S 4 SF 2/16 E

Land
Hessen
Sozialgericht
SG Fulda (HES)
Sachgebiet
Sonstige Angelegenheiten
Abteilung
4
1. Instanz
SG Fulda (HES)
Aktenzeichen
S 4 SF 2/16 E
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
Der prozessuale Kostenerstattungsanspruch (hier gem. §§ 155 Abs. 2, 162 VwGO i.V.m. § 197a SGG) umfasst auch die vom Anspruchsinhaber im Verfahren verauslagte Aktenversendungspauschale gem. Nr. 9003 KV GKG. § 28 Abs. 2 GKG regelt demgegenüber allein das Verhältnis eines Beteiligten zur Staatskasse, nicht aber Ansprüche von Beteiligten untereinander (entgegen VG Regensburg, Beschl. v. 4. November 2014 RN 4 M 14.1550 –).
Der Kostenfestsetzungsbeschluss vom 27. November 2013 im Verfahren S 4 KR 175/13 wird insoweit aufgehoben, als durch ihn erstattungsfähige Kosten von mehr als 32,00 EUR festgesetzt werden. Im Übrigen wird die Erinnerung zurückgewiesen.

Von den Kosten des Erinnerungsverfahrens tragen die Erinnerungsführerin 1/4, die Erinnerungsgegnerin 3/4.

Gründe:

I.

Die Beteiligten streiten über die Kostenfestsetzung im zugrunde liegenden Ausgangsverfahren S 4 KR 175/13, das durch Klagerücknahme beendet wurde. Aufgrund § 155 Abs. 2 VwGO i.V.m. § 197a SGG ist die Klägerin und nunmehrige Erinnerungsführerin daher verpflichtet, die außergerichtlichen Kosten der Beklagten und nunmehrigen Erinnerungsgegnerin zu tragen.

Mit Kostenfestsetzungsantrag vom 30. Juli 2015 beantragte die Erinnerungsgegnerin, ihre außergerichtlichen Kosten wie folgt festzusetzen:

Auslagenpauschale, § 197a SGG, § 162 II 3 VwGO 20,00 EUR
Aktenübersendungskosten 12,00 EUR
Pauschale für die Überlassung und Herstellung von Dokumenten 42,25 EUR
74,25 EUR

Hiergegen wandte sich die Erinnerungsführerin dahingehend, dass die geltend gemachten Kopierkosten nicht erstattungsfähig seien, da sie mit den "allgemeinen Gebühren" abgegolten seien.

Die Urkundsbeamtin des Gerichts sah die geltend gemachte Dokumentenpauschale gem. Nr. 7000 VV RVG als gerechtfertigt an, stellte jedoch einen Additionsfehler in der Seitenzahlberechnung der Klägerin fest und setzte daher die von der Erinnerungsführerin an die Erinnerungsgegnerin zu zahlenden Kosten mit Kostenfestsetzungsbeschluss vom 27. November 2015, der dem Bevollmächtigten der Erinnerungsführerin am 30. November 2015 zugestellt worden ist, auf

71,25 EUR

nebst Verzinsung fest.

Hiergegen wendet sich die Erinnerungsführerin mit Erinnerungsschrift ihre Bevollmächtigten vom 30. Dezember 2015, die am selben Tag bei dem SG Fulda eingegangen ist. Zur Begründung führt sie aus, dass die geltend gemachte Dokumentenpauschale mangels Rechtsgrundlage nicht verlangt werden könne. Im Übrigen bestehe auch unabhängig davon kein Anspruch auf Erstattung von Kopierkosten.

Zudem könne die Erinnerungsgegnerin die festgesetzte Aktenversendungspauschale nicht verlangen. Denn sie habe diese gem. § 28 Abs. 2 GKG alleine zu tragen. Damit sei die Kostentragungspflicht abschließend geregelt.

Die Erinnerungsführerin beantragt sinngemäß,
den Kostenfestsetzungsbeschluss vom 18. August 2015 aufzuheben, soweit ein Kostenerstattungsbetrag von mehr als 20,00 EUR festgesetzt worden sei.

Die Erinnerungsgegnerin beantragt sinngemäß,
die Erinnerung zurückzuweisen.

Zur Begründung erläutert sie den Inhalt der kopierten Dokumente, deren Vervielfältigung notwendig gewesen sei, und hält an ihrer Auffassung fest, dass sie berechtigt sei, die Kostenpauschale gem. Nr. 7000 VV RVG geltend zu machen. Trotz gerichtlicher Aufforderung vom 1. März 2016 hat die Erinnerungsgegnerin zu ihren tatsächlich entstandenen Kosten für die Anfertigung der Kopien keine Stellung genommen.

Wegen des Vorbringens der Beteiligten im Einzelnen wird auf die eingereichten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

II.

Die zulässige, insbesondere gem. § 197 Abs. 2 SGG fristgerecht erhobene Erinnerung ist nur teilweise begründet. Die Dokumentenpauschale gem. Nr. 7000 VV RVG ist zu Unrecht gegen die Erinnerungsführerin festgesetzt worden. Im Übrigen erweist sich der angegriffene Kostenfestsetzungsbeschluss als nicht zu beanstanden.

1. Soweit der Erinnerungsgegnerin wie hier ein prozessualer Kostenerstattungsanspruch zusteht, sind die ihr entstandenen außergerichtlichen Aufwendungen, soweit sie notwendig waren, zu ersetzen. Hierzu zählen auch Kopierkosten, was weithin außer Streit steht (s. etwa für das SGG Leitherer, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl. 2014, § 197a Rn. 27, BeckOK SozR/Jungeblut, SGG § 197a [Stand: 2015] Rn. 37; für die VwGO Olbertz, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO § 162 [Stand 2005] Rn. 25; differenzierend für die ZPO Zöller/Herget, ZPO, 31. Aufl. 2016, § 91 Rn. 13 Stichwort: Ablichtungen).

Allerdings steht der Erinnerungsgegnerin die geltend gemacht Dokumentenpauschale nicht zu. Hierzu verweist die Kammer zur Vermeidung von Wiederholungen auf ihren Beschluss vom 4. April 2016 (S 4 SF 45/15 E, juris und jurion), der zwischen den hiesigen Beteiligten ergangen ist und in dem sie ausführlich das Fehlen einer Rechtsgrundlage für einen Anspruch der anwaltlich nicht vertretenen Erinnerungsgegnerin auf die Dokumentenpauschale dargelegt hat.

2. Der prozessuale Kostenerstattungsanspruch der Erinnerungsgegnerin umfasst auch die Erstattung der von ihr gezahlten Aktenversendungspauschale gem. Nr. 9003 KV GKG für die notwendige Einsichtnahme in die im Ausgangsverfahren beigezogene Patientenakte ihrer Versicherten.

Gem. § 162 Abs. 1 S. 1 VwGO i.V.m. § 197a SGG sind im vorliegenden Verfahren erstattungsfähige Gerichtskosten "Gebühren und Auslagen". Die von Erinnerungsgegnerin im Ausgangsgefahren geforderte "Pauschale für die bei der Versendung von Akten auf Antrag anfallenden Auslagen an Transport- und Verpackungskosten" in Höhe von 12,00 EUR gem. Nr. 9003 KV GKG ist nach der Gesetzessystematik im 9. Teil des Kostenverzeichnisses zum GKG eine "Auslage" im Sinne der Gerichtskosten. Daher ergibt sich zunächst ohne Weiteres ein Anspruch auf Erstattung seitens der Erinnerungsgegnerin, die die Versendung selbst beantragt hat und nicht anwaltlich vertreten war (vgl. zur Kostentragungspflicht bei anwaltlicher Aktenanforderung etwa BSG, Beschl. v. 20. März 2015 – B 13 SF 4/15 S –, juris; und jüngst VGH Ba.-Wü., Beschluss vom 21. März 2016 – 5 S 2450/12 –, juris; instruktive Darstellung bei AnwK-RVG/N. Schneider, 7. Aufl. 2014, VV Vorb. 7, Rn. 22 ff. [30]).

Soweit die Erinnerungsführerin der Auffassung ist, dass gem. § 28 Abs. 2 GKG nur derjenige die Aktenversendungspauschale zu zahlen habe, der die Versendung veranlasst hat, so dass die Erinnerungsgegnerin diese auch nicht erstattet verlangen könne, greift dies nicht durch. Zwar hat das VG Regensburg im Beschluss vom 4. November 2014 (RN 4 M 14.1550 –, juris Rn. 11 f.) genau die Auffassung der Erinnerungsführerin vertreten; es unterliegt dabei aber – wie auch die Erinnerungsführerin selbst – einem grundsätzlichen Irrtum:

Durch die Vorschriften des GKG wird das unmittelbare Kostenverhältnis zwischen Staatskasse einerseits und einem am gerichtlichen Verfahren Beteiligten geregelt. Entsprechend kann die Staatskasse die Aktenversendungspauschale gem. § 28 Abs. 2 GKG ausschließlich beim Antragsteller der Aktenversendung verlangen. Eine subsidiäre oder parallele/gesamtschuldnerische Haftung eines Dritten scheidet gegenüber der Staatskasse aus.

Damit ist aber keinerlei Regelung getroffen, ob der antragstellende Veranlasser der Aktenversendung seinerseits gegenüber Dritten einen Anspruch auf Erstattung der zuvor allein von ihm gegenüber der Staatskasse geschuldeten Aktenversendungspauschale hat. Dies ist vielmehr Gegenstand der Regelungen in § 162 VwGO oder im Zivilprozess in § 91 ZPO, ebenso im privilegierten Verfahren des Sozialprozesses in § 193 SGG. Der Umfang des prozessualen Kostenerstattungsanspruchs liegt daher völlig außerhalb des Regelungsbereichs von § 28 Abs. 2 GKG. Das VG Regensburg und (ihm folgend) die Erinnerungsführerin vermischen daher unzulässig das Rechtsverhältnis zwischen Staatskasse und Veranlasser der Aktenversendung einerseits sowie dessen Rechtsverhältnis zu den übrigen Verfahrensbeteiligten andererseits. Diese sind vielmehr aufgrund unterschiedlicher rechtlicher Regelungen unabhängig voneinander zu betrachten. Entsprechend bleibt im vorliegenden Verfahren der Kostenerstattungsanspruch der Erinnerungsgegnerin gem. §§ 155 Abs. 2, 162 VwGO infolge der Klagerücknahme durch die Erinnerungsführerin im Ausgangsverfahren von § 28 Abs. 2 GKG völlig unberührt.

Entsprechend hat etwa auch der BGH (NJW 2011, S. 3041 [3041]) ohne Weiteres ausgeführt, dass ein Anwalt, der gem. § 28 Abs. 2 GKG die Versendungspauschale gegenüber der Staatskasse zu entrichten hat, diese seinem Mandanten aus dem mit ihm bestehenden Rechtsverhältnis gesondert in Rechnung stellen kann und dass infolge dessen ein Rechtsschutzversicherer zur Erstattung verpflichtet ist. Generell wird durch § 28 Abs. 2 GKG nicht ausgeschlossen, dass ein Rechtsanwalt eine von ihm gezahlte Versendungspauschale von seinem Mandanten und somit einem Dritten verlangen kann (s. nur Müller-Rabe, in: Gerold/Schmitt, RVG, 21 Aufl. 2013, Vorb. 7 VV Rn. 17; AnwK-RVG/N. Schneider, 7. Aufl. 2014, VV Vorb. 7, Rn. 33 f. m.w.N.), auch wenn er zuvor gegenüber der Staatskasse der alleinige Schuldner war. Es wird lediglich diskutiert, ob die Versendungspauschale bereits als Teil der allgemeinen Geschäftskosten (vgl. § 15 Abs. 1 RVG) oder die Pauschale gem. Nr. 7002 VV RVG abgegolten sind (vgl. N. Schneider, ebd.; beides zu Recht lapidar verneint von BGH, NJW 2011, S. 3041 [3041]).

Folglich bleibt es dabei, dass die Erinnerungsführerin die Aktenversendungspauschale als gerichtliche Kosten in Gestalt der Auslage gem. Nr. 9003 KV GKG gem. § 162 Abs. 1 S. 1 VwGO zu erstatten hat. Daher ist gegen die Festsetzung dieser Kosten durch die Urkundsbeamtin nichts zu erinnern.

3. Die notwendige Kostenentscheidung (vgl. SG Fulda, Beschl. v. 10. Februar 2010 S 3 SF 22/09 E –, juris Rn. 68 ff.) folgt der Sachentscheidung. Gerichtskosten sind gem. § 3 GKG i.V.m. Teil 7 der Anlage 1 des GKG für das Erinnerungsverfahren nicht vorgesehen.

4. Diese Entscheidung ist unanfechtbar (§ 197 Abs. 2 SGG).
Rechtskraft
Aus
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