). Die Beklagte werde daher eine ergänzende Regelung für die Umwandlung der Kooperationsform und damit auch für die Auflösung bzw. das Ausscheiden aus einer Berufsausübungsgemeinschaft mit den Vertragspartnern des HVV zu vereinbaren haben. Dabei sei auch zu regeln, welche Aufteilung maßgeblich ist, wenn eine Erklärung von allen ehemaligen Partnern der Berufsausübungsgemeinschaft nicht vorgelegt werden kann, da eine solche Erklärung angesichts möglicherweise divergierender Interessen nicht immer zustande komme. Es könne auch die von der Beklagten praktizierte Aufteilung nach Vertragsbehandlern vereinbart werden. Ebenso sei es zulässig, auf vertragliche Vereinbarungen der Partner der Berufsausübungsgemeinschaft abzustellen.

Darüber hinaus fehle es an einer Regelung im HVV, die unterdurchschnittlich abrechnenden Praxen eine hinreichende Wachstumsmöglichkeit bis zum Fachgruppendurchschnitt ermögliche. Davon werde der Kläger betroffen, soweit ihm keine wenigstens durchschnittliche Fallzahl zustehen sollte. Das BSG habe wiederholt klargestellt, dass umsatzmäßig unterdurchschnittlich abrechnende Praxen die Möglichkeit haben müssten, zumindest den durchschnittlichen Umsatz der Arztgruppe zu erreichen. Dem Vertragsarzt müsse - wegen seines Rechts auf berufliche Entfaltung unter Berücksichtigung der sog. Honorarverteilungsgerechtigkeit die Chance bleiben, durch Qualität und Attraktivität seiner Behandlung oder auch durch eine bessere Organisation seiner Praxis neue Patienten für sich zu gewinnen und so legitimerweise seine Position im Wettbewerb mit den Berufskollegen zu verbessern. Daher sei allen Praxen mit unterdurchschnittlichen Umsätzen die Möglichkeit einzuräumen, durch Umsatzsteigerung jedenfalls bis zum Durchschnittsumsatz der Fachgruppe innerhalb von fünf Jahren aufzuschließen und damit ihre Praxis zu einer mit typischen Umsätzen auszubauen (Hinweis auf BSG, Urteil vom 3. Februar 2010 - B 6 KA 1/09 R - SozR 4-2500 § 85 Nr. 50 = MedR 2010, 809 = USK 2010-53, juris Rdnr. 14 f. m.w.N.). Einen weitergehenden Anspruch habe der Kläger aber nicht. Insbesondere könne er nicht verlangen, dass alle abgerechneten Fälle ohne Begrenzung zur Berechnung der Regelleistungsvolumina herangezogen werden.

Die Kammer schließe sich hierzu aus eigener Überzeugung der Rechtsprechung der 11. Kammer des Sozialgerichts Marburg an, wonach der HVV nicht hinreichend die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zu Praxen in der Aufbauphase berücksichtige, was auch für unterdurchschnittlich abrechnende Praxen gelte. Wer im Vorjahresquartal als Aufsatzquartal bereits zugelassen war, könne nach dem HVV nur die seinerzeit abgerechnete Fallzahl, unabhängig davon, ob und in welchem Umfang sie unter der durchschnittlichen Fallzahl liegt, erhalten. Eine Steigerung des Regelleistungsvolumens im Folgejahr sei daher nur möglich, wenn im aktuellen Quartal die Fallzahl im Vergleich zum Vorjahresquartal regelleistungswidrig gesteigert werden könne. Dies widerspreche nicht nur dem Zweck, möglichst auch eine Leistungsausweitung zu verhindern, sondern zwinge den Vertragsarzt dazu, zunächst vergütungslos Leistungen zu erbringen, um im Folgejahr seine Vergütung steigern zu können. Je geringer die RLV-relevante Fallzahl sei, um so prozentual höher sei der Teil der Leistungen, der zunächst ohne Vergütung erbracht werden müsse. Dies halte die Kammer ebenfalls für rechtswidrig (Hinweis auf SG Marburg, Urteil vom 6. Oktober 2010 - S 11 KA 189/10 - juris Rdnr. 111 ff. m.w.N.)

Das Fehlen der Regelung verletze den Kläger mit einer unterdurchschnittlichen Vergütung in seinen Rechten. Der Kläger erzielte in beiden Kassenbereichen in den streitbefangenen Quartalen ein Bruttohonorar in Höhe von 41.180,67EUR bzw. 39.023,01 EUR, demgegenüber betrage das Durchschnittshonorar der Fachgruppe 48.620,84 EUR bzw. 47.718,66 EUR und ist damit um 7.440,17 EUR bzw. 8.605,49 EUR höher.

Gegen dieses der Beklagten am 29. November 2011 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 27. Dezember 2011 Berufung eingelegt.

Ein in der mündlichen Verhandlung vom 28. November 2012 geschlossener Vergleich (zur Überprüfung der angegriffenen Bescheide nach dem Ergebnis eines anhängigen Revisionsverfahrens beim Bundessozialgericht) wurde von dem Kläger widerrufen, worauf mit Beschluss vom 7. Januar 2013 auf Antrag der Beteiligen das Ruhen des Verfahrens im Hinblick auf die seinerzeit anhängige Revision in dem Verfahren B 6 KA 44/12 R angeordnet wurde. Nachdem das Bundessozialgericht in dieser Sache mit Urteil vom 17. Juli 2013 entschieden hatte, wurde das Verfahren fortgesetzt. Die Beklagte hält an ihrer bisherigen Auffassung fest und sieht sich in der Frage der Wachstumsmöglichkeiten einer unterdurchschnittlich abrechnenden Praxis durch die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts bestätigt. Sie ist weiterhin der Auffassung, dass es einer weiteren Regelung im Honorarvertrag nicht bedarf und die Vorgehensweise der Beklagten somit auch rechtmäßig sei. Auch das Sozialgericht Marburg habe in seiner Entscheidung ausgeführt, dass eine ergänzende Regelung auch so ausgestaltet werden könne, wie sie von der Beklagten bereits praktiziert wird. Dementsprechend hielt bereits das Sozialgericht die Vorgehensweise der Beklagten dem Grunde nach für rechtmäßig. Auch der entscheidende Senat habe erkennen lassen, dass er die tatsächliche Vorgehensweise der Beklagten grundsätzlich nicht beanstanden würde. Schließlich sei zu berücksichtigen, dass dem Kläger der Zuschlag in Höhe von 10 % für Berufsausübungsgemeinschaften zuerkannt worden sei, obwohl er in Einzelpraxis tätig sei. Dem Kläger sei bereits im Antragsbescheid vom 5. August 2010 mitgeteilt worden, dass dies erfolgt sei, um die bis einschließlich des Quartals II/09 fehlende Generierungsmöglichkeit von Arztfallzahlen auszugleichen.

Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Marburg vom 16. November 2011 aufzuheben und die Klage insgesamt abzuweisen.

Der Kläger beantragt,
die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.

Er räumt ein, dass das Bundessozialgericht mit Urteil vom 17. Juli 2013 (B 6 KA 44/12 R) bestätigt hat, dass eine Regelung, die eine Steigerung des vertragsärztlichen Umsatzes durch Fallzahlerhöhungen für ein ganzes Jahr weitgehend ausschließt, nicht als unvertretbare und unverhältnismäßige Beschränkung des Wachstumsanspruchs der unterdurchschnittlich abrechnenden Praxen gewertet werden kann, vorliegend sei jedoch zu berücksichtigen, dass der jahrelange Aufbau des Patientenstammes gerade keine Berücksichtigung finde, da die tatsächlichen Fallzahlen, die mittels Auswertung der praxiseigenen Datenverarbeitung im Antragsverfahren vorgelegt worden sei, unberücksichtigt geblieben seien. Die Anforderung der Berufungsklägerin, eine gemeinsame Erklärung sämtlicher in Berufsausübungsgemeinschaft tätig gewesener Ärzte zu verlangen, um abweichende Fallzahlen bei der Bemessung des Regelleistungsvolumens zugrunde zu legen, finde keine gesetzliche oder sonstige Grundlage. Eine solche Regelung hätte zumindest im Honorarverteilungsvertrag geregelt werden müssen. Ein Vorstandsbeschluss reiche hierfür nicht aus, wie das SG zutreffend ausgeführt habe. Die nachträgliche Herbeiführung solcher Erklärungen sei für den Kläger unzumutbar. Soweit bekannt sei, gebe es nach wie vor keine Regelung im Honorarverteilungsvertrag zur Umgestaltung und Auflösung von Kooperationsgemeinschaften. Der Auftrag an die Vertragsparteien der Gesamtverträge sei diesbezüglich nicht umgesetzt worden, die Berufung sei daher zurückzuweisen.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den übrigen Inhalt der Gerichts- und beigezogenen Verwaltungsakten, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist, Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung der Beklagten hat keinen Erfolg.

Im Ergebnis zu Recht hat das Sozialgericht die Beklagte unter Aufhebung der angegriffenen Bescheide verpflichtet, über den Antrag des Klägers auf Erhöhung der für das RLV der Quartale I/09 und II/09 relevanten Fallzahl neu zu entscheiden.

Soweit das Sozialgericht seine Entscheidung damit begründet hat, dass es an einer Regelung im HVV fehle, die (sonstigen) unterdurchschnittlich abrechnenden Praxen eine hinreichende Wachstumsmöglichkeit bis zum Fachgruppendurchschnitt ermögliche, kann dem vor dem Hintergrund des Urteils des BSG vom 17. Juli 2013 (B 6 KA 44/12 R) nicht gefolgt werden, die im HVV vorgesehene Möglichkeit der Honorarsteigerung nach den (höheren) Fallzahlen des Vorjahres ist hiernach (auch) für unterdurchschnittlich abrechnende Praxen ausreichend. Dies steht zwischenzeitlich zwischen den Beteiligten auch nicht mehr im Streit.

Allein streitig ist zwischen den Beteiligten noch die Höhe der der Berechnung des RLV für die Quartale I/09 und II/09 zugrunde zu legenden Fallzahl und das ggf. hieraus resultierende höhere Honorar.

Nach eigener Prüfung der Sach- und Rechtslage schließt der Senat sich den überzeugenden Ausführungen des Sozialgerichts an, soweit dieses die angefochtenen Bescheide für rechtswidrig hält, und nimmt zur Vermeidung von Wiederholungen gemäß § 153 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) Bezug auf die mit der Berufung angegriffene Entscheidung. Die im Jahre 2009 für die Festsetzung des RLV geltende Rechtslage mit § 87b Abs. 2 SGB V, den Beschlüssen der erweiterten Bewertungsausschusses und dem HV 2009 hat das Sozialgericht zutreffend dargestellt und herausgearbeitet, dass eine Übergangsregelung zur Berechnung des RLV bei Umwandlung von Kooperationsformen nach Teil F Nr. 3.5 des Beschlusses des erweiterten Bewertungsausschusses vom 27./28. August 2008 und des Beschlusses vom 20. April 2009 von den Gesamtvertragspartnern zwingend zu beschließen war:

"3.5 Regelleistungsvolumen bei Neuzulassung und Umwandlung der Kooperationsform.

Die Partner der Gesamtverträge beschließen für Neuzulassungen von Vertragsärzten und Umwandlung der Kooperationsform Anfangs- und Übergangsregelungen. Über das Verfahren der Umsetzung einigen sich die Partner der Gesamtverträge. Sofern nichts entsprechend anderes vereinbart wurde, gilt für Ärzte, die im Aufsatzzeitraum noch nicht niedergelassen waren (Neupraxen), das arztgruppendurchschnittliche Regelleistungsvolumen für das jeweilige Quartal."

Der Wortlaut dieses Beschlussteils lässt auch zur Überzeugung des Senats keine andere Auslegung zu als diejenige, dass für die Phase des Übergangs auch Sonderregelungen für den Fall der Umwandlung der Kooperationsform herbeizuführen waren. Ermessen hatten die Partner der Gesamtverträge insoweit nicht (ebenso LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 30. April 2014, L 7 KA 21/12).

Schließlich hat das Sozialgericht zutreffend dargelegt, dass die danach erforderliche Sonderregelung für unterdurchschnittlich abrechnende Praxen nicht von Fall zu Fall durch den Vorstand der Beklagten getroffen werden kann, sondern es insoweit einer normativen Ergänzung bzw. Änderung des HVV bedarf. Die für die Honorarverteilung wesentlichen Grundsätze müssen im HVV selbst geregelt werden und dürfen nicht dem Vorstand der KÄV im Wege von Einzelfallentscheidungen überlassen bleiben (BSG SozR 3-2500 § 85 Nr. 32 S 245 f; BSGE 83, 52, 60 f = SozR 3-2500 § 85 Nr. 28 S 209 f; BSG SozR 3-2500 § 85 Nr. 31 S. 240). Andernfalls würde es zu einer dem Gesetz widersprechenden Kompetenzverlagerung von der Vertreterversammlung zum Vorstand sowie zum Unterlaufen der Einbeziehung der Krankenkassen in die Honorarverteilung kommen (BSGE 83, 52, 60 = SozR 3-2500 § 85 Nr. 28 S 210). Dies gilt erst recht seit der ab dem Jahre 2004 vorgeschriebenen vertraglichen Vereinbarung des HVV zwischen den KÄVen und den Verbänden der Krankenkassen (BSG Urteil vom 3. Februar 2010, B 6 KA 1/09 R, Rn. 26, 27).

Zwar ist der Vorstand der KÄV berechtigt, Ausnahmen für atypische Fälle vorzusehen (vgl. BSG SozR 3-2500 § 85 Nr. 31 S 241; BSG SozR 3-2500 § 85 Nr. 27 S 196; BSG SozR 3-2500 § 121 Nr. 4 S 20), da die Vertragspartner gar nicht in der Lage sind, alle atypischen Fallgestaltungen in ihrer Vereinbarung zu berücksichtigen. Die Kompetenz des Vorstandes ist dabei nicht auf die Statuierung von Ausnahmen für "echte Härten" beschränkt, sondern gilt generell für atypische Versorgungssituationen (BSG SozR 3 2500 § 85 Nr. 31 S 241; BSG SozR 3-2500 § 85 Nr. 27 S 196). Vorliegend geht es jedoch nicht um eine Regelung für "atypische" Ausnahmefälle (wie Urlaub oder Krankheit); die besondere Lage neu gegründeter Praxen stellt keine unvorhersehbare Besonderheit oder unspezifische Härte dar. Vielmehr handelt es sich um "typische" Ausnahmefälle, da die in der Anknüpfung an das Vorjahresquartal liegende Benachteiligung von Aufbaupraxen bei diesen regelhaft eintritt. Strukturelle Fehlfestlegungen im Rahmen der Honorarverteilung können nicht auf diesem Wege korrigiert werden.

Andere Honorarverteilungsverträge sahen eine entsprechende Übergangsregelung vor, wie z. B. der HV 2010 von Berlin in § 6 Abs. 6:

"Bei Ausscheiden eines Partners - mit Ausnahme des Job-Sharing-Partners - erhält der Ausscheidende bei Fortführung der ärztlichen Tätigkeit dasjenige RLV, welches er in die Berufsausübungsgemeinschaft/MVZ eingebracht hat bzw. während der Zusammensetzung realisiert hat. Der Vorstand der KV Berlin kann auf Antrag eine abweichende Festsetzung vornehmen, wenn der Antragsteller darlegt, dass ihm nachweislich eine höhere Fallzahl für die Berechnung des RLV’s zusteht. Zum Nachweis geeignet ist in der Regel der einvernehmlich abgeschlossene Gemeinschaftspraxisvertrag in seiner zuletzt gegenüber dem Zulassungsausschuss vorgelegten Fassung, die Gewinnverteilung bzw. Teilungserklärung." (zit. nach LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 30. April 2014, L 7 KA 21/12).

Insofern bestand auch für das Jahr 2009 ein tatsächlicher Regelungsbedarf, weil – wie die Regelung in § 6 Abs. 6 des HV 2010 zeigt – bei Auflösung einer Gemeinschaftspraxis neben einer Aufteilung des RLV nach den arztindividuell abgerechneten Fallzahlen auch eine Aufteilung nach anderen Maßstäben, etwa auf Grundlage einer vertraglichen Auseinandersetzungsvereinbarung, in Betracht kam.

Eine Erhöhung des RLV für die beiden streitigen Quartale und damit des dem Kläger zustehenden Honorars ist im Zuge einer Neubescheidung möglich, wenngleich nicht garantiert.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Absatz 1 Satz 1 SGG in Verbindung mit § 154 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung.

Die Revision war nicht zuzulassen, weil Zulassungsgründe nach § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen.
Rechtskraft
Aus
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