Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
SG Augsburg (FSB)
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
2
1. Instanz
SG Augsburg (FSB)
Aktenzeichen
S 2 R 564/12
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 7 R 434/15
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
1. Allein die Verletzung von Aufzeichnungspflichten durch den Arbeitgeber führt nicht dazu, dass bereits ein Summenbescheid nach § 28 f Abs. 2 SGB IV erlassen werden darf, sondern der Rentenversicherungsträger ist trotzdem vor Erlass eines Summenbescheides zu Ermittlungen nach § 20 SGB X verpflichtet, wenn dies die Verhältnismäßigkeit nicht überschreitet (vgl. LSG Berlin 9.7.03, L 9 KR 373/01).
2. Wenn zumindest teilweise hinsichtlich einzelner Betroffener eine personenbezogene Zuordung erfolgen kann, ist ein Summenbescheid insoweit nicht zulässig (vgl. BSG 17.12.1985, 12 RK 30/83; LSG Bayern 21.10.13, L 5 R 605/13 B ER).
2. Wenn zumindest teilweise hinsichtlich einzelner Betroffener eine personenbezogene Zuordung erfolgen kann, ist ein Summenbescheid insoweit nicht zulässig (vgl. BSG 17.12.1985, 12 RK 30/83; LSG Bayern 21.10.13, L 5 R 605/13 B ER).
I. Der Bescheid vom 10. August 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18. April 2012 wird aufgehoben.
II. Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
III. Der Streitwert wird auf 1.528.044,61 Euro festgesetzt.
Tatbestand:
Streitgegenstand ist eine Nachforderung von Sozialversicherungsbeiträgen und Säumniszuschlägen nach § 28p Sozialgesetzbuch Viertes Buch (SGB IV).
Mit Bescheid vom 10.08.2011 erhob die Beklagte gegen den Kläger eine Nachforderung zur Sozialversicherung in Höhe von insgesamt 1.528.044,61 EUR. In dieser Forderung sind Säumniszuschläge in Höhe von 771.664,50 EUR enthalten.
Die Beklagte stützte sich dabei auf die Ermittlungen des Hauptzollamtes C-Stadt, Sachgebiet Finanzkontrolle Schwarzarbeit. Der Kläger wurde nach § 266a Strafgesetzbuch (StGB) strafrechtlich verurteilt (Urteil des LG D-Stadt).
Der Kläger und Frau K. waren als Vertriebspartner der Firma V. tätig. Sie sollten Verträge über Telekommunikationsdienstleistungen und Stromversorgung sowie Zeitschriftenabonnements durch den Einsatz von Werbern an Privatpersonen vermitteln.
Die Beklagte stellte fest, dass die eingesetzten Werber Arbeitnehmer des Klägers waren. Die Beklagte verwies insoweit auch auf die Feststellungen des Landgerichts D-Stadt. Die Werber seien in den Betrieb des Klägers eingegliedert gewesen und hätten Weisungen unterlegen. Sie hatten bestimmte Arbeitszeiten einzuhalten und seien persönlich vom Kläger abhängig gewesen. Da die Arbeitszeit von Montag bis Samstag jeweils ganztägig dauerte, hätten diese keine Möglichkeit gehabt, einer weiteren Beschäftigung nachzugehen. Außerdem hätten sie kein unternehmerisches Risiko getragen und kein eigenes Kapital eingesetzt. Im Wesentlichen hatten sich die Werber an die vom Kläger bzw. den Teamleitern gemachten Vorgaben zu halten. Die formelle Bezeichnung des Vertragsverhältnisses als selbstständiger Handelsvertretervertrag führe nicht zum Vorliegen einer selbständigen Tätigkeit. Insgesamt würden daher die Merkmale für eine abhängige Beschäftigung deutlich überwiegen. Hinsichtlich der Berechnung der Beiträge wurde festgestellt, dass die an die jeweilig beschäftigten Werber gezahlten monatlichen Provisionen als Nettoentgelte zugrunde gelegt wurden. Die entsprechenden Unterlagen für die monatlichen Zahlungen an die Werber seien von der Firma V. zur Verfügung gestellt worden. Die im Rahmen des Ermittlungsverfahrens aufgefundenen Abrechnungen der Provision zwischen dem Kläger und der Firma V. seien jedoch unvollständig, Gleiches gelte für die Unterlagen der eingesetzten Werber. Deshalb habe auf die von der Firma V. zur Verfügung gestellten Unterlagen zurückgegriffen werden müssen, um die Sozialversicherungsbeiträge zu ermitteln. Auf den Abrechnungen der Firma V. seien nicht nur die für den Kläger selbst ausgezahlten Provisionen erkennbar, sondern auch die von der Firma V. für die Untervertriebspartner (Werber) gezahlten Provision. Diese seien in den Abrechnungen jeweils unter dem Punkt "ihre Vertreter" betragsmäßig ausgewiesen. In der Anlage zum Bescheid der Beklagten wurden keine Werber namentlich bezeichnet, sondern lediglich für "namentlich unbekannte Personen" Beiträge erhoben. Bei dem Bescheid handelt es sich daher um einen Summenbeitragsbescheid nach § 28f Abs. 2 SGB IV.
Hiergegen erhob der Kläger Widerspruch. Eine Widerspruchsbegründung erfolgte nicht.
Mit Widerspruchsbescheid vom 18.04.2012 wurde der Widerspruch zurückgewiesen. Nachdem der Widerspruch nicht begründet worden sei, sei nur eine Prüfung nach Aktenlage möglich. Der angefochtene Bescheid sei jedoch nach der Sach- und Rechtslage nicht zu beanstanden. Insoweit wird auf die strafgerichtlichen Entscheidungen des Landgerichts D-Stadt und des Bundesgerichtshof (BGH) verwiesen.
Hiergegen erhob der Kläger Klage. Die Klage wurde im Wesentlichen damit begründet, dass zum einen die Handelsvertreter selbständig gewesen seien. Außerdem liege eine offensichtlich unzutreffende Schadensermittlung vor. Die Beklagte habe sich nicht die Mühe gemacht, die Handelsvertreter nach ihrer Zahl und namentlich festzustellen, obwohl die Rechtsprechung genau dies verlange. Stattdessen sei der Schaden pauschal auf der Basis der von der Firma V. gegenüber dem Kläger erbrachten Abrechnungen ermittelt worden. Die Ausführung der Beklagten, wonach der Schaden für die Sozialversicherung nicht für jeden Arbeitnehmer exakt ermittelt werden könne und darum die Berechnung für namentlich nicht bekannte Arbeitnehmer erfolgen musste, sei rechtswidrig, da sich die Namen aller Handelsvertreter aus den Akten und den darin befindlichen Abrechnungen ergeben würden. Insbesondere sei zu berücksichtigen, dass mindestens fünf dieser Handelsvertreter langjährige Mitarbeiter des Klägers seien. Obwohl die Höhe der Provision dieser langjährigen Mitarbeiter von der Beklagten nicht ermittelt worden seien, sei entsprechend der Lebenserfahrung davon auszugehen, dass diese ein weit überdurchschnittliches Einkommen erzielt hätten und darum der Großteil der in Rede stehenden Sozialversicherungsbeiträge auf die an diese fünf Zeugen ausgezahlten Provisionen entfalle. Aus diesem Grunde hätten diese Personen ohne Probleme bei den für sie zuständigen Krankenkassen angemeldet werden können. Die Weigerung der Beklagten, eine exakte Schadensfeststellung vorzunehmen, würde zu einer Schädigung genau der Personen führen, die geschützt werden sollen, da sie keine individuellen Ansprüche gegen das Sozialversicherungssystem erwerben würden.
Die Beklagte machte demgegenüber geltend, dass die Merkmale für ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis überwiegen würden. Aufgrund der im Ermittlungsverfahren getätigten Aussagen der Werber hatte eine freie Einteilung der Arbeitszeit und der Art der Ausübung der Tätigkeit nicht vorgelegen. Im Strafverfahren sei die Auffassung der Beklagten insoweit bestätigt worden. Auch der Summenbescheid sei zu Recht ergangen. Aus den Provisionsabrechnungen würden sich aufgrund fehlender personenbezogener Darstellungen die Provisionszahlungen nicht namentlich zuordnen lassen. Eine personenbezogene Nachberechnung könne nicht erfolgen, da unter anderem die Namen der jeweiligen Mitarbeiter nicht bekannt waren. Die erforderlichen Angaben einzelner Mitarbeiter würden sich auch nicht aus den Aktenordnern der D. ergeben. Da die Aufzeichnungspflichten seitens des Klägers nicht erfüllt worden seien, hätte ein Summenbescheid ergehen können.
Der Kläger verwies demgegenüber darauf, dass sich aus den vorliegenden Unterlagen entnehmen lasse, welche Provision der Kläger an welchen Handelsvertreter im streitigen Zeitraum ausgezahlt hat, sofern überhaupt von abhängigen Beschäftigungsverhältnissen auszugehen sei.
Am 30.07.2014 fand ein Termin vor dem Sozialgericht Augsburg statt. Dem Kläger wurde aufgegeben mitzuteilen, wo die im Rahmen des Strafverfahrens gegen den Kläger sichergestellten Unterlagen sich befinden bzw. von wo sie beigezogen werden könnten. Im Anschluss daran werde die Beklagte nach Möglichkeit diese Unterlagen beiziehen und entsprechend versuchen, personenbezogene Zuordnungen vorzunehmen. Der Rechtsstreit wurde vertagt.
Schließlich erfolgte eine Übersendung der Ermittlungsakte und der Beweismittelakten durch das C ... Das C. wies daraufhin, dass die Originalverfahrensakte an die Staatsanwaltschaft nach Abschluss der Ermittlungen übergeben worden seien. Das Sozialgericht sandte diese Unterlagen an die Beklagte zur Stellungnahme.
Diese teilte daraufhin mit, dass sich keine Änderung ergebe. Der Summenbescheid sei zu Recht ergangen, der Kläger habe seine Aufzeichnungspflichten verletzt. Die erforderlichen Angaben zu den einzelnen Arbeitnehmern würden sich auch nicht aus den 17 Ordnern des Hauptzollamtes C-Stadt ergeben. Die Unterlagen hätten bereits vor Erteilung des Beitragsbescheides vorgelegen und seien für die Ermittlung der Arbeitsentgelte berücksichtigt worden. Auch anhand dieser Unterlagen könne jedoch keine personenbezogene Beitragsberechnung erfolgen.
Mit gerichtlichem Schreiben vom 05.01.2015 wurde darauf hingewiesen, dass der Summenbescheid rechtswidrig erscheine. Die Zulässigkeit eines Summenbescheids sei schon dann nicht gegeben, wenn zumindest teilweise eine personenbezogene Zuordnung erfolgen könnte. Außerdem sei zu berücksichtigen, dass der Erlass eines Summenbescheides eine Ermessensentscheidung sei, vorliegend seien jedoch keinerlei Ermessenserwägungen im Bescheid ersichtlich.
Die Beklagte teilte daraufhin mit, dass eine personenbezogene Nachberechnung vorliegend nicht möglich sei. Der vorliegende Fall unterscheide sich von dem vom Gericht im gerichtlichen Schreiben vom 05.01.2015 zitierten Fall des LSG Bayern, in dem zumindest einige Arbeitnehmer namentlich bekannt gewesen seien. § 28f Abs. 2 Satz 1 SGB IV enthalte auch keine Ermessensentscheidung. Es bedürfe keiner Begründung der Ermessensausübung. Eine Bevorzugung des Arbeitgebers, der seine Nachweispflicht nicht erfülle, sei mit der Regelung des § 28f Abs. 2 SGB IV nicht gewollt.
Das Sozialgericht zog anschließend außerdem die Akten der D. bei.
Der Kläger beantragt,
den Bescheid vom 10.08.2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18.04.2012 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zu den weiteren Einzelheiten wird Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie die vorliegenden Akten der Beklagten.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige, insbesondere form- und fristgerechte Klage ist begründet.
Der Bescheid vom 10.08.2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18.04.2012 ist rechtswidrig, da die Voraussetzungen für einen Summenbeitragsbescheid gemäß § 28f Abs. 2 SGB IV nicht vorliegen und darüber hinaus im streitgegenständlichen Bescheid auch keinerlei Ermessenserwägungen getätigt wurden. Der Bescheid war daher aufzuheben.
1. Rechtsgrundlage für den Erlass des Bescheides ist § 28p SGB IV. Danach erlassen die Träger der Rentenversicherung im Rahmen der Prüfung Verwaltungsakte zur Versicherungspflicht und Beitragshöhe der Arbeitnehmer in der Sozialversicherung gegenüber den Arbeitgebern. Rechtsgrundlage für einen Summenbescheid ist § 28f Abs. 2 SGB IV. Nach dessen Satz 1 hat der prüfende Träger der Rentenversicherung den Gesamtsozialversicherungsbeitrag von der Summe der vom Arbeitgeber gezahlten Arbeitsentgelte geltend zu machen, wenn ein Arbeitgeber die Aufklärungspflicht nicht ordnungsgemäß erfüllt hat und dadurch die Versicherungs- oder Beitragspflicht oder die Beitragshöhe nicht festgestellt werden können. Welchen Anforderungen die Aufzeichnungen des Arbeitgebers zu genügen haben, ergibt sich aus § 28f Abs. 1 Satz 1 SGB IV. Danach hat der Arbeitgeber für jeden Beschäftigten, getrennt nach Kalenderjahren, Entgeltunterlagen im Geltungsbereich des Gesetzes zu führen und bis zum Ablauf des auf die letzte Prüfung folgenden Kalenderjahres geordnet aufzubewahren.
Auch wenn Aufzeichnungspflichten durch den Arbeitgeber verletzt werden, rechtfertigt dies allein jedoch nicht den Erlass eines Summenbeitragsbescheides. Der Rentenversicherungsträger muss vor Erlass eines Summenbescheides trotz Verletzung der Aufzeichnungspflichtigen entsprechend den Grundsätzen der §§ 20 und 21 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) Ermittlungen anstellen, soweit diese das Gebot der Verhältnismäßigkeit nicht verletzen (LSG Berlin vom 09.07.2003, L 9 KR 373/01).
Wegen der erheblichen Bedeutung einer personenbezogenen Zuordnung der Entgelte für den einzelnen Beschäftigten darf der Rentenversicherungsträger nicht von vornherein von jeglichen Ermittlungsbemühungen absehen (LSG Berlin vom 09.07.2003, L 9 KR 373/01).
Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Zulässigkeit eines Summenbescheides schon dann nicht gegeben ist, wenn zumindest teilweise eine personenbezogene Zuordnung erfolgen kann. Dies gilt auch dann, wenn die personenbezogene Feststellung mit erheblichen Schwierigkeiten und verwaltungsmäßigem Mehraufwand verbunden ist (LSG Bayern, 21.10.2013, L 5 R 605/13 B ER, LSG Bayern vom 19.02.2013, L 5 R 933/12 B ER, BSG vom 17.12.1985, 12 RK 30/83, LSG Berlin vom 09.07.2003, L 9 KR 373/01, SG Landshut vom 06.11.2013, S 10 R 5003/11, Juris Praxis-Kommentar § 28f SGB IV Rn. 59).
Bei Sozialversicherungsbeiträgen handelt es sich nicht um Abgaben im Sinne einer Steuer, vielmehr steht den Sozialversicherungsbeiträgen ein konkreter Anspruch des Arbeitnehmers gegenüber, bei Erfüllung der entsprechenden gesetzlichen Voraussetzungen auch die gesetzlich garantierten Leistungen zu erhalten. Nach der Rechtsprechung des BSG (BSG vom 17.12.1985, 12 RK 30/83) muss daher bei der Erhebung von Beiträgen zur Sozialversicherung die Feststellung der Versicherungs- und Beitragspflicht sowie der Beitragshöhe auch dann grundsätzlich personenbezogen erfolgen, wenn der Arbeitgeber seine Aufzeichnungspflichten verletzt hat und die Aufklärung des Sachverhalts dadurch zwar erschwert, jedoch nicht unmöglich gemacht worden ist. Eine personenbezogene Feststellung der Versicherungspflicht sowie der Beitragspflicht und der Beitragshöhe ist vor allem bei Versicherungen von Rentenanwartschaften der betroffenen Arbeitnehmer von so großem Gewicht, dass sie grundsätzlich auch dann erfolgen muss, wenn sie mit erheblichen Schwierigkeiten verbunden und nur unter Inkaufnahme eines verwaltungsmäßigen Mehraufwandes erreichbar ist. Auch wenn es wegen einer Verletzung der Aufzeichnungspflicht oder sogar aufgrund Manipulation des Arbeitgebers unmöglich sein sollte, bei einigen oder sogar der Mehrzahl der Arbeitnehmer genaue Feststellungen zur Beitragshöhe zu treffen, ist es im Interesse derjenigen Arbeitnehmer, bei dem sich die erforderlichen Tatsachen noch ermitteln lassen, nicht gerechtfertigt das Erfordernis der personenbezogenen Beitragserhebung insgesamt und damit auch für diese Arbeitnehmer preiszugeben (LSG Bayern vom 21.10.2013, L 5 R 605/13 B ER). Vor Anwendung eines Summenbeitragsbescheides als letzten und äußersten Mittel muss daher selbst bei Auftreten erheblicher Aufklärungsschwierigkeiten zunächst versucht werden, auch umfangreiche verworrene Sachverhalte beitragsrechtlich wenigstens zum Teil zu klären. So kann es zum Beispiel in Betracht kommen, dass mehrere Bescheide für einzelne Arbeitnehmer oder Gruppen erlassen werden (BSG vom 17.12.1985, 12 RK 30/83).
Hinsichtlich der Verhältnismäßigkeit des Aufklärungsaufwandes ist das Verhältnis von Aufwand und Ertrag maßgebend. Vor allem ist zu berücksichtigen, dass die in § 28f Abs. 2 SGB IV geforderten Ermittlungen auch dazu dienen sollen, den aus der Beitragserhebung Begünstigten zu ermitteln (SG Landshut am 06.11.2013, S 10 R 5003/11).
Vor diesem Hintergrund sind nach Auffassung des Gerichts vorliegend die Voraussetzungen für den Erlass eines Summenbescheides nicht erfüllt.
Entgegen des Vortrags der Beklagten auch im letzten Schriftsatz sind einige Werber namentlich bekannt. Einige Werber wurden daher, auch wie sich aus dem Protokoll über die Sitzung des Strafgerichts (LG D-Stadt) ergibt, im Strafverfahren als Zeugen vernommen. Insoweit ist daher zu berücksichtigen, dass aufgrund der vorliegenden Unterlagen und Akten einige Werber vorliegend namentlich und mit Adresse bekannt sind und zumindest teilweise Einzelabrechnungen der Werber vorliegen. Es liegen daher nicht nur die Abrechnungen des Klägers gegenüber der Firma V. vor, aus denen die Beklagte unter dem Punkt "Ihre Vertreter" die an die Werber gezahlten Provisionen entnommen hat, sondern zumindest teilweise auch Einzelabrechnungen von namentlich bekannten Werbern. Zumindest teilweise hätte daher eine personenbezogene Zuordnung erfolgen können. Außerdem ist im Rahmen der Entscheidung, ob ein Summenbescheid in Betracht kommt, auch die beträchtliche Höhe der Forderung zu berücksichtigen. Aufgrund dessen sind vorliegend die Voraussetzungen für den Summenbescheid nicht erfüllt, da zumindest teilweise eine konkrete Berechnung hätte versucht werden müssen. Ein Summenbescheid scheidet bereits dann aus, wenn zumindest teilweise eine konkrete Berechnung möglich ist. Die Beklagte kann insoweit nicht allein einwenden, dass vom Arbeitgeber Aufzeichnungspflichtverletzungen vorliegen. Auch in diesem Fall rechtfertigt dies allein nicht den Erlass eines Summenbescheides. Die Beklagte hat auch dann eigene Ermittlungen vorzunehmen. Vorliegend stützt sich die Beklagte im Bescheid ausschließlich auf die Ermittlungen des Hauptzollamtes. Insoweit ist jedoch zu berücksichtigen, dass die Ermittlungen des Hautzollamtes nicht dem Zweck der präzisen Ermittlung von Beiträgen dienen, sondern nach § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetz zunächst nur der Prüfung, ob die sich aus § 28a SGB IV ergebenden Pflichten erfüllt wurden. Außerdem bezwecken Ermittlungen des Hauptzollamtes die Verhinderung von Schwarzarbeit und deren strafrechtliche Verfolgung (LSG Bayern vom 19.02.2013, L 5 R 933/12 B ER). Ausreichende eigene Ermittlungen der Beklagten sind vorliegend nicht ersichtlich, die betroffenen namentlich bekannten Werber wurden von ihr nicht angehört und auch nicht nach § 12 SGB X beteiligt. Die Beklagte kann sich daher nicht allein auf die Ermittlungen des Hauptzollamtes stützen, sondern ist auch zu eigenen Ermittlungen nach § 20 SGB X verpflichtet. Dies gilt auch dann, wenn ein deutlicher Mehraufwand entsteht (SG Dortmund vom 12.11.2013, S 25 R 1508/11).
Im Interesse der Personen, hinsichtlich derer eine personenbezogene Zuordnung erfolgen kann, ist es nicht gerechtfertigt, das Erfordernis der personenbezogene Beitragserhebung insgesamt und damit auch für diese Personen preiszugeben (LSG Bayern vom 21.10.2013, L 5 R 605/13 B ER). Aufgrund der vorliegenden Unterlagen und bei Vornahme weiterer eigener Ermittlungen durch die Beklagte ist vorliegend davon auszugehen, dass zumindest teilweise eine personenbezogene Zuordnung erfolgen kann. Eine solche zumindest teilweise personenbezogene Feststellung ist von der Beklagten auch dann zu fordern, wenn diese schwierig oder zeitaufwändig ist (BSG vom 07.12.1985, 12 RK 30/83). Der Erlass eines Summenbescheides kommt nur als letztes Mittel in Betracht. Selbst bei erheblichen Aufklärungsschwierigkeiten muss daher zunächst versucht werden, auch umfangreiche verworrene Sachverhalte beitragsrechtlich wenigstens teilweise zu klären (BSG vom 17.12.1985, 12 RK 30/83). Eine Unverhältnismäßigkeit der Ermittlung ist insoweit vorliegend nicht dargelegt. § 28f Abs. 2 Satz 2 SGB IV macht deutlich, dass die geforderten Ermittlungen dazu dienen, die Begünstigten aus der Beitragserhebung zu ermitteln. Die Beiträge haben aufgrund sozialversicherungsrechtlicher Ansprüche und Anwartschaften für die Betroffenen erhebliche Bedeutung. Aufgrund dieser erheblichen Bedeutung für die betroffenen Personen kann die Beklagte nicht von vornherein von einer personenbezogenen Ermittlung absehen. Solche Ermittlungen waren selbst dann nicht als unverhältnismäßig anzusehen, wenn zwar höchst wahrscheinlich nicht alle fehlenden Angaben zu ermitteln sind, aber eine personenbezogene Beitragserhebung gegebenenfalls aufgrund geschätzter Bemessungsgrundlage möglich wird (LSG Berlin vom 09.07.2003, L 9 KR 373/01). Je höher die Summe der Beitragsforderungen ist, desto intensiver muss die Beklagte eine personenbezogene Zuordnung versuchen (SG Dortmund vom 12.11.2013, S 25 R 1508/11).
Vorliegend ist daher auch zu berücksichtigen, dass eine erhebliche Summe von Beitragsnachforderungen für eine Vielzahl von Personen streitig ist. Insgesamt liegen daher nach Auffassung des Gerichts die Voraussetzungen für einen Summenbescheid gemessen an den Anforderungen der Rechtsprechung, wie dargestellt, nicht vor.
2. Der Summenbescheid ist außerdem wegen fehlender Ermessensausübung rechtswidrig (LSG Nordrhein-Westfalen 30.12.2013, L 8 R 406/13 B ER, SG Landshut 06.11. 2013, S 10 R 5003/11, Juris Praxis-Kommentar § 28f SGB IV Rn. 55). § 28f Abs. 2 Satz 1 SGB IV stellt den Erlass eines Summenbescheides in das Ermessen des Rentenversicherungsträgers, das heißt der Rentenversicherungsträger muss nicht jeder Aufklärungspflichtverletzung mit einem Summenbeitragsbescheid begegnen.
Vorliegend ist nicht erkennbar, dass die Beklagte ein Ermessen ausgeübt hat. Die Ermessensausübung ist gerichtlich voll überprüfbar. Vorliegend ist von einem Ermessensnichtgebrauch auszugehen. Dies führt nach § 54 Abs. 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zur Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes. Selbst wenn man § 28f Abs. 2 SGB IV als intendierte Entscheidung auslegen wollte, hätte die Beklagte zumindest prüfen müssen, ob ein atypischer Fall vorliegt. Vorliegend ist jedoch eine Ermessensausübung nicht ersichtlich. Die Vorschrift des § 28f Abs. 2 SGB IV ist in den Bescheiden nicht einmal erwähnt.
Der Bescheid ist daher auch diesem Grund rechtswidrig und war daher aufzuheben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG in Verbindung mit § 154 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).
Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 197a SGG in Verbindung mit § 52 Gerichtskostengesetz (GKG).
II. Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
III. Der Streitwert wird auf 1.528.044,61 Euro festgesetzt.
Tatbestand:
Streitgegenstand ist eine Nachforderung von Sozialversicherungsbeiträgen und Säumniszuschlägen nach § 28p Sozialgesetzbuch Viertes Buch (SGB IV).
Mit Bescheid vom 10.08.2011 erhob die Beklagte gegen den Kläger eine Nachforderung zur Sozialversicherung in Höhe von insgesamt 1.528.044,61 EUR. In dieser Forderung sind Säumniszuschläge in Höhe von 771.664,50 EUR enthalten.
Die Beklagte stützte sich dabei auf die Ermittlungen des Hauptzollamtes C-Stadt, Sachgebiet Finanzkontrolle Schwarzarbeit. Der Kläger wurde nach § 266a Strafgesetzbuch (StGB) strafrechtlich verurteilt (Urteil des LG D-Stadt).
Der Kläger und Frau K. waren als Vertriebspartner der Firma V. tätig. Sie sollten Verträge über Telekommunikationsdienstleistungen und Stromversorgung sowie Zeitschriftenabonnements durch den Einsatz von Werbern an Privatpersonen vermitteln.
Die Beklagte stellte fest, dass die eingesetzten Werber Arbeitnehmer des Klägers waren. Die Beklagte verwies insoweit auch auf die Feststellungen des Landgerichts D-Stadt. Die Werber seien in den Betrieb des Klägers eingegliedert gewesen und hätten Weisungen unterlegen. Sie hatten bestimmte Arbeitszeiten einzuhalten und seien persönlich vom Kläger abhängig gewesen. Da die Arbeitszeit von Montag bis Samstag jeweils ganztägig dauerte, hätten diese keine Möglichkeit gehabt, einer weiteren Beschäftigung nachzugehen. Außerdem hätten sie kein unternehmerisches Risiko getragen und kein eigenes Kapital eingesetzt. Im Wesentlichen hatten sich die Werber an die vom Kläger bzw. den Teamleitern gemachten Vorgaben zu halten. Die formelle Bezeichnung des Vertragsverhältnisses als selbstständiger Handelsvertretervertrag führe nicht zum Vorliegen einer selbständigen Tätigkeit. Insgesamt würden daher die Merkmale für eine abhängige Beschäftigung deutlich überwiegen. Hinsichtlich der Berechnung der Beiträge wurde festgestellt, dass die an die jeweilig beschäftigten Werber gezahlten monatlichen Provisionen als Nettoentgelte zugrunde gelegt wurden. Die entsprechenden Unterlagen für die monatlichen Zahlungen an die Werber seien von der Firma V. zur Verfügung gestellt worden. Die im Rahmen des Ermittlungsverfahrens aufgefundenen Abrechnungen der Provision zwischen dem Kläger und der Firma V. seien jedoch unvollständig, Gleiches gelte für die Unterlagen der eingesetzten Werber. Deshalb habe auf die von der Firma V. zur Verfügung gestellten Unterlagen zurückgegriffen werden müssen, um die Sozialversicherungsbeiträge zu ermitteln. Auf den Abrechnungen der Firma V. seien nicht nur die für den Kläger selbst ausgezahlten Provisionen erkennbar, sondern auch die von der Firma V. für die Untervertriebspartner (Werber) gezahlten Provision. Diese seien in den Abrechnungen jeweils unter dem Punkt "ihre Vertreter" betragsmäßig ausgewiesen. In der Anlage zum Bescheid der Beklagten wurden keine Werber namentlich bezeichnet, sondern lediglich für "namentlich unbekannte Personen" Beiträge erhoben. Bei dem Bescheid handelt es sich daher um einen Summenbeitragsbescheid nach § 28f Abs. 2 SGB IV.
Hiergegen erhob der Kläger Widerspruch. Eine Widerspruchsbegründung erfolgte nicht.
Mit Widerspruchsbescheid vom 18.04.2012 wurde der Widerspruch zurückgewiesen. Nachdem der Widerspruch nicht begründet worden sei, sei nur eine Prüfung nach Aktenlage möglich. Der angefochtene Bescheid sei jedoch nach der Sach- und Rechtslage nicht zu beanstanden. Insoweit wird auf die strafgerichtlichen Entscheidungen des Landgerichts D-Stadt und des Bundesgerichtshof (BGH) verwiesen.
Hiergegen erhob der Kläger Klage. Die Klage wurde im Wesentlichen damit begründet, dass zum einen die Handelsvertreter selbständig gewesen seien. Außerdem liege eine offensichtlich unzutreffende Schadensermittlung vor. Die Beklagte habe sich nicht die Mühe gemacht, die Handelsvertreter nach ihrer Zahl und namentlich festzustellen, obwohl die Rechtsprechung genau dies verlange. Stattdessen sei der Schaden pauschal auf der Basis der von der Firma V. gegenüber dem Kläger erbrachten Abrechnungen ermittelt worden. Die Ausführung der Beklagten, wonach der Schaden für die Sozialversicherung nicht für jeden Arbeitnehmer exakt ermittelt werden könne und darum die Berechnung für namentlich nicht bekannte Arbeitnehmer erfolgen musste, sei rechtswidrig, da sich die Namen aller Handelsvertreter aus den Akten und den darin befindlichen Abrechnungen ergeben würden. Insbesondere sei zu berücksichtigen, dass mindestens fünf dieser Handelsvertreter langjährige Mitarbeiter des Klägers seien. Obwohl die Höhe der Provision dieser langjährigen Mitarbeiter von der Beklagten nicht ermittelt worden seien, sei entsprechend der Lebenserfahrung davon auszugehen, dass diese ein weit überdurchschnittliches Einkommen erzielt hätten und darum der Großteil der in Rede stehenden Sozialversicherungsbeiträge auf die an diese fünf Zeugen ausgezahlten Provisionen entfalle. Aus diesem Grunde hätten diese Personen ohne Probleme bei den für sie zuständigen Krankenkassen angemeldet werden können. Die Weigerung der Beklagten, eine exakte Schadensfeststellung vorzunehmen, würde zu einer Schädigung genau der Personen führen, die geschützt werden sollen, da sie keine individuellen Ansprüche gegen das Sozialversicherungssystem erwerben würden.
Die Beklagte machte demgegenüber geltend, dass die Merkmale für ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis überwiegen würden. Aufgrund der im Ermittlungsverfahren getätigten Aussagen der Werber hatte eine freie Einteilung der Arbeitszeit und der Art der Ausübung der Tätigkeit nicht vorgelegen. Im Strafverfahren sei die Auffassung der Beklagten insoweit bestätigt worden. Auch der Summenbescheid sei zu Recht ergangen. Aus den Provisionsabrechnungen würden sich aufgrund fehlender personenbezogener Darstellungen die Provisionszahlungen nicht namentlich zuordnen lassen. Eine personenbezogene Nachberechnung könne nicht erfolgen, da unter anderem die Namen der jeweiligen Mitarbeiter nicht bekannt waren. Die erforderlichen Angaben einzelner Mitarbeiter würden sich auch nicht aus den Aktenordnern der D. ergeben. Da die Aufzeichnungspflichten seitens des Klägers nicht erfüllt worden seien, hätte ein Summenbescheid ergehen können.
Der Kläger verwies demgegenüber darauf, dass sich aus den vorliegenden Unterlagen entnehmen lasse, welche Provision der Kläger an welchen Handelsvertreter im streitigen Zeitraum ausgezahlt hat, sofern überhaupt von abhängigen Beschäftigungsverhältnissen auszugehen sei.
Am 30.07.2014 fand ein Termin vor dem Sozialgericht Augsburg statt. Dem Kläger wurde aufgegeben mitzuteilen, wo die im Rahmen des Strafverfahrens gegen den Kläger sichergestellten Unterlagen sich befinden bzw. von wo sie beigezogen werden könnten. Im Anschluss daran werde die Beklagte nach Möglichkeit diese Unterlagen beiziehen und entsprechend versuchen, personenbezogene Zuordnungen vorzunehmen. Der Rechtsstreit wurde vertagt.
Schließlich erfolgte eine Übersendung der Ermittlungsakte und der Beweismittelakten durch das C ... Das C. wies daraufhin, dass die Originalverfahrensakte an die Staatsanwaltschaft nach Abschluss der Ermittlungen übergeben worden seien. Das Sozialgericht sandte diese Unterlagen an die Beklagte zur Stellungnahme.
Diese teilte daraufhin mit, dass sich keine Änderung ergebe. Der Summenbescheid sei zu Recht ergangen, der Kläger habe seine Aufzeichnungspflichten verletzt. Die erforderlichen Angaben zu den einzelnen Arbeitnehmern würden sich auch nicht aus den 17 Ordnern des Hauptzollamtes C-Stadt ergeben. Die Unterlagen hätten bereits vor Erteilung des Beitragsbescheides vorgelegen und seien für die Ermittlung der Arbeitsentgelte berücksichtigt worden. Auch anhand dieser Unterlagen könne jedoch keine personenbezogene Beitragsberechnung erfolgen.
Mit gerichtlichem Schreiben vom 05.01.2015 wurde darauf hingewiesen, dass der Summenbescheid rechtswidrig erscheine. Die Zulässigkeit eines Summenbescheids sei schon dann nicht gegeben, wenn zumindest teilweise eine personenbezogene Zuordnung erfolgen könnte. Außerdem sei zu berücksichtigen, dass der Erlass eines Summenbescheides eine Ermessensentscheidung sei, vorliegend seien jedoch keinerlei Ermessenserwägungen im Bescheid ersichtlich.
Die Beklagte teilte daraufhin mit, dass eine personenbezogene Nachberechnung vorliegend nicht möglich sei. Der vorliegende Fall unterscheide sich von dem vom Gericht im gerichtlichen Schreiben vom 05.01.2015 zitierten Fall des LSG Bayern, in dem zumindest einige Arbeitnehmer namentlich bekannt gewesen seien. § 28f Abs. 2 Satz 1 SGB IV enthalte auch keine Ermessensentscheidung. Es bedürfe keiner Begründung der Ermessensausübung. Eine Bevorzugung des Arbeitgebers, der seine Nachweispflicht nicht erfülle, sei mit der Regelung des § 28f Abs. 2 SGB IV nicht gewollt.
Das Sozialgericht zog anschließend außerdem die Akten der D. bei.
Der Kläger beantragt,
den Bescheid vom 10.08.2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18.04.2012 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zu den weiteren Einzelheiten wird Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie die vorliegenden Akten der Beklagten.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige, insbesondere form- und fristgerechte Klage ist begründet.
Der Bescheid vom 10.08.2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18.04.2012 ist rechtswidrig, da die Voraussetzungen für einen Summenbeitragsbescheid gemäß § 28f Abs. 2 SGB IV nicht vorliegen und darüber hinaus im streitgegenständlichen Bescheid auch keinerlei Ermessenserwägungen getätigt wurden. Der Bescheid war daher aufzuheben.
1. Rechtsgrundlage für den Erlass des Bescheides ist § 28p SGB IV. Danach erlassen die Träger der Rentenversicherung im Rahmen der Prüfung Verwaltungsakte zur Versicherungspflicht und Beitragshöhe der Arbeitnehmer in der Sozialversicherung gegenüber den Arbeitgebern. Rechtsgrundlage für einen Summenbescheid ist § 28f Abs. 2 SGB IV. Nach dessen Satz 1 hat der prüfende Träger der Rentenversicherung den Gesamtsozialversicherungsbeitrag von der Summe der vom Arbeitgeber gezahlten Arbeitsentgelte geltend zu machen, wenn ein Arbeitgeber die Aufklärungspflicht nicht ordnungsgemäß erfüllt hat und dadurch die Versicherungs- oder Beitragspflicht oder die Beitragshöhe nicht festgestellt werden können. Welchen Anforderungen die Aufzeichnungen des Arbeitgebers zu genügen haben, ergibt sich aus § 28f Abs. 1 Satz 1 SGB IV. Danach hat der Arbeitgeber für jeden Beschäftigten, getrennt nach Kalenderjahren, Entgeltunterlagen im Geltungsbereich des Gesetzes zu führen und bis zum Ablauf des auf die letzte Prüfung folgenden Kalenderjahres geordnet aufzubewahren.
Auch wenn Aufzeichnungspflichten durch den Arbeitgeber verletzt werden, rechtfertigt dies allein jedoch nicht den Erlass eines Summenbeitragsbescheides. Der Rentenversicherungsträger muss vor Erlass eines Summenbescheides trotz Verletzung der Aufzeichnungspflichtigen entsprechend den Grundsätzen der §§ 20 und 21 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) Ermittlungen anstellen, soweit diese das Gebot der Verhältnismäßigkeit nicht verletzen (LSG Berlin vom 09.07.2003, L 9 KR 373/01).
Wegen der erheblichen Bedeutung einer personenbezogenen Zuordnung der Entgelte für den einzelnen Beschäftigten darf der Rentenversicherungsträger nicht von vornherein von jeglichen Ermittlungsbemühungen absehen (LSG Berlin vom 09.07.2003, L 9 KR 373/01).
Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Zulässigkeit eines Summenbescheides schon dann nicht gegeben ist, wenn zumindest teilweise eine personenbezogene Zuordnung erfolgen kann. Dies gilt auch dann, wenn die personenbezogene Feststellung mit erheblichen Schwierigkeiten und verwaltungsmäßigem Mehraufwand verbunden ist (LSG Bayern, 21.10.2013, L 5 R 605/13 B ER, LSG Bayern vom 19.02.2013, L 5 R 933/12 B ER, BSG vom 17.12.1985, 12 RK 30/83, LSG Berlin vom 09.07.2003, L 9 KR 373/01, SG Landshut vom 06.11.2013, S 10 R 5003/11, Juris Praxis-Kommentar § 28f SGB IV Rn. 59).
Bei Sozialversicherungsbeiträgen handelt es sich nicht um Abgaben im Sinne einer Steuer, vielmehr steht den Sozialversicherungsbeiträgen ein konkreter Anspruch des Arbeitnehmers gegenüber, bei Erfüllung der entsprechenden gesetzlichen Voraussetzungen auch die gesetzlich garantierten Leistungen zu erhalten. Nach der Rechtsprechung des BSG (BSG vom 17.12.1985, 12 RK 30/83) muss daher bei der Erhebung von Beiträgen zur Sozialversicherung die Feststellung der Versicherungs- und Beitragspflicht sowie der Beitragshöhe auch dann grundsätzlich personenbezogen erfolgen, wenn der Arbeitgeber seine Aufzeichnungspflichten verletzt hat und die Aufklärung des Sachverhalts dadurch zwar erschwert, jedoch nicht unmöglich gemacht worden ist. Eine personenbezogene Feststellung der Versicherungspflicht sowie der Beitragspflicht und der Beitragshöhe ist vor allem bei Versicherungen von Rentenanwartschaften der betroffenen Arbeitnehmer von so großem Gewicht, dass sie grundsätzlich auch dann erfolgen muss, wenn sie mit erheblichen Schwierigkeiten verbunden und nur unter Inkaufnahme eines verwaltungsmäßigen Mehraufwandes erreichbar ist. Auch wenn es wegen einer Verletzung der Aufzeichnungspflicht oder sogar aufgrund Manipulation des Arbeitgebers unmöglich sein sollte, bei einigen oder sogar der Mehrzahl der Arbeitnehmer genaue Feststellungen zur Beitragshöhe zu treffen, ist es im Interesse derjenigen Arbeitnehmer, bei dem sich die erforderlichen Tatsachen noch ermitteln lassen, nicht gerechtfertigt das Erfordernis der personenbezogenen Beitragserhebung insgesamt und damit auch für diese Arbeitnehmer preiszugeben (LSG Bayern vom 21.10.2013, L 5 R 605/13 B ER). Vor Anwendung eines Summenbeitragsbescheides als letzten und äußersten Mittel muss daher selbst bei Auftreten erheblicher Aufklärungsschwierigkeiten zunächst versucht werden, auch umfangreiche verworrene Sachverhalte beitragsrechtlich wenigstens zum Teil zu klären. So kann es zum Beispiel in Betracht kommen, dass mehrere Bescheide für einzelne Arbeitnehmer oder Gruppen erlassen werden (BSG vom 17.12.1985, 12 RK 30/83).
Hinsichtlich der Verhältnismäßigkeit des Aufklärungsaufwandes ist das Verhältnis von Aufwand und Ertrag maßgebend. Vor allem ist zu berücksichtigen, dass die in § 28f Abs. 2 SGB IV geforderten Ermittlungen auch dazu dienen sollen, den aus der Beitragserhebung Begünstigten zu ermitteln (SG Landshut am 06.11.2013, S 10 R 5003/11).
Vor diesem Hintergrund sind nach Auffassung des Gerichts vorliegend die Voraussetzungen für den Erlass eines Summenbescheides nicht erfüllt.
Entgegen des Vortrags der Beklagten auch im letzten Schriftsatz sind einige Werber namentlich bekannt. Einige Werber wurden daher, auch wie sich aus dem Protokoll über die Sitzung des Strafgerichts (LG D-Stadt) ergibt, im Strafverfahren als Zeugen vernommen. Insoweit ist daher zu berücksichtigen, dass aufgrund der vorliegenden Unterlagen und Akten einige Werber vorliegend namentlich und mit Adresse bekannt sind und zumindest teilweise Einzelabrechnungen der Werber vorliegen. Es liegen daher nicht nur die Abrechnungen des Klägers gegenüber der Firma V. vor, aus denen die Beklagte unter dem Punkt "Ihre Vertreter" die an die Werber gezahlten Provisionen entnommen hat, sondern zumindest teilweise auch Einzelabrechnungen von namentlich bekannten Werbern. Zumindest teilweise hätte daher eine personenbezogene Zuordnung erfolgen können. Außerdem ist im Rahmen der Entscheidung, ob ein Summenbescheid in Betracht kommt, auch die beträchtliche Höhe der Forderung zu berücksichtigen. Aufgrund dessen sind vorliegend die Voraussetzungen für den Summenbescheid nicht erfüllt, da zumindest teilweise eine konkrete Berechnung hätte versucht werden müssen. Ein Summenbescheid scheidet bereits dann aus, wenn zumindest teilweise eine konkrete Berechnung möglich ist. Die Beklagte kann insoweit nicht allein einwenden, dass vom Arbeitgeber Aufzeichnungspflichtverletzungen vorliegen. Auch in diesem Fall rechtfertigt dies allein nicht den Erlass eines Summenbescheides. Die Beklagte hat auch dann eigene Ermittlungen vorzunehmen. Vorliegend stützt sich die Beklagte im Bescheid ausschließlich auf die Ermittlungen des Hauptzollamtes. Insoweit ist jedoch zu berücksichtigen, dass die Ermittlungen des Hautzollamtes nicht dem Zweck der präzisen Ermittlung von Beiträgen dienen, sondern nach § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetz zunächst nur der Prüfung, ob die sich aus § 28a SGB IV ergebenden Pflichten erfüllt wurden. Außerdem bezwecken Ermittlungen des Hauptzollamtes die Verhinderung von Schwarzarbeit und deren strafrechtliche Verfolgung (LSG Bayern vom 19.02.2013, L 5 R 933/12 B ER). Ausreichende eigene Ermittlungen der Beklagten sind vorliegend nicht ersichtlich, die betroffenen namentlich bekannten Werber wurden von ihr nicht angehört und auch nicht nach § 12 SGB X beteiligt. Die Beklagte kann sich daher nicht allein auf die Ermittlungen des Hauptzollamtes stützen, sondern ist auch zu eigenen Ermittlungen nach § 20 SGB X verpflichtet. Dies gilt auch dann, wenn ein deutlicher Mehraufwand entsteht (SG Dortmund vom 12.11.2013, S 25 R 1508/11).
Im Interesse der Personen, hinsichtlich derer eine personenbezogene Zuordnung erfolgen kann, ist es nicht gerechtfertigt, das Erfordernis der personenbezogene Beitragserhebung insgesamt und damit auch für diese Personen preiszugeben (LSG Bayern vom 21.10.2013, L 5 R 605/13 B ER). Aufgrund der vorliegenden Unterlagen und bei Vornahme weiterer eigener Ermittlungen durch die Beklagte ist vorliegend davon auszugehen, dass zumindest teilweise eine personenbezogene Zuordnung erfolgen kann. Eine solche zumindest teilweise personenbezogene Feststellung ist von der Beklagten auch dann zu fordern, wenn diese schwierig oder zeitaufwändig ist (BSG vom 07.12.1985, 12 RK 30/83). Der Erlass eines Summenbescheides kommt nur als letztes Mittel in Betracht. Selbst bei erheblichen Aufklärungsschwierigkeiten muss daher zunächst versucht werden, auch umfangreiche verworrene Sachverhalte beitragsrechtlich wenigstens teilweise zu klären (BSG vom 17.12.1985, 12 RK 30/83). Eine Unverhältnismäßigkeit der Ermittlung ist insoweit vorliegend nicht dargelegt. § 28f Abs. 2 Satz 2 SGB IV macht deutlich, dass die geforderten Ermittlungen dazu dienen, die Begünstigten aus der Beitragserhebung zu ermitteln. Die Beiträge haben aufgrund sozialversicherungsrechtlicher Ansprüche und Anwartschaften für die Betroffenen erhebliche Bedeutung. Aufgrund dieser erheblichen Bedeutung für die betroffenen Personen kann die Beklagte nicht von vornherein von einer personenbezogenen Ermittlung absehen. Solche Ermittlungen waren selbst dann nicht als unverhältnismäßig anzusehen, wenn zwar höchst wahrscheinlich nicht alle fehlenden Angaben zu ermitteln sind, aber eine personenbezogene Beitragserhebung gegebenenfalls aufgrund geschätzter Bemessungsgrundlage möglich wird (LSG Berlin vom 09.07.2003, L 9 KR 373/01). Je höher die Summe der Beitragsforderungen ist, desto intensiver muss die Beklagte eine personenbezogene Zuordnung versuchen (SG Dortmund vom 12.11.2013, S 25 R 1508/11).
Vorliegend ist daher auch zu berücksichtigen, dass eine erhebliche Summe von Beitragsnachforderungen für eine Vielzahl von Personen streitig ist. Insgesamt liegen daher nach Auffassung des Gerichts die Voraussetzungen für einen Summenbescheid gemessen an den Anforderungen der Rechtsprechung, wie dargestellt, nicht vor.
2. Der Summenbescheid ist außerdem wegen fehlender Ermessensausübung rechtswidrig (LSG Nordrhein-Westfalen 30.12.2013, L 8 R 406/13 B ER, SG Landshut 06.11. 2013, S 10 R 5003/11, Juris Praxis-Kommentar § 28f SGB IV Rn. 55). § 28f Abs. 2 Satz 1 SGB IV stellt den Erlass eines Summenbescheides in das Ermessen des Rentenversicherungsträgers, das heißt der Rentenversicherungsträger muss nicht jeder Aufklärungspflichtverletzung mit einem Summenbeitragsbescheid begegnen.
Vorliegend ist nicht erkennbar, dass die Beklagte ein Ermessen ausgeübt hat. Die Ermessensausübung ist gerichtlich voll überprüfbar. Vorliegend ist von einem Ermessensnichtgebrauch auszugehen. Dies führt nach § 54 Abs. 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zur Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes. Selbst wenn man § 28f Abs. 2 SGB IV als intendierte Entscheidung auslegen wollte, hätte die Beklagte zumindest prüfen müssen, ob ein atypischer Fall vorliegt. Vorliegend ist jedoch eine Ermessensausübung nicht ersichtlich. Die Vorschrift des § 28f Abs. 2 SGB IV ist in den Bescheiden nicht einmal erwähnt.
Der Bescheid ist daher auch diesem Grund rechtswidrig und war daher aufzuheben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG in Verbindung mit § 154 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).
Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 197a SGG in Verbindung mit § 52 Gerichtskostengesetz (GKG).
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