L 6 U 90/15

Land
Sachsen-Anhalt
Sozialgericht
LSG Sachsen-Anhalt
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
6
1. Instanz
SG Magdeburg (SAN)
Aktenzeichen
S 8 U 201/14
Datum
2. Instanz
LSG Sachsen-Anhalt
Aktenzeichen
L 6 U 90/15
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 2 U 1/17 R
Datum
-
Kategorie
Urteil
Der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Magdeburg vom 22. Juni 2015 sowie der Bescheid der Beklagten vom 22. April 2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15. Oktober 2014 werden aufgehoben. Das Ereignis vom 3. Februar 2014 wird als Arbeitsunfall festgestellt.

Die Beklagte trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Klägerin im Vorverfahren sowie für beide Rechtszüge.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist die Feststellung eines Ereignisses als Arbeitsunfall.

Die 1964 geborene Klägerin begab sich am 3. Februar 2014 zur Agentur für Arbeit (AA) M., um ihre am 31. Januar 2014 (mit Wirkung zum 14. Februar 2014) ausgesprochene Kündigung anzuzeigen und sich arbeitslos zu melden. Als sie gegen 11:15 Uhr das Dienstgebäude der AA auf dem Weg nach Hause verließ, wurde sie beim Überqueren einer Straße von einem Pkw angefahren. Hierbei erlitt die Klägerin nach dem Bericht des Städtischen Klinikums M. vom 12. März 2014, in dem sie sich vom 3. bis 19. Februar 2014 stationär befand, eine proximale Tibiafraktur mit Gelenkbeteiligung rechts, ein Schädel-Hirn-Trauma Grad I sowie multiple Prellungen.

Auf entsprechende Anfrage der Beklagten teilte die AA unter dem 9. April 2014 mit, die Klägerin habe sich am 3. Februar 2014 gemäß § 38 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Drittes Buch – Arbeitsförderung (SGB III) als arbeitsuchend gemeldet. Leistungen nach dem SGB III habe sie zu diesem Zeitpunkt nicht bezogen. Einer Weisung, Aufforderung, Bitte oder Empfehlung einer Dienststelle der Bundesagentur für Arbeit, diese oder eine andere Stelle aufzusuchen, sei die Klägerin nicht nachgekommen.

Mit Bescheid vom 22. April 2014 lehnte die Beklagte die Anerkennung des Ereignisses vom 3. Februar 2014 als Arbeitsunfall ab, da für die Klägerin zum Unfallzeitpunkt kein Versiche-rungsschutz nach § 2 Abs. 1 Nr. 14a) Siebtes Buch Sozialgesetzbuch – Gesetzliche Unfall-versicherung (SGB VII) bestanden habe. Der Rückweg von der erstmaligen Arbeitslosmeldung nach Hause sei eine eigenwirtschaftliche Verrichtung und stehe damit nicht unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung.

Hiergegen erhob die Klägerin am 5. Mai 2014 Widerspruch und trug vor, mit ihrer persönlichen Meldung als arbeitslos sei sie ihrer Verpflichtung aus § 38 Abs. 1 SGB III nachgekommen und habe zugleich einen Antrag auf Arbeitslosengeld gestellt. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) bestehe ab diesem Zeitpunkt Unfallversicherungsschutz (Urteil vom 11. September 2001 – B 2 U 5/01 RSozR 3-2700 § 2 Nr. 3).

Mit Widerspruchsbescheid vom 15. Oktober 2014 wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück.

Am 30. Oktober 2014 hat die Klägerin vor dem Sozialgericht (SG) M. unter Vertiefung ihres Vorbringens Klage erhoben. Sie habe im Sinne von § 2 Abs. 1 Nr. 14a) SGB VII der Melde-pflicht unterlegen. Denn die Verpflichtung aus den §§ 38 Abs. 1, 141 Abs. 1 SGB III treffe auch Personen, die von Arbeitslosigkeit bedroht seien. Im Rahmen der Registrierung bei der AA seien ihr mehrere Unterlagen übergeben worden. Im Anschluss habe ein Vermittlungs-gespräch stattgefunden. Die Zuführung zur Vermittlung stelle sich als Aufforderung dar, zur Arbeitsvermittlung zur Verfügung zu stehen (BSG, Urteil vom 6. Dezember 1994 – 2 RU 4/94SozR 3-2200 § 539 Nr. 32). Der Meldung bei der AA wäre eine weitere Vorstellung wegen eines Vermittlungsgesprächs gefolgt. Ein solches sei hier direkt erfolgt, so dass der unfall-bringende Weg unter Versicherungsschutz gestanden habe.

Die Beklagte ist bei ihrer Ansicht geblieben.

Mit Gerichtsbescheid vom 22. Juni 2015 hat das SG die Klage abgewiesen und hierzu in den Gründen ausgeführt: Ein Arbeitsunfall liege nicht vor, weil die Klägerin zum Unfallzeitpunkt nicht nach § 2 Abs. 1 Nr. 14a) SGB VII unter Unfallversicherungsschutz gestanden habe. Denn nicht versichert sei insoweit die erstmalige Arbeitslosmeldung, so dass Personen, die sich – wie die Klägerin – entsprechend ihrer aus § 37b SGB III (in der bis zum 31. Dezember 2008 gültigen Fassung) resultierenden Verpflichtung frühzeitig arbeitslos meldeten, nicht erfasst seien. Im Unterschied zu dem Sachverhalt im Urteil des BSG vom 11. September 2001 (s.o.) fehle es hier im Übrigen an einer Aufforderung seitens der AA.

Gegen den ihr am 26. Juni 2015 zugestellten Gerichtsbescheid hat die Klägerin am 13. Juli 2015 beim Landessozialgericht Sachsen-Anhalt Berufung eingelegt und ergänzend vorge-tragen: Nach der Erfassung als arbeitslos und persönlichen Registrierung seien ihr die Besucherkarte sowie verschiedene Formulare (Veränderungsmitteilung, Antrag auf Arbeits-losengeld, Merkblatt, Arbeitsbescheinigung) ausgehändigt worden. Danach sei sie von der Sachbearbeiterin der AA (der Zeugin K.) gebeten worden, zum Zwecke eines Vermittlungs-gesprächs so lange im Warteraum Platz zu nehmen, bis sie vom Arbeitsvermittler aufgerufen werde. Dem sei sie nachgekommen. Das Vermittlungsgespräch habe ca. eine halbe Stunde beansprucht. Anschließend habe sie das Dienstgebäude verlassen, um mit ihrem Pkw den Heimweg anzutreten. Die Aufforderung, sich zum Vermittler zu begeben, habe eine Zäsur dargestellt. Sie habe sich danach nicht mehr aufgrund der ursprünglichen Meldung bei der AA aufgehalten, sondern um ein Vermittlungsgespräch zu führen. Demnach habe Versiche-rungsschutz nach § 2 Abs. 1 Nr. 14a) SGB VII bestanden. Im Übrigen stehe ein Meldepflich-tiger nach Nr. 2.1 Abs. 5 Satz 10 der Durchführungsanweisung der Bundesagentur für Arbeit zu § 2 SGB VII (Stand 12/2010 – DA zu § 2 SGB VII) dann unter Unfallversicherungsschutz, wenn er sich bei der Agentur – ohne hierzu aufgefordert worden zu sein – vorstelle und diese Vorsprache als Meldung anerkannt werde, weil der Zweck der an sich für einen späteren Zeitpunkt vorgesehenen Meldung erreicht werde. Hier wäre der ersten Meldung wegen des Vermittlungsgesprächs eine weitere Vorsprache gefolgt. Dies habe sich durch den Sofortzu-gang zur Arbeitsvermittlung erübrigt.

Die Klägerin beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Magdeburg vom 22. Juni 2015 sowie den Bescheid der Beklagten vom 22. April 2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15. Oktober 2014 aufzuheben und das Ereignis vom 3. Februar 2014 als Arbeitsunfall festzustellen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält die Entscheidung des SG für zutreffend. Ob im Anschluss an die erstmalige Arbeits-losmeldung ein Vermittlungsgespräch stattgefunden habe, sei unerheblich. Denn der Rückweg teile das Schicksal des Hinwegs zur erstmaligen Meldung, der nicht versichert sei. Beide Wege seien versicherungsrechtlich – entsprechend den Grundsätzen der Rechtsprechung zur gemischten Motivationslage bzw. gespaltenen Handlungstendenz (BSG, Urteil vom 9. November 2010 – B 2 U 14/10 R – SozR 4-2700 § 8 Nr. 39; Urteil vom 12. Mai 2009 – B 2 U 12/08 RSozR 4-2700 § 8 Nr. 33) – als Einheit zu betrachten. Im Übrigen habe keine besondere an die Klägerin gerichtete Aufforderung vorgelegen, bei der AA vorstellig zu werden. Da die Klägerin am Unfalltag noch nicht arbeitslos gewesen sei, habe sie schließlich nicht der allgemeinen Meldepflicht nach § 309 SGB III unterlegen. Daher habe auch keine Sanktionsmöglichkeit bestanden.

Der Senat hat von der AA die Leistungsakten der Klägerin beigezogen, wonach diese im Anschluss an die zum 14. Februar 2014 ausgelaufene Lohnfortzahlung im Krankheitsfall bis zum 9. November 2014 Krankengeld erhalten hatte.

Schließlich hat der Berichterstatter im Erörterungstermin am 19. April 2016 die Zeuginnen L. sowie K. vernommen, wegen deren Angaben im Einzelnen auf Bl. 93 f. der Gerichtsakten Bezug genommen wird. Daneben hat die Klägerin die Empfangs- bzw. Beratungsvermerke der AA vom 3. Februar 2014 vorgelegt.

Die Zeugin L. hat im Wesentlichen erklärt, ein Kunde werde fernmündlich und außerdem schriftlich eingeladen, wenn er zu einem Vermittlungsgespräch erscheinen soll. Seit etwa Ende 2013 bestehe für den Kunden nach der Meldung als arbeitslos auch die Option, in einem Sofortgespräch über die Möglichkeiten der Arbeitsvermittlung Auskunft zu erhalten. Inhaltlich handele es sich hierbei um ein Vermittlungsgespräch, in welchem die Fähigkeiten und Qualifikationen des Kunden erfasst und die Chancen auf dem Arbeitsmarkt abgeklärt würden.

Die Zeugin K. hat im Wesentlichen angegeben, bei der Meldung eines Kunden als arbeitslos werde nach Erfassung der erforderlichen Daten (im Erstgespräch) sogleich geprüft, ob die Möglichkeit eines Sofortzugangs zu einem Vermittlungsgespräch bestehe. Der Kunde werde dann gebeten, in der Wartezone Platz zu nehmen, bis er vom Vermittler aufgerufen werde. Sei ein solcher Sofortzugang nicht möglich, erhalte der Kunde entweder sogleich einen Termin für ein Vermittlungsgespräch bzw. diesen nachfolgend schriftlich mitgeteilt. Derjenige, der mit dem Kunden das Erstgespräch führe, müsse nicht notwendig der nachfolgend zuständige Vermittler sein. Ein Erstgespräch beanspruche ca. 20 bis 30 Minuten. Zwischen ihm und dem Sofortzugang zum Vermittler könnten auch längere Wartezeiten liegen.

Die Beteiligten haben ihr Einverständnis mit einer Entscheidung des Rechtsstreits ohne mündliche Verhandlung erklärt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der beigezogenen Akten der Beklagten sowie der AA verwiesen. Diese Unterlagen waren Gegenstand der Beratung und Entscheidungsfindung des Senats.

Entscheidungsgründe:

Der Senat konnte nach § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ohne mündliche Verhandlung entscheiden, weil die Beteiligten dem zugestimmt haben.

Die nach § 143 SGG statthafte, form- sowie fristgerecht eingelegte (§ 151 Abs. 1 SGG) und auch ansonsten zulässige Berufung hat Erfolg.

Der Bescheid der Beklagten vom 22. April 2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15. Oktober 2014 beschwert die Klägerin im Sinne der §§ 157, 54 Abs. 2 Satz 1 SGG, weil sie Anspruch auf Anerkennung des Ereignisses vom 3. Februar 2014 als Arbeitsunfall hat.

Arbeitsunfälle sind nach § 8 Abs. 1 Satz 1 SGB VII Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach den §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit). Unfälle sind zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führen (§ 8 Abs. 1 Satz 2 SGB VII). Für die Anerkennung eines Unfalls als Arbeitsunfall ist danach in der Regel erforderlich, dass die Verrichtung des Versicherten zur Zeit des Unfalls seiner versicherten Tätigkeit zuzurechnen ist (sachlicher bzw. innerer Zusammenhang), sie zu dem zeitlich begrenzten, von außen auf den Körper einwirkenden Ereignis – dem Unfallereignis – geführt hat, und dieses Unfallereignis einen Gesundheitserstschaden oder den Tod des Versicherten verursacht hat (siehe z.B. BSG, Urteil vom 4. September 2007 – B 2 U 24/06 RSozR 4-2700 § 8 Nr. 24, m.w.N.; Urteil vom 5. September 2006 – B 2 U 24/05 RSozR 4-2700 § 8 Nr. 18).

Diese Voraussetzungen sind erfüllt.

Zunächst handelte es sich bei dem Ereignis vom 3. Februar 2014 um einen Unfall im Sinne von § 8 Abs. 1 Satz 2 SGB VII, der bei der Klägerin auch zu Gesundheitsschäden u.a. in Form eines kniegelenksnahen Schienbeinbruchs rechts geführt hat. Ihre zum Zeitpunkt des Unfallereignisses ausgeübte Verrichtung – das Überqueren der Straße zwecks Benutzung des eigenen Pkw´s für die Heimfahrt – stand auch im sachlichen Zusammenhang mit einer versicherten Tätigkeit. Denn es handelte sich insoweit um das Zurücklegen eines nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 SGB VII versicherten Weges.

Nach dieser Vorschrift steht u.a. das Zurücklegen des mit der versicherten Tätigkeit nach den §§ 2, 3 und 6 SGB VII zusammenhängenden unmittelbaren Weges von dem Ort der Tätigkeit unter Versicherungsschutz. Begründet wird dieser Versicherungsschutz damit, dass derartige Wege nicht aus privaten Interessen, sondern wegen der versicherten Tätigkeit, also mit einer auf diese bezogenen Handlungstendenz unternommen werden (siehe nur BSG, Urteil vom 2. Dezember 2008 – B 2 U 17/07 RSozR 4-2700 § 8 Nr. 28). Eine solche auf eine versicherte Tätigkeit gerichtete Motivation der Klägerin ist gegeben. Denn sie legte den konkret unfallbringenden Weg zurück, um von einer nach § 2 Abs. 1 Nr. 14a) SGB VII versicherten Tätigkeit nach Hause zu gelangen.

Gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 14a) SGB VII (hier anwendbar in der Fassung des Vierten Gesetzes zur Änderung des Vierten Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze vom 22. Dezember 2011, BGBl. I, 3057) sind gesetzlich u.a. Personen unfallversichert, die nach den Vorschriften des SGB III der Meldepflicht unterliegen, wenn sie einer besonderen, an sie im Einzelfall gerichteten Aufforderung der Bundesagentur für Arbeit nachkommen, diese oder eine andere Stelle aufzusuchen. So liegt es hier. Die Klägerin unterlag zum Zeitpunkt des Unfalls einer Meldepflicht nach dem SGB III und handelte aufgrund einer besonderen Aufforderung im Sinne der Vorschrift.

Die Klägerin unterfiel im Zeitpunkt des Unfalls zwar nicht der allgemeinen Meldepflicht nach § 309 Abs. 1 SGB III, weil sie aufgrund ihres bis zum 14. Februar 2014 bestehenden Beschäftigungsverhältnisses noch nicht arbeitslos war. Für sie galt aber § 38 Abs. 1 Satz 2 SGB III, wonach u.a. Personen, deren Arbeitsverhältnis endet, verpflichtet sind, sich innerhalb von drei Tagen nach Kenntnis des Beendigungszeitpunktes ihres Arbeitsverhältnisses persönlich bei der Agentur für Arbeit arbeitsuchend zu melden, wenn zwischen der Kenntnis des Beendigungszeitpunktes und der Beendigung des Arbeitsverhältnisses weniger als drei Monate liegen. Auch diese Pflicht stellt eine Meldepflicht nach den Vorschriften des SGB III dar und wird damit von § 2 Abs. 1 Nr. 14a) SGB VII erfasst (a.A. Ricke in: KassKomm, Stand Juni 2015, § 2 SGB VII Rn. 78). Denn dass unter Meldepflicht "nach den Vorschriften des Zweiten oder des Dritten Buches" nicht allein – soweit es das SGB III anbelangt – die allgemeine Meldepflicht des § 309 Abs. 1 SGB III zu verstehen ist, ergibt sich bereits aus dem Wortlaut des § 2 Abs. 1 Nr. 14a) SGB VII. Dieser enthält nämlich keine diesbezügliche Einschränkung und ist damit offen auf die nach dem SGB III bestehenden Meldepflichten angelegt. Daraus und aus dem Sinn und Zweck der Vorschrift, Personen Unfallversicherungsschutz zu gewähren, die sich aufgrund eines bestehenden öffentlich-rechtlichen Rechtsverhältnisses nicht ohne Weiteres einer konkreten Verpflichtung entziehen können, die eine Beziehung zum Arbeitsleben aufweist, folgt, dass alle so beschaffenen Meldepflichten von § 2 Abs. 1 Nr. 14a) SGB VII eingeschlossen sind (so ausdrücklich BSG, Urteil vom 5. Februar 2008 – B 2 U 25/06 RSozR 4-2700 § 2 Nr. 11).

Im Übrigen gilt für Arbeitsuchende § 309 SGB III entsprechend (§ 38 Abs. 1 Satz 6 SGB III). Dass die Klägerin am 3. Februar 2014 noch kein Arbeitslosengeld bezog, ist unerheblich. Denn die Meldepflicht setzt weder dies noch überhaupt voraus, dass der materiell-rechtliche Anspruch auf Arbeitslosengeld begründet ist (so schon BSG, Urteil vom 22. September 1966 – 2 RU 82/62BSGE 25, 214). Vielmehr beginnt sie, wenn der Wille zum Ausdruck gebracht wird, Arbeitslosengeld zu beanspruchen. Das war hier der Fall. Danach kommt Versicherungsschutz in der gesetzlichen Unfallversicherung ab der persönlichen Arbeitslos-meldung in Betracht (BSG, Urteil vom 11. September 2001 – B 2 U 5/01 RSozR 3-2700 § 2 Nr. 3 unter Hinweis auf § 323 Abs. 1 Satz 2 SGB III).

Allein die Erfüllung der Verpflichtung aus § 38 Abs. 1 Satz 2 SGB III reicht für einen Unfall-versicherungsschutz jedoch nicht aus. Auch insoweit muss – ebenso wie im Fall des § 309 Abs. 1 SGB III – die Befolgung einer Aufforderung im Sinne von § 2 Abs. 1 Nr. 14a) SGB VII hinzukommen (vgl. BSG, Urteil vom 24. Juni 2003 – B 2 U 45/02 R – juris). Auch das ist hier gegeben. Denn die von der Zeugin K. gegenüber der Klägerin geäußerte Bitte, im Wartebe-reich Platz zu nehmen, bis die Klägerin von der Arbeitsvermittlerin aufgerufen werde, stellt eine "Aufforderung" im Sinne von § 2 Abs. 1 Nr. 14a) SGB VII dar. Dieser ist die Klägerin auch nachgekommen und hat sich anschließend zur Vermittlerin begeben, was einem "Aufsuchen" im Sinne der Norm gleichsteht.

Rechtsgrund für den Schutz in der gesetzlichen Unfallversicherung sind das Rechtsverhältnis zur Arbeitsverwaltung und die sich aus ihm ergebenden Pflichten. Den meldepflichtigen Personen soll bei der Erfüllung der im Interesse einer geordneten Arbeitsvermittlung liegenden Meldepflicht und bei Herstellung der von der Verwaltung für erforderlich gehaltenen persönlichen Kontakte Unfallversicherungsschutz in gleicher Weise zuteilwerden, wie ihn ein Arbeitnehmer in Bezug auf den Weg hin und zurück zum Arbeitsplatz und den Aufenthalt dort hat (BSG, Urteil vom 8. Dezember 1994 – 2 RU 4/94 – s.o.). Es handelt sich quasi um das Korrelat zu den rechtlichen Nachteilen, die ein Arbeitsloser erfährt, wenn er sich der Meldepflicht entzieht (vgl. Becker, Sozialrecht aktuell 2009, 95 ff.). Ein allgemeiner Unfallver-sicherungsschutz für Arbeitslose und Arbeitssuchende geht damit allerdings nicht einher, zumal die Erlangung eines Arbeitsplatzes vor allem auch im Interesse des Arbeitslosen steht. Ausgenommen vom Versicherungsschutz sind daher allgemeine Hinweise, Empfehlungen oder die Aushändigung von Merkblättern (siehe BT-Drs.13/2204, S. 75).

Anknüpfend hieran setzt eine "besondere" "Aufforderung" "im Einzelfall" im Sinne von § 2 Abs. 1 Nr. 14a) SGB VII die Äußerung eines auf Herbeiführung einer Rechtswirkung gerichteten Willens voraus. Maßstab zur Beurteilung, ob eine bestimmte Verlautbarung eine derartige Willenserklärung darstellt, ist nicht, was die auffordernde Stelle äußern wollte, sondern wie der Inhalt der Verlautbarung vom "Empfängerhorizont" aus betrachtet objektiv zu verstehen ist. Entscheidend ist, ob ein verständiger Beteiligter unter Berücksichtigung der gesamten Begleitumstände des Einzelfalls billigerweise annehmen durfte, das betreffende Verlangen entspreche seiner Meldepflicht. Auch eine mit einer Bitte oder Empfehlung umschriebene Äußerung kann demnach eine Aufforderung sein, sofern nur der Eindruck vermittelt wird, es werde ein bestimmtes Verhalten erwartet. Ein (stillschweigendes) Einverständnis oder eine Anregung bzw. Ausführung in einem Merkblatt genügen folglich nicht. Welcher Zweck mit der Aufforderung verfolgt wird bzw. aus welchem Grund sie ergeht, ist für den Unfallversicherungsschutz dagegen irrelevant, da § 2 Abs. 1 Nr. 14a) SGB VII insoweit keine Einschränkung enthält und der generelle Zweck der Vermittlung in Ausbildung und Arbeit sehr weit gefasst ist (BSG, Urteil vom 5. Februar 2008 – B 2 U 25/06 R – a.a.O.; Urteil vom 24. Juni 2003 – B 2 U 45/02 R – juris; Urteil vom 8. Dezember 1994 – 2 RU 4/94 – a.a.O.; Urteile des Senats vom 11. Oktober 2012 – L 6 U 6/10 –, 25. Mai 2011 – L 6 U 123/07 – und 14. April 2011 – L 6 U 99/06 – jeweils juris).

Nach diesen Maßstäben ist eine Aufforderung im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 14a) SGB VII gegeben.

Der Senat ist mit den glaubhaften Angaben der Klägerin überzeugt, dass diese am 3. Februar 2014 zum Ende des Erstgesprächs von der Zeugin K. aufgefordert wurde, zum Zwecke eines Vermittlungsgesprächs im Dienstgebäude der AA zu bleiben. Dem ist die Klägerin nachgekommen und hat das Vermittlungsgespräch anschließend (mit der Arbeitsvermittlerin H.) durchgeführt. Dies ergibt sich neben der Schilderung der Klägerin zunächst aus den Empfangs- und Beratungsvermerken der AA vom 3. Februar 2014. Denn nach diesen sind der Klägerin im Erstgespräch nach der Arbeitslosmeldung sowie Identitäts- und Verfügbarkeitsprüfung von der Zeugin K. nicht nur die o.g. Formulare ausgehändigt worden. Vielmehr ist dort auch ausdrücklich festgehalten, dass die Klägerin "im Rahmen des Sofort-zugangs direkt an den Bewerberbetreuer weitergeleitet" wurde. Dass aufgrund einer solchen Weiterleitung tatsächlich das Vermittlungsgespräch stattfand, folgt aus dem entsprechenden Vermerk der Vermittlerin H.

Wenngleich die Zeugin K. bei ihrer Vernehmung am 19. April 2016 an den Termin mit der Klägerin am 3. Februar 2014 keine konkrete Erinnerung mehr hatte, was dem Senat wegen der täglich mehrfach mit verschiedenen Personen durchgeführten Erstgespräche der Zeugin nicht nur angesichts des Zeitablaufs als lebensnah einleuchtet, hat sie auf Vorhalt ihres Vermerks dessen Richtigkeit in der Sache doch bestätigt. Ebenso ist die dort verzeichnete Uhrzeit (10:24) von ihr als Abschluss des Aufnahmegesprächs eingeordnet worden. Dazu passt der weitere zeitliche Verlauf einschließlich des Unfallzeitpunkts, zumal zwischen Erstgespräch und Sofortzugang zum Vermittler nach den Angaben der Zeugin K. auch (längere) Wartezeiten liegen können. Denn nach dem um 10:24 Uhr beendeten Erstgesprächs dauerte das Vermittlungsgespräch laut der Klägerin ca. eine halbe Stunde. Das ist angesichts des von der Zeugin L. geschilderten Inhalts eines solchen Gesprächs (Erfassung der Fähigkeiten und Qualifikationen sowie ausgehend davon Prüfung der Chancen auf dem Arbeitsmarkt), der entsprechend im Vermerk der Sachbearbeiterin H. Niederschlag findet (u.a. Stellengesuch als Kauffrau im Gesundheitswesen aufgenommen, Lebenslauf sowie Fähigkeiten überprüft und aktualisiert), auch nachvollziehbar.

Nach diesem Ablauf durfte ein verständiger Dritter in der konkreten Situation der Klägerin davon ausgehen, dass er der Aufforderung der Zeugin K. Folge zu leisten hat. Dass der Klägerin der Eindruck einer verpflichtenden, zumindest aber erwünschten Wahrnehmung des Sofortzugangs vermittelt wurde, wird durch die sonstigen Bekundungen der Zeuginnen (mittelbar) weiter bestätigt. So hat die Zeugin L. erklärt, dass dem "Kunden" bei der AA seit etwa Ende 2013 angeboten wird, nach der Meldung als arbeitslos sogleich ein Vermittlungs-gespräch im Sinne eines Sofortzugangs durchzuführen. Werde diese Option nicht genutzt, werde dem Betroffenen in Form einer schriftlichen Einladung mitgeteilt, wann er zum Vermittlungsgespräch erscheinen soll. Entsprechend hat sich die Zeugin K. geäußert und ebenfalls angegeben, dass der "Kunde" nach Prüfung der Möglichkeit eines Sofortzugangs zum Vermittlungsgespräch gebeten werde, in der Wartezone Platz zu nehmen, bis er vom Vermittler aufgerufen wird. Auch diese Zeugin hat erklärt, dass der Termin für ein Vermitt-lungsgespräch ansonsten schriftlich mitgeteilt werde.

Dass dann, wenn der Betroffene nach erfolgter Arbeitslosmeldung schriftlich separat eine Einladung erhält, wann er zum Vermittlungsgespräch erscheinen soll, eine Aufforderung zum Aufsuchen der Bundesagentur für Arbeit im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 14a) SGB VII vorliegt, zieht auch die Beklagte nicht in Zweifel. Nach den Schilderungen der Zeuginnen ist zwischen einem Aufsuchen einer Dienststelle der Bundesagentur für Arbeit aufgrund der Einladung zu einem solchen später stattfindenden Vermittlungsgespräch und der Vermittlung im Wege eines Sofortzugangs indessen kein relevanter Unterschied erkennbar, der eine abweichende rechtliche Bewertung rechtfertigt. Auch beim Sofortzugang liegt eine Einladung zum Vermitt-lungsgespräch – nämlich durch Aufzeigen dieser Option sogleich im Anschluss an die Arbeitslosmeldung – vor. Wenngleich sich eine nochmalige Vorsprache zwecks Durchführung des Vermittlungsgesprächs erübrigt, begibt sich der Betroffene – nach entsprechendem Aufruf – zum Vermittler, womit es ebenso beim "Aufsuchen" im Sinne von § 2 Abs. 1 Nr. 14a) SGB VII verbleibt.

Dass der Klägerin der Termin des Vermittlungsgesprächs nach dem Ende des Erstgesprächs nicht nochmals schriftlich mitgeteilt wurde, rechtfertigt weder eine abweichende rechtliche Bewertung noch ist dies für die Qualifizierung als Aufforderung überhaupt von Belang. Denn die Form einer Aufforderung ist unerheblich; sie kann schriftlich, mündlich oder telefonisch erfolgen und muss auch nicht mit dem Begriff "Aufforderung" umschrieben sein (vgl. nochmals BSG, Urteil vom 11. September 2001 – B 2 U 5/01 R – a.a.O.). Im Übrigen war der Termin seitens der Zeugin K. zumindest insoweit vorgegeben, als der Sofortzugang zum Vermittlungsgespräch am 3. Februar 2014 von dieser initiiert worden ist. Dadurch, dass die Klägerin sich hiermit einverstanden erklärte, wird das Vorliegen einer Aufforderung im Sinne von § 2 Abs. 1 Nr. 14a) SGB VII nicht beseitigt, Denn dass im Bereich des öffentlichen Verwaltungshandelns (insbesondere der Arbeitsverwaltung) gegenüber dem Bürger Rege-lungen seit längerem statt im – als nicht mehr zeitgemäß empfundenen – Befehlston mittels höflicher Formulierungen erfolgen, ändert nichts an ihrer Verbindlichkeit. Auch hier haben beide Zeuginnen plastisch vor allem den Begriff des "Kunden" verwandt (statt des Arbeitsu-chenden, Arbeitslosen, Leistungsempfängers). Ebenso wenig ändert die Aussprache von "Einladungen" durch die AAen deren Charakter als Aufforderung.

Was schließlich den von der Beklagten angesprochenen Umstand anbelangt, dass konkret keine Konsequenzen für den Fall der Nichtwahrnehmung des Sofortzugangs angedroht wurden, ändert auch dies nichts an der Aufforderung. Denn eine Androhung von Sanktionen oder sonstigen Nachteilen ist für die Annahme einer den Bürger bindenden Aufforderung aus dessen Sicht jedenfalls dann nicht erforderlich, wenn die eventuellen Nachteile einer Nicht-beachtung – wie z.B. die Verzögerung oder sogar Ablehnung des Arbeitslosengeldantrags – als mögliche Konsequenz zumindest erst später aufklärbarer Anspruchsvoraussetzungen ohne weiteres ersichtlich sind (siehe nochmals BSG, Urteil vom 11. September 2001 – B 2 U 5/01 R – a.a.O.). Dies galt hier umso mehr, als das Arbeitsverhältnis der Klägerin nur noch elf Tage andauerte.

Letztlich entspricht der vorliegende Sofortzugang zur Vermittlung einer Situation, wie sie in Nr. 2.1 Abs. 5 Satz 10 der DA zu § 2 SGB VII beschrieben wird. Die am Ende des Erstgesprächs an die Klägerin erfolgte "Bitte", sich bis zum Aufruf durch den Vermittler im Wartebereich verfügbar zu halten, bedeutete eine Zäsur dergestalt, dass nunmehr eine besondere, an die Klägerin gerichteten Aufforderung zum Aufsuchen einer Dienststelle der Bundesagentur für Arbeit im Sinne von § 2 Abs. 1 Nr. 14a) SGB VII vorlag. Damit sind die Voraussetzungen von § 8 Abs. 2 Nr. 1 SGB VII und insgesamt diejenigen eines Arbeitsunfalls erfüllt.

Nichts anderes ergibt sich unter Berücksichtigung der von der Beklagten angeführten Rechtsprechung zur gemischten Motivationslage bzw. gespalteten Handlungstendenz, da das Geschehen auch insoweit durch das versicherte Vermittlungsgespräch geprägt war. Zwar hätte allein die unversicherte erste Meldung ebenso wie eine unmittelbar erfolgte Rückkehr hiervon wahrscheinlich nicht zum Unfall geführt. Abzustellen ist insoweit jedoch nicht auf hypothetische Geschehensabläufe. Vielmehr ist rechtlich maßgeblich, ob die konkrete zum Unfallzeitpunkt ausgeübte Verrichtung nach ihrer tatsächlichen Ausgestaltung ihren Grund in der versicherten Handlungstendenz findet. Es ist zu fragen, ob die Verrichtung, so wie sie durchgeführt wurde, objektiv die versicherungsbezogene Handlungstendenz erkennen lässt (so ausdrücklich BSG, Urteil vom 9. November 2010 – B 2 U 14/10 R – a.a.O.), Das ist hier der Fall. Denn nur weil die Klägerin zum Vermittlungsgespräch aufgefordert worden war, ist sie überhaupt noch im Dienstgebäude der AA geblieben. Als sie dieses nach dem Vermittlungsgespräch verließ, war ihr Wille allein auf die Rückkehr von diesem versicherten Gespräch nach Hause gerichtet. Irgendwelche anderweitigen – privaten – Motive sind insoweit weder von der Beklagten behauptet noch sonst ersichtlich.

Auch aus den sonstigen Grundsätzen der Wegeunfallversicherung lässt sich entgegen der Sichtweise der Beklagten nicht ableiten, dass ein Rückweg versicherungsrechtlich immer das Schicksal des Hinwegs teilt, weil beide als Einheit zu betrachten seien. Im Gegenteil kann ein sich nach Wiederaufnahme der versicherten Tätigkeit anschließender Heimweg selbst dann ein versicherter Weg im Sinne von § 8 Abs. 2 Nr. 1 SGB VII sein, wenn die vorangegangene erneute Fahrt zum Betrieb allein privatwirtschaftlich motiviert war. Weder der Wortlaut der Norm noch Sinn und Zweck der Unfallversicherung sprechen dafür, den Versicherungsschutz des Rückweges vom Ort der versicherten Tätigkeit stets davon abhängig zu machen, dass der Hinweg ein versicherter Weg war (so ausdrücklich BSG, Urteil vom 14. November 2013 – B 2 U 27/12 R – SozR 4-2700 § 8 Nr. 51, m.w.N.).

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

Der Senat hat die Revision zugelassen, weil die Frage eines Versicherungsschutzes gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 14 a) SGB VII nach Durchführung eines sich unmittelbar an die Arbeitslosmeldung anschließenden Vermittlungsgesprächs im Sinne eines von der AA initiierten Sofortzugangs, der nach den Zeugenangaben nicht selten vorkommt, klärungsbedürftig erscheint (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG).
Rechtskraft
Aus
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