L 7 SO 3057/12

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
7
1. Instanz
SG Mannheim (BWB)
Aktenzeichen
S 9 SO 2057/11
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 7 SO 3057/12
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Verpflichteter im Sinne von § 74 SGB XII kann nur sein, wer der Kostenlast (Kosten der Bestattung) nicht ausweichen kann, weil sie ihn rechtlich notwendig trifft. Eine Übernahme der Bestattungskosten aus sittlicher Verpflichtung begründet keinen Kostenerstattungsanspruch gegen den Sozialhilfeträger.
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 26. Juni 2012 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind in beiden Rechtszügen nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die Übernahme der Kosten für die Bestattung der am 3. Februar 2011 in H. verstorbenen C. R. (i.F. Ch.R.).

Der 1945 geborene ledige Kläger war seinem Vorbringen zufolge der Lebensgefährte der Ch.R. (geb. 1939); diese war ebenfalls nicht verheiratet gewesen und hatte auch keine eigenen Abkömmlinge. Ch.R. war seit vielen Jahren an Multipler Sklerose erkrankt gewesen; bis zu ihrer Aufnahme in das "Seniorenheim L." in H. im Jahr 2008 hatte sie in einer Wohnung in H. gelebt, während der Kläger, im Verlauf des Jahres 2005 aus O. kommend, in H. eine gesonderte Wohnung bezogen hatte. Für Ch.R. war eine Betreuung durch eine Berufsbetreuerin angeordnet gewesen. Für die Heimentgelte war die Beklagte unter Berücksichtigung der Renteneinkünfte der Ch.R. bis Januar 2011 aufgekommen.

Am 24. Januar 2011 berichtete der Kläger der Beklagten fernmündlich, dass Ch.R., die am 18. Januar 2011 stationär in das Krankenhaus St. V. in H. aufgenommen worden war, im Sterben liege. Im Rahmen des besagten Ferngesprächs erhielt der Kläger mit Bezug auf die Bestattungskosten von der Beklagten die Auskunft, dass er einen Antrag auf Übernahme der Kosten stellen könne, wenn er Erbe der Ch.R. geworden sei. Diese Auskunft wurde am 4. Februar 2011 nochmals fernmündlich wiederholt, nachdem der Kläger der Beklagten an diesem Tag telefonisch das Versterben der Ch.R. mitgeteilt hatte. Die Beklagte belehrte den Kläger ferner im Schreiben vom 4. Februar 2011, mit dem sie zugleich einen Antragsvordruck übersandte sowie weitere Unterlagen verlangte, über eine Verpflichtung der Erben sowie nachrangig der Unterhaltsverpflichteten zur Tragung der Bestattungskosten. Am 7. Februar 2011 wurde der Kläger bei seinem erneuten Anruf nochmals darauf hingewiesen, dass eine "Beihilfe" nur gewährt werden könne, wenn dessen Erbenstellung aus der Nachlassakte hervorgehe. Bei dieser Gelegenheit gab der Kläger noch an, dass in Belgien ein Bruder der Ch.R. sowie deren Mutter lebe.

Am 3. März 2011 ging schließlich der vom Kläger am 1. März 2011 unterzeichnete Formantrag bei der Beklagten ein. Zu diesem Antrag reichte der Kläger u.a. die Rechnung des Bestattungsinstituts vom 8. Februar 2011 (2.426,40 Euro), die Anzeigenrechnung der Tageszeitung vom 10. Februar 2011 (267,84 Euro), den Gebührenbescheid für Friedhofs- und Bestattungskosten vom 23. Februar 2011 (2.055,00 Euro) sowie die Quittung einer Gärtnerei vom 3. März 2011 (115,00 Euro) ein. Das Notariat H. teilte der Beklagten unter dem 9. März 2011 mit, dass eine letztwillige Verfügung der Ch.R. nicht vorhanden sei; dem Vorgang beigefügt war ein - nach den Angaben des Klägers erstellter - Sterbefallbericht des Nachlassbeamten, in dem nochmals davon die Rede war, dass Angehörige der Ch.R. (Mutter, Halbbruder) in B. wohnhaft seien.

Mit Bescheid vom 24. März 2011 lehnte die Beklagte die Übernahme der Bestattungskosten von Ch.R. ab, weil der Kläger nicht deren Erbe geworden, ihr auch nicht zum Unterhalt verpflichtet gewesen sei und ferner eine Bestattungspflicht seinerseits nach öffentlich-rechtlichen Vorschriften nicht bestanden habe. Mit seinem Widerspruch machte der Kläger geltend, er habe als "Freund und Partner" der Verstorbenen gehandelt und die Bestattung anstelle der ansonsten verpflichteten Ordnungsbehörde vorgenommen; hieraus sei ein Anspruch aus Geschäftsführung ohne Auftrag (GoA) entstanden. Mit Widerspruchsbescheid vom 30. Mai 2011 wurde der Widerspruch des Klägers im Wesentlichen mit der Begründung zurückgewiesen, dieser sei nicht mit Ch.R. verheiratet und damit nicht nach Bestattungsrecht bestattungspflichtig gewesen; eine sittliche oder moralische Verpflichtung reiche nicht aus. Ungeachtet dessen sei das Vorliegen einer eheähnlichen Gemeinschaft im Rahmen der vorausgegangenen Hilfegewährung stets verneint worden.

Deswegen hat der Kläger am 8. Juni 2011 Klage zum Sozialgericht Mannheim (SG) erhoben. Zur Begründung hat er ausgeführt, Ch.R. habe kein Vermögen und auch keinen Nachlass gehabt und ebenso wenig ein Testament hinterlassen. Als überlebende Verwandte habe Ch.R. einen in B. wohnhaften Halbbruder sowie ihre 94-jährige Mutter gehabt, die sich in B. in einem Pflegeheim befunden und zu welcher sie seit Jahren keinen Kontakt mehr gehabt habe. Er - der Kläger - sei Verpflichteter im Sinne des § 74 SGB XII gewesen. Er habe die Bestattung anstelle der ansonsten verpflichteten Beklagten vorgenommen, sodass ein Anspruch aus GoA entstanden sei; der erforderliche Fremdgeschäftsführungswille habe vorgelegen. Weil er nicht davon ausgegangen sei, dass die entstehenden Kosten aus dem Nachlass bestritten werden könnten, habe er sich schon vor dem Tod von Ch.R. an die Beklagte gewandt und bereits einen Tag nach deren Ableben die Übernahme der Bestattungskosten beantragt. Das SG hat den Kläger im Termin zur Erörterung des Sachverhalts vom 7. Februar 2012 angehört; dieser hat noch eine Quittung einer Gärtnerei vom 27. August 2011 (65,00 Euro) sowie einen Auftrag an ein soziales Dienstleistungsunternehmen zur Entrümpelung des Zimmers in dem Seniorenheim am 18. Februar 2011 (Pauschale 80,00 Euro) übergeben. Zum Beleg dafür, dass er der Lebensgefährte der Ch.R. gewesen sei, hat der Kläger außerdem weitere Unterlagen zu den Akten gereicht. Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten; sie hat Auszüge aus den sozialhilferechtlichen Vorakten vorgelegt.

Mit Urteil vom 26. Juni 2012 hat das SG die Klage abgewiesen, jedoch der Beklagten die Erstattung von einem Drittel der außergerichtlichen Kosten des Klägers auferlegt. In den Entscheidungsgründen hat es im Wesentlichen ausgeführt, für die vorliegende Klage sei der Rechtsweg zu den Sozialgerichten gegeben (§ 51 Abs. 1 Nr. 6a des Sozialgerichtsgesetzes (SGG)), denn hierfür sei es ausreichend, wenn zumindest die Möglichkeit bestehe, dass der streitige Anspruch auf Sozialhilferecht beruhen könne. Die Klage sei jedoch unbegründet, weil sich der geltend gemachte Anspruch weder aus § 74 SGB XII noch aus der auch im Öffentlichen Recht zu beachtenden GoA ergebe. Inhaber des sozialhilferechtlichen Anspruchs aus § 74 SGB XII sei allein derjenige, der die Bestattungskosten zu tragen habe; dies treffe vorliegend unter keinem erdenklichen Gesichtspunkt zu. Auch eine GoA scheide als Anspruchsgrundlage aus; denn § 74 SGB XII beinhalte nach Auffassung des Gerichts für den entsprechenden Sachverhalt eine abschließende Regelung. Im Übrigen dürfte einer polizei- oder bestattungsrechtlichen GoA auch entgegenstehen, dass der Kläger, soweit ersichtlich, mit der zuständigen Polizei- bzw. Bestattungsbehörde keinen Kontakt aufgenommen habe und deshalb von einer "aufgenötigten" GoA auszugehen sei. Bezüglich der Kostenentscheidung sei zu beachten gewesen, dass die Beklagte weder in den Gründen der Ausgangsentscheidung noch im Widerspruchsbescheid auf die Ausführungen des Klägers zur GoA eingegangen sei und durch ihr Verwaltungshandeln die Klageerhebung zumindest mitveranlasst habe.

Gegen dieses der Prozessbevollmächtigten des Klägers am 4. Juli 2012 zugestellte Urteil richtet sich seine am 18. Juli 2012 beim Landessozialgericht eingelegte Berufung. Zur Begründung hat der Kläger ausgeführt, er habe Ch.R. bis zur Aufnahme in das Seniorenheim langjährig in Ergänzung des für sie tätigen Pflegedienstes versorgt und gepflegt. Er falle als "Lebenspartner" unter § 31 Abs. 1 i.V.m. § 21 Abs. 1 des Bestattungsgesetzes Baden-Württemberg (BestattG BW). Darüber hinaus sei auch ein Anspruch aus GoA entstanden; der erforderliche Fremdgeschäftsführungswille habe vorgelegen. Zumindest der Teil, den die Beklagte ohnehin für eine ordnungsgemäße Bestattung hätte aufwenden müssen, könne ihm nicht versagt werden. Er sei Rentner und erhalte ergänzend Wohngeld; um seinen Lebensunterhalt bestreiten zu können, arbeite er an sieben Tagen in der Woche nachts in der Universitätsbibliothek H. als Aufsicht. Zur Zahlung der Kosten für die Beerdigung von Ch.R. habe er seine Ersparnisse verwendet und aufgebraucht.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 26. Juni 2012 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 24. März 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 30. Mai 2011 zu verurteilen, die erforderlichen Kosten für die Bestattung der C. R. zu übernehmen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt die streitbefangenen Bescheide sowie das angefochtene Urteil mit Ausnahme der dortigen Kostenentscheidung. Aus § 31 Abs. 1 i.V.m. § 21 Abs. 1 Nr. 1 BestattG BW ergebe sich keine öffentlich-rechtliche Bestattungspflicht, weil die nichteheliche Lebensgemeinschaft in § 21 BestattG BW nicht erwähnt sei; mit dem Lebenspartner in Abs. 1 Nr. 1 2. Alt. der Vorschrift sei der gleichgeschlechtliche Partner im Sinne des § 1 des Lebenspartnerschaftsgesetzes (LPartG) gemeint. Der Kläger sei die Verpflichtung mithin aus freien Stücken eingegangen. Das von diesem herangezogene Urteil des Verwaltungsgerichts (VG) H. vom 31. Mai 2001 sei schon deswegen für den vorliegenden Fall nicht nachvollziehbar, weil nach den damaligen niedersächsischen Bestattungsgesetzen der Personenkreis der Bestattungspflichtigen nicht geregelt gewesen sei. Ferner lägen die Voraussetzungen der GoA nicht vor; die Bestimmung des § 74 SGB XII habe abschließenden Charakter. Der Kläger habe im Übrigen die Aufgabe der Ordnungsbehörde übernommen, ohne diese davor in Kenntnis zu setzen und ohne dass er sich auf Grund rechtswidriger Weigerung derselben dazu habe verpflichtet sehen können. Den Gebührenbescheid vom 23. Februar 2011 habe der Kläger vollständig bezahlt; nicht beglichen sei dagegen bislang die Rechnung des Bestattungsinstituts.

Zur weiteren Darstellung wird auf die Verwaltungsakte der Beklagten, die Klageakte des SG und die Berufungsakte des Senats Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung des Klägers hat keinen Erfolg.

Die Berufung des Klägers ist zulässig. Sie ist gemäß § 151 Abs. 1 SGG form- und fristgerecht eingelegt worden sowie statthaft (§ 143 SGG), weil die Berufungsausschlussgründe des § 144 Abs. 1 SGG nicht entgegenstehen. Die Berufung ist jedoch nicht begründet.

Dem Begehren des Klägers stehen Sachurteilsvoraussetzungen nicht entgegen; das nach § 78 Abs. 1 Satz 1 SGG erforderliche Vorverfahren ist abgeschlossen. Auch sonst bestehen keine Zulässigkeitsbedenken. Dass der Kläger nur ein Grundurteil (§ 130 Abs. 1 SGG) erstrebt, ist bei dem auf eine Geldleistung gerichteten Kostenübernahmeanspruch nach § 74 SGB XII zulässig (vgl. Bundessozialgericht (BSG) BSGE 104, 219 = SozR 4-3500 § 71 Nr. 1 (jeweils Rdnr. 26); ferner BSGE 109, 61 = SozR 4-3500 § 74 Nr. 2 (jeweils Rdnr. 14)). Richtige Beklagte ist die Stadt H. als Stadtkreis; denn sie ist die für die Gewährung der erstrebten Leistung sachlich und örtlich zuständige Sozialhilfeträgerin (§ 97 Abs. 1, § 98 Abs. 3 SGB XII i.V.m. § 1 Abs. 1, § 2 des Gesetzes zur Ausführung des SGB XII vom 1. Juli 2004 (GBl. S. 534)).

Als Rechtsgrundlage für das vom Kläger erhobene Begehren kommt § 74 SGB XII in Betracht; diese Bestimmung regelt, dass die erforderlichen Kosten einer Bestattung vom Sozialhilfeträger übernommen werden, sofern den hierzu Verpflichteten nicht zugemutet werden kann, die Kosten zu tragen. Die Bestimmung nimmt im Recht der Sozialhilfe eine Sonderstellung ein; den sozialhilferechtlichen Bedarf im Sinne des § 74 SGB XII stellt nicht die Bestattung als solche oder deren Durchführung dar; die Regelung dient vielmehr der Vermeidung einer unzumutbaren Belastung des Verpflichteten durch die Kosten der Beerdigung (vgl. BSGE 104, 219 = SozR 4-3500 § 74 Nr. 1 (jeweils Rdnr. 15); ferner zur Vorgängerregelung in § 15 des Bundessozialhilfegesetzes (BSHG) Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) BVerwGE 105, 51). Aufgrund der gegenüber den üblichen sozialhilferechtlichen Bedarfssituationen abweichenden Normstruktur sind deshalb Besonderheiten zu beachten. § 18 SGB XII findet keine Anwendung, weshalb es für einen Kostenübernahmeanspruch nach § 74 SGB XII ohne Belang ist, ob die Bestattung und eine etwaige Begleichung der Bestattungskosten bereits vor der Unterrichtung des Sozialhilfeträgers erfolgt ist (vgl. BSGE a.a.O.); die Beklagte wurde vom Kläger über den Todesfall aber ohnehin bereits am 4. Februar 2011 in Kenntnis gesetzt.

Ein Kostenübernahmeanspruch des Klägers nach § 74 SGB XII lässt sich vorliegend indessen nicht begründen. Die Verpflichtung, die Kosten einer Beerdigung zu tragen, wird in § 74 SGB XII nicht näher umschrieben oder definiert, sondern als anderweitig begründet vorausgesetzt (vgl. BSGE 104, 219 = SozR 4-3500 § 74 Nr. 1 (jeweils Rdnr. 13)). Die Vorschrift beinhaltet im rechtlichen Ansatz nicht eine sozialhilferechtliche Unterstützung des Verstorbenen, sondern des Kostenpflichtigen; die Notwendigkeit eingegangener Kostenverpflichtungen als Voraussetzung des sozialhilferechtlichen Bedarfs ist daher von dessen Person her zu bestimmen (vgl. schon BVerwGE 116, 287, 290; BVerwG Buchholz 436.0 § 15 BSHG Nr. 5). Für die Annahme einer solchen Pflicht bedarf es mithin eines besonderen zivil- oder öffentlich-rechtlichen Status; dieser ist zu unterscheiden von dem Totensorgerecht, einer in familienrechtlichen Beziehungen begründeten, näheren Verwandten zustehenden Rechtsposition (BSGE 109, 61 = SozR 4-3500 § 74 Nr. 2 (jeweils Rdnr. 17); ferner Greiser in jurisPK-SGB XII, § 74 Rdnrn. 49 ff. (Stand: 30.10.2015)). Der erforderliche besondere Status kann etwa aus den Bestimmungen des Erbrechts (§ 1968 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB)) oder des Unterhaltsrechts (z.B. § 1615 Abs. 2 BGB), aber auch aus landesrechtlichen Regelungen über die Bestattungspflicht herrühren (vgl. BSGE 104, 219 = SozR 4-3500 § 74 Nr. 1 (jeweils Rdnr. 13); BSGE 109, 61 = SozR 4-3500 § 74 Nr. 2 (jeweils Rdnr. 17); Senatsurteile vom 25. März 2010 - L 7 SO 4476/08 - und vom 25. April 2013 - L 7 SO 5656/11 - (beide juris) (rechtskräftig)); dagegen genügt die bloß werkvertragliche Vereinbarung mit einem den Bestattungsvorgang durchführenden Unternehmer nicht. Nicht ausreichend ist ferner, dass der Bestattungsberechtigte aus sittlicher Verpflichtung oder sonst "freiwillig" gehandelt hat und in diesem Rahmen Kostenverpflichtungen eingegangen ist (vgl. BVerwG Buchholz 436.0 § 15 BSHG Nr. 5; Schlette in Hauck/Noftz, SGB XII § 74 Rdnr. 6 (Stand: 05/13); H. Schellhorn in Schellhorn/Hohm/Scheider, SGB XII, 19. Auflage, § 74 Rdnr. 7; Berlit in LPK-SGB XII, 10. Auflage, § 74 Rdnr. 3). "Verpflichteter" im Sinne des § 74 SGB XII kann nach allem nur sein, wer der Kostenlast von vornherein nicht ausweichen kann, weil sie ihn rechtlich notwendig trifft (BVerwGE 101, 50, 53; BVerwG Buchholz 436.0 § 15 BSHG Nr. 5; Senatsurteile vom 25. März 2010 und vom 25. April 2013 a.a.O.; LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 25. März 2010 - L 15 SO 305/08 - (juris), rechtskräftig nach Verwerfung der Nichtzulassungsbeschwerde durch Beschluss des BSG vom 8. Oktober 2010 - B 8 SO 49/10 B - (juris)).

Ein besonderer Status, der den Kläger "rechtlich notwendig" zur Tragung der Kosten der Bestattung von Ch.R. verpflichtet hätte, liegt nicht vor. Der Kläger, der seinem Vorbringen zufolge der "Lebensgefährte" der verstorbenen Ch.R. gewesen war, ist nicht kraft Gesetzes deren Erbe geworden (vgl. § 1922 Abs. 1, §§ 1924 ff. BGB); eine letztwillige Verfügung der Ch.R. (§§ 1937, 1941 BGB) war ausweislich der Auskunft des Notariats H. vom 9. März 2011 sowie der eigenen Angaben des Klägers nicht vorhanden. Eine Kostentragungspflicht des Klägers nach § 1968 BGB scheidet mithin aus. Eine gesetzliche Unterhaltspflicht des Klägers, der mit Ch.R. nicht verheiratet gewesen war und zu ihr auch in keinem Verwandtschaftsverhältnis gestanden hatte (vgl. zu den Grundvoraussetzungen für eine Unterhaltspflicht §§ 1360, 1601 BGB), war gleichfalls nicht gegeben, sodass auch eine Pflicht zur Tragung der Beerdigungskosten nach den §§ 1360a Abs. 3, 1615 Abs. 2 BGB nicht bestanden hat. Vertragliche, gegenüber Ch.R. noch zu deren Lebzeiten begründete Verpflichtungen zur Tragung der Bestattungskosten bestanden gleichfalls nicht, sodass dahingestellt bleiben kann, ob derartige Verpflichtungen überhaupt einen Kostenübernahmeanspruch gegenüber dem Sozialhilfeträger begründen können (offengelassen auch in BSGE 109, 61 = SozR 4-3500 § 74 Nr. 2 (jeweils Rdnr. 17); ferner BVerwGE 116, 287, 289).

Darüber hinaus traf den Kläger keine Bestattungspflicht aus Öffentlichem Recht. In § 31 Abs. 1 Satz 1 BestattG BW (in der hier maßgeblichen Fassung des Gesetzes zur Änderung des Bestattungsgesetzes vom 24. März 2009 (GBl. S. 125)) ist zwar bestimmt, dass die Angehörigen (§ 21 Abs. 1 Nr. 1 BestattG BW) für die Bestattung zu sorgen haben. Angehörige nach § 21 Abs. 1 Nr. 1 BestattG BW (ebenfalls in der Fassung des Gesetzes vom 24. März 2009) sind indessen nur die Ehegattin oder der Ehegatte, die Lebenspartnerin oder der Lebenspartner, die volljährigen Kinder, die Eltern, die Großeltern, die volljährigen Geschwister und Enkelkinder des Verstorbenen (vgl. dazu etwa Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg, Urteile vom 15. November 2007 - 1 S 1471/07 - und vom 19. Oktober 2004 - 1 S 681/04 - (beide juris)). In keinem dieser Angehörigenverhältnisse stand der Kläger indessen zu der verstorbenen Ch.R. Soweit er sich darauf beruft, dass er der "Lebensgefährte" der Ch.R. gewesen sei, hilft dies hier nicht weiter. Die Einfügung der Lebenspartnerin/des Lebenspartners in den Angehörigenkreis des § 21 Abs. 1 Nr. 1 BestattG BW durch Gesetz vom 24. März 2009 diente der Anpassung an das LPartG vom 16. Dezember 2001 (BGBl. I S. 266; vgl. Landtags-Drucksache 14/3847 S. 16 (zu § 21); Faiß/Ruf, Bestattungsrecht Baden-Württemberg, Kommentar, 2. Auflage 2012, Erl. zu § 21 BestattG BW S. 85). Mit der Ausweitung der Bestattungspflicht auf die Lebenspartner durch das Gesetz vom 24. März 2009 hat der Landesgesetzgeber mithin dem Umstand Rechnung getragen, dass die Rechtsfolgen der eingetragenen Lebenspartnerschaft für gleichgeschlechtliche Partner in weiten Bereichen dem Institut der Ehe nachgebildet sind; so bestehen etwa Regelungen zum Lebenspartnerschaftsunterhalt (§ 5 LPartG) und zum Erbrecht (§ 10 LPartG). Ein eingetragener Lebenspartner gilt darüber hinaus nach § 11 Abs. 1 LPartG als Familienangehöriger des anderen Lebenspartners, soweit nichts anderes bestimmt ist. Unter den Begriff des Lebenspartners in § 21 Abs. 1 Nr. 1 BestattG BW sind sonach, wie die Beklagte zu Recht angemerkt hat, nur Personen gleichen Geschlechts zu fassen, die nach § 1 Abs. 1 LPartG durch Erklärung gegenüber dem Standesbeamten eine Lebenspartnerschaft begründet hatten (vgl. auch Greiser in jurisPK-SGB XII, a.a.O., Rdnr. 43; ferner zur im Wesentlichen gleichlautenden Bestimmung in § 8 Abs. 1 Satz 1 BestattG Nordrhein-Westfalen Landgericht Bonn, Beschluss vom 2. Juli 2009 - 8 S 122/09 - (juris)). Eine Angehörigeneigenschaft ist in § 21 Abs. 1 Nr. 1 BestattG BW für Partner einer eheähnlichen Gemeinschaft (anders etwa § 20 Abs. 1 Nr. 7 BestattG Brandenburg; weitere Nachweise bei Greiser, a.a.O.) dagegen nicht vorgesehen. Deshalb kann vorliegend dahinstehen, ob der Kläger mit Ch.R. überhaupt in einer eheähnlichen Gemeinschaft gelebt hatte, was er aber jedenfalls im Rahmen der früheren Hilfegewährung an Ch.R. (vgl. die von der Beklagten erstinstanzlich vorgelegten Auszüge aus den Grundsicherungs-Leistungsakten) in Abrede gestellt hatte; auch im vorliegenden Berufungsverfahren ist im Schriftsatz der Klägerbevollmächtigten vom 18. Juli 2012 lediglich von einer "Fernbeziehung" gesprochen (vgl. aber zum Erfordernis des Zusammenlebens in einer Wohnung bei nichtehelichen Partnerschaften BSGE 111, 250 = SozR 4-4200 § 7 Nr. 32 (jeweils Rdnr. 22)).

Die Last der Bestattungskosten traf den Kläger nach allem nicht "rechtlich notwendig" und damit nicht unausweichlich, wie es für § 74 SGB XII erforderlich ist (vgl. hierzu auch BVerwGE 116, 287, 290; BVerwG Buchholz 436.0 § 15 BSHG Nr. 5; BVerwGE 120, 111, 113 f.). Ob und inwieweit dem Kläger zivilrechtliche Ausgleichsansprüche (etwa aus GoA) gegenüber der Mutter der Ch.R. oder deren Halbbruder (vgl. zum Verwandtschaftsverhältnis bei halbbürtigen Geschwistern Coester in Staudinger, BGB, Neubearbeitung 2011, § 1589 Rdnr. 9) zustehen, bedarf vorliegend keiner Entscheidung (vgl. hierzu etwa Bundesgerichtshof (BGH), Beschluss vom 14. Dezember 2011 - IV ZR 132/11 - NJW 2012, 1651; ferner BGHZ 191, 325; BGH, Beschluss vom 26. November 2015 - III ZB 62/14 - (juris)).

Die Voraussetzungen einer vereinzelt angenommenen öffentlich-rechtlichen GoA liegen jedenfalls nicht vor. Zwar soll nach dem noch zu § 15 BSHG ergangenen Urteil des VG Hannover vom 31. Mai 2001 - 9 A 1868/99 - (NVwZ 2002, 1014) ein Ausgleichsanspruch analog den §§ 677, 683 i.V.m. § 670 BGB gegenüber dem Träger der Sozialhilfe in Betracht kommen, wenn Verpflichtete im Sinne der vorbezeichneten Bestimmung - also Erben, dem Verstorbenen zum Unterhalt Verpflichtete oder Bestattungspflichtige nach dem landesrechtlichen Bestattungsrecht - nicht vorhanden sind, weil der Sozialhilfeträger die fürsorgerechtliche Verantwortlichkeit für eine würdige Bestattung des Hilfebedürftigen trage. Unabhängig davon, ob neben der Regelung des § 74 SGB XII, die abschließenden Charakter haben dürfte (so schon Senatsurteil vom 25. März 2010 a.a.O.), überhaupt Raum für einen solchen öffentlich-rechtlichen Ausgleichsanspruch gegenüber dem Sozialhilfeträger bliebe, ließe sich ein solcher Anspruch vorliegend bereits deswegen nicht begründen, weil jedenfalls mit der Mutter der Ch.R. gerade eine zur Tragung der Bestattungskosten im Sinne des § 74 SGB XII Verpflichtete vorhanden war (vgl. dazu auch Senatsurteil vom 25. April 2013 a.a.O.).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Für eine auch nur teilweise Auferlegung der außergerichtlichen Kosten des Klägers auf die Beklagte bestand kein Anlass; das Verbot der Schlechterstellung des Rechtsmittelklägers ("reformatio in peius") gilt hier nicht (vgl. BSGE 62, 131, 136 = SozR 4100 § 141b Nr. 40; BSG SozR 4-2400 § 7 Nr. 6 (Rdnr. 22)). Der Senat konnte deshalb die Kostenentscheidung des SG abändern.

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG).
Rechtskraft
Aus
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