L 3 AL 60/12

Land
Freistaat Sachsen
Sozialgericht
Sächsisches LSG
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Leipzig (FSS)
Aktenzeichen
S 11 AL 413/07
Datum
2. Instanz
Sächsisches LSG
Aktenzeichen
L 3 AL 60/12
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Zur fehlenden Verfügbarkeit einer Person, die als freier Mitarbeiter auf Honorarbasis für eine Rundfunkanstalt tätig ist, in den Tagen ohne Tätigkeit für die Rundfunkanstalt.
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Leipzig vom 11. August 2007 wird zurückgewiesen.

II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger erstrebt die Verpflichtung der Beklagten, ihm im Zeitraum vom 15. Februar 2006 bis zum 18. Juli 2007 Arbeitslosengeld nach § 117 des Sozialgesetzbuches Drittes Buch – Arbeitsförderung – (SGB III) in der vom 1. Januar 2005 bis zum 31. Dezember 2007 geltenden Fassung (vgl. Artikel 1 Nr. 62 des Gesetzes vom 23. Dezember 2003 [BGBl. I S. 2848]) zu bewilligen.

Der am 1970 geborene Kläger ist seit Januar 2004 beim M Rundfunk (MDR) als Techniker/Kameraassistent als freier Mitarbeiter auf Honorarbasis tätig. Nach der Arbeitsbescheinigung des MDR vom 10. März 2006 war er im Zeitraum vom 2. Februar 2004 bis zum 21. Dezember 2004 an 281 Tagen für den MDR tätig und erzielte ein beitragspflichtiges Bruttoarbeitsentgelt in Höhe von 36.065,82 EUR (durchschnittlich ca. 3.277,00 EUR monatlich). Vom 1. Januar 2005 bis zum 31. Dezember 2005 war er an 279 Tagen für den MDR tätig und erzielte ein beitragspflichtiges Bruttoarbeitsentgelt in Höhe von 46.325,56 EUR (ca. 3.860,00 EUR monatlich).

Am 15. Februar 2006 meldete sich der Kläger bei der Beklagten arbeitslos und beantragte die Bewilligung von Arbeitslosengeld.

Mit Bescheid vom 4. April 2006 und Widerspruchsbescheid vom 1. Juni 2006 lehnte die Beklagte den Antrag ab. Der Kläger sei als abhängig Beschäftigter beim MDR tätig. Die Anwartschaftszeit als eine der Voraussetzungen für den Anspruch auf Arbeitslosengeld habe er erfüllt. Die Voraussetzungen für die Bewilligung von Arbeitslosengeld seien aber deshalb nicht gegeben, weil der Kläger nicht arbeitslos geworden sei. Bei der Beschäftigung beim MDR sei von einem fortlaufenden ununterbrochenen Beschäftigungsverhältnis auszugehen, in dem es typischerweise nach der getroffenen Honorarvereinbarung zu planbaren und voraussehbaren Unterbrechungen der tatsächlichen Tätigkeit komme. Dabei handele es sich jedoch nicht um Zeiten, in denen das Beschäftigungsverhältnis unterbrochen sei, da es regelmäßig vorhersehbar zu diesen Unterbrechungen komme. Arbeitslos im Sinne des Gesetzes habe der Kläger nur dann sein können, wenn das Beschäftigungsverhältnis mit dem MDR geendet hätte, das heißt der MDR auf seine Dispositionsbefugnis gegenüber dem Kläger verzichtet hätte. Unter Berücksichtigung der Beschäftigung des Klägers beim MDR ab dem 1. Januar 2004 sei aber festzustellen, dass ein durchgängiges Beschäftigungsverhältnis vorliege.

Den Antrag des Klägers vom 2. März 2007 auf Überprüfung nach § 44 des Sozialgesetzbuch Zehntes Buch – Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz – (SGB X) lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 15. März 2007 und Widerspruchsbescheid vom 18. Juli 2007 ab.

Die Klage vom 17. August 2007 hat das Sozialgericht Leipzig mit Urteil vom 11. Dezember 2007 abgewiesen. Zutreffend sei die Beklagte davon ausgegangen, dass es sich bei den Arbeitseinsätzen des Klägers als freier – selbständiger – Mitarbeiter um eine stetige und damit um eine abhängige Beschäftigung gehandelt habe. Ausgehend von der Vielzahl der Beschäftigungstage und der Einsätze habe zwischen dem Kläger und dem MDR jederzeit der Wille bestanden, das Beschäftigungsverhältnis fortzusetzen. Aus den vorliegenden Übersichten aus den abgemeldeten und den Beschäftigungstagen, spätestens ab Anfang 2004, sei festzustellen, dass der Kläger nahezu durchweg in der Mehrzahl der Monate im überwiegenden Maße seine Arbeitskraft dem MDR zur Verfügung gestellt habe. Daher könne davon ausgegangen werden, dass die Aussetzzeiten wesentlich geringer ausgefallen seien als die Beschäftigungszeiten. Eine Dienstbereitschaft des Klägers habe im Grundsatz fortbestanden und nicht jede kurzfristige Unterbrechung der Arbeit rechtfertige demnach den Anspruch auf Bewilligung von Arbeitslosengeld. Der Kläger habe selbst vorgetragen, dass er seine Urlaubsplanung bekanntgegeben und er bei einer bestimmten Anzahl von Beschäftigungstagen dem Haustarifvertrag des MDR unterlegen habe. Es handele sich somit nicht nur um mehrere befristete Arbeits- bzw. Beschäftigungsverhältnisse, sondern um ein durchgängiges Beschäftigungsverhältnis. Ein Dauerarbeitsverhältnis könne auch vorliegen, wenn sich die einzelnen Arbeitseinsätze von Anbeginn an in gewissen Abständen vereinbarungsgemäß wiederholten. Es genüge, dass den Beziehungen zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer ein Rahmenvertrag zugrunde liege oder eine sonstige – auch stillschweigende – Abrede, aus der sich ergebe, dass die Rechtsbeziehung auf Dauer angelegt sein soll. Auch wenn solche ausdrücklichen Vereinbarungen über das Bestehen eines Dauerrechtsverhältnisses fehlten, könne bei der Aufnahme in einen Kreis immer wieder Beschäftigter oder zur Verfügung stehender Personen trotz anfänglicher beiderseitiger Unverbindlichkeit ein Dauerarbeitsverhältnis entstehen. Zusammenfassend sei festzustellen, dass sich unter Beachtung der Vielzahl der Beschäftigungs- und Einsatztage des Klägers sowie der Höhe des erzielten Einkommens Beschäftigungslosigkeit im genannten Zeitraum nicht ergebe und ein Anspruch auf Bewilligung von Arbeitslosengeld nicht bestehe.

Gegen das ihm am 18. Januar 2008 zugestellte Urteil richtet sich die Berufung des Klägers vom 11. Februar 2008. Er macht geltend, nicht als abhängig Beschäftigter tätig gewesen zu sein. Es fehle schon am Bestehen eines Direktionsrechts des MDR. Er sei frei in der Entscheidung gewesen, ob er in einer Produktion mitwirke oder nicht. Auf der anderen Seite habe er keine Beschäftigungsgarantie durch den MDR erhalten. Dass er in der Jahresrückschau für den streitigen Zeitraum in der Mehrzahl der Monate für Produktionen des MDR tätig gewesen sei, könne ihm nicht im Nachhinein zum Vorwurf gemacht werden. Eine diesbezügliche Sicherheit, auch in Zukunft in diesem Umfang herangezogen zu werden, habe er als freier Mitarbeiter gerade nicht. Vertragliche Vereinbarungen mit dem MDR seien auf die jeweilige Beschäftigungszeit beschränkt gewesen, eine ständige Dienstbereitschaft habe nicht vorgelegen. Der MDR sei nicht berechtigt gewesen und sei weiter nicht berechtigt, ihn, den Kläger, einseitig zu Dienstleistungen heranzuziehen. Vielmehr habe es seiner Zustimmung bedurft. Er sei jederzeit berechtigt, Einsätze abzulehnen. Eine Planbarkeit und Vorhersehbarkeit der Unterbrechung bestehe nicht. Wegen der Begründung im Einzelnen wird auf den Inhalt der vom Kläger eingereichten Schriftsätze Bezug genommen.

Der Kläger beantragt,

unter Aufhebung des Urteils des Sozialgerichts Leipzig vom 11. Dezember 2007 den Bescheid der Beklagten vom 4. April 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 1. Juni 2006 und den Bescheid der Beklagten vom 15. März 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18. Juli 2007 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger für den Zeitraum ab 15. Februar 2006 bis zum 18. Juli 2007 für Tage der Aussetzzeiten Arbeitslosengeld zu bewilligen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält ihre Verwaltungsentscheidungen sowie das erstinstanzliche Urteil für rechtlich zutreffend.

Der Senat hat zur weiteren Aufklärung des Sachverhalts die aus der weiteren Tätigkeit des Klägers für den MDR resultierenden Unterlagen beigezogen. Danach hat der Kläger im Anschluss an seine Arbeitslosmeldung im Jahr 2006 in der Kalenderwoche 7 an einem Arbeitstag fünf Stunden, in der Kalenderwoche 8 an zwei Arbeitstagen 19 Stunden, in der Kalenderwoche 9 an vier Arbeitstagen 41,5 Stunden, in der Kalenderwoche 10 an zwei Arbeitstagen 10,5 Stunden, in der Kalenderwoche 11 an vier Arbeitstagen 43 Stunden, in der Kalenderwoche 12 an drei Arbeitstagen 36 Stunden und in der Kalenderwoche 13 an drei Arbeitstagen 25,5 Stunden gearbeitet. Die Tätigkeit des Klägers setzt sich im weiteren Verlauf in vergleichbarer Weise fort. Weiter hat der Senat den Kläger in der mündlichen Verhandlung vom 8. Oktober 2015 zu seinem Begehren angehört. Unter anderem hat der Kläger ausgeführt, er habe sich nicht auf (andere) Stellen beworben. Die Bundesagentur für Arbeit habe ihm auch keine "entsprechenden" Stellen angeboten.

Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt des beigezogenen Verwaltungsvorgangs, der Gerichtsakten beider Rechtszüge sowie der vom Kläger vorgelegten Unterlagen zu seinem Beschäftigungsverhältnis verwiesen.

Entscheidungsgründe:

I. Die zulässige Berufung ist unbegründet.

Zu Recht hat die Beklagte mit Bescheid vom 15. März 2007 und Widerspruchsbescheid vom 18. Juli 2007 das Überprüfungsbegehren des Klägers abgelehnt. Der zur Überprüfung gestellte Bescheid vom 4. April 2006 und der Widerspruchsbescheid vom 1. Juni 2006 sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten. Ihm steht der geltend gemachte Anspruch auf Bewilligung von Arbeitslosengeld für Tage ohne Tätigkeit für den MDR nicht zu.

Vorliegend bedarf es keiner Entscheidung, ob zwischen dem Kläger und dem MDR ein Dauerarbeitsverhältnis bestand. Festzuhalten bleibt insoweit aber zunächst, dass die zeitliche Nähe der aufeinanderfolgenden, terminlich zuvor einvernehmlich festgelegten Tätigkeiten und der ersichtliche Wille der Vertragsparteien, die Beziehungen fortzusetzen, der Beschäftigung des Klägers beim MDR den Charakter der Regelmäßigkeit zu verleihen geeignet sind (vgl. BSG, Urteil vom 28. April 1982 – 12 RK 1/80 – SozR 2200 § 168 Nr. 6 = juris RdNr. 70). Sind die Kriterien erfüllt, bei deren Vorliegen arbeitsrechtlich aus einzelnen befristeten Arbeitseinsätzen – nach gewisser Zeit – ein Dauerarbeitsverhältnis entsteht, ist auch sozialversicherungsrechtlich von einem Dauerbeschäftigungsverhältnis und damit – hinsichtlich der Zwischenzeiten – von Beschäftigungszeiten auszugehen (vgl. BSG, Urteil vom 3. Dezember 1998 – B 7 AL 108/97 RSozR 3-4100 § 104 Nr. 16 = juris RdNr. 20).

Der vom Kläger geltend gemachte Anspruch scheitert aber bereits am Fehlen der weiteren Kriterien der "Arbeitslosigkeit". Arbeitslos im Sinne von § 119 Abs. 1 SGB III in der hier anzuwendenden, vom 1. Januar 2005 bis zum 31. März 2012 geltenden Fassung (vgl. Artikel 1 Nr. 62 des Gesetzes vom 23. Dezember 2003 [BGBl. I S. 2848]) war ein Arbeitnehmer, der 1. nicht in einem Beschäftigungsverhältnis stand (Beschäftigungslosigkeit), 2. sich bemühte, seine Beschäftigungslosigkeit zu beenden (Eigenbemühungen) und 3. den Vermittlungsbemühungen der Agentur für Arbeit zur Verfügung stand (Verfügbarkeit).

Vorliegend entfaltete der Kläger weder Eigenbemühungen noch war er verfügbar.

Das Fehlen von Eigenbemühungen räumte der Kläger in der mündlichen Verhandlung vom 8. Oktober 2015 auf Frage des Senats ein. Er gab an, sich weder auf andere Dauerarbeitsplätze beworben noch Initiativbewerbungen unternommen zu haben. Wörtlich führte er aus: "Solche Bewerbungen habe ich nicht gemacht."

Der Kläger war auch nicht verfügbar. Die Verfügbarkeit setzt nach der Rechtsprechung des Senats (vgl. Sächs. LSG, Urteil vom 19. November 2009 – L 3 AL 234/05 – juris RdNr. 50, m. w. N.) voraus, dass der freie Mitarbeiter während einer Aussetzzeit erkennbar bereit und in der Lage ist, nicht nur befristete Beschäftigungen, sondern auch längere Dauerbeschäftigungen auszuüben. Diese Bereitschaft ist beim Kläger gerade nicht erkennbar. Im Gegenteil entsprach es dem Wunsch des Klägers, seine Arbeitskraft insgesamt dem MDR zur Verfügung zu stellen. Zur Planung der Einsätze des Klägers übersandte der MDR diesem mit jeweils einem Vorlauf von einem Monat ein Formblatt, in dem jeder einzelne Tag des Monats im Ankreuzverfahren in der Spalte "Einsatzwunsch" markiert werden konnte. So meldete der Kläger etwa am 1. Februar 2006 einen Einsatzwunsch für ausnahmslos jeden einzelnen Tag des Monats März 2006 an. In der gleichen Weise ging er in den Folgemonaten vor. In der mündlichen Verhandlung vom 8. Oktober 2015 auf die Verpflichtung, sich bundesweit zur Verfügung zu stellen, angesprochen, ließ er sich dahingehend ein, dass überwiegend befristete Beschäftigungsverhältnisse angeboten würden und es "kaum jemanden" geben dürfte, der deshalb bereit sei, den Wohnort zu wechseln. Dies in Zusammenschau mit dem bereits dargestellten Umstand, dass der Kläger sich auf andere Stellen nicht beworben hat, verdeutlicht, dass dem Kläger nicht daran gelegen war, seine – durchaus lukrative – Tätigkeit für den MDR infrage zu stellen. Er stand mithin für andere Tätigkeiten in dem für ihn in Betracht kommenden Segment des allgemeinen Arbeitsmarktes nicht zur Verfügung.

II. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

III. Die Revision wird nicht zugelassen, weil Gründe dafür (vgl. § 160 Abs. 2 SGG) nicht vorliegen.

Dr. Scheer Ri inVGH Protz ist wegen der Beendigung der Abordnung an das Sächsische Landessozialgericht an der Beifügung der Unterschrift gehindert Höhl

Dr. Scheer
Rechtskraft
Aus
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