S 3 U 182/13

Land
Hessen
Sozialgericht
SG Darmstadt (HES)
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Darmstadt (HES)
Aktenzeichen
S 3 U 182/13
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 9 U 121/16
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 2 U 263/16 B
Datum
Kategorie
Urteil
1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt die Anerkennung des Ereignisses vom 20.01.2010 als Arbeitsunfall.

Der 1960 geborene Kläger fuhr am Unfalltag mit dem C.bus von seiner Arbeitsstelle am D. Flughafen nach Hause. Während der Fahrt kam es zu einer Fahrkartenkontrolle, bei welcher die Kontrolleurin die Auffassung vertrat, der Kläger verfüge nicht über eine gültige Fahrkarte. Nach Beendigung der Fahrt kam es am E. Hauptbahnhof zu einer Polizeikontrolle des Klägers bei welcher seine Personalien festgestellt werden sollten. Im Verlauf der Personenkontrolle wurde der Kläger an den Streifenwagen gestellt und anschließend mit körperlicher Gewalt zu Boden gebracht. Ihm wurden Handschellen angelegt und sein Rucksack durchsucht. Daraufhin suchte der Kläger am 22.01.2010 zunächst seinen Hausarzt F. in A-Stadt auf, der als Erstdiagnose Nachweis von Prellmarken im Bereich der LWS, Hämatom am Jochbein + Orbita rechts angab. Nachdem der Kläger erstmals am 28.01.2010 beim Durchgangsarzt vorstellig wurde, diagnostizierte dieser im Folgenden eine Schädelprellung, V.a. Bandscheibenprolaps LWK und eine akute Belastungsreaktion. Dr. G. diagnostizierte später eine posttraumatische Belastungsstörung.

Nachdem der Kläger nachträglich dem Beförderungsunternehmen H. einen gültigen Fahrausweis vorgelegt und eine Bearbeitungsgebühr entrichtet hat, verzichtete diese auf den für die Strafverfolgung des Klägers gemäß den §§ 265a, 248a StGB erforderlichen Strafantrag. Das gegen den Kläger gerichtete Strafverfahren wegen Erschleichen von Leistungen wurde eingestellt.

Die Beklagte lehnte die Anerkennung eines Arbeitsunfalls mit Bescheid vom 07.08.2012 ab. Die Voraussetzungen für einen Arbeitsunfall seien nicht gegeben, weil der Kläger den grundsätzlich versicherten Heimweg durch das Einschieben persönlicher, für die Wegzurücklegung nicht erforderlicher Handlungen unterbrochen habe. Die Beklagte ging dabei davon aus, dass der Kläger sich gegenüber den Kontrolleuren im C-Bus geweigert habe, seine Personalien anzugeben, weshalb diese die Polizei zum Zwecke der Personenkontrolle verständigten und vertrat die Ansicht, dass der Heimweg bereits durch diese Weigerung unterbrochen worden sei.

Den hiergegen eingelegten Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 27.08.2013 zurück.

Dagegen legte der Kläger am 18.09.2013 Klage beim Sozialgericht Darmstadt ein. Der Unfall müsse als Wegeunfall anerkannt werden. Er behauptet, er habe der Kontrolleurin sein (gültiges) Ticket, seinen Dienstausweis und seinen Personalausweis gezeigt. Auch der polizeilichen Personenkontrolle habe er sich nicht widersetzt, sondern mitgeteilt, dass sich sein Ausweis im Rucksack befände. Im nächsten Moment sei er gegen das Polizeifahrzeug geschleudert worden und es sei weitere Gewalt angewendet worden. Es bestehe ein Kausalzusammenhang der Schäden mit dem Handeln der Polizisten.

Der Kläger beantragt,
den Bescheid vom 07.08.2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27.08.2013 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, das Ereignis vom 20.01.2010 als Arbeitsunfall anzuerkennen und die hieraus resultierenden körperlichen und psychischen Einschränkungen nach einer MdE von mindestens 20 von 100 zu entschädigen.

Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.

Zur Begründung nimmt sie Bezug auf die angefochtenen Bescheide.

Die Kammer hat Beweis erhoben durch Vernehmung des Zeugen I. und Verlesen von Auszügen aus den Akten 501 Js 11974/10 PZ der Staatsanwaltschaft Darmstadt. Bezüglich des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschrift der mündlichen Verhandlung vom 29.01.2016 Bezug genommen.

Die Akten xxxxx der Beklagten sowie 501 Js 11974/10 PZ der Staatsanwaltschaft Darmstadt waren beigezogen und Gegenstand der mündlichen Verhandlung sowie der Beratung der Kammer. Hinsichtlich des Sach- und Streitstandes im Übrigen wird auf die Gerichtsakte und die Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Klage ist unbegründet. Die angefochtenen Bescheide der Beklagten sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten, denn der Kläger hat keinen Anspruch auf Feststellung des Ereignisses vom 14.01.2013 als Arbeitsunfall und infolgedessen auch keinen Rentenanspruch gegen die Beklagte.

I. Arbeitsunfälle sind Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach §§ 2, 3, 6 SGB VII begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit; § 8 Abs. 1 Satz 1 SGB VII). Unfälle sind zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führen (§ 8 Abs. 1 SGB VII). Gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 1 SGB VII sind versicherte Tätigkeiten auch das Zurücklegen des mit der versicherten Tätigkeit zusammenhängenden unmittelbaren Weges nach und von dem Ort der Tätigkeit.

Für das Vorliegen eines Arbeitsunfalls ist erforderlich, dass das Verhalten des Versicherten, bei dem sich der Unfall ereignet hat, der versicherten Tätigkeit, zuzurechnen ist. Es muss eine sachliche Verbindung mit der im Gesetz genannten versicherten Tätigkeit bestehen, der innere bzw. sachliche Zusammenhang, der es rechtfertigt, das betreffende Verhalten der versicherten Tätigkeit zuzurechnen (BSGE 63, 273 , 274 = SozR 2200 § 548 Nr. 92; BSG SozR 2200 § 548 Nr. 82 und 97; BSG SozR 3-2700 § 8 Nr. 11; BSG SozR 4-2700 § 8 Nr. 2; BSG Urteil vom 26. Oktober 2004 - B 2 U 16/04 R).

Entscheidend für die Beurteilung, ob eine bestimmte Handlung in einem solchen rechtlich wesentlichen inneren Zusammenhang mit dem Kernbereich der versicherten Tätigkeit steht, ist die Gesamtheit aller tatsächlichen Umstände des Einzelfalls (BSG SozR 3-2200 § 539 Nr. 31). Innerhalb dieser Wertung stehen bei der Frage, ob der Versicherte zur Zeit des Unfalls eine versicherte Tätigkeit ausgeübt hat, Überlegungen nach dem Zweck des Handelns mit im Vordergrund (BSG SozR 3-2700 § 8 Nr. 11). Wie das BSG in ständiger Rechtsprechung (zusammenfassend zuletzt BSG in SozR 4-2700 § 8 Nr. 14 = BSGE 94, 262 ff) ausführt, ist maßgebliches Kriterium für die wertende Entscheidung über den Zusammenhang zwischen versicherter Tätigkeit und Verrichtung zur Zeit des Unfalls die Handlungstendenz des Versicherten, nämlich ob er eine dem Beschäftigungsunternehmen dienende Verrichtung ausüben wollte (BSG a.a.O. unter Verweis auf BSGE 58, 76 , 77 = SozR 2200 § 548 Nr. 70 S 197; BSG SozR 2200 § 548 Nr. 96; SozR 3-2200 § 550 Nr. 1; SozR 3-2200 § 548 Nr. 22; BSGE 91, 293 = SozR 4-2700 § 8 Nr. 3; BSG Urteil vom 26. Oktober 2004 - B 2 U 24/03 R - vorgesehen zur Veröffentlichung in BSGE und SozR). Die Tätigkeit muss mit einer fremdwirtschaftlichen Zweckbestimmung und nicht zur Verfolgung eigener Angelegenheiten, sogenannten eigenwirtschaftlicher Tätigkeiten (vgl. BSG Urteil vom 30. Juni 1993 - 2 RU 40/92 -), erfolgen. Von der Handlungstendenz ist der subjektive Beweggrund, das heißt die persönliche Motivation für die Tätigkeit, abzugrenzen. Die Annahme einer auf die Belange des Unternehmens gerichteten Handlungstendenz setzt entsprechend voraus, dass anhand objektiver Kriterien ein nachvollziehbarer Zusammenhang mit dem Unternehmen anzunehmen ist. Wie bei allen anderen Zurechnungsentscheidungen sind für die Beurteilung des Unfallversicherungsschutzes alle Umstände des Einzelfalls und das sich daraus ergebende Gesamtbild in Betracht zu ziehen (BSG SozR 3-2200 § 539 Nr. 9 und Urteil vom 30. Juni 1993 - 2 RU 40/92 -).

Wird eine versicherte Tätigkeit wegen einer privaten Verrichtung unterbrochen, so wird zwischen einer erheblichen und unerheblichen Unterbrechung unterschieden. Während einer privaten Zwecken dienenden, erheblichen Unterbrechung besteht kein Versicherungsschutz. Eine privaten Zwecken dienende, unerhebliche Unterbrechung, während der der Versicherungsschutz fortbesteht, liegt dagegen vor, wenn die Unterbrechung zeitlich und räumlich nur ganz geringfügig ist und einer Verrichtung dient, die "im Vorbeigehen" und "ganz nebenher" erledigt wird. Sie darf nach natürlicher Betrachtungsweise und in Würdigung der gesamten Umstände des Einzelfalles nur zu einer geringfügigen, tatsächlichen Unterbrechung der versicherten Tätigkeit geführt haben. Die Aufrechterhaltung des Versicherungsschutzes in diesen Fällen findet ihre Rechtfertigung darin, dass die im sachlichen Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit stehende Verrichtung – z.B. das Zurücklegen des Weges – der wesentliche Grund dafür ist, dass der Versicherte in dieser Situation ist, in der er dann ganz nebenher oder im Vorbeigehen die private Verrichtung ausübt. Dabei wird nicht nur auf einen räumlichen und zeitlichen Zusammenhang, wie z.B. die bloße Anwesenheit am Arbeitsplatz, abgestellt, sondern auch auf die praktisch andauernde Ausübung einer versicherten Verrichtung, in die eine räumliche und zeitliche unerhebliche private Verrichtung eingeschoben wird. Letztlich handelt es sich um Fallgestaltungen, in denen die versicherte Verrichtung und die private Verrichtung als tatsächliches Geschehen nur sehr schwer voneinander zu trennen sind (vgl. zum Vorstehenden BSG, Urteil vom 12.4.2005 – B 2 U 11/04 R in BSGE 94, 262 – 268).

Für Verrichtungen, die sowohl privaten unversicherten als auch betrieblichen Interessen zu dienen bestimmt sind - sog gemischte Tätigkeiten - besteht Versicherungsschutz dann (vgl. zuletzt BSG vom 22. August 2000 - B 2 U 18/99 R), wenn die Verrichtung im Einzelfall dazu bestimmt war, auch betrieblichen Interessen wesentlich zu dienen. Die Verrichtung braucht dabei nicht überwiegend betrieblichen Interessen zu dienen bestimmt gewesen sein (BSGE 3, 240 , 245; 20, 215, 216 = SozR Nr. 67 zu § 542 a.F. RVO; BSG Urteil vom 31. Januar 1974 - 2 RU 99/72 - USK 7410; BSG Urteil vom 22. August 1974 - 8 RU 288/73 - USK 74118; BSG Urteil vom 27. November 1986 - 2 RU 4/86 - USK 86208; BSG SozR 2200 § 548 Nr. 93; BSG Urteil vom 27. Januar 1994 2 RU 3/93 - USK 9422; BSG SozR 3-2200 § 548 Nr. 19). Ob das betriebliche Interesse wesentlich ist, beurteilt sich in erster Linie nach den aufgrund von objektiven Anhaltspunkten nachvollziehbaren subjektiven Vorstellungen des Versicherten (BSGE 20, 215, 218 = SozR a.a.O.). Entscheidendes Abgrenzungskriterium für die Frage, ob eine gemischte Tätigkeit wesentlich betrieblichen Interessen zu dienen bestimmt war, ist, ob diese Tätigkeit hypothetisch auch dann vorgenommen worden wäre, wenn der private Zweck entfallen wäre (BSGE 20, 215 , 219 = SozR a.a.O.; BSG SozR 3-2200 § 548 Nr. 19; Mehrtens, a.a.O.).

Diese Grundsätze finden auch Anwendung, wenn der Versicherte auf einem Arbeits- oder Betriebsweg in eine Polizeikontrolle gerät. Eine wesentliche Unterbrechung des versicherten Weges zum Zwecke einer privaten Verrichtung liegt in derartigen Fällen beispielsweise dann vor, wenn der Versicherte nach einer Atemalkoholkontrolle von Polizeibeamten aufgefordert wird, zur Blutentnahme auf die nächstgelegene Polizeidienststelle mitzukommen (LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 19.03.2007, Az. L 1 U 5087/06 und Bayrisches LSG, Urt. v. 17.11.2010, Az. L 2 U 468/09; beide zitiert nach juris).

Unter Zugrundelegung der vorstehenden Grundsätze liegt ein Arbeitsunfall nicht vor. Grundsätzlich zählt der Heimweg des Klägers zwar zu den nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 SGB VII versicherten Tätigkeiten. Die Kammer ist jedoch davon überzeugt, dass der Kläger diese zum Zwecke einer privaten Verrichtung unterbrochen hat.

Es kann insoweit dahin stehen, ob der Kläger – wie die Beklagte meint – seinen Nachhauseweg bereits während der Fahrt mit dem C.bus vom D. Flughafen zum E. Hauptbahnhof unterbrochen hat, weil er sich gegenüber der Kontrolleurin weigerte, seine Personalien bekannt zu geben, woran die Kammer rechtliche Zweifel hegt. Denn der Kläger hat unter Berücksichtigung der vorstehenden Grundsätze nach der Überzeugung der Kammer, den versicherten Weg rechtlich wesentlich durch eine private Verrichtung unterbrochen, als er sich im Rahmen der polizeilichen Personenkontrolle weigerte, seine Personalien bekannt zu geben und sich durch seinen Bundespersonalausweis auszuweisen.

Die Kammer legt dabei folgenden Sachverhalt zugrunde: Als der Kläger und der Zeuge I. am 20.01.2010 im C.bus während einer Fahrkartenkontrolle von der Kontrolleurin darauf hingewiesen wurden, dass sie ihrer Ansicht nach nicht über einen gültigen Fahrausweis verfügten, weigerte der Kläger sich, seinen Personalausweis vorzuzeigen und die Feststellung seiner Personalien zu ermöglichen. Die Kontrolleurin verständigte daraufhin die Polizei, welche die Personalien nach dem Aussteigen des Klägers am E. Hauptbahnhof feststellen sollte. Am Bahnhof angekommen wurde der Kläger von einem Polizeibeamten, POK J., angesprochen und aufgefordert sich auszuweisen. Der Kläger verweigerte dies jedoch und machte Ausführungen, welche nicht der Identitätsfeststellung dienten, weil er davon überzeugt war, im Besitz eines gültigen Fahrausweises gewesen zu sein. Daraufhin wurde er von POK J. zum Streifenwagen verbracht. (Auf die Frage, inwieweit seitens POK J. hierbei unmittelbarer Zwang angewendet wurde und ob dieser gerechtfertigt war, kommt es dabei für die Frage des Vorliegens eines Arbeitsunfalles nicht an und war von der Kammer daher auch nicht zu bewerten.)

Dieser Sachverhalt steht fest aufgrund der Aussage des Zeugen I., zu dessen Aussage die Beteiligten in der mündlichen Verhandlung am 29.01.2016 die Gelegenheit zur Stellungnahme hatten, den verlesenen Urkunden aus den Akten 501 Js 11974/10 PZ der Staatsanwaltschaft Darmstadt sowie den Angaben des Klägers, welche er im Rahmen seiner persönlichen Anhörung in der mündlichen Verhandlung am 29.01.2016 getätigt hat, soweit diesen gefolgt werden konnte. Der Zeuge I. hat ausgesagt, beim Aussteigen aus dem Bus seien zwei Polizeibeamte anwesend gewesen, welche seine Personalien und die des Klägers aufnehmen wollten. Der Kläger habe dann, wie auch schon gegenüber der Kontrolleurin im Bus, den aktiven Part übernommen. Der Polizist habe nur den Personalausweis gewollt, der Kläger habe aber erzählen wollen, was sich im Bus zugetragen habe. Er sei mehrfach nach seinem Ausweis gefragt worden.

Diese Angaben sind glaubhaft. Der Zeuge hat dargelegt, dass der Kläger mehrfach aufgefordert wurde, sich auszuweisen, diesem aber nicht nachgekommen ist. Er machte diese Angaben, obwohl er während seiner Aussage erkennbar bemüht war, das Geschehen so zu schildern, dass das Verhalten des Klägers insgesamt als adäquate, nicht aggressive Reaktion auf die Kontrollen erscheint. Die Angaben entsprechen insoweit auch seiner Aussage in den Ermittlungsverfahren (vgl. Blatt 169 der Verwaltungsakten). Sie stimmen im Übrigen auch überein mit den in Auszügen verlesenen Vermerken des POK J. und der PKin K. sowie der in Auszügen verlesenen Aussage der Zeugin L. Soweit der Kläger im Rahmen seiner persönlichen Anhörung demgegenüber behauptet hat, er sei nach dem Aussteigen plötzlich von hinten gepackt und gegen den Streifenwagen geschleudert worden, steht dies im Widerspruch zu den vorgenannten Aussagen und vermag die Überzeugung der Kammer, dass sich das Geschehen so zugetragen hat, wie von der Kammer angenommen, nicht zu erschüttern. Der Zeuge I. hat, anders als der Kläger, kein Eigen- oder Selbstschutzinteresse hinsichtlich der Geschehensabläufe. Andererseits hat er keinerlei Belastungstendenzen gezeigt, sondern war dem Kläger erkennbar zugetan. Der Kläger hat insoweit im Übrigen auch selbst eingeräumt, dass sich Einblutungen im Kopf, welche nach dem streitgegenständlichen Ereignis aufgetretenen sind, auf sein Erinnerungsvermögen ausgewirkt haben könnten. Hinzu kommt, dass der Gesamtkontext für die Richtigkeit der Angaben des Zeugen I. spricht. Der Umstand, dass am Hauptbahnhof in E. zwei Polizeibeamte an der Bushaltestelle standen und gezielt auf zwei Personen warteten, spricht dafür, dass die Beamten von den Kontrolleuren im Bus informiert worden waren, dass sich im Fahrzeug zwei Personen befinden, welche (nach Auffassung der Kontrolleure) nicht über einen gültigen Fahrausweis verfügten.

Als der Kläger gegenüber dem anwesenden Polizeibeamten am Hauptbahnhof E. die Herausgabe seines Personalausweises unterlies, war seine Handlungstendenz nicht auf eine betriebsdienliche Tätigkeit gerichtet, sondern diente wesentlich der Verfolgung eigener Angelegenheiten, nämlich sich der Identitätsfeststellung durch den Polizeibeamten zu entziehen.

Der Kläger hat mit seinem Unterlassen, nach der Aufforderung des POK J., sich auszuweisen, nach den objektiven Gesamtumständen wie auch nach der subjektiven Handlungstendenz deutlich zum Ausdruck gebracht, dass wesentliche betriebliche Interessen nicht mehr das Verhalten des Versicherten bestimmten. Es war weder objektiv noch subjektiv betriebsdienlich, sich der polizeilich angeordneten Identitätsfeststellung zu entziehen. Objektiv handelte es sich um eine verdachtsabhängige Personenkontrolle zur Identitätsfeststellung i.S.d. § 163b StPO, nachdem aufgrund der Meldung der Kontrolleure des C.busses ein Anfangsverdacht bezüglich des Erschleichens von Leistungen gemäß § 265a StGB bestand. Unter Berücksichtigung der Angaben des Klägers zu den Umständen und der Fahrscheinkontrolle, der Aussage des Zeugen I. und den polizeilichen Feststellungen, dass der Kläger im Zeitpunkt der Kontrolle offenbar tatsächlich über einen gültigen Fahrausweis verfügte (vgl. den Aktenvermerk Blatt 161 der Verwaltungsakten) ist die Kammer davon überzeugt, dass sich der Kläger der Identitätsfeststellung entziehen wollte, weil er davon überzeugt war, im Besitz eines gültigen Fahrausweises gewesen zu sein und die Notwendigkeit der Identitätsfeststellung nicht eingesehen hat.

Es handelte sich bei der Unterbrechung des versicherten Weges auch nicht um eine unerhebliche Unterbrechung, die quasi "im Vorbeigehen" erledigt werden konnte. Zwar umfasste die Unterbrechung des Heimwegs vom Moment der Weigerung, sich auszuweisen bis zum Ende der polizeilichen Maßnahme nur wenige Minuten. Es handelte sich aber der Intensität und Zielrichtung nach erkennbar nicht um eine unwesentliche Unterbrechung, die sich, wie der Kauf einer Zeitung oder eines Brötchens, nur im Vorbeigehen ereignet und die wesentliche Prägung des Wegs als versicherten Weg bzw. betriebsdienlichen Weg unberührt gelassen hätte. Die für diese Beurteilung maßgeblichen subjektiven Vorstellungen des Versicherten lassen sich zudem aufgrund objektiver Anhaltspunkte bestätigen. Die Vorstellung des Versicherten, sich der Identitätsfeststellung zu widersetzen, lässt objektiv keine betriebsdienlichen Elemente erkennen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Rechtskraft
Aus
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