L 7 R 802/12

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
7
1. Instanz
SG Konstanz (BWB)
Aktenzeichen
S 9 R 1399/10
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 7 R 802/12
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Konstanz vom 27. Januar 2012 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten besteht Streit über die Versicherungspflicht der Klägerin in der gesetzlichen Rentenversicherung als nicht erwerbsmäßig tätige Pflegeperson vom 1. November 2004 bis zum 30. Juni 2008.

Die Klägerin (geb. 1951) ist die Mutter der 1988 geborenen C. H. (i.F.: C.). Bei C. besteht eine Chromosomenanomalie (Tetrasomie des X-Chromosoms) mit einer leichten Intelligenzminderung; auf orthopädischem Gebiet liegen eine schwere Skoliose sowie Kyphose der Brustwirbelsäule, auf psychiatrischem Gebiet schwere Verhaltensauffälligkeiten mit Angstzuständen und Panikattacken sowie psychosomatischen Beschwerden vor. Seit März 2003 ist bei C. ein Grad der Behinderung von 100 (Merkzeichen "G", "B" und "H") festgestellt. Vom 13. Oktober bis 3. Dezember 2004 befand sie sich wegen einer schweren depressiven Störung in stationärer Behandlung in der St. L.-K. in M.; ein erneuter stationärer Aufenthalt fand dort zur Krisenintervention vom 1. bis 4. Februar 2008 statt. Auf Grund der ausgeprägten Brustwirbelsäulen-Kyphose wurde im April 2005 die Versorgung mit einem Korsett erforderlich, das die Tochter der Klägerin mehrere Jahre (bis etwa 2008) tragen musste. C. besuchte ab ihrem 7. Lebensjahr teilstationär die C. Schulgemeinschaft F. in H., eine Heimsonderschule für körper-, geistig- und mehrfach behinderte Kinder und Jugendliche, zuletzt nach dem 9. Schuljahr im Werkstufenbereich; von Montag bis Freitag wurde sie dazu morgens von einem Fahrdienst abgeholt und am frühen Abend in das Elternhaus zurückgebracht. Von November 2012 bis zum Frühjahr 2014 war C. ausweislich des Vorbringens der Klägerin in der mündlichen Verhandlung vom 15. Oktober 2015 vollstationär in einer Wohngruppe der Sozialkulturellen Integrationsdienste gGmbH (SKID) in Ü. aufgenommen; seitdem lebt sie wieder (nach monatelanger Krankschreibung mit Auflösung des Zimmers im August 2014) bei ihren Eltern.

Die Klägerin, die nach der Geburt von C. ihre Berufstätigkeit als Bankkauffrau aufgegeben hatte, übernahm im Wesentlichen die Pflege im häuslichen Umfeld. P. H., Vater von C. und Ehemann der Klägerin, arbeitete deren Angaben zufolge bis zu seiner Berentung im Jahr 2007 als Altenpfleger im Schichtdienst eines Seniorenheims; seit etwa dem Jahr 2010 ist er mit einer geringfügigen Beschäftigung in seinen Beruf zurückgekehrt. Die Klägerin wiederum war von Januar bis Dezember 2012 geringfügig nicht versicherungspflichtig beschäftigt; seit 1. April 2014 bezieht sie eine Altersrente. Die Klägerin war von 1999 bis Dezember 2011 Mitglied der beigeladenen Betriebskrankenkasse für Industrie, Handel und Versicherungen (BKK IHV), die im Juni 2014 in BKK family umbenannt worden ist.

Auf den vom Vater der C. im November 2000 gestellten Antrag hatte die beigeladene Pflegekasse ab 1. November 2000 Pflegeleistungen nach der Pflegestufe I (Bescheid vom 20. April 2001) gewährt; dem vorausgegangen war die Begutachtung durch eine Pflegefachkraft im März 2001, die einen durchschnittlichen täglichen Pflegebedarf für die Grundpflege von 60 Minuten (Körperpflege 48 Minuten, Ernährung 5 Minuten, Mobilität 7 Minuten) und für die hauswirtschaftliche Versorgung von 30 Minuten angegeben hatte. Ein weiteres auf Veranlassung der Beigeladenen nach einem Hausbesuch am 5. August 2004 erstelltes Pflegegutachten vom 1. Oktober 2004 kam dagegen lediglich noch zu einem täglichen Pflegebedarf für die Grundpflege von 36 Minuten (Körperpflege 19 Minuten, Ernährung 8 Minuten, Mobilität 9 Minuten) und für die hauswirtschaftliche Versorgung von 60 Minuten. Dies führte zur Einstellung der Leistungen der Pflegeversicherung ab 1. November 2004 (Bescheid vom 11. Oktober 2004; Widerspruchsbescheid vom 22. April 2004 (richtig: 2005)). Im anschließenden Klageverfahren vor dem Sozialgericht Konstanz - SG - (S 2 P 1151/05) wurde im gerichtlichen Auftrag von Fachärztin für öffentliches Gesundheitswesen Dr. B. das Gutachten vom 12. Dezember 2005 erstattet; in diesem Gutachten ermittelte die Ärztin, die die C. am 28. Oktober 2005 exploriert und untersucht hatte, einen durchschnittlichen täglichen Pflegebedarf für die Grundpflege von 58 Minuten (Körperpflege 26 Minuten, Ernährung 8 Minuten, Mobilität 24 Minuten) und für die hauswirtschaftliche Versorgung von 60 Minuten. Das darauf von der Beigeladenen abgegebene Anerkenntnis (Schriftsatz vom 8. Juni 2006) auf Weitergewährung der Pflegestufe I an 1. November 2004 nahm die C. schließlich mit Anwaltsschriftsatz vom 18. Juni 2007 an.

Auf der Grundlage des Bescheids vom 20. April 2001 hatte die Beigeladene für die Klägerin als Pflegeperson an die Beklagte in der Zeit vom 1. November 2000 bis 31. Oktober 2004 Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung entrichtet. Bereits während des Klageverfahrens gegen die beigeladene Pflegekasse (S 2 P 1151/05) machte die Klägerin dort geltend (Schriftsätze vom 12. Juli und 6. September 2006), dass ab 1. November 2004 Beiträge an die gesetzliche Rentenversicherung abzuführen seien. Die Beigeladene leitete diesen Antrag am 21. November 2006 an die Beklagte zur Prüfung der Rentenversicherungspflicht weiter.

Mit Bescheid vom 20. August 2007 stellte die Beklagte fest, dass die Klägerin in der Zeit ab 1. November 2004 nicht rentenversicherungspflichtig sei, weil der Umfang der Pflegetätigkeit nach den Feststellungen der Beigeladenen unter 14 Stunden in der Woche gelegen habe. Der Widerspruch der Klägerin wurde mit Widerspruchsbescheid vom 18. Juni 2008 zurückgewiesen.

Deswegen hat die Klägerin am 10. Juli 2008 Klage zum SG (S 9 R 2072/08) erhoben. Zur Begründung hat sie vorgebracht, dass bei der Feststellung der rentenversicherungsrechtlich relevanten Mindeststundenzahl nicht nur die Arbeitszeit zu berechnen sei, die auf Grund der pflegerischen und hauswirtschaftlichen Versorgung anfalle und die für die Feststellung der Pflegebedürftigkeit nach §§ 14, 15 des Elften Buches Sozialgesetzbuch (SGB XI) maßgeblich sei, sondern auch die Zeit, die für die ergänzende Pflege und Betreuung im Sinne des § 4 Abs. 2 Satz 1 SGB XI benötigt werde. Das SG hat mit Beschluss vom 17. November 2008 die Pflegekasse beigeladen. Mit Blick auf ein beim Bundessozialgericht (BSG) anhängiges Revisionsverfahren (B 12 R 9/09 R) hat das Verfahren auf übereinstimmenden Antrag der Beteiligten geruht (Beschluss vom 9. Juli 2009). Nach Wiederanrufung durch die Beklagte ist der Rechtsstreit beim SG unter dem Az. S 9 R 1399/10 geführt worden. Mit Gerichtsbescheid vom 27. Januar 2012 hat das SG die Klage abgewiesen. In den Gründen hat es im Wesentlichen ausgeführt, der berücksichtigungsfähige Pflegeaufwand der Klägerin liege unter Würdigung der Pflegegutachten vom 1. Oktober 2004 und 12. Dezember 2005 bei unter 14 Stunden in der Woche. Die nach § 3 Satz 1 Nr. 1a des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VI) erforderliche Mindeststundenzahl werde damit nicht erreicht. Die Zeiten, die für Betreuungsleistungen aufgewendet würden, die in § 4 Abs. 2 Satz 1 SGB XI als ergänzende Pflege und Betreuung bezeichnet würden, seien nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung, der sich die Kammer anschließe, bei der Ermittlung des Umfangs der (Mindest-)Pflegezeit nicht zu berücksichtigen.

Gegen diesen dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin am 6. Februar 2012 zugestellten Gerichtsbescheid richtet sich die am 23. Februar 2012 eingelegte Berufung. Die Klägerin hat vorgebracht, für die Grundpflege ihrer Tochter seien insgesamt 60 Minuten täglich erforderlich. Im Pflegegutachten der Dr. B. vom 12. Dezember 2005 sei zu Unrecht für das Duschen sowie das Waschen und Föhnen der Haare ein Zeitaufwand von lediglich 10 Minuten wöchentlich (zweimal fünf Minuten) angesetzt worden; tatsächlich würden 25 Minuten benötigt. Ein erhöhter Pflegezeitaufwand ergebe sich auch aus dem An- und Abnehmen des Korsetts. Hinzu kämen Fahrten zum Arzt, zu Therapien, zur Krankengymnastik (zweimal wöchentlich) und zur Psychotherapie (einmal wöchentlich) sowie Krankenhausbesuche. Die Klägerin hat noch das im Auftrag der Beigeladenen erstellte Pflegegutachten vom 26. Juni 2008 zu den Akten gereicht; darin wurde seitens der begutachtenden Pflegefachkraft bei C. (nach einem Hausbesuch am 23. Juni 2008) ein durchschnittlicher täglicher Pflegebedarf für die Grundpflege von 55 Minuten (Körperpflege 33 Minuten, Ernährung 15 Minuten, Mobilität 7 Minuten) und für die hauswirtschaftliche Versorgung von 60 Minuten veranschlagt und außerdem eine erheblich eingeschränkte Alltagskompetenz (§ 45a SGB XI) seit Juni 2003 bejaht.

Die Klägerin beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Konstanz vom 27. Januar 2012 sowie den Bescheid der Beklagten vom 20. August 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 18. Juni 2008 aufzuheben und festzustellen, dass sie in der Zeit vom 1. November 2004 bis 30. Juni 2008 als nicht erwerbsmäßig tätige Pflegeperson in der gesetzlichen Rentenversicherung versicherungspflichtig war.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält den angefochtenen Gerichtsbescheid und die streitbefangenen Bescheide für zutreffend.

Die Beigeladene hat sich am Verfahren nicht beteiligt und keine Anträge gestellt.

Der Senat hat die Akte des Klageverfahrens S 2 P 1151/05 beigezogen.

Zur weiteren Darstellung wird auf die beigezogenen Akten, die Verwaltungsakte der Beklagten, die Klageakten des SG (S 9 R 2072/08, S 9 R 1399/10) und die Berufungsakte des Senats (L 7 R 802/12) Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung der Klägerin hat keinen Erfolg.

Die Berufung ist zulässig. Sie ist unter Beachtung der Form- und Fristvorschriften des § 151 Abs. 1 und 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) eingelegt worden sowie statthaft (§ 143 SGG); die Berufungsbeschränkungen des § 144 Abs. 1 Sätze 1 und 2 SGG greifen nicht ein. Die Berufung der Klägerin ist jedoch nicht begründet.

Gegenstand des Verfahrens ist der Bescheid vom 20. August 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 18. Juni 2008; darin hat die Beklagte festgestellt, dass die Klägerin in der Zeit ab 1. November 2004 nicht der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung als Pflegeperson unterlag. Soweit die Beklagte im Bescheid vom 20. August 2007 darüber hinaus auch "den Antrag bei der BKK IHV Pflegekasse in W. auf Weiterzahlung von Rentenversicherungsbeiträgen als Pflegeperson abgelehnt" hat, kommt dem im Hinblick auf die bereits vorrangig verneinte Versicherungspflicht keine eigenständige Bedeutung zu (vgl. hierzu auch BSG, Urteil vom 4. Dezember 2014 - B 5 RE 4/14 R - (juris Rdnr. 12)). Die Beklagte ist zur Entscheidung über die Rentenversicherungspflicht befugt; denn beim Streit über die Versicherungs- und Beitragspflicht nicht erwerbsmäßig tätiger Pflegepersonen hat nicht die - hier beigeladene Pflegekasse - sondern der zuständige Rentenversicherungsträger durch Verwaltungsakt zu entscheiden (ständige Rechtsprechung; vgl. BSG SozR 3-2600 § 3 Nr. 5 S. 7; BSGE 106, 126 = SozR 4-2600 § 3 Nr. 5 (Rdnr. 10)). Die angefochtene Entscheidung der Beklagten ist rechtmäßig; die Klägerin war in der jetzt noch streitbefangenen Zeit vom 1. November 2004 bis 30. Juni 2008 nicht als nicht erwerbsmäßig tätige Pflegeperson rentenversicherungspflichtig.

Nach § 3 Satz 1 Nr. 1a SGB VI (in der hier noch maßgeblichen, bis 31. Dezember 2012 unverändert gebliebenen Fassung des Art. 5 Nr. 2 Buchst. a des Pflege-Versicherungsgesetzes vom 26. Mai 1994 (BGBl. I S. 1014)) sind Personen in der Rentenversicherung in der Zeit versicherungspflichtig, in der sie einen Pflegebedürftigen im Sinne des § 14 SGB XI nicht erwerbsmäßig wenigstens 14 Stunden wöchentlich in seiner häuslichen Umgebung pflegen (nicht erwerbsmäßig tätige Pflegepersonen) und der Pflegebedürftige Anspruch auf Leistungen aus der sozialen oder einer privaten Pflegeversicherung hat. Gemäß § 3 Satz 3 SGB VI unterliegen solche Personen der Rentenversicherungspflicht nach Satz 1 Nr. 1a nicht, die daneben regelmäßig mehr als 30 Stunden wöchentlich beschäftigt oder selbständig tätig sind. Diese Bestimmung übernimmt die bereits in Satz 1 der leistungsrechtlichen Vorschrift des § 44 SGB XI enthaltene Formulierung; die Versicherungspflicht der Pflegepersonen in der Rentenversicherung konkretisiert diese Vorschrift (BSG SozR 4-2600 § 3 Nr. 1 (Rdnr. 6); BSGE 106, 126 = SozR 4-2600 §3 Nr. 5 (jeweils Rdnr. 11)). Nach deren Satz 1 entrichten die Pflegekassen und die privaten Versicherungsunternehmen, bei denen eine private Pflege-Pflichtversicherung durchgeführt wird, sowie die sonstigen in § 170 Abs. 1 Nr. 6 SGB VI genannten Stellen zur Verbesserung der sozialen Sicherung einer Pflegeperson im Sinne des § 19 SGB XI Beiträge an den zuständigen Träger der gesetzlichen Rentenversicherung, wenn die Pflegeperson regelmäßig nicht mehr als 30 Stunden wöchentlich erwerbstätig ist. Näheres dazu regeln nach § 44 Abs. 1 Satz 2 SGB XI die §§ 3, 166 und 170 SGB VI. § 166 Abs. 2 SGB VI bestimmt die beitragspflichtigen Einnahmen der nicht erwerbsmäßig tätigen Pflegepersonen, § 170 Abs. 1 Nr. 6 SGB VI die Beitragstragung.

Die Grundvoraussetzungen für die Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung (§ 3 Satz 1 Nr. 1a SGB XI) hätte die Klägerin erfüllt, wenn sie ihre Tochter C. in der streitbefangenen Zeit wenigstens 14 Stunden wöchentlich gepflegt hätte. Denn C. war auch ab dem 1. November 2004 pflegebedürftig im Sinne des § 14 SGB XI. Sie hatte einen Leistungsanspruch gegenüber der beigeladenen Pflegekasse, bei der sie in der streitbefangenen Zeit versichert war, nach der Pflegestufe I (§ 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB XI); dem hat die Beigeladene auf der Grundlage des Gutachtens der Dr. B. vom 12. Dezember 2005 durch das mit Schriftsatz vom 13. April 2006 im Klageverfahren vor dem SG (S 2 P 1151/05) abgegebene Anerkenntnis Rechnung getragen. Die Klägerin hat C. in der vorliegend allein noch umstrittenen Zeit in häuslicher Umgebung in dem von ihr, ihrem Ehemann und der Tochter gemeinsam bewohnten Haus in O. (Ortsteil B.) in familiärer Verbundenheit, also nicht im Rahmen einer Beschäftigung oder selbständigen Tätigkeit, gepflegt. Wegen der Regelung in § 34 Abs. 3 SGB XI, die ein Ruhen der Leistungen zur sozialen Sicherung nach § 44 SGB XI erst bei einer vollstationären Krankenhausbehandlung von mehr als vier Wochen anordnet, ist es vorliegend rentenversicherungsrechtlich unschädlich, dass C. in der Zeit vom 13. Oktober bis 3. Dezember 2004 in der St. L.-K.in M. vollstationär aufgenommen war; denn die restliche Zeit in den Monaten November und Dezember 2004 hat jeweils weniger als einen Kalendermonat betragen. Die Klägerin war ferner in dieser Zeit neben ihrer Pflegetätigkeit nicht (anderweitig) beschäftigt oder selbständig tätig. Eine Altersrente bezieht sie erst seit dem 1. April 2014 (vgl. hierzu § 5 Abs. 4 Nr. 1 SGB VI). Allerdings hat die von der Klägerin im streitbefangenen Zeitraum vom 1. November 2004 bis 30. Juni 2008 für die Pflege ihrer Tochter aufgewendete Zeit den gesetzlichen Mindestumfang von 14 Stunden wöchentlich nicht erreicht.

Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG (BSGE 106, 126 = SozR 4-2600 § 3 Nr. 5 (jeweils Rdnrn. 13 ff.); BSG SozR 4-2600 § 3 Nr. 6 (Rdnrn. 18 ff.); BSG, Urteile vom 5. Mai 2010 - B 12 R 9/09 R -, vom 6. Oktober 2010 - B 12 R 21/09 R - und vom 4. Dezember 2014 - B 5 RE 4/14 R - (alle juris)), welcher sich der Senat anschließt, ist bei der Feststellung, ob die nach § 3 Satz 1 Nr. 1a SGB VI notwendige Mindeststundenzahl der Pflege erreicht ist, nur der Hilfebedarf zu berücksichtigen, der für die in § 14 Abs. 4 SGB XI genannten gewöhnlichen und wiederkehrenden Verrichtungen im Bereich der Grundpflege und der hauswirtschaftlichen Versorgung erforderlich ist. Weitergehende oder andere Pflegeleistungen bei Tätigkeiten im Ablauf des täglichen Lebens, die nicht im Katalog des § 14 Abs. 4 SGB XI enthalten sind, etwa die Zeit, die für Betreuungsleistungen aufgewendet wird, die in § 4 Abs. 2 Satz 1 SGB XI als ergänzende Pflege und Betreuung bezeichnet werden, sind deshalb - wie vom SG zutreffend erkannt - bei der Ermittlung des Umfangs der (Mindest-)Pflegezeit nicht mitzurechnen.

Die im Sinne des § 14 Abs. 4 SGB XI von der Klägerin für C. erbrachten Pflegeleistungen erfolgten in der streitbefangenen Zeit indes zur Überzeugung des Senats nicht in dem für eine Versicherungspflicht nach § 3 Satz 1 Nr. 1a SGB VI erforderlichen Mindestumfang von 14 Stunden wöchentlich. Hinsichtlich der Beurteilung der für die Rentenversicherungspflicht wegen Pflege zu fordernden Mindeststundenzahl ist ein an der Laienpflege orientierter, abstrakter objektiver Maßstab anzulegen; welchen Zeitaufwand die konkrete Pflegeperson subjektiv im Einzelfall benötigt, ist insoweit unerheblich (BSG SozR 4-2600 §3 Nr. 6 (Rdnrn. 21 ff.) unter Verweis auf BSG SozR 3-3300 § 14 Nr. 19; Behrend in jurisPK-SGB XI, § 44 Rdnr. 36 (Stand: 22.06.2015)). Zu beachten ist des Weiteren, dass die Pflege im Wesentlichen durch die Pflegeperson persönlich, d.h. in eigener Person, geleistet werden muss; Pflegeperson im Sinne des § 3 Satz 1 Nr. 1a SGB VI ist deshalb nicht, wer die Pflegeleistung im Wesentlichen durch Dritte (etwa durch Angehörige, Beschäftigte oder Pflegedienste) erbringen lässt (vgl. Fichte in Hauck/Noftz, SGB VI, K § 3 Rdnr. 42 (Stand: 04/14)).

Die vom SG im Klageverfahren S 2 P 1151/05 beauftragte Ärztin für öffentliches Gesundheitswesen Dr. B. ist ihrem Gutachten vom 12. Februar 2005, welches der Senat urkundenbeweislich verwertet, zu einem Zeitaufwand für die gewöhnlichen und regelmäßig wiederkehrenden Verrichtungen im Sinne des § 14 Abs. 4 Nrn. 1 bis 3 SGB XI (Grundpflege) von 58 Minuten täglich (Körperpflege 26 Minuten, Ernährung 8 Minuten, Mobilität 24 Minuten) und für die hauswirtschaftliche Versorgung (§ 14 Abs. 4 Nr. 4 SGB XI) von 60 Minuten täglich gekommen; dies ergibt einen wöchentlichen Zeitaufwand von insgesamt 13,76 Stunden. Die Ärztin hat im Gutachten überzeugend dargelegt, dass sich C. seit der Begutachtung im Jahr 2001 intellektuell weiterentwickelt hat. Nach ihren Ausführungen war zum Begutachtungszeitpunkt (28. Oktober 2005) bei den grundpflegerischen Verrichtungen im Wesentlichen nur noch eine Aufforderung, Unterstützung und Anleitung im Rahmen einer aktivierenden Pflege, jedoch keine teilweise oder volle Übernahme (mehr) notwendig. Die Ärztin hat indes im Rahmen der Einschätzung des Hilfebedarfs von C. zu deren Gunsten den vorhandenen behinderungs- und störungsbedingten - seinerzeit durch pubertätsbedingte hormonelle Veränderungen zusätzlich erschwerten - Einschränkungen mit kontinuierlicher Verweigerungshaltung bis hin zu Somatisierungsmechanismen (z.B. Erbrechen) im Zusammenhang mit den Grundpflegeverrichtungen erhebliches Gewicht beigemessen, welche zeitraubende Erfordernisdiskussionen schon beim Aufstehen, Waschen und Anziehen (auch des Korsetts) erforderlich gemacht und erst mit dem Zubettgehen geendet und diese Phasen entsprechend verlängert haben; sie hat deshalb diese Umstände beim Zeitaufwand für die Grundpflege berücksichtigt und nicht dem allgemeinen Betreuungs- und Beaufsichtigungsbedarf zugerechnet. Auf Grund der erheblichen Störung der psychosozialen Anpassung, der depressiven Störung, der Angst- und Panikzustände und der Somatisierungsstörung im Bereich der aktivierenden Pflege, der Erfordernisdiskussion, der Motivation und der Nachkontrollen im Zusammenhang mit Grundpflegeverrichtungen war es nach den nachvollziehbaren Ausführungen der Ärztin gerechtfertigt, Hilfebedarfszeiten anzusetzen, die über die im Gutachten vom 1. Oktober 2004 hinausgegangen sind.

Das verkennt die Klägerin, die das sorgfältig erstellte Pflegegutachten der Dr. B. nicht grundsätzlich in Zweifel zieht. Die Einschätzung der Pflegegutachterin wird von ihr jedoch insoweit für unzutreffend gehalten, als sie meint, dass für das Duschen, Haarewaschen und -föhnen nicht - wie von Dr. B. angesetzt - zweimal wöchentlich insgesamt 10 Minuten, sondern 25 Minuten benötigt würden. Die Klägerin hat insoweit jedoch nicht beachtet, dass ihre Tochter im Vergleich zu der Begutachtung im März 2001 zwischenzeitlich selbständiger geworden ist. Seinerzeit hatte C. (damals 13 Jahre alt) etwa noch eine Teilübernahme und Anleitung bei der Ganzkörperwäsche und eine Vollübernahme beim zweimaligen wöchentlichen Duschen benötigt, während dies nach den schlüssigen Ausführungen von Dr. B. im Pflegegutachten vom 12. Dezember 2005 bereits zum Begutachtungszeitpunkt nicht mehr der Fall war.

Die Einschätzung von Dr. B. im Pflegegutachten vom 12. Dezember 2005 hat nach allem zur Überzeugung des Senats den Hilfebedarf von C. vollständig und zutreffend erfasst. An deren Hilfebedarf haben sich auch in der Folgezeit keine Änderungen ergeben, die in der Gesamtheit einen höheren täglichen Pflegeaufwand erforderlich gemacht hätten. So ist dem von der Klägerin zu den Akten gereichten, von ihr im Ergebnis grundsätzlich akzeptierten Pflegegutachten vom 26. Juni 2008 zu entnehmen, dass der Zeitaufwand für die Grundpflegeverrichtungen sogar geringfügig nachgelassen hat (durchschnittlich täglich 55 Minuten), wobei der Hilfebedarf für die Körperpflege (33 Minuten) und die Ernährung (16 Minuten) von der begutachtenden Pflegefachkraft zwar höher als von Dr. B. eingeschätzt, derjenige für die Mobilität - möglicherweise auch wegen der bereits seinerzeit wohl nicht mehr vorhandenen Korsettpflichtigkeit - jedoch deutlich niedriger (7 Minuten) veranschlagt worden ist. Ein Pflege-Tagebuch (vgl. hierzu auch § 44 Abs. 1 Satz 4 SGB XI) für die streitbefangene Zeit ist seitens der Klägerin im Übrigen nie vorgelegt worden; aktenkundig ist lediglich eine mit Schriftsatz vom 31. Mai 2007 zum Verfahren S 2 P 1151/05 gereichte, auf den 6. November 2006 datierte Auflistung des Vaters der C. über Fahrten zum Zahnarzt und Kieferorthopäden, ferner zu einem Heilpraktiker und zu einer therapeutischen Mädchengruppe in den Monaten September und Oktober 2006.

Die Klägerin hat überdies nicht berücksichtigt, dass im umstrittenen Zeitraum vom 1. November 2004 bis 30. Juni 2008 ein wesentlicher Teil der Grundpflege von der C. Schulgemeinschaft übernommen worden ist, die C. seit ihrem 7. Lebensjahr und auch noch in der vorgenannten, streitbefangenen Zeit teilstationär besucht hat. So ist C. nach den Angaben der Klägerin und deren Ehemann gegenüber Dr. B. an fünf Tagen in der Woche nach dem Frühstück mit einem Fahrdienst zur Schule abgeholt und erst abends gegen 17.00 Uhr (an zwei Tagen) bzw. 18.00 Uhr (an drei Tagen) zurückgebracht worden. Hieran hat sich ausweislich des Pflegegutachtens vom 26. Juni 2008 auch in der Folgezeit nichts Wesentliches geändert; demnach ist C. auch weiterhin um 8.00 Uhr von einem Fahrdienst abgeholt und am frühen Abend gegen 16.50 Uhr in das Elternhaus zurückgefahren worden. In der Schule hat die Tochter der Klägerin auch das Mittagessen eingenommen; die erforderliche Unterstützung bei der mundgerechten Zubereitung der Mahlzeiten und der Nahrungsaufnahme, insbesondere bei der Aufforderung zum Essen und Trinken, hat sie von dort erhalten. Neben Turnunterricht, Reiten und Heileurythmie hat C. in Föhrenbühl auch Krankengymnastik bzw. Physiotherapie erhalten; von dort ist ihr - was Dr. B. im Rahmen des Verrichtungskriteriums der Mobilität im Übrigen ebenfalls berücksichtigt hat - beim An- und Auskleiden, insbesondere auch beim An- und Ablegen des Korsetts, vor und nach der Krankengymnastik sowie dem Reiten und Schwimmen die erforderliche Hilfe zuteil geworden. Die Klägerin ist mithin in der streitbefangenen Zeit im Rahmen der zu erbringenden Pflege schon auf Grund des teilstationären Schulbesuchs ihrer Tochter deutlich entlastet gewesen. Ob und welche Pflegeleistungen der Vater der C., welcher ausgebildeter Altenpfleger ist, in der streitbefangenen Zeit vom 1. November 2004 bis 30. Juni 2008 für diese übernommen hat - auch er ist in den Gutachten vom 12. Dezember 2005 und 26. Juni 2008 als die pflegerische Versorgung übernehmende Person neben der Klägerin genannt - braucht unter all diesen Umständen nicht weiter vertieft zu werden.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG).
Rechtskraft
Aus
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