Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
6
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 13 SB 3551/13
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 6 SB 461/15
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 15. Januar 2015 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt die Neufeststellung eines Grades der Behinderung (GdB) von mindestens 50 sowie die Feststellung (der gesundheitlichen Voraussetzungen) des Nachteilsausgleichs (Merkzeichens) "G".
Der Kläger ist 1957 geboren und als deutscher Staatsbürger im Inland wohnhaft. Seit einer Wirbelsäulenoperation im Jahre 2003 ist er arbeitsunfähig erkrankt. Er bezieht inzwischen Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende.
Bei ihm hatte der Beklagte mit Bescheid vom 10. November 2004 einen Grad der Behinderung (GdB) von 40 seit dem 13. September 2004 anerkannt. Neufeststellungsanträge in den Jahren 2005 und 2007 blieben ohne Erfolg.
Am 20. März 2013 beantragte der Kläger, einen höheren GdB sowie das Merkzeichen "G" festzustellen. Der Beklagte zog Befundscheine der behandelnden Ärzte bei und lehnte mit Bescheid vom 21. Mai 2013 die Anträge ab. In der dem Bescheid zugrundeliegenden Stellungnahme hatte der versorgungsmedizinische Dienst die Funktionsbeeinträchtigungen des Klägers in gleicher Weise wie bisher beschrieben, und zwar als "degenerative Veränderungen der Wirbelsäule, Versteifung von (zwei) Wirbelsäulenabschnitten, Bandscheibenschaden, Nervenwurzelreizerscheinungen, Schulter-Arm-Syndrom, chronisches Schmerzsyndrom" und ferner wie bislang mit einem Einzel-GdB von 40 bewertet. Für die geltend gemachte Funktionsbehinderung der Kniegelenke sei kein GdB zu vergeben.
Der Kläger erhob Widerspruch, wobei er sich - lediglich - gegen die Ablehnung der Erhöhung des GdB wandte (vgl. hierzu die Verhandlungsniederschrift vom 3. Juni 2013). Er führte aus, es sei noch ein weiterer Bandscheibenschaden hinzugekommen. Außerdem seien Taubheit an Mittel-, Zeigefinger und Daumen bislang nicht berücksichtigt. Der Beklagte holte das Gutachten der Allgemeinmedizinerin Dr. Sch. vom 26. April 2013 ein, das für die Deutschen Rentenversicherung Knappschaft-Bahn-See erstellt worden war. Darin waren im Wesentlichen ein chronisches LWS-Syndrom (Lendenwirbelsäule) bei Z. n. (Zustand nach) lumbaler Spondylodese bei den Segmenten L4/5 und L5/S1 sowie einer Anschlussstenose bei L3/4 und ein degeneratives HWS-Syndrom (Halswirbelsäule) mit chronischen Zervikalgien und Zephalgien sowie nunmehr auch eine Polyarthralgie beider Hände und ein Carpaltunnelsyndrom bds. festgestellt worden. Das Restleistungsvermögen des Klägers auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt war als nicht eingeschränkt beschrieben worden. In Auswertung dieser Unterlagen schlug der versorgungsmedizinische Dienst vor, als zusätzliche Gesundheitsstörung eine "Fingerpolyarthrose, Mittelnervendruckschädigung und Funktionsbehinderung beider Schultergelenke" mit einem Einzel-GdB von 10 anzuerkennen, aber den Gesamt-GdB nicht zu erhöhen. Entsprechend erließ der Beklagte den zurückweisenden Widerspruchsbescheid vom 9. September 2013, der lediglich Ausführungen zur Höhe des GdB enthielt.
Der Kläger hat am 14. Oktober 2013 Klage beim Sozialgericht Karlsruhe (SG) erhoben. Er hat dort schriftsätzlich zunächst beantragt, unter Aufhebung der entgegenstehenden Bescheide "bei dem Kläger die Schwerbehinderteneigenschaft festzustellen". Er hat vorgetragen, er leide unter gravierenden neurologischen Ausfallerscheinungen wie Taubheit im Bereich des Kopfes, der Arme, Hände und Beine.
Nachdem der Beklagte der Klage entgegengetreten ist, hat das SG die behandelnden Ärzte des Klägers schriftlich als sachverständige Zeugen vernommen. Wegen des Ergebnisses dieser Beweisaufnahme wird auf die Aussagen des Orthopäden Dr. U. G. vom 12. Dezember 2013, des Orthopäden und Unfallchirurgen Dr. S. G. vom 11. Dezember 2013, des Internisten Dr. B. vom 16. Dezember 2013 und des Allgemeinmediziners Dr. D. vom 13. Januar 2014 Bezug genommen. Hierbei hat Dr. B. zusätzlich eine Hiatushernie und eine Antrumgastritis diagnostiziert. Dr. D. hat außerdem depressive psychische Beschwerden bekundet. Die Fachärzte sind einem GdB von 40 beigetreten, lediglich Dr. D. hat einen solchen von 60 vorgeschlagen.
Daraufhin hat das SG von Amts wegen das Gutachten des Facharztes für Orthopädie Dr. M. vom 20. Juni 2014 eingeholt. Der Sachverständige hat mitgeteilt, bei dem Kläger handle es sich um chronische Veränderungen der Hals- und Lendenwirbelsäule mit Z. n. Versteifungsoperation der LWS (L4/5 und L5/S1) und einem Bandscheibenvorfall bei L3/4 ohne neurologische Ausfälle sowie einem Zervikalbrachialsyndrom bei C6 links, beginnende degenerative Veränderung des rechten Kniegelenks, eine endgradige Funktionsstörung der linken Schulter mit Impingement-Symptomatik, eine Beinverkürzung links von 1,5 cm und einen "Tumor" am rechten Daumen. Die Schäden an der Wirbelsäule verursachten schwere Funktionsstörungen, die Schä¬den am Kniegelenk und der Schulter leichte. Die Einschätzung des versorgungsärztlichen Dienstes, wegen der Funktionsbeeinträchtigungen an der Wirbelsäule einen GdB von 40 zu vergeben, der nicht wegen weiterer Schäden erhöht werde, treffe zu. Wegen der übrigen Feststellungen und Schlussfolgerungen des Sachverständigen wird auf das schriftliche Gutachten verwiesen.
Auf Nachfragen des Klägers hat Dr. M. in seiner ergänzenden Stellungnahme vom 11. August 2014 ausgeführt, ausweislich der erhobenen Messwerte bestehe an den Schultergelenken keine erhebliche Bewegungseinschränkung, ferner bedinge eine Beinverkürzung erst ab 2,5 bis 4 cm einen GdB von 10.
Der Kläger ist auch dieser Stellungnahme mit der Behauptung entgegengetreten, die Beweglichkeit der Schultergelenke sei tatsächlich wesentlich geringer.
In der mündlichen Verhandlung beim SG am 15. Januar 2015 hat der Kläger Atteste der Psychiaterin und Neurologin Dr. St. vom 22. Dezember 2014 (Karpaltunnelsyndrom), von Dr. G. vom 24. Oktober und vom 18. November 2014 (zusätzlich Epicondylitis humeri radialis bds., die Wirbelsäulenbeschwerden ständen im Vordergrund) und von Dr. D. vom 27. August 2014 vorgelegt. Der Kläger hat dort nunmehr beantragt, unter Aufhebung der entgegenstehenden Bescheide den Beklagten zur Feststellung eines GdB von wenigstens 50 und zur Zuerkennung des Merkzeichens "G" zu verurteilen.
Mit Urteil vom selben Tage hat das SG die Klage abgewiesen. Die Klage sei zulässig, aber unbegründet. Die beiden geltend gemachten Ansprüche beständen nicht. Der Kläger könne keinen höheren GdB verlangen, da eine wesentliche Veränderung in den Funktionsbeeinträchtigungen nicht zu erkennen sei. Für die schweren funktionellen Auswirkungen in zwei Wirbelsäulenabschnitten sei ein GdB von 30 bis 40 zu vergeben, hierbei sei der Beklagte bereits von dem höheren Wert ausgegangen. Die Beeinträchtigungen der Knie- und Schultergelenke bedingten jeweils einen GdB von 10, der den Gesamt-GdB nicht erhöhe. An den von Dr. M. gemessenen Beweglichkeiten sei nicht zu zweifeln, zumal Dr. G. unter dem 24. Oktober 2014 ähnliche Werte mitgeteilt habe. An Händen und Fingern ließen sich keine Beweglichkeitseinschränkungen feststellen, sodass auch das Karpaltunnelsyndrom wegen der damit verbundenen Sensibilitätsstörungen nur einen GdB von 10 bedinge. Letztlich bedingten die behaupteten psychischen Beschwerden des Klägers in Folge eines Schmerzsyndroms allenfalls einen GdB von 20. Eine erhebliche psychische Beeinträchtigung liege nicht vor, zumal sich der Kläger nicht in fachpsychiatrischer oder psychologischer Behandlung befinde. Wegen der erheblichen Überschneidungen dieses Schmerzsyndroms mit den Funktionsbeeinträchtigungen an der Wirbelsäule führe auch dieser GdB nicht zu einem höheren Gesamt-GdB. Ferner, so das SG, bestehe kein Anspruch auf Zuerkennung des Merkzeichens "G". Ein solcher scheitere bereits an der fehlenden Schwerbehinderteneigenschaft.
Gegen dieses Urteil hat der Kläger am 10. Februar 2015 Berufung beim Landessozialgericht Baden-Württemberg eingelegt. Er behauptet, er leide zwischenzeitlich auch an einer Teilruptur der Supraspinatussehne mit Kapselreizung und unter arthrotischen Veränderungen in den Kniegelenken mit Erguss. Ferner habe seine Hausärztin bestätigt, dass eine depressive Erkrankung vorliege. Auch seien bislang die Hiatushernie und die Divertikel nicht berücksichtigt.
Der damalige Berichterstatter des Senats hat den Kläger persönlich angehört. Wegen des Ergebnisses wird auf das Protokoll der nichtöffentlichen Sitzung vom 7. Mai 2015 verwiesen.
Auf Antrag und Kostenrisiko des Klägers hat der Senat den Orthopäden Dr. H. vom Medizinischen Versorgungszentrum Baden-Baden mit einer Begutachtung des Klägers beauftragt. Der Sachverständige hat schriftlich bekundet, auf seinem Fachgebiet beständen Funktionseinschränkungen der HWS bei Cervicobrachialgie C5/6 mit Parästhesien und Nervenwurzelreizzeichen und der LWS bei Spondylodese L4 bis S1 wegen lumbalen Bandscheibenvorfalls und eine Segmentinstabilität bei Bandscheibenvorfall bei L3/4, eine Funktionseinschränkung der linken Schulter bei ausgeprägter Partialruptur der Supraspinatussehne und Kapsulitis adhäsiva, eine Gonarthrose rechts mit Reizerguss bei beginnenden degenerativen Veränderungen sowie eine Beinverkürzung links von 1,5 cm. Die Beeinträchtigung der HWS sei mittelgradig, jene der LWS mittel- bis schwergradig. Für die HWS sei ein GdB von 20 anzunehmen, für die LWS sei eine Höherbewertung mit einem GdB von 40 angezeigt. Die Funktionsbeeinträchtigungen des linken Schultergelenks und des rechten Kniegelenks bedingten jeweils einen GdB von 10. Somit resultiere hieraus ein Gesamt-GdB von 50. Die Voraussetzungen des Merkzeichens "G" seien nicht erfüllt, auch wenn subjektiv die Gehfähigkeit eingeschränkt sei. Wegen der weiteren Feststellungen und Schlussfolgerungen Dr. H.s wird auf das schriftliche Gutachten vom 31. August 2015 verwiesen.
Der Kläger beantragt (teilweise sinngemäß),
das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 15. Januar 2015 und den Bescheid vom 21. Mai 2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 9. September 2013 aufzuheben sowie den Beklagten zu verpflichten, unter Abänderung des Bescheides vom 10. November 2004 bei ihm einen Grad der Behinderung von mindestens 50 und die gesundheitlichen Voraussetzungen für die Zuerkennung des Nachteilsausgleichs "G" festzustellen, hilfsweise zum Beweis der Tatsache, dass bei ihm ein Gesamt-GdB von 50 vorliegt, die Einholung eines orthopädischen Sachverständigengutachtens von Amts wegen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er meint, die Ablehnung der Zuerkennung des Merkzeichens "G" durch den Bescheid vom 21. Mai 2015 sei bestandskräftig, da sich der Kläger mit seinem Widerspruch und anfangs auch mit seiner Klage nur gegen die Versagung eines höheren GdB gewandt und den Anspruch auf Zuerkennung des Merkzeichens erst wieder in der mündlichen Verhandlung vor dem SG erhoben habe. In der Sache erachtet der Beklagte die erstinstanzliche Entscheidung für zutreffend, die Schwerbehinderteneigenschaft nach wie vor auch unter Berücksichtigung der geltend gemachten Schulter- und Kniebeschwerden nicht für gegeben und daher auch die Feststellung von Nachteilsausgleichen nicht begründet. Dem Gutachten von Dr. H. ist der Beklagte unter Vorlage der versorgungsärztlichen Stellungnahme von Dr. Götz vom 4. Januar 2016 entgegengetreten.
Der Kläger hat sich unter dem 6. Februar 2016, der Beklagte mit Schriftsatz vom 17. Februar 2016 mit einer Entscheidung des Senats ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die beigezogene Verwaltungsakte des Beklagten und die Prozessakten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Der Senat entscheidet über die Berufung des Klägers nach § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) im Einvernehmen mit beiden Beteiligten ohne mündliche Verhandlung.
Die Berufung ist statthaft (§ 143 SGG), insbesondere war sie nicht nach § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG zulassungsbedürftig, da der Kläger keine Geld-, Sach- oder Dienstleistung begehrt, sondern behördliche Feststellungen. Sie ist auch im Übrigen zulässig, insbesondere form- und fristgerecht (§ 151 Abs. 1 SGG) erhoben.
Die Berufung ist aber nicht begründet. Zu Recht hat das SG die Anfechtungs- und Verpflichtungsklage des Klägers (§ 54 Abs. 1 Satz 1 Var. 1 und 2 SGG) abgewiesen.
Der Sachverhalt ist nach Einholung von zwei orthopädischen Gutachten hinreichend aufgeklärt, einer weiteren Amtsermittlung zur Entscheidungsfindung bedarf es nicht. Dass sich zwei medizinische Gutachten widersprachen, ist in der sozialgerichtlichen Praxis nicht ungewöhnlich und begründet nicht die Erforderlichkeit, ein "Obergutachten" einzuholen (vgl. Urteil des Senats vom 17. März 2016 - L 6 U 1518/14 - juris, Rz. 61), worauf der Hilfsbeweisantrag des Klägers letztendlich zielt. Die Voraussetzungen dafür (§ 118 Abs. 1 SGG i.V.m. § 412 Abs. 1 Zivilprozessordnung [ZPO]) liegen aber nicht vor. Vielmehr hat sich das Gericht im Rahmen der Beweiswürdigung mit den einander entgegenstehenden Ergebnissen auseinanderzusetzen (so zuletzt BSG, Beschluss vom 12. Mai 2015 - B 9 SB 93/14 B-, Juris Rz. 6). Der Senat hat deswegen den Hilfsbeweisantrag abgelehnt und in der Sache entschieden.
Hierbei ist allerdings der Antrag des Klägers, den Beklagten zur Zuerkennung des Nachteilsausgleichs "G" zu verurteilen, bereits unzulässig. Das SG hätte daher die Klage insoweit als unzulässig abweisen müssen. Hinsichtlich dieses Anspruchs fehlt dem Kläger die nach § 54 Abs. 1 Satz 2 SGG notwendige Klagebefugnis, denn die Ablehnung seines entsprechenden Antrags ist bestandskräftig und damit bindend (§ 77 SGG). Der Beklagte hatte mit dem hier angefochtenen Bescheid über beide Ansprüche, sowohl auf Feststellung des GdB wie auch der Voraussetzungen für die Zuerkennung des Merkzeichen, entschieden. Der Kläger hatte gegen die Ablehnung seines Antrags wegen des Merkzeichens jedoch keinen Widerspruch erhoben und auch seine Klage vor dem SG war anfangs auf die "Schwerbehinderteneigenschaft" und damit den GdB beschränkt. Eine solche Beschränkung war möglich, da die beiden Ansprüche getrennte Streitgegenstände darstellen. Als der Kläger dann den Anspruch wegen des Merkzeichens in der mündlichen Verhandlung vor dem SG erneut geltend machte, mag zwar die darin liegende Klageänderung nach § 99 Abs. 1, Abs. 2 SGG statthaft gewesen sein, weil ihr der Beklagte - damals - nicht widersprochen hatte. Aber es fehlten nunmehr die Zulässigkeitsvoraussetzungen für diesen Antrag, weil - wie ausgeführt - insoweit inzwischen Bestandskraft vorlag (vgl. im Einzelnen Leitherer, in Meyer-Ladewig/Kel¬ler/Lei¬the¬rer, SGG, 11. Aufl. 2014, § 99 Rn. 13a m.w.N.).
Soweit der Kläger unter Abänderung des Bescheids vom 10. November 2004 die Feststellung eines höheren GdB verlangt, ist seine Klage unbegründet.
Nach § 48 Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung für die Zukunft aufzuheben, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die bei seinem Erlass vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt. Im Schwerbehindertenrecht liegt eine Änderung der tatsächlichen Verhältnisse vor, wenn sich der Gesundheitszustand des Behinderten durch das Hinzutreten neuer oder den Wegfall bestehender Funktionsstörungen oder durch eine Änderung der anerkannten Funktionsstörungen verschlechtert oder verbessert.
Maßgebliche Rechtsgrundlagen für die Feststellung und Bewertung des GdB ist § 69 Abs. 1 Neuntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IX), wonach die für die Durchführung des Bundesversorgungsgesetzes zuständigen Behörden (Versorgungsämter und Landesversorgungsämter) auf Antrag des behinderten Menschen das Vorliegen einer Behinderung und den GdB feststellen. Die Feststellung des GdB richtet sich seit dem 1. Januar 2009 nach den "Versorgungsmedizinischen Grundsätzen" (VG) aus der Anlage zu § 2 der Versorgungsmedizinverordnung (VersMedV), die aufgrund der Ermächtigung in § 30 Abs. 17 des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) erlassen worden sind (§ 69 Abs. 1 S. 5 SGB IX) und den medizinischen Kenntnisstand für die Beurteilung von Behinderungen wiedergeben.
Menschen sind behindert, wenn ihre körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweichen und daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist (§ 2 Abs. 1 Satz 1 SGB IX). Die Auswirkungen auf die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft werden als Grad der Behinderung nach 10-er-Graden abgestuft festgestellt (§ 69 Abs. 1 S. 4 SGB IX). Der Begriff des GdB bezieht sich auf alle Gesundheitsstörungen unabhängig von ihrer Verursachung, wobei die üblichen seelischen Begleiterscheinungen und Schmerzen mitberücksichtigt sind.
Wesentlich ist eine Änderung dann, wenn der veränderte Gesundheitszustand mehr als sechs Monate angehalten hat oder voraussichtlich anhalten wird und wenn sich der Gesamt-Grad der Behinderung (Gesamt-GdB) um wenigstens 10 erhöht oder vermindert. Ob eine wesentliche Änderung eingetreten ist, muss durch einen Vergleich des gegenwärtigen medizinischen Zustandes mit dem bindend festgestellten - früheren - Behinderungszustand ermittelt werden (Bundessozialgericht [BSG], Urteil vom 15. August 1996 - 9 RVs 10/94 -, juris Rz. 11; LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 17. Dezember 2010 - L 8 SB 1549/10 -, juris Rz. 22). Im Falle einer solchen Änderung ist der Verwaltungsakt aufzuheben und durch eine zutreffende Bewertung zu ersetzen.
Für die Feststellung des GdB sind dabei in einem ersten Schritt die einzelnen, nicht nur vorübergehenden Gesundheitsstörungen und die sich daraus ergebenden Teilhabebeeinträchtigungen festzustellen. In einem zweiten Schritt sind diese den in den VG genannten Funktionssystemen zuzuordnen und mit einem Einzel-GdB zu bewerten. In einem dritten Schritt ist dann - ausgehend von der Beeinträchtigung mit dem höchsten Einzel-GdB - der Gesamt-GdB zu bilden (BSG, Urteil vom 24. April 2008 - B 9/9a SB 10/06 R -, juris Rz. 23). Bei der Ermittlung des Gesamt-GdB sind jegliche Rechenmethoden für die Bildung des Gesamt-GdB ungeeignet.). Hierbei ist der Gesamt-GdB in freier richterlicher Beweiswürdigung sowie aufgrund richterlicher Erfahrung unter Hinzuziehung von Sachverständigengutachten zu bilden (vgl. LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 17. Dezember 2010 - L 8 SB 1549/10 -, juris Rz. 25 m.w.N.). Die einzelnen GdB-Werte dürfen für die Bildung des Gesamt-GdB weder addiert, noch mit anderen Rechenmethoden gebildet werden. Ausschlaggebend sind stattdessen die Auswirkungen aller Beeinträchtigungen unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehungen (Teil A Nr. 3 VG). Ein Einzel-GdB in Höhe von 10 führt in der Regel nicht zu einer Zunahme des Ausmaßes der Gesamtbeeinträchtigung und auch bei leichten Behinderungen mit einem GdB in Höhe von 20 ist es vielfach nicht gerechtfertigt, auf eine wesentliche Zunahme des Ausmaßes der Behinderung zu schließen (vgl. Teil A Nr. 3 Buchstabe d Doppelbuchstabe ee Sätze 1 und 2 VG).
Nach diesen Maßstäben ergibt sich bei dem Kläger nach wie vor kein höherer Grad der Behinderung als 40.
Die Beeinträchtigungen des Klägers an der Wirbelsäule bedingen keinesfalls einen höheren Gesamt-GdB als 40. Dieser GdB ist bei den vorliegenden mittel- (HWS) bis schwergradigen (LWS) funktionellen Auswirkungen in zwei Wirbelsäulenabschnitten anzusetzen.
Dies hat bereits der Sachverständige Dr. M. in seinem vom SG erhobenen Gutachten vom 20. Juni 2014 überzeugend herausgearbeitet. Er hatte dabei sogar schwere funktionelle Auswirkungen in zwei Wirbelsäulenabschnitten angenommen und diese entsprechend dem dafür vorgesehenen Höchstwert aus der Spanne von 30 bis 40 bei VG Teil B Nr. 18.9 vergeben.
Diese Einschätzung konnte auch das in zweiter Instanz erhobene Wahlgutachten von Dr. H. vom 31. August 2015 nicht erschüttern. Dieser Sachverständige hat sogar für die HWS nur eine mittelgradige Funktionsbeeinträchtigung angenommen und folgerichtig dafür - isoliert - einen GdB von 20 vorgeschlagen. Für die LWS hat er lediglich eine mittel- bis schwergradige Funktionsbeeinträchtigung gesehen, hält dafür aber einen GdB von 40 für angemessen. Dem kann nicht gefolgt werden. Die getrennte Bewertung der beiden genannten Wirbelsäulenabschnitte widerspricht den rechtlichen Vorgaben aus VG Teil A Nr. 2 Buchstabe e Satz 2, wonach - unter anderem - das Funktionssystem "Rumpf" zusammenfassend zu beurteilen ist. Dementsprechend sieht VG Teil B Nr. 18.9 für funktionelle Auswirkungen in zwei Wirbelsäulenabschnitten einen GdB von 30 vor, wenn beide mittelgradig sind, und einen solchen von 40, wenn beide als schwer einzustufen sind. Nach diesen Kriterien dürfte die Wirbelsäulenproblematik ausgehend von Dr. H.s Einstufung eher einen GdB von 30 als einen solchen von 40 bedingen. In der Sache ist auch den Beschreibungen Dr. H.s zu folgen. Die Funktionsbeeinträchtigungen an der HWS können nicht als schwergradig eingestuft werden. Insbesondere liegt keine Bewegungseinschränkung oder Instabilität schweren Grades vor. Nach seinen Angaben (S. 3 des Gutachtens) war lediglich die Seitneigung merklich eingeschränkt, und zwar auf 20° (Normwert 45°). Die Rotation war mit 50/0/50° (Normwerte 60-80/0/60-80°) dagegen nur geringfügig beeinträchtigt. Für die Vor- und Rückneigung hat Dr. H. keine Messwerte angegeben, daher ist davon auszugehen, dass hier weiterhin keine Einschränkung vorliegt. Dies hatte schon Dr. M. festgestellt, der in seinem Gutachten (S. 13) Beweglichkeiten von 60° vorwärts und 55° rückwärts angegeben hatte. Aus diesen Gründen können bereits mittelgradige Funktionseinbußen in diesem Wirbelsäulenabschnitt nur unter Betonung der Schmerzausstrahlungen in die oberen Gliedmaßen ausgehend von der Nervenwurzelreizung bei C6 begründet werden. Für die LWS dagegen können durchaus schwere funktionelle Einbußen angenommen werden, nachdem dort zwei Segmente versteift sind und ein weiterer Bandscheibenvorfall in dem Segment darüber vorliegt; insoweit hat Dr. H. sogar von einer segmentiellen Instabilität gesprochen. Insgesamt jedoch kann, wie ausgeführt, ein höherer GdB als 40 für die Wirbelsäule nicht vergeben werden. Dafür wären nach VG Teil A Nr. 18.9 besonders schwere Auswirkungen notwendig, z.B. eine Versteifung "großer Teile" der (gesamten) Wirbelsäule oder eine Ruhigstellung aller drei Wirbelsäulenabschnitte. Solche Beeinträchtigungen liegen bei dem Kläger nicht vor. Zu Recht hat deswegen Versorgungsarzt Dr. Götz darauf hingewiesen, dass auch eine kontinuierliche und intensive schmerztherapeutische Behandlung nicht dokumentiert ist, die allenfalls unter vermehrter Berücksichtigung eines chronischen Schmerzsyndroms eine Höherbewertung begründen könnte.
Soweit der Kläger geltend gemacht hat, dass die Verschlimmerung durch die Einschränkung seitens der Knie und Schultern gerechtfertigt sei, so hat auch der Wahlgutachter diese Selbsteinschätzung nicht bestätigen können. Vielmehr war sich Dr. H. in der Bewertung der Beeinträchtigung an den Schultern, den Händen und den Kniegelenken mit dem Amtsgutachter Dr. M. einig. Insbesondere bedingen die Gesundheitsschäden an der rechten Schulter, auch wenn nunmehr eine Teilruptur der Supraspinatussehne diagnostiziert worden ist, weiterhin keinen GdB von mehr als 10. Dafür wären nach VG Teil B Nr. 18.13 Bewegungseinschränkungen mit einer Armhebung nur bis 90° und einer entsprechenden Einschränkung der Dreh- und Spreizfähigkeit notwendig. Die Restbeweglichkeiten des Klägers liegen jedoch darüber. Zwar hatte dieser die entsprechenden Messwerte Dr. M.s weiterhin bestritten, jedoch hat Dr. H. ähnliche Werte festgestellt, und zwar (S. 5 Gutachten) Armhebungen seit- und körperwärts von 150/0/30° rechts und 130/0/30° links sowie vor- und rückwärts von 100/0/40° rechts und von 100/0/20° links. Eine Instabilität des Schultergelenks, die - sobald sie als mittelgradig mit mindestens jährlichen Ausrenkungen eingestuft werden müsste - ebenfalls einen GdB von 20 bedingen würde, liegt nicht vor. Hinsichtlich der nur beginnenden degenerativen Veränderungen der Kniegelenke liegt eine Funktionsstörung nur bei Belastung vor, eine eingeschränkte Beweglichkeit ist nicht nachweisbar. Bezüglich der Hände konnte auch Dr. H. keinen richtungsweisenden Befund erheben, er hat nur über ein andernorts beschriebenes Karpaltunnelsyndrom berichtet, das allenfalls einen weiteren Einzel-GdB von 10 begründen kann.
Auf internistischem Gebiet liegt kein GdB vor. In seiner sachverständigen Zeugenaussage vom 16. Dezember 2013 vor dem SG hatte Dr. B. lediglich "unklare abdominale Beschwerden" des Klägers als Symptome der später diagnostizierten Hiatushernie und vor allem der Antrumgastritis angegeben. Konkrete Beschwerden hat der Kläger nicht mitgeteilt.
Ebenso wie das SG hält der Senat eine Erhöhung des GdB für den Rumpf auch wegen psychischer Beeinträchtigungen des Klägers nicht für angezeigt. Hierbei ist es schon zweifelhaft, ob eine Erkrankung auf diesem Fachgebiet überhaupt nachgewiesen ist. In erster Instanz hatte lediglich Dr. D. eine entsprechende Diagnose gestellt, die allerdings in ihrer Formulierung ("depressive psychische Beschwerden") keinem der anerkannten Klassifikationssysteme für Krankheiten (ICD-10 GM 2016 bzw. DSM-IV) entsprach (vgl. Urteil des Senats vom 17. Dezember 2015 - L 6 VS 2234/15 - juris, Rz. 33 m. w. N.). Dagegen hatte - nach Dr. D.‘ Zeugenaussage - die Fachärztin für Psychiatrie und Neurologie Dr. St. in ihrem Attest vom 22. Dezember 2014 überhaupt keine Diagnose auf psychiatrischem Fachgebiet genannt. Selbst wenn jedoch eine Diagnose aus dem Bereich depressiver Erkrankungen vorliegt, so dürfte diese keinen GdB von 20 oder mehr bedingen bzw. ein solcher GdB würde nach den Grundsätzen bei VG Teil A Nr. 3 Buchstabe d Doppelbuchstabe ee Satz 2 den Gesamt-GdB nicht erhöhen. An Symptomen einer solchen Erkrankung sind bei dem Kläger bislang allenfalls chronische Schmerzen erfasst, so z.B. in dem rentenversicherungsrechtlichen Gutachten von Dr. Sch. vom 26. April 2013. Dort hatte der Kläger auf Nachfrage sogar "manifeste psychiatrische" Symptome verneint (S. 4 jenes Gutachtens). Beeinträchtigungen in der psychischen oder gar sozialen Leidensdimension depressiver Erkrankungen sind auch sonst nicht ersichtlich. Gegen eine nennenswerte Krankheit spricht weiter, dass eine fachpsychiatrische oder psychotherapeutische Behandlung nicht stattfindet. Es lässt sich daher sicher nicht von einer bereits stärker behindernden Störung mit wesentlicher Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit sprechen, die aber nach VG Teil B Nr. 3.7 für einen GdB von 30 oder mehr vonnöten wäre. Und ob ein GdB von 20 erreicht wird, kann hier offen bleiben. Dieser würde, wie ausgeführt, den Gesamt-GdB nicht erhöhen, da er allein durch die Schmerzsymptomatik bedingt ist und sich daher starke Überschneidungen mit den Beeinträchtigungen an der Wirbelsäule ergeben, nämlich den Auswirkungen der Nervenwurzelreizungen an dem Segment C6.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 SGG.
Gründe für eine Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) sind nicht ersichtlich oder vorgetragen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt die Neufeststellung eines Grades der Behinderung (GdB) von mindestens 50 sowie die Feststellung (der gesundheitlichen Voraussetzungen) des Nachteilsausgleichs (Merkzeichens) "G".
Der Kläger ist 1957 geboren und als deutscher Staatsbürger im Inland wohnhaft. Seit einer Wirbelsäulenoperation im Jahre 2003 ist er arbeitsunfähig erkrankt. Er bezieht inzwischen Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende.
Bei ihm hatte der Beklagte mit Bescheid vom 10. November 2004 einen Grad der Behinderung (GdB) von 40 seit dem 13. September 2004 anerkannt. Neufeststellungsanträge in den Jahren 2005 und 2007 blieben ohne Erfolg.
Am 20. März 2013 beantragte der Kläger, einen höheren GdB sowie das Merkzeichen "G" festzustellen. Der Beklagte zog Befundscheine der behandelnden Ärzte bei und lehnte mit Bescheid vom 21. Mai 2013 die Anträge ab. In der dem Bescheid zugrundeliegenden Stellungnahme hatte der versorgungsmedizinische Dienst die Funktionsbeeinträchtigungen des Klägers in gleicher Weise wie bisher beschrieben, und zwar als "degenerative Veränderungen der Wirbelsäule, Versteifung von (zwei) Wirbelsäulenabschnitten, Bandscheibenschaden, Nervenwurzelreizerscheinungen, Schulter-Arm-Syndrom, chronisches Schmerzsyndrom" und ferner wie bislang mit einem Einzel-GdB von 40 bewertet. Für die geltend gemachte Funktionsbehinderung der Kniegelenke sei kein GdB zu vergeben.
Der Kläger erhob Widerspruch, wobei er sich - lediglich - gegen die Ablehnung der Erhöhung des GdB wandte (vgl. hierzu die Verhandlungsniederschrift vom 3. Juni 2013). Er führte aus, es sei noch ein weiterer Bandscheibenschaden hinzugekommen. Außerdem seien Taubheit an Mittel-, Zeigefinger und Daumen bislang nicht berücksichtigt. Der Beklagte holte das Gutachten der Allgemeinmedizinerin Dr. Sch. vom 26. April 2013 ein, das für die Deutschen Rentenversicherung Knappschaft-Bahn-See erstellt worden war. Darin waren im Wesentlichen ein chronisches LWS-Syndrom (Lendenwirbelsäule) bei Z. n. (Zustand nach) lumbaler Spondylodese bei den Segmenten L4/5 und L5/S1 sowie einer Anschlussstenose bei L3/4 und ein degeneratives HWS-Syndrom (Halswirbelsäule) mit chronischen Zervikalgien und Zephalgien sowie nunmehr auch eine Polyarthralgie beider Hände und ein Carpaltunnelsyndrom bds. festgestellt worden. Das Restleistungsvermögen des Klägers auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt war als nicht eingeschränkt beschrieben worden. In Auswertung dieser Unterlagen schlug der versorgungsmedizinische Dienst vor, als zusätzliche Gesundheitsstörung eine "Fingerpolyarthrose, Mittelnervendruckschädigung und Funktionsbehinderung beider Schultergelenke" mit einem Einzel-GdB von 10 anzuerkennen, aber den Gesamt-GdB nicht zu erhöhen. Entsprechend erließ der Beklagte den zurückweisenden Widerspruchsbescheid vom 9. September 2013, der lediglich Ausführungen zur Höhe des GdB enthielt.
Der Kläger hat am 14. Oktober 2013 Klage beim Sozialgericht Karlsruhe (SG) erhoben. Er hat dort schriftsätzlich zunächst beantragt, unter Aufhebung der entgegenstehenden Bescheide "bei dem Kläger die Schwerbehinderteneigenschaft festzustellen". Er hat vorgetragen, er leide unter gravierenden neurologischen Ausfallerscheinungen wie Taubheit im Bereich des Kopfes, der Arme, Hände und Beine.
Nachdem der Beklagte der Klage entgegengetreten ist, hat das SG die behandelnden Ärzte des Klägers schriftlich als sachverständige Zeugen vernommen. Wegen des Ergebnisses dieser Beweisaufnahme wird auf die Aussagen des Orthopäden Dr. U. G. vom 12. Dezember 2013, des Orthopäden und Unfallchirurgen Dr. S. G. vom 11. Dezember 2013, des Internisten Dr. B. vom 16. Dezember 2013 und des Allgemeinmediziners Dr. D. vom 13. Januar 2014 Bezug genommen. Hierbei hat Dr. B. zusätzlich eine Hiatushernie und eine Antrumgastritis diagnostiziert. Dr. D. hat außerdem depressive psychische Beschwerden bekundet. Die Fachärzte sind einem GdB von 40 beigetreten, lediglich Dr. D. hat einen solchen von 60 vorgeschlagen.
Daraufhin hat das SG von Amts wegen das Gutachten des Facharztes für Orthopädie Dr. M. vom 20. Juni 2014 eingeholt. Der Sachverständige hat mitgeteilt, bei dem Kläger handle es sich um chronische Veränderungen der Hals- und Lendenwirbelsäule mit Z. n. Versteifungsoperation der LWS (L4/5 und L5/S1) und einem Bandscheibenvorfall bei L3/4 ohne neurologische Ausfälle sowie einem Zervikalbrachialsyndrom bei C6 links, beginnende degenerative Veränderung des rechten Kniegelenks, eine endgradige Funktionsstörung der linken Schulter mit Impingement-Symptomatik, eine Beinverkürzung links von 1,5 cm und einen "Tumor" am rechten Daumen. Die Schäden an der Wirbelsäule verursachten schwere Funktionsstörungen, die Schä¬den am Kniegelenk und der Schulter leichte. Die Einschätzung des versorgungsärztlichen Dienstes, wegen der Funktionsbeeinträchtigungen an der Wirbelsäule einen GdB von 40 zu vergeben, der nicht wegen weiterer Schäden erhöht werde, treffe zu. Wegen der übrigen Feststellungen und Schlussfolgerungen des Sachverständigen wird auf das schriftliche Gutachten verwiesen.
Auf Nachfragen des Klägers hat Dr. M. in seiner ergänzenden Stellungnahme vom 11. August 2014 ausgeführt, ausweislich der erhobenen Messwerte bestehe an den Schultergelenken keine erhebliche Bewegungseinschränkung, ferner bedinge eine Beinverkürzung erst ab 2,5 bis 4 cm einen GdB von 10.
Der Kläger ist auch dieser Stellungnahme mit der Behauptung entgegengetreten, die Beweglichkeit der Schultergelenke sei tatsächlich wesentlich geringer.
In der mündlichen Verhandlung beim SG am 15. Januar 2015 hat der Kläger Atteste der Psychiaterin und Neurologin Dr. St. vom 22. Dezember 2014 (Karpaltunnelsyndrom), von Dr. G. vom 24. Oktober und vom 18. November 2014 (zusätzlich Epicondylitis humeri radialis bds., die Wirbelsäulenbeschwerden ständen im Vordergrund) und von Dr. D. vom 27. August 2014 vorgelegt. Der Kläger hat dort nunmehr beantragt, unter Aufhebung der entgegenstehenden Bescheide den Beklagten zur Feststellung eines GdB von wenigstens 50 und zur Zuerkennung des Merkzeichens "G" zu verurteilen.
Mit Urteil vom selben Tage hat das SG die Klage abgewiesen. Die Klage sei zulässig, aber unbegründet. Die beiden geltend gemachten Ansprüche beständen nicht. Der Kläger könne keinen höheren GdB verlangen, da eine wesentliche Veränderung in den Funktionsbeeinträchtigungen nicht zu erkennen sei. Für die schweren funktionellen Auswirkungen in zwei Wirbelsäulenabschnitten sei ein GdB von 30 bis 40 zu vergeben, hierbei sei der Beklagte bereits von dem höheren Wert ausgegangen. Die Beeinträchtigungen der Knie- und Schultergelenke bedingten jeweils einen GdB von 10, der den Gesamt-GdB nicht erhöhe. An den von Dr. M. gemessenen Beweglichkeiten sei nicht zu zweifeln, zumal Dr. G. unter dem 24. Oktober 2014 ähnliche Werte mitgeteilt habe. An Händen und Fingern ließen sich keine Beweglichkeitseinschränkungen feststellen, sodass auch das Karpaltunnelsyndrom wegen der damit verbundenen Sensibilitätsstörungen nur einen GdB von 10 bedinge. Letztlich bedingten die behaupteten psychischen Beschwerden des Klägers in Folge eines Schmerzsyndroms allenfalls einen GdB von 20. Eine erhebliche psychische Beeinträchtigung liege nicht vor, zumal sich der Kläger nicht in fachpsychiatrischer oder psychologischer Behandlung befinde. Wegen der erheblichen Überschneidungen dieses Schmerzsyndroms mit den Funktionsbeeinträchtigungen an der Wirbelsäule führe auch dieser GdB nicht zu einem höheren Gesamt-GdB. Ferner, so das SG, bestehe kein Anspruch auf Zuerkennung des Merkzeichens "G". Ein solcher scheitere bereits an der fehlenden Schwerbehinderteneigenschaft.
Gegen dieses Urteil hat der Kläger am 10. Februar 2015 Berufung beim Landessozialgericht Baden-Württemberg eingelegt. Er behauptet, er leide zwischenzeitlich auch an einer Teilruptur der Supraspinatussehne mit Kapselreizung und unter arthrotischen Veränderungen in den Kniegelenken mit Erguss. Ferner habe seine Hausärztin bestätigt, dass eine depressive Erkrankung vorliege. Auch seien bislang die Hiatushernie und die Divertikel nicht berücksichtigt.
Der damalige Berichterstatter des Senats hat den Kläger persönlich angehört. Wegen des Ergebnisses wird auf das Protokoll der nichtöffentlichen Sitzung vom 7. Mai 2015 verwiesen.
Auf Antrag und Kostenrisiko des Klägers hat der Senat den Orthopäden Dr. H. vom Medizinischen Versorgungszentrum Baden-Baden mit einer Begutachtung des Klägers beauftragt. Der Sachverständige hat schriftlich bekundet, auf seinem Fachgebiet beständen Funktionseinschränkungen der HWS bei Cervicobrachialgie C5/6 mit Parästhesien und Nervenwurzelreizzeichen und der LWS bei Spondylodese L4 bis S1 wegen lumbalen Bandscheibenvorfalls und eine Segmentinstabilität bei Bandscheibenvorfall bei L3/4, eine Funktionseinschränkung der linken Schulter bei ausgeprägter Partialruptur der Supraspinatussehne und Kapsulitis adhäsiva, eine Gonarthrose rechts mit Reizerguss bei beginnenden degenerativen Veränderungen sowie eine Beinverkürzung links von 1,5 cm. Die Beeinträchtigung der HWS sei mittelgradig, jene der LWS mittel- bis schwergradig. Für die HWS sei ein GdB von 20 anzunehmen, für die LWS sei eine Höherbewertung mit einem GdB von 40 angezeigt. Die Funktionsbeeinträchtigungen des linken Schultergelenks und des rechten Kniegelenks bedingten jeweils einen GdB von 10. Somit resultiere hieraus ein Gesamt-GdB von 50. Die Voraussetzungen des Merkzeichens "G" seien nicht erfüllt, auch wenn subjektiv die Gehfähigkeit eingeschränkt sei. Wegen der weiteren Feststellungen und Schlussfolgerungen Dr. H.s wird auf das schriftliche Gutachten vom 31. August 2015 verwiesen.
Der Kläger beantragt (teilweise sinngemäß),
das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 15. Januar 2015 und den Bescheid vom 21. Mai 2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 9. September 2013 aufzuheben sowie den Beklagten zu verpflichten, unter Abänderung des Bescheides vom 10. November 2004 bei ihm einen Grad der Behinderung von mindestens 50 und die gesundheitlichen Voraussetzungen für die Zuerkennung des Nachteilsausgleichs "G" festzustellen, hilfsweise zum Beweis der Tatsache, dass bei ihm ein Gesamt-GdB von 50 vorliegt, die Einholung eines orthopädischen Sachverständigengutachtens von Amts wegen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er meint, die Ablehnung der Zuerkennung des Merkzeichens "G" durch den Bescheid vom 21. Mai 2015 sei bestandskräftig, da sich der Kläger mit seinem Widerspruch und anfangs auch mit seiner Klage nur gegen die Versagung eines höheren GdB gewandt und den Anspruch auf Zuerkennung des Merkzeichens erst wieder in der mündlichen Verhandlung vor dem SG erhoben habe. In der Sache erachtet der Beklagte die erstinstanzliche Entscheidung für zutreffend, die Schwerbehinderteneigenschaft nach wie vor auch unter Berücksichtigung der geltend gemachten Schulter- und Kniebeschwerden nicht für gegeben und daher auch die Feststellung von Nachteilsausgleichen nicht begründet. Dem Gutachten von Dr. H. ist der Beklagte unter Vorlage der versorgungsärztlichen Stellungnahme von Dr. Götz vom 4. Januar 2016 entgegengetreten.
Der Kläger hat sich unter dem 6. Februar 2016, der Beklagte mit Schriftsatz vom 17. Februar 2016 mit einer Entscheidung des Senats ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die beigezogene Verwaltungsakte des Beklagten und die Prozessakten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Der Senat entscheidet über die Berufung des Klägers nach § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) im Einvernehmen mit beiden Beteiligten ohne mündliche Verhandlung.
Die Berufung ist statthaft (§ 143 SGG), insbesondere war sie nicht nach § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG zulassungsbedürftig, da der Kläger keine Geld-, Sach- oder Dienstleistung begehrt, sondern behördliche Feststellungen. Sie ist auch im Übrigen zulässig, insbesondere form- und fristgerecht (§ 151 Abs. 1 SGG) erhoben.
Die Berufung ist aber nicht begründet. Zu Recht hat das SG die Anfechtungs- und Verpflichtungsklage des Klägers (§ 54 Abs. 1 Satz 1 Var. 1 und 2 SGG) abgewiesen.
Der Sachverhalt ist nach Einholung von zwei orthopädischen Gutachten hinreichend aufgeklärt, einer weiteren Amtsermittlung zur Entscheidungsfindung bedarf es nicht. Dass sich zwei medizinische Gutachten widersprachen, ist in der sozialgerichtlichen Praxis nicht ungewöhnlich und begründet nicht die Erforderlichkeit, ein "Obergutachten" einzuholen (vgl. Urteil des Senats vom 17. März 2016 - L 6 U 1518/14 - juris, Rz. 61), worauf der Hilfsbeweisantrag des Klägers letztendlich zielt. Die Voraussetzungen dafür (§ 118 Abs. 1 SGG i.V.m. § 412 Abs. 1 Zivilprozessordnung [ZPO]) liegen aber nicht vor. Vielmehr hat sich das Gericht im Rahmen der Beweiswürdigung mit den einander entgegenstehenden Ergebnissen auseinanderzusetzen (so zuletzt BSG, Beschluss vom 12. Mai 2015 - B 9 SB 93/14 B-, Juris Rz. 6). Der Senat hat deswegen den Hilfsbeweisantrag abgelehnt und in der Sache entschieden.
Hierbei ist allerdings der Antrag des Klägers, den Beklagten zur Zuerkennung des Nachteilsausgleichs "G" zu verurteilen, bereits unzulässig. Das SG hätte daher die Klage insoweit als unzulässig abweisen müssen. Hinsichtlich dieses Anspruchs fehlt dem Kläger die nach § 54 Abs. 1 Satz 2 SGG notwendige Klagebefugnis, denn die Ablehnung seines entsprechenden Antrags ist bestandskräftig und damit bindend (§ 77 SGG). Der Beklagte hatte mit dem hier angefochtenen Bescheid über beide Ansprüche, sowohl auf Feststellung des GdB wie auch der Voraussetzungen für die Zuerkennung des Merkzeichen, entschieden. Der Kläger hatte gegen die Ablehnung seines Antrags wegen des Merkzeichens jedoch keinen Widerspruch erhoben und auch seine Klage vor dem SG war anfangs auf die "Schwerbehinderteneigenschaft" und damit den GdB beschränkt. Eine solche Beschränkung war möglich, da die beiden Ansprüche getrennte Streitgegenstände darstellen. Als der Kläger dann den Anspruch wegen des Merkzeichens in der mündlichen Verhandlung vor dem SG erneut geltend machte, mag zwar die darin liegende Klageänderung nach § 99 Abs. 1, Abs. 2 SGG statthaft gewesen sein, weil ihr der Beklagte - damals - nicht widersprochen hatte. Aber es fehlten nunmehr die Zulässigkeitsvoraussetzungen für diesen Antrag, weil - wie ausgeführt - insoweit inzwischen Bestandskraft vorlag (vgl. im Einzelnen Leitherer, in Meyer-Ladewig/Kel¬ler/Lei¬the¬rer, SGG, 11. Aufl. 2014, § 99 Rn. 13a m.w.N.).
Soweit der Kläger unter Abänderung des Bescheids vom 10. November 2004 die Feststellung eines höheren GdB verlangt, ist seine Klage unbegründet.
Nach § 48 Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung für die Zukunft aufzuheben, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die bei seinem Erlass vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt. Im Schwerbehindertenrecht liegt eine Änderung der tatsächlichen Verhältnisse vor, wenn sich der Gesundheitszustand des Behinderten durch das Hinzutreten neuer oder den Wegfall bestehender Funktionsstörungen oder durch eine Änderung der anerkannten Funktionsstörungen verschlechtert oder verbessert.
Maßgebliche Rechtsgrundlagen für die Feststellung und Bewertung des GdB ist § 69 Abs. 1 Neuntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IX), wonach die für die Durchführung des Bundesversorgungsgesetzes zuständigen Behörden (Versorgungsämter und Landesversorgungsämter) auf Antrag des behinderten Menschen das Vorliegen einer Behinderung und den GdB feststellen. Die Feststellung des GdB richtet sich seit dem 1. Januar 2009 nach den "Versorgungsmedizinischen Grundsätzen" (VG) aus der Anlage zu § 2 der Versorgungsmedizinverordnung (VersMedV), die aufgrund der Ermächtigung in § 30 Abs. 17 des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) erlassen worden sind (§ 69 Abs. 1 S. 5 SGB IX) und den medizinischen Kenntnisstand für die Beurteilung von Behinderungen wiedergeben.
Menschen sind behindert, wenn ihre körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweichen und daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist (§ 2 Abs. 1 Satz 1 SGB IX). Die Auswirkungen auf die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft werden als Grad der Behinderung nach 10-er-Graden abgestuft festgestellt (§ 69 Abs. 1 S. 4 SGB IX). Der Begriff des GdB bezieht sich auf alle Gesundheitsstörungen unabhängig von ihrer Verursachung, wobei die üblichen seelischen Begleiterscheinungen und Schmerzen mitberücksichtigt sind.
Wesentlich ist eine Änderung dann, wenn der veränderte Gesundheitszustand mehr als sechs Monate angehalten hat oder voraussichtlich anhalten wird und wenn sich der Gesamt-Grad der Behinderung (Gesamt-GdB) um wenigstens 10 erhöht oder vermindert. Ob eine wesentliche Änderung eingetreten ist, muss durch einen Vergleich des gegenwärtigen medizinischen Zustandes mit dem bindend festgestellten - früheren - Behinderungszustand ermittelt werden (Bundessozialgericht [BSG], Urteil vom 15. August 1996 - 9 RVs 10/94 -, juris Rz. 11; LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 17. Dezember 2010 - L 8 SB 1549/10 -, juris Rz. 22). Im Falle einer solchen Änderung ist der Verwaltungsakt aufzuheben und durch eine zutreffende Bewertung zu ersetzen.
Für die Feststellung des GdB sind dabei in einem ersten Schritt die einzelnen, nicht nur vorübergehenden Gesundheitsstörungen und die sich daraus ergebenden Teilhabebeeinträchtigungen festzustellen. In einem zweiten Schritt sind diese den in den VG genannten Funktionssystemen zuzuordnen und mit einem Einzel-GdB zu bewerten. In einem dritten Schritt ist dann - ausgehend von der Beeinträchtigung mit dem höchsten Einzel-GdB - der Gesamt-GdB zu bilden (BSG, Urteil vom 24. April 2008 - B 9/9a SB 10/06 R -, juris Rz. 23). Bei der Ermittlung des Gesamt-GdB sind jegliche Rechenmethoden für die Bildung des Gesamt-GdB ungeeignet.). Hierbei ist der Gesamt-GdB in freier richterlicher Beweiswürdigung sowie aufgrund richterlicher Erfahrung unter Hinzuziehung von Sachverständigengutachten zu bilden (vgl. LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 17. Dezember 2010 - L 8 SB 1549/10 -, juris Rz. 25 m.w.N.). Die einzelnen GdB-Werte dürfen für die Bildung des Gesamt-GdB weder addiert, noch mit anderen Rechenmethoden gebildet werden. Ausschlaggebend sind stattdessen die Auswirkungen aller Beeinträchtigungen unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehungen (Teil A Nr. 3 VG). Ein Einzel-GdB in Höhe von 10 führt in der Regel nicht zu einer Zunahme des Ausmaßes der Gesamtbeeinträchtigung und auch bei leichten Behinderungen mit einem GdB in Höhe von 20 ist es vielfach nicht gerechtfertigt, auf eine wesentliche Zunahme des Ausmaßes der Behinderung zu schließen (vgl. Teil A Nr. 3 Buchstabe d Doppelbuchstabe ee Sätze 1 und 2 VG).
Nach diesen Maßstäben ergibt sich bei dem Kläger nach wie vor kein höherer Grad der Behinderung als 40.
Die Beeinträchtigungen des Klägers an der Wirbelsäule bedingen keinesfalls einen höheren Gesamt-GdB als 40. Dieser GdB ist bei den vorliegenden mittel- (HWS) bis schwergradigen (LWS) funktionellen Auswirkungen in zwei Wirbelsäulenabschnitten anzusetzen.
Dies hat bereits der Sachverständige Dr. M. in seinem vom SG erhobenen Gutachten vom 20. Juni 2014 überzeugend herausgearbeitet. Er hatte dabei sogar schwere funktionelle Auswirkungen in zwei Wirbelsäulenabschnitten angenommen und diese entsprechend dem dafür vorgesehenen Höchstwert aus der Spanne von 30 bis 40 bei VG Teil B Nr. 18.9 vergeben.
Diese Einschätzung konnte auch das in zweiter Instanz erhobene Wahlgutachten von Dr. H. vom 31. August 2015 nicht erschüttern. Dieser Sachverständige hat sogar für die HWS nur eine mittelgradige Funktionsbeeinträchtigung angenommen und folgerichtig dafür - isoliert - einen GdB von 20 vorgeschlagen. Für die LWS hat er lediglich eine mittel- bis schwergradige Funktionsbeeinträchtigung gesehen, hält dafür aber einen GdB von 40 für angemessen. Dem kann nicht gefolgt werden. Die getrennte Bewertung der beiden genannten Wirbelsäulenabschnitte widerspricht den rechtlichen Vorgaben aus VG Teil A Nr. 2 Buchstabe e Satz 2, wonach - unter anderem - das Funktionssystem "Rumpf" zusammenfassend zu beurteilen ist. Dementsprechend sieht VG Teil B Nr. 18.9 für funktionelle Auswirkungen in zwei Wirbelsäulenabschnitten einen GdB von 30 vor, wenn beide mittelgradig sind, und einen solchen von 40, wenn beide als schwer einzustufen sind. Nach diesen Kriterien dürfte die Wirbelsäulenproblematik ausgehend von Dr. H.s Einstufung eher einen GdB von 30 als einen solchen von 40 bedingen. In der Sache ist auch den Beschreibungen Dr. H.s zu folgen. Die Funktionsbeeinträchtigungen an der HWS können nicht als schwergradig eingestuft werden. Insbesondere liegt keine Bewegungseinschränkung oder Instabilität schweren Grades vor. Nach seinen Angaben (S. 3 des Gutachtens) war lediglich die Seitneigung merklich eingeschränkt, und zwar auf 20° (Normwert 45°). Die Rotation war mit 50/0/50° (Normwerte 60-80/0/60-80°) dagegen nur geringfügig beeinträchtigt. Für die Vor- und Rückneigung hat Dr. H. keine Messwerte angegeben, daher ist davon auszugehen, dass hier weiterhin keine Einschränkung vorliegt. Dies hatte schon Dr. M. festgestellt, der in seinem Gutachten (S. 13) Beweglichkeiten von 60° vorwärts und 55° rückwärts angegeben hatte. Aus diesen Gründen können bereits mittelgradige Funktionseinbußen in diesem Wirbelsäulenabschnitt nur unter Betonung der Schmerzausstrahlungen in die oberen Gliedmaßen ausgehend von der Nervenwurzelreizung bei C6 begründet werden. Für die LWS dagegen können durchaus schwere funktionelle Einbußen angenommen werden, nachdem dort zwei Segmente versteift sind und ein weiterer Bandscheibenvorfall in dem Segment darüber vorliegt; insoweit hat Dr. H. sogar von einer segmentiellen Instabilität gesprochen. Insgesamt jedoch kann, wie ausgeführt, ein höherer GdB als 40 für die Wirbelsäule nicht vergeben werden. Dafür wären nach VG Teil A Nr. 18.9 besonders schwere Auswirkungen notwendig, z.B. eine Versteifung "großer Teile" der (gesamten) Wirbelsäule oder eine Ruhigstellung aller drei Wirbelsäulenabschnitte. Solche Beeinträchtigungen liegen bei dem Kläger nicht vor. Zu Recht hat deswegen Versorgungsarzt Dr. Götz darauf hingewiesen, dass auch eine kontinuierliche und intensive schmerztherapeutische Behandlung nicht dokumentiert ist, die allenfalls unter vermehrter Berücksichtigung eines chronischen Schmerzsyndroms eine Höherbewertung begründen könnte.
Soweit der Kläger geltend gemacht hat, dass die Verschlimmerung durch die Einschränkung seitens der Knie und Schultern gerechtfertigt sei, so hat auch der Wahlgutachter diese Selbsteinschätzung nicht bestätigen können. Vielmehr war sich Dr. H. in der Bewertung der Beeinträchtigung an den Schultern, den Händen und den Kniegelenken mit dem Amtsgutachter Dr. M. einig. Insbesondere bedingen die Gesundheitsschäden an der rechten Schulter, auch wenn nunmehr eine Teilruptur der Supraspinatussehne diagnostiziert worden ist, weiterhin keinen GdB von mehr als 10. Dafür wären nach VG Teil B Nr. 18.13 Bewegungseinschränkungen mit einer Armhebung nur bis 90° und einer entsprechenden Einschränkung der Dreh- und Spreizfähigkeit notwendig. Die Restbeweglichkeiten des Klägers liegen jedoch darüber. Zwar hatte dieser die entsprechenden Messwerte Dr. M.s weiterhin bestritten, jedoch hat Dr. H. ähnliche Werte festgestellt, und zwar (S. 5 Gutachten) Armhebungen seit- und körperwärts von 150/0/30° rechts und 130/0/30° links sowie vor- und rückwärts von 100/0/40° rechts und von 100/0/20° links. Eine Instabilität des Schultergelenks, die - sobald sie als mittelgradig mit mindestens jährlichen Ausrenkungen eingestuft werden müsste - ebenfalls einen GdB von 20 bedingen würde, liegt nicht vor. Hinsichtlich der nur beginnenden degenerativen Veränderungen der Kniegelenke liegt eine Funktionsstörung nur bei Belastung vor, eine eingeschränkte Beweglichkeit ist nicht nachweisbar. Bezüglich der Hände konnte auch Dr. H. keinen richtungsweisenden Befund erheben, er hat nur über ein andernorts beschriebenes Karpaltunnelsyndrom berichtet, das allenfalls einen weiteren Einzel-GdB von 10 begründen kann.
Auf internistischem Gebiet liegt kein GdB vor. In seiner sachverständigen Zeugenaussage vom 16. Dezember 2013 vor dem SG hatte Dr. B. lediglich "unklare abdominale Beschwerden" des Klägers als Symptome der später diagnostizierten Hiatushernie und vor allem der Antrumgastritis angegeben. Konkrete Beschwerden hat der Kläger nicht mitgeteilt.
Ebenso wie das SG hält der Senat eine Erhöhung des GdB für den Rumpf auch wegen psychischer Beeinträchtigungen des Klägers nicht für angezeigt. Hierbei ist es schon zweifelhaft, ob eine Erkrankung auf diesem Fachgebiet überhaupt nachgewiesen ist. In erster Instanz hatte lediglich Dr. D. eine entsprechende Diagnose gestellt, die allerdings in ihrer Formulierung ("depressive psychische Beschwerden") keinem der anerkannten Klassifikationssysteme für Krankheiten (ICD-10 GM 2016 bzw. DSM-IV) entsprach (vgl. Urteil des Senats vom 17. Dezember 2015 - L 6 VS 2234/15 - juris, Rz. 33 m. w. N.). Dagegen hatte - nach Dr. D.‘ Zeugenaussage - die Fachärztin für Psychiatrie und Neurologie Dr. St. in ihrem Attest vom 22. Dezember 2014 überhaupt keine Diagnose auf psychiatrischem Fachgebiet genannt. Selbst wenn jedoch eine Diagnose aus dem Bereich depressiver Erkrankungen vorliegt, so dürfte diese keinen GdB von 20 oder mehr bedingen bzw. ein solcher GdB würde nach den Grundsätzen bei VG Teil A Nr. 3 Buchstabe d Doppelbuchstabe ee Satz 2 den Gesamt-GdB nicht erhöhen. An Symptomen einer solchen Erkrankung sind bei dem Kläger bislang allenfalls chronische Schmerzen erfasst, so z.B. in dem rentenversicherungsrechtlichen Gutachten von Dr. Sch. vom 26. April 2013. Dort hatte der Kläger auf Nachfrage sogar "manifeste psychiatrische" Symptome verneint (S. 4 jenes Gutachtens). Beeinträchtigungen in der psychischen oder gar sozialen Leidensdimension depressiver Erkrankungen sind auch sonst nicht ersichtlich. Gegen eine nennenswerte Krankheit spricht weiter, dass eine fachpsychiatrische oder psychotherapeutische Behandlung nicht stattfindet. Es lässt sich daher sicher nicht von einer bereits stärker behindernden Störung mit wesentlicher Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit sprechen, die aber nach VG Teil B Nr. 3.7 für einen GdB von 30 oder mehr vonnöten wäre. Und ob ein GdB von 20 erreicht wird, kann hier offen bleiben. Dieser würde, wie ausgeführt, den Gesamt-GdB nicht erhöhen, da er allein durch die Schmerzsymptomatik bedingt ist und sich daher starke Überschneidungen mit den Beeinträchtigungen an der Wirbelsäule ergeben, nämlich den Auswirkungen der Nervenwurzelreizungen an dem Segment C6.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 SGG.
Gründe für eine Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) sind nicht ersichtlich oder vorgetragen.
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