Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
6
1. Instanz
SG Mannheim (BWB)
Aktenzeichen
S 8 SB 3631/13
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 6 SB 3429/15
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Mannheim vom 3. August 2015 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten für das Berufungsverfahren sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt die Zuerkennung eines höheren Grades der Behinderung (GdB). In dem laufenden Verfahren war ihm ein GdB von 40 ab dem 27. Juli 2012 und von 50 ab dem 3. Dezember 2013 zuerkannt worden.
Der 1949 geborene Kläger ist Deutscher und wohnt im Inland. Bei ihm war vor dem jetzigen Verfahren ein GdB von 30 festgestellt worden (Bescheid vom 16. Dezember 2008).
Nach seinen Angaben in diesem Verfahren (Schriftsatz vom 18. Dezember 2014 ) und Ausführungen in dem Entlassungsbericht des Reha-Zentrums Bad Sooden-Allendorf vom 9. Februar 2009 hatte der Kläger nach Erwerb der mittleren Reife eine Ausbildung zum Elektriker und später ein Studium zum Dipl.-Ing. für elektr. Energietechnik mit Abschluss absolviert und war durchgängig in diesem Beruf tätig. Seit 2002 ist bei ihm ein Bluthochdruck, seit 2003 eine Polyneuropathie in beiden Füßen und seit 2010 eine Schlafapnoe festgestellt. Zu seinem 60. Geburtstag schloss er einen Altersteilzeitvertrag mit je eineinhalb Jahren aktiver und passiver Phase. Seit Erreichen des 63. Lebensjahrs (Dezember 2012) bezieht er eine nicht näher bezeichnete Altersrente. Er fährt noch selber Auto, beschäftigt sich mit Bücherlesen und klassischer Musik. Zuletzt absolvierte er 2014 einen Rückenschulkurs.
Am 27. Juli 2012 beantragte der Kläger die Neufeststellung des GdB. Der Beklagte zog ärztliche Befundberichte sowie den genannten Reha-Entlassungsbericht (Polyneuropathie beider Füße, chronische Lumboischialgie bds. bei LWS- [Lendenwirbelsäule-]Degeneration und BS- [Bandscheiben-]Pro¬tu¬¬sionen L1/2, L4/5, L5/S1, Zervikobrachialgie bds. bei HWS- [Halswirbelsäule-]Dege¬ne¬ra¬tion und Pseudospondyloisthesis C5/6, arterielle Hypertonie, restriktive Ventilationsstörung mit schwerer respiratorischer Partialinsuffizienz) bei. Nach einer Auswertung der Unterlagen schlug der versorgungsärztliche Dienst des Beklagten Teil-GdB-Werte von 20 für Polyneuropathie und Fersensporn links, 20 für degenerative Veränderungen der Wirbelsäule mit Nervenwurzelreizerscheinungen, 20 für eine chronische Bronchitis und von je 10 für eine depressive Verstimmung und Bluthochdruck und einen Gesamt-GdB von 40 vor. Entsprechend stellte der der Beklagte mit Bescheid vom 5. Dezember 2012 einen GdB von 40 ab dem 27. Juli 2012 fest.
Im Vorverfahren trug der Kläger vor, die Polyneuropathie und der Bluthochdruck müssten mit einem GdB von 50 bis 70 bewertet werden. Die Wirbelsäule sei in zwei Abschnitten beeinträchtigt und bedinge daher einen GdB von 30 bis 40. Die depressive Verstimmung sei mit einem GdB von 20 zu bewerten. Der Beklagte holte weitere Befundberichte ein, darunter den Arztbrief von Prof. Dr. H., Universitäts-HNO-Klinik der Universität Heidelberg, vom 27. Mai 2013 (leichtgradiges obstruktives Schlafapnoe-Syndrom, arterielle Hypertonie, chronische Bronchitis, Polyneuropathie). Der versorgungsärztliche Dienst des Beklagten schlug daraufhin zusätzlich eine Schlaf-Apnoe mit einem Teil-GdB von 20, jedoch weiterhin einen Gesamt-GdB von 40 vor. Daraufhin erging der zurückweisende Widerspruchsbescheid vom 1. Oktober 2013. Die zusätzlich festgestellte Schlaf-Apnoe führe nicht zu einer wesentlichen Zunahme des Ausmaßes der Gesamtbeeinträchtigungen und damit zu keinem höheren Gesamt-GdB.
Am 28. Oktober 2013 hat der Kläger Klage beim Sozialgericht Mannheim (SG) erhoben.
Das SG hat zunächst Beweis erhoben durch Vernehmung der behandelnden Ärzte als sachverständige Zeugen. Der Hausarzt des Klägers Dr. K. hat eine Hypertonie, eine Polyneuropathie, ein Emphysem, ein gemischtförmiges Asthma bronchiale, eine chronische Bronchitis, ein degeneratives Wirbelsäulensyndrom, Skoliose, Spondylarthrose der HWS, ein Schulter-Arm-Syndrom links und rezidivierende Schmerzen diagnostiziert. Der Arzt für Innere Medizin Dr. G. hat bekundet, bei dem Kläger beständen "bekanntes Asthma und bekannte Schlafapnoe mit CPAP behandelt", wobei es sich um eine geringgradig obstruktive Ventilationsstörung handele. Er hat das Asthma in Verbindung mit der Bronchitis mit einem Teil-GdB von 20 bewertet. Dr. H., Facharzt für Orthopädie/Unfallchirurgie hat angegeben, bei dem Kläger handele es sich um einen intraforminalen NPP mit Neuroforamenstenose C8, ausgeprägte Spondylarthrosen HWS, Fersensporn links, eine LWS-Blockierung und ein LWS-Syndrom bei degenerativen Veränderungen. Die orthopädischen Behinderungen hat er wie der Beklagte bewertet. Der Facharzt für Neurologie Dr. K. hat eine Polyneuropathie seit 2003 mitgeteilt. Durch die Einnahme von Schmerzmitteln drei Mal täglich sei die allgemeine Lebensführung des Klägers eingeschränkt. Ohne die Medikation würde er unter erheblichen Schmerzen leiden. Des Weiteren hat er eine hochgradige Spinalkanalstenose, die zu Schmerzen im linken Bein führe, welche die Schmerzen der Polyneuropathie überstiegen, diagnostiziert. Außerdem bestehe ein Sulcus-Ulnaris-Syndrom links. Er hat den Teil-GdB für die Wirbelsäule auf 30 und für die Polyneuropathie auf 25 und den Gesamt-GdB somit auf 50 eingeschätzt. Der Facharzt für HNO-Heilkunde Dr. Z. hat angegeben, es bestehe ein leichtgradig obstruktives Schlafapnoe-Syndrom unter Einstellung mit einem CPAP Gerät. Er stimme einem GdB von 20 zu.
Aufgrund dieser Aussagen und der Stellungnahme des Versorgungsarztes Dr. B. hat der Beklagte dem Kläger wegen einer Höherbewertung der Wirbelsäulen mit einem GdB von 30 mit Schriftsatz vom 10. Juni 2014 im Vergleichswege angeboten, einen Gesamt-GdB von 50 seit dem 7. Dezember 2013 zuzuerkennen. Der Kläger hat die Höhe des GdB akzeptiert, jedoch nicht den Zeitpunkt der Feststellung. Die Spinalkanalstenose habe bereits bei Antragstellung bestanden. Der Beklagte hat jedoch eine frühere Anerkennung mangels aussagekräftiger Befunde abgelehnt.
Das SG hat daraufhin von Amts wegen das orthopädische Gutachten von Dr. W. vom 15. Oktober 2014 erhoben. Der Sachverständige hat bekundet, bei dem Kläger beständen ein Lendenwirbelsäulensyndrom mit hochgradiger spinaler Stenose und Schaufenstersymptomatik und ein Halswirbelsäulensyndrom mit Wirbelbogengelenksarthrosen und leichter Instabilität im Segment C5/6. Der Wirbelsäulenschaden sei mit einem GdB von 30 zu bewerten. Dies gelte ab dem 4. Dezember 2013. Die 2003 erstmals festgestellte Spinalkanalstenose habe sich langsam progredient entwickelt. Insbesondere nach den Befunden des Neurologen Dr. K. vom 29. November 2012 und vom 28. Februar 2013 habe zu jenen Zeitpunkten noch keine Schaufenstersymptomatik bestanden. Erst auf Grund der Untersuchung vom 3. Dezember 2013 habe Dr. K. erstmals eine claudicatio-spinalis-Symptomatik genannt.
Der Kläger ist dem Gutachten entgegengetreten. Er hat einen Befundbericht des Radiologen R. vom 20. November 2003 vorgelegt, der im Bereich L4/5 eine laterale spinale Stenose und bei L5/S1 den knöchernen Spinalkanal als lateral leicht eingeengt beschreibt.
Dr. W. hat hierzu in seinen ergänzenden Stellungnahmen vom 12. Januar und vom 12. März 2015 angegeben, die Berichte von Dr. K. sprächen nur für eine leichte Ausprägung der spinalen Stenose-Symptomatik. Allein der Nachweis einer zunehmenden Wirbelkanalsverengung im Schnittbildverfahren seit 2003 führe nicht zu einem GdB, sondern ausschließlich die nachgewiesenen Funktionsbeeinträchtigungen.
Mit angekündigtem Gerichtsbescheid vom 3. August 2015 hat das SG unter entsprechender Abänderung der angegriffenen Bescheide den Beklagten verurteilt, dem Kläger ab dem 3. Dezember 2013 einen GdB von 50 zuzuerkennen, und die Klage im Übrigen abgewiesen. Ein GdB von 50 bestehe, sei aber - erst - ab dem 3. Dezember 2013 nachgewiesen. Das SG hat sich zur Begründung auf die Aussagen der behandelnden Ärzte, das Gutachten und die ergänzenden Stellungnahmen von Dr. W. sowie die Ausführungen des versorgungsärztlichen Dienstes von Dr. B. gestützt, die dem Vergleichsangebot des Beklagten zu Grunde gelegen haben.
Ob der Gerichtsbescheid ausgeführt worden ist, hat keine Seite mitgeteilt.
Gegen den Gerichtsbescheid hat der Kläger am 13. August 2015 Berufung beim Landessozialgericht Baden-Württemberg (LSG) erhoben. Er trägt vor, bei ihm bestehe mindestens ab Antragstellung ein GdB von mindestens 50. Wenn Dr. W. aktuell eine hochgradige spinale Stenose festgestellt habe, so habe diese sich nicht zügig entwickelt, sondern habe schon längere Zeit vorgelegen. Der Kläger behauptet hierzu, bereits seit drei oder vier Jahren Gangschwierigkeiten mit Symptomen der Schaufensterkrankheit zu haben. Die Spinalkanalstenose sei bereits vor dem 3. Dezember 2013 diagnostisch gesichert gewesen. Dass erst zu diesem Zeitpunkt eine Computertomografie angefertigt worden sei, sei nicht ihm anzulasten. Ferner seien seine psychischen Beschwerden nicht hinreichend bewertet. Er bestehe seit mehreren Jahren eine mittelgradige Depression. Letztlich sei die Schlaf-Apnoe mit einem GdB von 20 zu gering bewertet. Er hat im Berufungsverfahren weitere Arztbriefe von Dr. K. vorgelegt, wonach ab einem bestimmten Grad einer krankhaften Verengung zunehmend Druck auf die Nerven ausgeübt werde, was zu Schmerzen führe. Die Erkrankung entwickle sich langsam und stetig.
Der Kläger beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Mannheim vom 3. August 2015 abzuändern und den Beklagten unter Aufhebung des Bescheids vom 5. Dezember 2012 und des Widerspruchsbescheids vom 1. Oktober 2013 zu verurteilen, den Bescheid vom 16. Dezember 2008 abzuändern und seit dem 27. Juli 2012 einen Grad der Behinderung von mindestens 50 festzustellen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die damalige Berichterstatterin des Senats hat den Kläger persönlich angehört und die Sach- und Rechtslage mit den Beteiligten erörtert. Auf das Protokoll der nichtöffentlichen Sitzung vom 24. November 2015, in der die Beteiligten auch einer Entscheidung des Senats ohne mündliche Verhandlung zugestimmt haben, wird verwiesen.
Wegen den weiteren Einzelheiten wird auf die beigezogene Akte des Beklagten sowie auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Der Senat entscheidet über die Berufung des Klägers nach § 153 Abs. 1 i.V.m § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) im Einvernehmen mit beiden Beteiligten ohne mündliche Verhandlung.
Die Berufung ist statthaft (§ 105 Abs. 2 Satz 1, § 143 SGG), insbesondere war sie nicht nach § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG zulassungsbedürftig, denn der Kläger begehrt keine Sach-, Geld- oder Dienstleistung, sondern eine behördliche Feststellung. Die Berufung ist auch im Übrigen zulässig, insbesondere hat sie der Kläger form- und fristgerecht (§ 151 Abs. 1 SGG) erhoben. Sie ist aber nicht begründet. Zu Recht hat das SG den Beklagten - nur - zur Zuerkennung eines GdB von 50 ab dem 3. Dezember 2013 verurteilt und die Anfechtungs- und Verpflichtungsklage (§ 54 Abs. 1 Satz 1 SGG) im Übrigen abgewiesen. Für die Zeit bis zu diesem Tag kann nur ein GdB von 40 festgestellt werden, für die Zeit seitdem ein solcher von 50.
Nach § 48 Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung für die Zukunft aufzuheben, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die bei seinem Erlass vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt. Im Schwerbehindertenrecht liegt eine Änderung der tatsächlichen Verhältnisse vor, wenn sich der Gesundheitszustand des Behinderten durch das Hinzutreten neuer oder den Wegfall bestehender Funktionsstörungen oder durch eine Änderung der anerkannten Funktionsstörungen verschlechtert oder verbessert.
Maßgebliche Rechtsgrundlagen für die Feststellung und Bewertung des GdB ist § 69 Abs. 1 Neuntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IX), wonach die für die Durchführung des Bundesversorgungsgesetzes zuständigen Behörden auf Antrag des behinderten Menschen das Vorliegen einer Behinderung und den GdB feststellen. Die Feststellung des GdB richtet sich seit dem 1. Januar 2009 nach den "Versorgungsmedizinischen Grundsätzen" (VG) aus der Anlage zu § 2 der Versorgungsmedizinverordnung (VersMedV), die aufgrund der Ermächtigung in § 30 Abs. 17 des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) erlassen worden sind (§ 69 Abs. 1 S. 5 SGB IX) und den medizinischen Kenntnisstand für die Beurteilung von Behinderungen wiedergeben.
Menschen sind behindert, wenn ihre körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweichen und daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist (§ 2 Abs. 1 Satz 1 SGB IX). Die Auswirkungen auf die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft werden als Grad der Behinderung nach 10-er-Graden abgestuft festgestellt (§ 69 Abs. 1 S. 4 SGB IX). Der Begriff des GdB bezieht sich auf alle Gesundheitsstörungen unabhängig von ihrer Verursachung. Er berücksichtigt die üblichen seelischen Begleiterscheinungen und Schmerzen mit.
Wesentlich ist eine Änderung dann, wenn der veränderte Gesundheitszustand mehr als sechs Monate angehalten hat oder voraussichtlich anhalten wird und wenn sich der Gesamt-Grad der Behinderung (Gesamt-GdB) um wenigstens 10 erhöht oder vermindert. Ob eine wesentliche Änderung eingetreten ist, muss durch einen Vergleich des gegenwärtigen medizinischen Zustandes mit dem bindend festgestellten - früheren - Behinderungszustand ermittelt werden (Bundessozialgericht [BSG], Urteil vom 15. August 1996 - 9 RVs 10/94 -, juris Rz. 11; LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 27. August 2015 - L 6 SB 4445/14 -, juris Rz. 27). Im Falle einer solchen Änderung ist der Verwaltungsakt aufzuheben und durch eine zutreffende Bewertung zu ersetzen.
Für die Feststellung des GdB sind dabei in einem ersten Schritt die einzelnen, nicht nur vorübergehenden Gesundheitsstörungen und die sich daraus ergebenden Teilhabebeeinträchtigungen festzustellen. In einem zweiten Schritt sind diese den in den VG genannten Funktionssystemen zuzuordnen und mit einem Teil-GdB zu bewerten. In einem dritten Schritt ist dann - ausgehend von der Beeinträchtigung mit dem höchsten Teil-GdB - der Gesamt-GdB zu bilden (BSG, Urteil vom 24. April 2008 - B 9/9a SB 10/06 R -, juris Rz. 23). Bei der Ermittlung des Gesamt-GdB sind jegliche Rechenmethoden für die Bildung des Gesamt-GdB ungeeignet.). Hierbei ist der Gesamt-GdB in freier richterlicher Beweiswürdigung sowie aufgrund richterlicher Erfahrung unter Hinzuziehung von Sachverständigengutachten zu bilden (vgl. Landessozialgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 27. August 2015 – L 6 SB 4445/14 –, Rz. 29 ff., juris). Die einzelnen GdB-Werte dürfen für die Bildung des Gesamt-GdB weder addiert, noch mit anderen Rechenmethoden gebildet werden. Ausschlaggebend sind stattdessen die Auswirkungen aller Beeinträchtigungen unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehungen (Teil A Nr. 3 VG). Ein Teil-GdB in Höhe von 10 führt in der Regel nicht zu einer Zunahme des Ausmaßes der Gesamtbeeinträchtigung und auch bei leichten Behinderungen mit einem GdB in Höhe von 20 ist es vielfach nicht gerechtfertigt, auf eine wesentliche Zunahme des Ausmaßes der Behinderung zu schließen (vgl. Teil A Nr. 3 Buchstabe d Doppelbuchstabe ee Sätze 1 und 2 VG).
Der Kläger leidet unter einer Polyneuropathie, die sich in elektrisierenden Schmerzen an Füßen und Beinen äußert, welche beim Gehen verstärkt werden. Diese können durch die regelmäßig Einnahme von Medikamenten gelindert werden, welche aber als Nebenwirkung zur Müdigkeit, Mundtrockenheit und Reduktion der Leistungsfähigkeit führen. Dies steht aufgrund der Aussage des Facharztes für Neurologie Dr. K. fest. Ein von ihm zusätzlich diagnostiziertes Sulcus-Ulnaris-Syndrom fühlt dagegen zu keinen Funktionsbeeinträchtigung. Nach Teil B Nr. 3.11 VG sind Polyneuropathien, die sich (auch) durch motorische Ausfälle auswirken, in Analogie zu der Bewertung peripherer Nervenschäden zu bewerten. Soweit - nur - sensible Störungen und Schmerzen auftreten, ist zu berücksichtigen, dass schon leichte Störungen zu Beeinträchtigungen, z.B. bei Feinbewegungen, führen können. Bei dem Kläger bestehen keine motorischen Ausfälle, die von der Polyneuropathie der Beine herrühren, z.B. keine Fußheberschwächen oder dgl. Eine Bewertung analog den GdB-Werten für Nervenausfälle der unteren Gliedmaßen (Teil B Nr. 18.14 VG) ist daher nicht möglich. Die Schmerzen können, wie ausgeführt, behandelt werden. Vor diesem Hintergrund ist der GdB mit 20 durch die Beklagte zutreffend berücksichtigt. Den Fersensporn hat der behandelnde Arzt Dr. H. mit einem Teil-GdB von 10 bewertet. Dies ist angemessen, nachdem Teil B Nr. 18.14 VG einen GdB von 10 - erst - für Fußdeformitäten mit statischen Auswirkungen - geringeren Grades - vorsieht. Insgesamt kann daher das Funktionssystem "untere Gliedmaßen" bei dem Kläger (vgl. zur Zusammenfassung der Funktionsbeeinträchtigungen in Funktionssysteme Teil A Nr. 2 Buchstabe e Satz 2 VG) mit einem GdB von 20 belegt werden.
Unerheblich für dieses Verfahren ist, ob der Kläger an einer psychischen Erkrankung aus dem depressiven Formenkreis leidet, wie er behauptet. Eine solche Erkrankung hatte - nach Aktenlage einmalig - der Internist Dr. R. in dem Befundbericht vom 16. Juli 2008 als "reaktive depressive Verstimmung" angegeben. Eine entsprechende Diagnose wurde dann später aber nicht mehr gestellt, weder in dem Reha-Ent¬las¬sungs¬bericht aus Bad Sooden-Allendorf noch in den Zeugenaussagen der behandelnden Ärzte. Dies deutet darauf hin, dass tatsächlich - nur - eine reaktive depressive Erkrankung vorlag, die sich später zurückgebildet hat. Es findet auch keine psychiatrische oder psychotherapeutische Behandlung statt. Jedenfalls würde eine psychische Erkrankung des Klägers keinen GdB von mehr als 10 bedingen, sodass der Gesamt-GdB nicht wegen einer solchen Erkrankung zu erhöhen ist. Nach Teil B Nr. 3.7 VG werden leichtere psychovegetative oder psychische Störungen mit einem Teil-GdB von 0 bis 20, stärker behindernde Störungen mit wesentlicher Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit (z.B. ausgeprägtere depressive, hypochondrische, asthenische oder phobische Störungen, Entwicklungen mit Krankheitswert, somatoforme Störungen) mit einem Teil-GdB von 30 bis 40 bewertet. Bei dem Kläger nun sind außer den Schmerzen, die sich womöglich in Grenzen von den somatischen Ursachen gelöst haben, keine Symptome zu verzeichnen, die Funktionsbeeinträchtigungen in diesem Bereich verursachen könnten. Einschränkungen auf der psychischen oder sozialen Leidensebene sind nicht zu verzeichnen.
Der Kläger leidet auch unter einem leichten und medizinisch gut eingestellten Bluthochdruck. Dies steht fest aufgrund der Aussage des sachverständigen Zeugen Dr. K ... Insoweit hat der Beklagte einen GdB von 10 angenommen. Dies ist eher großzügig, nachdem nach Teil B Nr. 9.3 VG leichte Formen einer Hypertonie ohne oder mit nur geringer Leistungsbeeinträchtigung (höchstens leichte Augenhintergrundveränderungen) mit einem GdB von 0-10 bewertet werden und - erst - mittelschwere Formen mit Organbeteiligung leichten bis mittleren Grades (Augenhintergrundveränderungen - Fundus hypertonicus I-II - und/oder Linkshypertrophie des Herzens und/oder Protein-urie) und einem mehrfachen nachgewiesenen Anstieg des diastolischen Blutdrucks über 100 mmHg trotz Behandlung einen GdB von 20 bis 40 bedingen.
Die chronische Bronchitis des Klägers ist mit einem GdB von 20 angemessen bewertet. Dies steht fest aufgrund der Aussagen der sachverständigen Zeugen Dr. G. und Dr. K ... Diese Bewertung ist nach Teil B Nr. 8.2 VG - erst - bei einer schweren Form der chronischen Bronchitis mit fast kontinuierlichem ergiebigem Husten und Auswurf und häufigen akuten Schüben (GdB dann 20 bis 40) gerechtfertigt. Bei dem Kläger waren nach dem Arztbrief vom 14. Juni 2013, den Dr. G. seiner Zeugenaussage beigefügt hat, dagegen nur "manchmal nachts Anfälle mit Unwohlsein" aufgetreten. Eine dauernde Einschränkung der Lungenfunktion nach Teil B Nr. 8.3 VG liegt bei dem Kläger nicht vor. Insoweit käme ein GdB (ebenfalls von 20) erst bei Atemnot bei mittelschwerer Belastung und einem Absinken der statischen und dynamischen Messwerte der Lungenfunktionsprüfung um bis zu 1/3 bei Blutgaswerten im Normbereich in Betracht. Die Lungenfunktionsprüfung des Klägers bei Dr. G. am 14. Juni 2013 hatte nach dem genannten Arztbrief eine Vitalkapazität (VG, statisch) von 82,5 % und eine Einsekundenkapazität (FEV1, dynamisch) von 90,8 % der Normwerte ergeben, sodass nur eine "minimale Obstruktion" und eine "leichtgradige Restriktion" zu diagnostizieren waren. Dr. K. hat in seiner Aussage sogar angegeben, dass das gemischtförmige Asthma bronchiale zur Zeit beschwerdefrei sei.
Auch das Schlafapnoe Syndrom ist mit einem Teil-GdB von 20 angemessen berücksichtigt. Nach Teil B Nr. 8.7 VG wird ein Schlaf-Apnoe-Syndrom, das durch eine Untersuchung im Schlaflabor nachgewiesen worden ist, mit einem GdB von 0 bis 10 bewertet, wenn eine kontinuierliche nasale Überdruckbeatmung (nachts) nicht notwendig ist. Ist sie notwendig und auch durchführbar, beträgt der GdB 20. Bei nicht durchführbarer nasaler Überdruckbeatmung beträgt der GdB 50. Folgeerscheinungen oder Komplikationen (der Behandlung) wie Herzrhythmusstörungen, Hypertonie, cor pulmonale sind zusätzlich zu berücksichtigen. Der Kläger leidet an einem Schlaf-Apnoe-Syndrom, jedoch ist eine CPAP möglich und wird auch durchgeführt. Beide Umstände stehen fest auf Grund der Zeugenaussage des Internisten Dr. G ... Daher ist der insoweit zwingende GdB von 20 zu vergeben, der aber mangels Folgeerscheinungen oder weiterer, nicht gesondert zu bewerteder Komplikationen, nicht erhöht werden kann.
Die funktionellen Auswirkungen der Wirbelsäulenveränderungen sind mit einem Teil-GdB von 30 seit dem 3. Dezember 2013 zu bemessen. Für die Zeit davor kann jedoch nur ein Teil-GdB von 20 angenommen werden.
Auch in einem Neufeststellungsverfahren nach § 48 Abs. 1 Satz 1 oder Satz 2 Nr. 1 SGB X zu Gunsten des Berechtigten trägt die (materielle) Beweislast für die wesentliche Veränderung dieser selbst. Dies gilt auch im Schwerbehindertenrecht. Wenn für die Bewertung mit einem GdB bestimmte Funktionsbeeinträchtigungen (im Sinne von Symptomen, die sich auf die Teilhabe des Menschen am Leben in der Gesellschaft auswirken) nach den gesetzlichen Regelungen in den VG notwendig sind oder zumindest als Begründung für eine höhere Bewertung geltend gemacht werden sollen, müssen diese im Vollbeweis nachgewiesen sein. Auch hier gilt zwar der Grundsatz des § 128 Abs. 1 Satz 1 SGG, wonach - auch - die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit ihre Überzeugung aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens, also aus dem gesamten Vortrag aller Beteiligter und den Ergebnissen jeglicher - etwaiger - Beweisaufnahme (vgl. deutlicher noch § 286 Zivilprozessordnung [ZPO]), bilden. Aber bei medizinisch festzustellenden Umständen wie solchen Symptomen kommt - neben einem Sachverständigengutachten (§ 118 Abs. 1 SGG i.V.m. §§ 402 ff. ZPO) - den Angaben eines als sachverständigen Zeugen (§ 414 ZPO) vernommenen Arztes besondere Bedeutung zu (vgl. allgemein zu den Anforderungen an eine ärztliche Aussage über eine Erstdiagnose Bundessozialgericht [BSG], Beschluss vom 07. Februar 2012 – B 13 R 392/10 B –, Rz. 17, juris).
Nach Teil B Nr. 18.9 VG werden Wirbelsäulenschäden mit geringen funktionellen Auswirkungen (Verformung, rezidivierende oder anhaltende Bewegungseinschränkung oder Instabilität geringen Grades, seltene und kurz dauernd auftretende leichte Wirbelsäulensyndrome) mit einem GdB von 10, mit mittelgradigen funktionellen Auswirkungen (Verformung, häufig rezidivierende oder anhaltende Bewegungseinschränkung oder Instabilität mittleren Grades, häufig rezidivierende und über Tage andauernde Wirbelsäulensyndrome) mit einem GdB von 20, mit schweren funktionellen Auswirkungen in einem Wirbelsäulenabschnitt (Verformung, häufig rezidivierende oder anhaltende Bewegungseinschränkung oder Instabilität schweren Grades, häufig rezidivierende und Wochen andauernde ausgeprägte Wirbelsäulensyndrome) mit einem GdB von 30 und mit mittelgradigen bis schweren funktionellen Auswirkungen in zwei Wirbelsäulenabschnitten mit einem GdB von 30 bis 40 bewertet.
An der Halswirbelsäule können bei dem Kläger nur leichte, aber noch keine mittelgradigen Funktionsbeeinträchtigungen angenommen werden. Dies ergibt sich insbesondere aus den Ausführungen des Sachverständigen Dr. W., der von leichten bis mäßigen Einbußen an der HWS ausgeht. Es liegen dort Nackenschmerzen mit Ausstrahlung nach rechts vor, ferner eine - leichte - Bewegungseinschränkung, insbesondere bei der Seitneigung (15/0/15° statt normgerechter 45/0/45°, vgl. S. 6 und 16 des Gutachtens) und etwas geringer bei der Drehung. Hinweise auf überdauernde Nervenwurzelreizungen mit Ausstrahlungen in die Arme konnte der Sachverständige nicht feststellen. Die Kraftentfaltung, die Sensibilität und die Muskeleigenreflexe der oberen Gliedmaßen waren unauffällig. Daneben bestand eine WS-Instabilität bei dem Segment C5/6, die Dr. W. als "leicht" beschrieben hat. Dieses Bild der HWS entspricht eher der Beschreibung der VG für noch leichte Funktionsbeeinträchtigungen ("Verformung, rezidivierende oder anhaltende Bewegungseinschränkung oder Instabilität geringen Grades, seltene und kurz dauernd auftretende leichte Wirbelsäulensyndrome") als jener für mittlere.
An der LWS können bei dem Kläger schwere funktionelle Auswirkungen angenommen werden, die jedoch - wie ausgeführt - erst ab den entsprechenden Feststellungen im Dezember 2013 als nachgewiesen angesehen werden können.
Der Senat tritt der Einschätzung von Dr. W. bei, dass die nunmehr bestehende bzw. nachgewiesene "Schaufensterproblematik", also die deutliche Einschränkung der Gehfähigkeit und der Gangsicherheit mit der Notwendigkeit sehr häufiger Pausen zur Entlastung der Wirbelsäule beim Gehen und laufender Schmerzmitteleinnahme als "schwere funktionelle" Auswirkung im Sinne der VG anzusehen ist. Es handelt sich zwar nicht um eine Instabilität und auch die Beweglichkeitseinschränkungen allein sind vielleicht noch als mittelgradig einzustufen (nach den Messwerten von Dr. W. betrug der Finger-Boden-Abstand des Klägers 32 cm, das Schober’sche Zeichen zur Entfaltbarkeit der LWS war auf 10/13,5 cm (Normwert: 10/15 cm) eingeschränkt). Aber die erhebliche Einengung des Spinalkanals und die damit bereits beim normalen Gehen verursachten Schmerzen und anderen Einschränkungen können einem häufig rezidivierenden und - mindestens - Wochen andauernden WS-Syndrom gleichgestellt werden.
Diese Problematik ist nicht vor Dezember 2013 nachgewiesen. Wie Dr. W. zutreffend herausgearbeitet hat, ist sie erstmals in dem Arztbrief von Dr. K. auf Grund der Untersuchung vom 3. Dezember 2013 erwähnt. Es trifft zwar zu, wie der Kläger vorträgt, dass auch schon zuvor nicht nur eine Lumboischialgie und die insgesamt drei Bandscheibenvorfälle an der LWS diagnostiziert waren, sondern auch die Spinalkanalstenose an sich schon zuvor feststand, z.B. nach dem vorgelegten Arztbrief von Dr. K. vom 19. Februar 2011. Aber die hier maßgebliche Funktionsbeeinträchtigung, nämlich die massive Einschränkung des Gehvermögens, ist weder in dem Reha-Zentrum Bad Sooden-Allendorf im Jahre 2009 noch in den früheren Arztberichten Dr. K.s erwähnt. Auch in dem erwähnten Bericht vom 19. Februar 2011 hatte er - nur - "LWS-Schmerzen mit Ausstrahlung ins Bein" angegeben und eine ausreichende medikamentöse "Kontrolle der Reizymptome" angegeben. Ein früherer Zeitpunkt für die Feststellung dieses Symptoms kann sich auch nicht allein auf die Erwägung - die der Kläger vorbringt - stützen, dass sich die Spinalkanalstenose selbst progredient entwickelt hat. Dies hat zwar zuletzt noch einmal Dr. K. dargelegt, allerdings ohne dass indessen die von ihm berichteten heftigen Schmerzen beim Gehen seit fünf Jahren in irgendeiner Weise dokumentiert sind. Gerade eine solche progrediente Entwicklung bedingt aber die Schwierigkeit festzustellen, wann die daraus folgenden Symptome das hier relevante Ausmaß angenommen haben. Gerade bei einer solchen Entwicklung, bei der z.B. kein traumatisches Ereignis die Ursache ist, das genau festgestellt werden kann, kann der Nachweis. in der Regel nur mit ärztlicher Diagnostik geführt werden.
In der Zusammenschau der leichten HWS-Beeinträchtigungen und der Einbußen an der LWS, die bis Dezember 2013 als mittelgradig und seitdem als schwer einzustufen sind, ist für das Funktionssystem "Rumpf" ein GdB von 20 bis Dezember 2013 und von 30 seitdem angemessen. Ein GdB von 40 wäre erst bei schweren funktionellen Auswirkungen in zwei WS-Abschnitten anzuerkennen. Dieses Ausmaß erreichen die Beeinträchtigungen der HWS sicher nicht.
Weitere relevante Behinderungen liegen bei dem Kläger nicht vor.
Nicht zu beanstanden ist letztlich die Bildung des Gesamt-GdB. In der Zeit bis Dezember 2013 lagen insoweit Teil-GdB-Werte von je 20 für die Wirbelsäule, das Schlaf-Apnoe-Syndrom, die Bronchitis und die Polyneuropathie der Beine vor, wobei die Funktionseinbußen auf Grund der Bronchitis den GdB von 20 nicht voll ausschöpfen und sich als Atemerkrankung mit der Bewertung der Schlaf-Apnoe überschneiden. Hiernach kam ein GdB von mehr als 40 für jene Zeit nicht in Betracht. Hierbei war auch zu berücksichtigen, dass noch kein Teil-GdB von mindestens 30 vorlag. Für die Zeit ab Dezember 2013 ist dagegen der GdB von 50 angemessen. Der nunmehr bestehende Teil-GdB von 30 für die WS-Problematik kann um zweimal je 10 Punkte für das Schlaf-Apnoe-Syndrom und die Polyneuropathie der Beine erhöht werden. Eine weitere Erhöhung scheidet aus. Wie ausgeführt, ist der GdB für die Bronchitis nicht voll ausgeschöpft. Und die Bewertung der Polyneuropathie überschneidet sich stark mit jener für die Lendenwirbelsäule, da sich beide Behinderungen vor allem im Gehvermögen auswirken.
Die Entscheidung über die Kosten des Berufungsverfahrens beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) sind nicht vorgetragen oder ersichtlich.
Außergerichtliche Kosten für das Berufungsverfahren sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt die Zuerkennung eines höheren Grades der Behinderung (GdB). In dem laufenden Verfahren war ihm ein GdB von 40 ab dem 27. Juli 2012 und von 50 ab dem 3. Dezember 2013 zuerkannt worden.
Der 1949 geborene Kläger ist Deutscher und wohnt im Inland. Bei ihm war vor dem jetzigen Verfahren ein GdB von 30 festgestellt worden (Bescheid vom 16. Dezember 2008).
Nach seinen Angaben in diesem Verfahren (Schriftsatz vom 18. Dezember 2014 ) und Ausführungen in dem Entlassungsbericht des Reha-Zentrums Bad Sooden-Allendorf vom 9. Februar 2009 hatte der Kläger nach Erwerb der mittleren Reife eine Ausbildung zum Elektriker und später ein Studium zum Dipl.-Ing. für elektr. Energietechnik mit Abschluss absolviert und war durchgängig in diesem Beruf tätig. Seit 2002 ist bei ihm ein Bluthochdruck, seit 2003 eine Polyneuropathie in beiden Füßen und seit 2010 eine Schlafapnoe festgestellt. Zu seinem 60. Geburtstag schloss er einen Altersteilzeitvertrag mit je eineinhalb Jahren aktiver und passiver Phase. Seit Erreichen des 63. Lebensjahrs (Dezember 2012) bezieht er eine nicht näher bezeichnete Altersrente. Er fährt noch selber Auto, beschäftigt sich mit Bücherlesen und klassischer Musik. Zuletzt absolvierte er 2014 einen Rückenschulkurs.
Am 27. Juli 2012 beantragte der Kläger die Neufeststellung des GdB. Der Beklagte zog ärztliche Befundberichte sowie den genannten Reha-Entlassungsbericht (Polyneuropathie beider Füße, chronische Lumboischialgie bds. bei LWS- [Lendenwirbelsäule-]Degeneration und BS- [Bandscheiben-]Pro¬tu¬¬sionen L1/2, L4/5, L5/S1, Zervikobrachialgie bds. bei HWS- [Halswirbelsäule-]Dege¬ne¬ra¬tion und Pseudospondyloisthesis C5/6, arterielle Hypertonie, restriktive Ventilationsstörung mit schwerer respiratorischer Partialinsuffizienz) bei. Nach einer Auswertung der Unterlagen schlug der versorgungsärztliche Dienst des Beklagten Teil-GdB-Werte von 20 für Polyneuropathie und Fersensporn links, 20 für degenerative Veränderungen der Wirbelsäule mit Nervenwurzelreizerscheinungen, 20 für eine chronische Bronchitis und von je 10 für eine depressive Verstimmung und Bluthochdruck und einen Gesamt-GdB von 40 vor. Entsprechend stellte der der Beklagte mit Bescheid vom 5. Dezember 2012 einen GdB von 40 ab dem 27. Juli 2012 fest.
Im Vorverfahren trug der Kläger vor, die Polyneuropathie und der Bluthochdruck müssten mit einem GdB von 50 bis 70 bewertet werden. Die Wirbelsäule sei in zwei Abschnitten beeinträchtigt und bedinge daher einen GdB von 30 bis 40. Die depressive Verstimmung sei mit einem GdB von 20 zu bewerten. Der Beklagte holte weitere Befundberichte ein, darunter den Arztbrief von Prof. Dr. H., Universitäts-HNO-Klinik der Universität Heidelberg, vom 27. Mai 2013 (leichtgradiges obstruktives Schlafapnoe-Syndrom, arterielle Hypertonie, chronische Bronchitis, Polyneuropathie). Der versorgungsärztliche Dienst des Beklagten schlug daraufhin zusätzlich eine Schlaf-Apnoe mit einem Teil-GdB von 20, jedoch weiterhin einen Gesamt-GdB von 40 vor. Daraufhin erging der zurückweisende Widerspruchsbescheid vom 1. Oktober 2013. Die zusätzlich festgestellte Schlaf-Apnoe führe nicht zu einer wesentlichen Zunahme des Ausmaßes der Gesamtbeeinträchtigungen und damit zu keinem höheren Gesamt-GdB.
Am 28. Oktober 2013 hat der Kläger Klage beim Sozialgericht Mannheim (SG) erhoben.
Das SG hat zunächst Beweis erhoben durch Vernehmung der behandelnden Ärzte als sachverständige Zeugen. Der Hausarzt des Klägers Dr. K. hat eine Hypertonie, eine Polyneuropathie, ein Emphysem, ein gemischtförmiges Asthma bronchiale, eine chronische Bronchitis, ein degeneratives Wirbelsäulensyndrom, Skoliose, Spondylarthrose der HWS, ein Schulter-Arm-Syndrom links und rezidivierende Schmerzen diagnostiziert. Der Arzt für Innere Medizin Dr. G. hat bekundet, bei dem Kläger beständen "bekanntes Asthma und bekannte Schlafapnoe mit CPAP behandelt", wobei es sich um eine geringgradig obstruktive Ventilationsstörung handele. Er hat das Asthma in Verbindung mit der Bronchitis mit einem Teil-GdB von 20 bewertet. Dr. H., Facharzt für Orthopädie/Unfallchirurgie hat angegeben, bei dem Kläger handele es sich um einen intraforminalen NPP mit Neuroforamenstenose C8, ausgeprägte Spondylarthrosen HWS, Fersensporn links, eine LWS-Blockierung und ein LWS-Syndrom bei degenerativen Veränderungen. Die orthopädischen Behinderungen hat er wie der Beklagte bewertet. Der Facharzt für Neurologie Dr. K. hat eine Polyneuropathie seit 2003 mitgeteilt. Durch die Einnahme von Schmerzmitteln drei Mal täglich sei die allgemeine Lebensführung des Klägers eingeschränkt. Ohne die Medikation würde er unter erheblichen Schmerzen leiden. Des Weiteren hat er eine hochgradige Spinalkanalstenose, die zu Schmerzen im linken Bein führe, welche die Schmerzen der Polyneuropathie überstiegen, diagnostiziert. Außerdem bestehe ein Sulcus-Ulnaris-Syndrom links. Er hat den Teil-GdB für die Wirbelsäule auf 30 und für die Polyneuropathie auf 25 und den Gesamt-GdB somit auf 50 eingeschätzt. Der Facharzt für HNO-Heilkunde Dr. Z. hat angegeben, es bestehe ein leichtgradig obstruktives Schlafapnoe-Syndrom unter Einstellung mit einem CPAP Gerät. Er stimme einem GdB von 20 zu.
Aufgrund dieser Aussagen und der Stellungnahme des Versorgungsarztes Dr. B. hat der Beklagte dem Kläger wegen einer Höherbewertung der Wirbelsäulen mit einem GdB von 30 mit Schriftsatz vom 10. Juni 2014 im Vergleichswege angeboten, einen Gesamt-GdB von 50 seit dem 7. Dezember 2013 zuzuerkennen. Der Kläger hat die Höhe des GdB akzeptiert, jedoch nicht den Zeitpunkt der Feststellung. Die Spinalkanalstenose habe bereits bei Antragstellung bestanden. Der Beklagte hat jedoch eine frühere Anerkennung mangels aussagekräftiger Befunde abgelehnt.
Das SG hat daraufhin von Amts wegen das orthopädische Gutachten von Dr. W. vom 15. Oktober 2014 erhoben. Der Sachverständige hat bekundet, bei dem Kläger beständen ein Lendenwirbelsäulensyndrom mit hochgradiger spinaler Stenose und Schaufenstersymptomatik und ein Halswirbelsäulensyndrom mit Wirbelbogengelenksarthrosen und leichter Instabilität im Segment C5/6. Der Wirbelsäulenschaden sei mit einem GdB von 30 zu bewerten. Dies gelte ab dem 4. Dezember 2013. Die 2003 erstmals festgestellte Spinalkanalstenose habe sich langsam progredient entwickelt. Insbesondere nach den Befunden des Neurologen Dr. K. vom 29. November 2012 und vom 28. Februar 2013 habe zu jenen Zeitpunkten noch keine Schaufenstersymptomatik bestanden. Erst auf Grund der Untersuchung vom 3. Dezember 2013 habe Dr. K. erstmals eine claudicatio-spinalis-Symptomatik genannt.
Der Kläger ist dem Gutachten entgegengetreten. Er hat einen Befundbericht des Radiologen R. vom 20. November 2003 vorgelegt, der im Bereich L4/5 eine laterale spinale Stenose und bei L5/S1 den knöchernen Spinalkanal als lateral leicht eingeengt beschreibt.
Dr. W. hat hierzu in seinen ergänzenden Stellungnahmen vom 12. Januar und vom 12. März 2015 angegeben, die Berichte von Dr. K. sprächen nur für eine leichte Ausprägung der spinalen Stenose-Symptomatik. Allein der Nachweis einer zunehmenden Wirbelkanalsverengung im Schnittbildverfahren seit 2003 führe nicht zu einem GdB, sondern ausschließlich die nachgewiesenen Funktionsbeeinträchtigungen.
Mit angekündigtem Gerichtsbescheid vom 3. August 2015 hat das SG unter entsprechender Abänderung der angegriffenen Bescheide den Beklagten verurteilt, dem Kläger ab dem 3. Dezember 2013 einen GdB von 50 zuzuerkennen, und die Klage im Übrigen abgewiesen. Ein GdB von 50 bestehe, sei aber - erst - ab dem 3. Dezember 2013 nachgewiesen. Das SG hat sich zur Begründung auf die Aussagen der behandelnden Ärzte, das Gutachten und die ergänzenden Stellungnahmen von Dr. W. sowie die Ausführungen des versorgungsärztlichen Dienstes von Dr. B. gestützt, die dem Vergleichsangebot des Beklagten zu Grunde gelegen haben.
Ob der Gerichtsbescheid ausgeführt worden ist, hat keine Seite mitgeteilt.
Gegen den Gerichtsbescheid hat der Kläger am 13. August 2015 Berufung beim Landessozialgericht Baden-Württemberg (LSG) erhoben. Er trägt vor, bei ihm bestehe mindestens ab Antragstellung ein GdB von mindestens 50. Wenn Dr. W. aktuell eine hochgradige spinale Stenose festgestellt habe, so habe diese sich nicht zügig entwickelt, sondern habe schon längere Zeit vorgelegen. Der Kläger behauptet hierzu, bereits seit drei oder vier Jahren Gangschwierigkeiten mit Symptomen der Schaufensterkrankheit zu haben. Die Spinalkanalstenose sei bereits vor dem 3. Dezember 2013 diagnostisch gesichert gewesen. Dass erst zu diesem Zeitpunkt eine Computertomografie angefertigt worden sei, sei nicht ihm anzulasten. Ferner seien seine psychischen Beschwerden nicht hinreichend bewertet. Er bestehe seit mehreren Jahren eine mittelgradige Depression. Letztlich sei die Schlaf-Apnoe mit einem GdB von 20 zu gering bewertet. Er hat im Berufungsverfahren weitere Arztbriefe von Dr. K. vorgelegt, wonach ab einem bestimmten Grad einer krankhaften Verengung zunehmend Druck auf die Nerven ausgeübt werde, was zu Schmerzen führe. Die Erkrankung entwickle sich langsam und stetig.
Der Kläger beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Mannheim vom 3. August 2015 abzuändern und den Beklagten unter Aufhebung des Bescheids vom 5. Dezember 2012 und des Widerspruchsbescheids vom 1. Oktober 2013 zu verurteilen, den Bescheid vom 16. Dezember 2008 abzuändern und seit dem 27. Juli 2012 einen Grad der Behinderung von mindestens 50 festzustellen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die damalige Berichterstatterin des Senats hat den Kläger persönlich angehört und die Sach- und Rechtslage mit den Beteiligten erörtert. Auf das Protokoll der nichtöffentlichen Sitzung vom 24. November 2015, in der die Beteiligten auch einer Entscheidung des Senats ohne mündliche Verhandlung zugestimmt haben, wird verwiesen.
Wegen den weiteren Einzelheiten wird auf die beigezogene Akte des Beklagten sowie auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Der Senat entscheidet über die Berufung des Klägers nach § 153 Abs. 1 i.V.m § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) im Einvernehmen mit beiden Beteiligten ohne mündliche Verhandlung.
Die Berufung ist statthaft (§ 105 Abs. 2 Satz 1, § 143 SGG), insbesondere war sie nicht nach § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG zulassungsbedürftig, denn der Kläger begehrt keine Sach-, Geld- oder Dienstleistung, sondern eine behördliche Feststellung. Die Berufung ist auch im Übrigen zulässig, insbesondere hat sie der Kläger form- und fristgerecht (§ 151 Abs. 1 SGG) erhoben. Sie ist aber nicht begründet. Zu Recht hat das SG den Beklagten - nur - zur Zuerkennung eines GdB von 50 ab dem 3. Dezember 2013 verurteilt und die Anfechtungs- und Verpflichtungsklage (§ 54 Abs. 1 Satz 1 SGG) im Übrigen abgewiesen. Für die Zeit bis zu diesem Tag kann nur ein GdB von 40 festgestellt werden, für die Zeit seitdem ein solcher von 50.
Nach § 48 Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung für die Zukunft aufzuheben, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die bei seinem Erlass vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt. Im Schwerbehindertenrecht liegt eine Änderung der tatsächlichen Verhältnisse vor, wenn sich der Gesundheitszustand des Behinderten durch das Hinzutreten neuer oder den Wegfall bestehender Funktionsstörungen oder durch eine Änderung der anerkannten Funktionsstörungen verschlechtert oder verbessert.
Maßgebliche Rechtsgrundlagen für die Feststellung und Bewertung des GdB ist § 69 Abs. 1 Neuntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IX), wonach die für die Durchführung des Bundesversorgungsgesetzes zuständigen Behörden auf Antrag des behinderten Menschen das Vorliegen einer Behinderung und den GdB feststellen. Die Feststellung des GdB richtet sich seit dem 1. Januar 2009 nach den "Versorgungsmedizinischen Grundsätzen" (VG) aus der Anlage zu § 2 der Versorgungsmedizinverordnung (VersMedV), die aufgrund der Ermächtigung in § 30 Abs. 17 des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) erlassen worden sind (§ 69 Abs. 1 S. 5 SGB IX) und den medizinischen Kenntnisstand für die Beurteilung von Behinderungen wiedergeben.
Menschen sind behindert, wenn ihre körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweichen und daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist (§ 2 Abs. 1 Satz 1 SGB IX). Die Auswirkungen auf die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft werden als Grad der Behinderung nach 10-er-Graden abgestuft festgestellt (§ 69 Abs. 1 S. 4 SGB IX). Der Begriff des GdB bezieht sich auf alle Gesundheitsstörungen unabhängig von ihrer Verursachung. Er berücksichtigt die üblichen seelischen Begleiterscheinungen und Schmerzen mit.
Wesentlich ist eine Änderung dann, wenn der veränderte Gesundheitszustand mehr als sechs Monate angehalten hat oder voraussichtlich anhalten wird und wenn sich der Gesamt-Grad der Behinderung (Gesamt-GdB) um wenigstens 10 erhöht oder vermindert. Ob eine wesentliche Änderung eingetreten ist, muss durch einen Vergleich des gegenwärtigen medizinischen Zustandes mit dem bindend festgestellten - früheren - Behinderungszustand ermittelt werden (Bundessozialgericht [BSG], Urteil vom 15. August 1996 - 9 RVs 10/94 -, juris Rz. 11; LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 27. August 2015 - L 6 SB 4445/14 -, juris Rz. 27). Im Falle einer solchen Änderung ist der Verwaltungsakt aufzuheben und durch eine zutreffende Bewertung zu ersetzen.
Für die Feststellung des GdB sind dabei in einem ersten Schritt die einzelnen, nicht nur vorübergehenden Gesundheitsstörungen und die sich daraus ergebenden Teilhabebeeinträchtigungen festzustellen. In einem zweiten Schritt sind diese den in den VG genannten Funktionssystemen zuzuordnen und mit einem Teil-GdB zu bewerten. In einem dritten Schritt ist dann - ausgehend von der Beeinträchtigung mit dem höchsten Teil-GdB - der Gesamt-GdB zu bilden (BSG, Urteil vom 24. April 2008 - B 9/9a SB 10/06 R -, juris Rz. 23). Bei der Ermittlung des Gesamt-GdB sind jegliche Rechenmethoden für die Bildung des Gesamt-GdB ungeeignet.). Hierbei ist der Gesamt-GdB in freier richterlicher Beweiswürdigung sowie aufgrund richterlicher Erfahrung unter Hinzuziehung von Sachverständigengutachten zu bilden (vgl. Landessozialgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 27. August 2015 – L 6 SB 4445/14 –, Rz. 29 ff., juris). Die einzelnen GdB-Werte dürfen für die Bildung des Gesamt-GdB weder addiert, noch mit anderen Rechenmethoden gebildet werden. Ausschlaggebend sind stattdessen die Auswirkungen aller Beeinträchtigungen unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehungen (Teil A Nr. 3 VG). Ein Teil-GdB in Höhe von 10 führt in der Regel nicht zu einer Zunahme des Ausmaßes der Gesamtbeeinträchtigung und auch bei leichten Behinderungen mit einem GdB in Höhe von 20 ist es vielfach nicht gerechtfertigt, auf eine wesentliche Zunahme des Ausmaßes der Behinderung zu schließen (vgl. Teil A Nr. 3 Buchstabe d Doppelbuchstabe ee Sätze 1 und 2 VG).
Der Kläger leidet unter einer Polyneuropathie, die sich in elektrisierenden Schmerzen an Füßen und Beinen äußert, welche beim Gehen verstärkt werden. Diese können durch die regelmäßig Einnahme von Medikamenten gelindert werden, welche aber als Nebenwirkung zur Müdigkeit, Mundtrockenheit und Reduktion der Leistungsfähigkeit führen. Dies steht aufgrund der Aussage des Facharztes für Neurologie Dr. K. fest. Ein von ihm zusätzlich diagnostiziertes Sulcus-Ulnaris-Syndrom fühlt dagegen zu keinen Funktionsbeeinträchtigung. Nach Teil B Nr. 3.11 VG sind Polyneuropathien, die sich (auch) durch motorische Ausfälle auswirken, in Analogie zu der Bewertung peripherer Nervenschäden zu bewerten. Soweit - nur - sensible Störungen und Schmerzen auftreten, ist zu berücksichtigen, dass schon leichte Störungen zu Beeinträchtigungen, z.B. bei Feinbewegungen, führen können. Bei dem Kläger bestehen keine motorischen Ausfälle, die von der Polyneuropathie der Beine herrühren, z.B. keine Fußheberschwächen oder dgl. Eine Bewertung analog den GdB-Werten für Nervenausfälle der unteren Gliedmaßen (Teil B Nr. 18.14 VG) ist daher nicht möglich. Die Schmerzen können, wie ausgeführt, behandelt werden. Vor diesem Hintergrund ist der GdB mit 20 durch die Beklagte zutreffend berücksichtigt. Den Fersensporn hat der behandelnde Arzt Dr. H. mit einem Teil-GdB von 10 bewertet. Dies ist angemessen, nachdem Teil B Nr. 18.14 VG einen GdB von 10 - erst - für Fußdeformitäten mit statischen Auswirkungen - geringeren Grades - vorsieht. Insgesamt kann daher das Funktionssystem "untere Gliedmaßen" bei dem Kläger (vgl. zur Zusammenfassung der Funktionsbeeinträchtigungen in Funktionssysteme Teil A Nr. 2 Buchstabe e Satz 2 VG) mit einem GdB von 20 belegt werden.
Unerheblich für dieses Verfahren ist, ob der Kläger an einer psychischen Erkrankung aus dem depressiven Formenkreis leidet, wie er behauptet. Eine solche Erkrankung hatte - nach Aktenlage einmalig - der Internist Dr. R. in dem Befundbericht vom 16. Juli 2008 als "reaktive depressive Verstimmung" angegeben. Eine entsprechende Diagnose wurde dann später aber nicht mehr gestellt, weder in dem Reha-Ent¬las¬sungs¬bericht aus Bad Sooden-Allendorf noch in den Zeugenaussagen der behandelnden Ärzte. Dies deutet darauf hin, dass tatsächlich - nur - eine reaktive depressive Erkrankung vorlag, die sich später zurückgebildet hat. Es findet auch keine psychiatrische oder psychotherapeutische Behandlung statt. Jedenfalls würde eine psychische Erkrankung des Klägers keinen GdB von mehr als 10 bedingen, sodass der Gesamt-GdB nicht wegen einer solchen Erkrankung zu erhöhen ist. Nach Teil B Nr. 3.7 VG werden leichtere psychovegetative oder psychische Störungen mit einem Teil-GdB von 0 bis 20, stärker behindernde Störungen mit wesentlicher Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit (z.B. ausgeprägtere depressive, hypochondrische, asthenische oder phobische Störungen, Entwicklungen mit Krankheitswert, somatoforme Störungen) mit einem Teil-GdB von 30 bis 40 bewertet. Bei dem Kläger nun sind außer den Schmerzen, die sich womöglich in Grenzen von den somatischen Ursachen gelöst haben, keine Symptome zu verzeichnen, die Funktionsbeeinträchtigungen in diesem Bereich verursachen könnten. Einschränkungen auf der psychischen oder sozialen Leidensebene sind nicht zu verzeichnen.
Der Kläger leidet auch unter einem leichten und medizinisch gut eingestellten Bluthochdruck. Dies steht fest aufgrund der Aussage des sachverständigen Zeugen Dr. K ... Insoweit hat der Beklagte einen GdB von 10 angenommen. Dies ist eher großzügig, nachdem nach Teil B Nr. 9.3 VG leichte Formen einer Hypertonie ohne oder mit nur geringer Leistungsbeeinträchtigung (höchstens leichte Augenhintergrundveränderungen) mit einem GdB von 0-10 bewertet werden und - erst - mittelschwere Formen mit Organbeteiligung leichten bis mittleren Grades (Augenhintergrundveränderungen - Fundus hypertonicus I-II - und/oder Linkshypertrophie des Herzens und/oder Protein-urie) und einem mehrfachen nachgewiesenen Anstieg des diastolischen Blutdrucks über 100 mmHg trotz Behandlung einen GdB von 20 bis 40 bedingen.
Die chronische Bronchitis des Klägers ist mit einem GdB von 20 angemessen bewertet. Dies steht fest aufgrund der Aussagen der sachverständigen Zeugen Dr. G. und Dr. K ... Diese Bewertung ist nach Teil B Nr. 8.2 VG - erst - bei einer schweren Form der chronischen Bronchitis mit fast kontinuierlichem ergiebigem Husten und Auswurf und häufigen akuten Schüben (GdB dann 20 bis 40) gerechtfertigt. Bei dem Kläger waren nach dem Arztbrief vom 14. Juni 2013, den Dr. G. seiner Zeugenaussage beigefügt hat, dagegen nur "manchmal nachts Anfälle mit Unwohlsein" aufgetreten. Eine dauernde Einschränkung der Lungenfunktion nach Teil B Nr. 8.3 VG liegt bei dem Kläger nicht vor. Insoweit käme ein GdB (ebenfalls von 20) erst bei Atemnot bei mittelschwerer Belastung und einem Absinken der statischen und dynamischen Messwerte der Lungenfunktionsprüfung um bis zu 1/3 bei Blutgaswerten im Normbereich in Betracht. Die Lungenfunktionsprüfung des Klägers bei Dr. G. am 14. Juni 2013 hatte nach dem genannten Arztbrief eine Vitalkapazität (VG, statisch) von 82,5 % und eine Einsekundenkapazität (FEV1, dynamisch) von 90,8 % der Normwerte ergeben, sodass nur eine "minimale Obstruktion" und eine "leichtgradige Restriktion" zu diagnostizieren waren. Dr. K. hat in seiner Aussage sogar angegeben, dass das gemischtförmige Asthma bronchiale zur Zeit beschwerdefrei sei.
Auch das Schlafapnoe Syndrom ist mit einem Teil-GdB von 20 angemessen berücksichtigt. Nach Teil B Nr. 8.7 VG wird ein Schlaf-Apnoe-Syndrom, das durch eine Untersuchung im Schlaflabor nachgewiesen worden ist, mit einem GdB von 0 bis 10 bewertet, wenn eine kontinuierliche nasale Überdruckbeatmung (nachts) nicht notwendig ist. Ist sie notwendig und auch durchführbar, beträgt der GdB 20. Bei nicht durchführbarer nasaler Überdruckbeatmung beträgt der GdB 50. Folgeerscheinungen oder Komplikationen (der Behandlung) wie Herzrhythmusstörungen, Hypertonie, cor pulmonale sind zusätzlich zu berücksichtigen. Der Kläger leidet an einem Schlaf-Apnoe-Syndrom, jedoch ist eine CPAP möglich und wird auch durchgeführt. Beide Umstände stehen fest auf Grund der Zeugenaussage des Internisten Dr. G ... Daher ist der insoweit zwingende GdB von 20 zu vergeben, der aber mangels Folgeerscheinungen oder weiterer, nicht gesondert zu bewerteder Komplikationen, nicht erhöht werden kann.
Die funktionellen Auswirkungen der Wirbelsäulenveränderungen sind mit einem Teil-GdB von 30 seit dem 3. Dezember 2013 zu bemessen. Für die Zeit davor kann jedoch nur ein Teil-GdB von 20 angenommen werden.
Auch in einem Neufeststellungsverfahren nach § 48 Abs. 1 Satz 1 oder Satz 2 Nr. 1 SGB X zu Gunsten des Berechtigten trägt die (materielle) Beweislast für die wesentliche Veränderung dieser selbst. Dies gilt auch im Schwerbehindertenrecht. Wenn für die Bewertung mit einem GdB bestimmte Funktionsbeeinträchtigungen (im Sinne von Symptomen, die sich auf die Teilhabe des Menschen am Leben in der Gesellschaft auswirken) nach den gesetzlichen Regelungen in den VG notwendig sind oder zumindest als Begründung für eine höhere Bewertung geltend gemacht werden sollen, müssen diese im Vollbeweis nachgewiesen sein. Auch hier gilt zwar der Grundsatz des § 128 Abs. 1 Satz 1 SGG, wonach - auch - die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit ihre Überzeugung aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens, also aus dem gesamten Vortrag aller Beteiligter und den Ergebnissen jeglicher - etwaiger - Beweisaufnahme (vgl. deutlicher noch § 286 Zivilprozessordnung [ZPO]), bilden. Aber bei medizinisch festzustellenden Umständen wie solchen Symptomen kommt - neben einem Sachverständigengutachten (§ 118 Abs. 1 SGG i.V.m. §§ 402 ff. ZPO) - den Angaben eines als sachverständigen Zeugen (§ 414 ZPO) vernommenen Arztes besondere Bedeutung zu (vgl. allgemein zu den Anforderungen an eine ärztliche Aussage über eine Erstdiagnose Bundessozialgericht [BSG], Beschluss vom 07. Februar 2012 – B 13 R 392/10 B –, Rz. 17, juris).
Nach Teil B Nr. 18.9 VG werden Wirbelsäulenschäden mit geringen funktionellen Auswirkungen (Verformung, rezidivierende oder anhaltende Bewegungseinschränkung oder Instabilität geringen Grades, seltene und kurz dauernd auftretende leichte Wirbelsäulensyndrome) mit einem GdB von 10, mit mittelgradigen funktionellen Auswirkungen (Verformung, häufig rezidivierende oder anhaltende Bewegungseinschränkung oder Instabilität mittleren Grades, häufig rezidivierende und über Tage andauernde Wirbelsäulensyndrome) mit einem GdB von 20, mit schweren funktionellen Auswirkungen in einem Wirbelsäulenabschnitt (Verformung, häufig rezidivierende oder anhaltende Bewegungseinschränkung oder Instabilität schweren Grades, häufig rezidivierende und Wochen andauernde ausgeprägte Wirbelsäulensyndrome) mit einem GdB von 30 und mit mittelgradigen bis schweren funktionellen Auswirkungen in zwei Wirbelsäulenabschnitten mit einem GdB von 30 bis 40 bewertet.
An der Halswirbelsäule können bei dem Kläger nur leichte, aber noch keine mittelgradigen Funktionsbeeinträchtigungen angenommen werden. Dies ergibt sich insbesondere aus den Ausführungen des Sachverständigen Dr. W., der von leichten bis mäßigen Einbußen an der HWS ausgeht. Es liegen dort Nackenschmerzen mit Ausstrahlung nach rechts vor, ferner eine - leichte - Bewegungseinschränkung, insbesondere bei der Seitneigung (15/0/15° statt normgerechter 45/0/45°, vgl. S. 6 und 16 des Gutachtens) und etwas geringer bei der Drehung. Hinweise auf überdauernde Nervenwurzelreizungen mit Ausstrahlungen in die Arme konnte der Sachverständige nicht feststellen. Die Kraftentfaltung, die Sensibilität und die Muskeleigenreflexe der oberen Gliedmaßen waren unauffällig. Daneben bestand eine WS-Instabilität bei dem Segment C5/6, die Dr. W. als "leicht" beschrieben hat. Dieses Bild der HWS entspricht eher der Beschreibung der VG für noch leichte Funktionsbeeinträchtigungen ("Verformung, rezidivierende oder anhaltende Bewegungseinschränkung oder Instabilität geringen Grades, seltene und kurz dauernd auftretende leichte Wirbelsäulensyndrome") als jener für mittlere.
An der LWS können bei dem Kläger schwere funktionelle Auswirkungen angenommen werden, die jedoch - wie ausgeführt - erst ab den entsprechenden Feststellungen im Dezember 2013 als nachgewiesen angesehen werden können.
Der Senat tritt der Einschätzung von Dr. W. bei, dass die nunmehr bestehende bzw. nachgewiesene "Schaufensterproblematik", also die deutliche Einschränkung der Gehfähigkeit und der Gangsicherheit mit der Notwendigkeit sehr häufiger Pausen zur Entlastung der Wirbelsäule beim Gehen und laufender Schmerzmitteleinnahme als "schwere funktionelle" Auswirkung im Sinne der VG anzusehen ist. Es handelt sich zwar nicht um eine Instabilität und auch die Beweglichkeitseinschränkungen allein sind vielleicht noch als mittelgradig einzustufen (nach den Messwerten von Dr. W. betrug der Finger-Boden-Abstand des Klägers 32 cm, das Schober’sche Zeichen zur Entfaltbarkeit der LWS war auf 10/13,5 cm (Normwert: 10/15 cm) eingeschränkt). Aber die erhebliche Einengung des Spinalkanals und die damit bereits beim normalen Gehen verursachten Schmerzen und anderen Einschränkungen können einem häufig rezidivierenden und - mindestens - Wochen andauernden WS-Syndrom gleichgestellt werden.
Diese Problematik ist nicht vor Dezember 2013 nachgewiesen. Wie Dr. W. zutreffend herausgearbeitet hat, ist sie erstmals in dem Arztbrief von Dr. K. auf Grund der Untersuchung vom 3. Dezember 2013 erwähnt. Es trifft zwar zu, wie der Kläger vorträgt, dass auch schon zuvor nicht nur eine Lumboischialgie und die insgesamt drei Bandscheibenvorfälle an der LWS diagnostiziert waren, sondern auch die Spinalkanalstenose an sich schon zuvor feststand, z.B. nach dem vorgelegten Arztbrief von Dr. K. vom 19. Februar 2011. Aber die hier maßgebliche Funktionsbeeinträchtigung, nämlich die massive Einschränkung des Gehvermögens, ist weder in dem Reha-Zentrum Bad Sooden-Allendorf im Jahre 2009 noch in den früheren Arztberichten Dr. K.s erwähnt. Auch in dem erwähnten Bericht vom 19. Februar 2011 hatte er - nur - "LWS-Schmerzen mit Ausstrahlung ins Bein" angegeben und eine ausreichende medikamentöse "Kontrolle der Reizymptome" angegeben. Ein früherer Zeitpunkt für die Feststellung dieses Symptoms kann sich auch nicht allein auf die Erwägung - die der Kläger vorbringt - stützen, dass sich die Spinalkanalstenose selbst progredient entwickelt hat. Dies hat zwar zuletzt noch einmal Dr. K. dargelegt, allerdings ohne dass indessen die von ihm berichteten heftigen Schmerzen beim Gehen seit fünf Jahren in irgendeiner Weise dokumentiert sind. Gerade eine solche progrediente Entwicklung bedingt aber die Schwierigkeit festzustellen, wann die daraus folgenden Symptome das hier relevante Ausmaß angenommen haben. Gerade bei einer solchen Entwicklung, bei der z.B. kein traumatisches Ereignis die Ursache ist, das genau festgestellt werden kann, kann der Nachweis. in der Regel nur mit ärztlicher Diagnostik geführt werden.
In der Zusammenschau der leichten HWS-Beeinträchtigungen und der Einbußen an der LWS, die bis Dezember 2013 als mittelgradig und seitdem als schwer einzustufen sind, ist für das Funktionssystem "Rumpf" ein GdB von 20 bis Dezember 2013 und von 30 seitdem angemessen. Ein GdB von 40 wäre erst bei schweren funktionellen Auswirkungen in zwei WS-Abschnitten anzuerkennen. Dieses Ausmaß erreichen die Beeinträchtigungen der HWS sicher nicht.
Weitere relevante Behinderungen liegen bei dem Kläger nicht vor.
Nicht zu beanstanden ist letztlich die Bildung des Gesamt-GdB. In der Zeit bis Dezember 2013 lagen insoweit Teil-GdB-Werte von je 20 für die Wirbelsäule, das Schlaf-Apnoe-Syndrom, die Bronchitis und die Polyneuropathie der Beine vor, wobei die Funktionseinbußen auf Grund der Bronchitis den GdB von 20 nicht voll ausschöpfen und sich als Atemerkrankung mit der Bewertung der Schlaf-Apnoe überschneiden. Hiernach kam ein GdB von mehr als 40 für jene Zeit nicht in Betracht. Hierbei war auch zu berücksichtigen, dass noch kein Teil-GdB von mindestens 30 vorlag. Für die Zeit ab Dezember 2013 ist dagegen der GdB von 50 angemessen. Der nunmehr bestehende Teil-GdB von 30 für die WS-Problematik kann um zweimal je 10 Punkte für das Schlaf-Apnoe-Syndrom und die Polyneuropathie der Beine erhöht werden. Eine weitere Erhöhung scheidet aus. Wie ausgeführt, ist der GdB für die Bronchitis nicht voll ausgeschöpft. Und die Bewertung der Polyneuropathie überschneidet sich stark mit jener für die Lendenwirbelsäule, da sich beide Behinderungen vor allem im Gehvermögen auswirken.
Die Entscheidung über die Kosten des Berufungsverfahrens beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) sind nicht vorgetragen oder ersichtlich.
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