L 1 KR 397/15

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 28 KR 2631/13
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 1 KR 397/15
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 12. August 2015 wird zurückgewiesen. Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens, mit Ausnahme der Kosten der Beigeladenen, die diese selbst zu tragen haben. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist, ob die Beigeladene zu 1) bei der Klägerin in der Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung versicherungspflichtig beschäftigt war.

Die 2004 in B gegründete Klägerin bietet nach ihrer eigenen Darstellung "individuelle Lösungen für den professionellen Kundendialog im In- und Outbound Bereich" an. Sie betreibt dazu ein "virtuelles Call Center" und bietet für "Kunden, die diesen Bereich outsourcen, die gesamte Palette an klassischen Call Center Dienstleistungen" an. Aufgrund dieser virtuellen Struktur können sich Agenten zeit- und ortsunabhängig minutenweise in das Netzwerk der Klägerin einloggen und den Kunden beraten. Die Beratung erfolgt durch "produktspezifisch spezialisierte Drittdienstleister", die die Klägerin jeweils unter Vertrag nimmt.

Eine solche "Drittdienstleisterin" ist die Beigeladene zu 1). Sie ist gelernte Sozialversicherungsfachangestellte und führt seit 2003/2004 als Selbständige das "i Lohn- und Gehaltsabrechnungsbüro." Dieses Büro ist mit dem dementsprechenden, von ihr finanzierten Equipment, wie der notwendigen EDV ausgestattet. Die Software "L", mit der sie arbeitet, hat sie sich ebenfalls auf eigene Kosten angeschafft. Sie hat nach ihren Angaben bis zu 20 Kunden, für die sie die Lohn- und Gehaltsabrechnung vornimmt. Sie selbst beschäftigt insoweit auch mindestens einen Arbeitnehmer.

Von Dezember 2009 bis Anfang 2015 war sie zudem für die Klägerin tätig. Hierzu schloss sie Ende Dezember 2010 mit der Klägerin einen Rahmenvertrag und im April 2011 eine Projektvereinbarung zum "Rahmenvertrag über die Erbringung von Beraterleistungen Projekt L SLS". Danach oblag der Beigeladenen zu 1) die "Bearbeitung von Vorgängen (=Sachverhalt, die auf den Support Hotlines im Frontoffice auf First Level Support Ebene nicht gelöst werden konnten) auf den inhaltlichen Lohn- und Gehalt Hotlines der H L GmbH & Co. KG im Second Level Support per Kundenrückruf." Dafür buchte sie bei der Klägerin im sogenannte "Service Slots", also Zeitfenster, in denen sie für die Entgegennahme von Anrufen zur Verfügung stand. Nach dem Vortrag der Beigeladenen zu 1) hat diese Slots immer dann angemeldet, wenn "sie in der eigentlichen Tätigkeit in der Lohn- und Gehaltsabrechnung freie Kapazitäten gehabt habe." Sofern nicht spätestens 48 Stunden vor Beginn des Slots eine Ablehnung erfolgte, galt die Vergabe als erfolgt. Die Vergabe eines Slots bedeutete aber nicht, dass in dem Zeitraum kontinuierlich Anrufe an sie durchgestellt wurden; die Vergütung richtete sich allein nach der Dauer der tatsächlich geführten telefonischen Beratungsgespräche. Angemeldete Slots, bei denen keine Telefonate eingingen, wurden nicht vergütet.

Die Beratung bezog sich dabei nicht auf technische IT-Fragen, sondern auf Fragen zur Lohn- und Gehaltsabrechnung. Die Beratungstätigkeit erfolgte vom Büro der Beigeladenen zu 1) aus. Für diese Tätigkeit schaffte sich die Beigeladene zu 1) zusätzlich zu der bereits vorhandenen Büroausstattung ein zusätzliches Telefon und ein Headset an. Nach Angaben der Beigeladenen zu 1) legte sie Wert darauf, dass sie ein separates Telefon hatte, auf dem nur Anrufe von der Klägerin eingingen.

Nachdem anfänglich lediglich drei bis vier Anrufe in der Stunde eingingen, steigerte sich dies ab 2011 kontinuierlich. Nach Angaben der Beigeladenen zu 1) beriet sie in dieser Zeit in einer Stunde angemeldeter Zeit zirka 40 Minuten. Hierbei hatte sie auch Zugang zu den Datenbanken der Klägerin, so dass sie erkennen konnte, um was für einen Kunden es sich handelte und über welche Programme er verfügt. Durchschnittlich verdiente die Beigeladene zirka 1 000,00 Euro monatlich. Dabei gab es auch Monate, in denen sie bis 3 000,00 Euro im Monat verdiente. Zur Unterstützung ihrer Arbeit hatte die Klägerin einen Gesprächsleitfaden. In diesem Leitfaden gab es Hinweise zum Thema Kommunikation, beispielsweise, wie man in bestimmten Gesprächssituationen reagiert. Zudem gab es einmal im Jahr von H organisierte Tagungen bzw. Schulungen, in denen neue Programme von H vorgestellt wurden. Diese Schulungen waren kostenfrei. Die Reise- und Übernachtungskosten musste die Beigeladene zu 1) selbst tragen. Die Beigeladene zu 1) dokumentierte das jeweilige Beratungsgespräch, indem sie die jeweilige Anfrage kurz wiedergab und vermerkte, ob ein Anwendungsproblem bestand oder das Problem von der Software ausging.

Nach Ziffer 3.1 des Rahmenvertrages unterlag die Beigeladene zu 1) "grundsätzlich keinem Weisungs- und Direktionsrecht seitens des Auftraggebers". Im Folgenden heißt es weiter, dass die Beigeladenen zu 1) die Beratungstätigkeit in eigener Verantwortung unter Berücksichtigung der Interessen des Auftraggebers auszuführen habe. Nach Ziffer 3.2 des Rahmenvertrages war die Beigeladene zu 1) berechtigt, für die Beratungstätigkeit eigene Mitarbeiter einzusetzen. Bei der Tätigkeit hatte die Beigeladene zu 1) inhaltliche und datenschutzrechtliche Vorgaben des Vertragspartners zu beachten und dessen Unternehmenspersönlichkeit (Corporate Identity) zu wahren. Nach Ziffer 4.1 des Rahmenvertrages bucht der Auftragnehmer (die Beigeladene zu 1) entsprechend seiner freien Ressourcen mitarbeiterbezogene Service Slots. Die Vergabe eines Service Slots an den Auftragnehmer gilt als erfolgt, wenn die Buchung nicht spätestens 48 Stunden vor Beginn des Slots durch den Auftraggeber abgelehnt wird. Nach Ziffer 4.2 handelt es sich bei den gebuchten Service Slots bezüglich Beginn und Dauer um Fixtermine. Hält der Auftragnehmer diese nicht ein, leistet er an den Auftraggeber eine Vertragsstrafe in Höhe von 8,00 Euro je Einzelfall.

Am 6. August 2012 beantragte die Klägerin die Feststellung des sozialversicherungsrechtlichen Status der Beigeladenen zu 1). Nach Anhörung der Beteiligten stellte die Beklagte mit an die Klägerin und die Beigeladene zu 1) gerichteten Bescheid vom 24. Januar 2013 fest, dass die Tätigkeit der Beigeladenen zu 1) als Mitarbeiterin für telefonische Beratungsleistungen seit dem 1. Dezember 2009 im Rahmen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses ausgeübt werde. Es bestehe Versicherungspflicht in der Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung ab dem 1. Dezember 2009. Zur Begründung führte die Beklagte aus, dass nach Gesamtwürdigung aller zur Beurteilung der Tätigkeit relevanten Tatsachen die Merkmale für ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis überwögen. Hinsichtlich Arbeitszeit, Arbeitsort als auch Art und Weise der Tätigkeit seien bei tatsächlicher Leistungserbringung maßgebliche eigene Gestaltungsmöglichkeiten im Sinne einer selbständigen Tätigkeit nicht vorhanden. Die Beigeladene zu 1) unterliege auch keinem Unternehmerrisiko. Dies sei durch den Einsatz eigener finanzieller Mittel geprägt, um einen zum Zeitpunkt des Einsatzes dieser Mittel ungewissen Gewinn zu erzielen, zum anderen auch durch das Risiko des Einsatzes der eigenen Arbeitskraft, wenn offen bleibe, ob der Arbeitende für seine Tätigkeit überhaupt Entgelt erhalte. Die Beigeladene zu 1) setze jedoch überwiegend die eigene Arbeitskraft ein und sie sei funktionsgerecht dienend in einer fremden Arbeitsorganisation tätig. Ein erheblicher Kapitaleinsatz, der auch mit der Möglichkeit eines Verlustes verbunden sei, liege nicht vor. Die Beigeladene zu 1) erhalte durch die Zahlung von festen Pauschalen eine Vergütung, welche kein Gewinn- oder Verlustrisiko erkennen lasse.

Den hiergegen gerichteten Widerspruch der Klägerin und der Beigeladenen zu 1) wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 12. November 2013 als unbegründet zurück.

Hiergegen hat die Klägerin am 13. Dezember 2013 Klage beim Sozialgericht Berlin erhoben. Zur Begründung hat sie vorgetragen, dass die Beigeladene zu 1) bei ihr nicht beschäftigt gewesen sei. Sie sei nicht weisungsgebunden und daher selbständig gewesen. Ein Direktionsrecht habe nicht bestanden. Die Beigeladene zu 1) habe über eigene Betriebsräume verfügt. Sie sei berechtigt gewesen, die Tätigkeit durch Dritte erbringen zu lassen. Es habe ein unternehmerisches Risiko bestanden, da die Beigeladene zu 1) nur für tatsächlich erbrachte telefonische Beratungsleistungen vergütet worden und es nicht gewährleistet gewesen sei, dass innerhalb der Slots Anrufe an sie weitergeleitet wurden. Darüber hinaus habe die Beigeladene zu 1) selbst darüber bestimmen können, ob sie sich für Slots anmelde. Sie habe keinen Anspruch auf Lohnfortzahlung und keinen Anspruch auf Urlaubsgeld gehabt.

Das Sozialgericht hat mit Urteil vom 12. August 2015 den Bescheid der Beklagten vom 24. Januar 2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12. November 2013 aufgehoben und festgestellt, dass die Beigeladene zu 1) in der für die Klägerin ausgeübten Tätigkeit seit dem 1. Dezember 2009 nicht der Versicherungspflicht in der Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung unterlag. Zur Begründung hat das Sozialgericht ausgeführt, dass es sich bei dem streitbefangenen Auftragsverhältnis um keine abhängige Beschäftigung, sondern um eine selbständige Tätigkeit gehandelt habe. Entscheidend bei der Abwägung sei der Umstand, dass die Beigeladene zu 1) nicht in die Arbeitsorganisation der Klägerin eingebunden gewesen sei, weil sie über eine eigene Betriebsstätte verfügt habe, von der aus sie ihre Tätigkeit für die Klägerin ausgeübt habe. Zudem sei sie darin frei gewesen zu bestimmen, wann oder in welchem Umfang sie tätig werde. Sie sei weder in die räumliche Arbeitsorganisation der Beklagten eingebunden, noch sei sie fest in den Arbeitsablauf eingegliedert gewesen. Die Beigeladene zu 1) habe auch keinem Weisungs- und Direktionsrecht unterlegen, da inhaltliche Vorgaben durch die Klägerin nicht gegeben worden seien und die Beigeladene zu 1) die Beratungstätigkeit in eigener Verantwortung ausgeführt habe. Schließlich habe die Beigeladene zu 1) auch kein unternehmerisches Risiko getragen, denn ihr sei nicht garantiert gewesen, dass sie innerhalb der gebuchten Slots auch tatsächlich Anrufe erhielt. Da die Vergütung nach der tatsächlichen Beratungsleistung erfolgt sei, habe die Beigeladene zu 1) das Risiko getragen, sich in einem Slot bereithalten zu müssen, ohne eine bezahlte Beraterleistung erbringen zu müssen. Da die Vergütung minutenweise erfolgt sei, habe sie es auch in der Hand gehabt, durch die Gesprächsführung ihre Verdienstmöglichkeiten zu steigern, wobei sie sicherlich auch die Kundenzufriedenheit im Blick haben musste. Darüber hinaus habe sie über eine eigene Betriebsstätte verfügt und die entsprechende Hardware aus eigenen Mitteln angeschafft. Die von der Beklagte angeführten Argumente, dass die Beigeladene zu 1) Dokumentationspflichten gehabt habe, die Qualität ihrer Arbeit überprüft worden sei und sie keine eigenen Rechnungen habe stellen müssen, überzeugten nicht. Denn Mitteilungspflichten und Qualitätskontrollen schließen eine selbständige Tätigkeit nicht aus. Bei jeder Dienstleistung, wie bei jedem zu erbringenden Werk, werde durch den Auftraggeber die Qualität kontrolliert, gerade dann, wenn sich die Beauftragung nicht in einem einmaligen Tätigwerden erschöpft. Dass die Rechnung durch die Beigeladene zu 1) nicht erstellt werden musste, steht der vorgenommenen Bewertung als selbständige Tätigkeit ebenfalls nicht entgegen. Denn die vergütungsfähigen Leistungen seien von der Klägerin technisch erfasst worden, so dass es bloße Förmelei gewesen wäre, wenn die Beigeladene zu 1), nachdem die Klägerin ihr die entsprechenden Beratungszeiten mitgeteilt habe, die Rechnung hätte schreiben müssen.

Gegen das ihr am 7. September 2015 zugestellte Urteil richtet sich die Berufung der Beklagten vom 28. September 2015, mit der sie im Wesentlichen ihr bisheriges Vorbringen wiederholt und vertieft.

Ergänzend trägt sie vor, dass die Beigeladene zu 1) keinen eigenen "schöpferischen Gestaltungsspielraum bezogen auf den Inhalt des Gesprächs" gehabt habe. Sie habe vielmehr für die Klägerin telefonische Beratungsleistungen im Rahmen einer von der H Gruppe als Vertreiberin der Buchhaltungssoftware L zur Beantwortung von Nutzeranfragen "ausgelagerten" Beratungshotline erbracht, was umfangreiche und vor allem aktuelle Kenntnisse sowohl im Bereich der Buchhaltung als auch über die vertriebene Software sowie den Zugriff auf Datenbanken der Auftraggeber erfordert habe. Insoweit sei eine umfangreiche Qualitätssicherung erfolgt. Die Beigeladene zu 1) sei auch vertraglich verpflichtet gewesen, an entsprechenden (regelmäßigen) Pflichtschulungen teilzunehmen. Entsprechendes Schulungsmaterial sei der Beigeladenen zu 1) kostenlos zur Verfügung gestellt worden. Sie habe zudem einem Wettbewerbsverbot unterlegen. Die Beigeladene zu 1) sei Teil einer fremden Betriebsorganisation gewesen. Es habe eine Pflicht zur Dokumentation des Beratungsinhalts und zur Erstellung einer Beratungshistorie, auf die bei Folgeanrufen auch durch andere für die Hotline tätigen Berater zurückgegriffen werden konnte, bestanden. Zudem sei die Beigeladene grundsätzlich zur höchstpersönlichen Leistungserbringung verpflichtet gewesen. Habe sie eine Beratungszeit (Service Slots) gebucht, habe sie die zugesagte Beratungsleistung nach den getroffenen vertraglichen Regelungen auch erbringen müssen. Eine Nichtleistung sei "vertragsstrafenbewehrt" gewesen.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 12. August 2015 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Das Sozialgericht habe zu Recht den angefochtenen Bescheid aufgehoben und festgestellt, dass die Beigeladene zu 1) in der für sie ausgeübten Tätigkeit nicht der Versicherungspflicht in allen Zweigen der Sozialversicherung und nach dem Recht der Arbeitsförderung unterlag.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze, den sonstigen Inhalt der Gerichtsakte und auf die Verwaltungsakte der Beklagte verwiesen, die dem Senat vorgelegen haben und die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung ist unbegründet. Mit Recht hat das Sozialgericht die angefochtenen Bescheide aufgehoben. Der Bescheid der Beklagten vom 24. Januar 2013 in der Gestalt des Widerspruchbescheides vom 12. November 2013 ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten. Die Beigeladene zu 1) unterlag in ihrer Tätigkeit für die Klägerin als telefonische Beraterin in der Zeit vom 1. Dezember 2009 bis Ende Februar 2015 nicht der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Kranken-, Renten- und der sozialen Pflegeversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung.

Der Eintritt von Versicherungspflicht in den einzelnen Zweigen der Sozialversicherung und der Arbeitsförderung wegen Aufnahme einer abhängigen Arbeit bestimmt sich nach § 25 Abs. 1 Satz 1 Drittes Buch Sozialgesetzbuch, § 5 Abs. 1 Nr. 1 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch, § 1 Nr. 1 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch und § 20 Abs. 1 Nr. 1 Elftes Buch Sozialgesetzbuch. Die für den Eintritt von Versicherungspflicht in der Arbeitslosenversicherung sowie der Kranken-, Renten- und sozialen Pflegeversicherung danach erforderliche Beschäftigung wird in § 7 Abs. 1 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IV) näher definiert.

Beschäftigung ist danach die nichtselbständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Anhaltspunkte für eine Beschäftigung sind nach § 7 Abs. 1 Satz 2 SGB IV eine Tätigkeit nach Weisungen und eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers. Abzugrenzen ist die eine Versicherungspflicht begründende abhängige Beschäftigung von einer selbständigen Tätigkeit. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) liegt Beschäftigung vor, wenn die Tätigkeit in persönlicher Abhängigkeit erbracht wird. Dieses Merkmal ist bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb gegeben, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und mit seiner Tätigkeit einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung erfassenden Weisungsrecht unterliegt. Dabei kann sich die Weisungsgebundenheit insbesondere bei Diensten höherer Art zu einer funktionsgerecht dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess verfeinern. Dagegen ist eine selbständige Tätigkeit durch ein eigenes Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen freie Gestaltung von Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet. Ob eine abhängige Beschäftigung oder selbständige Tätigkeit vorliegt, richtet sich danach, welche der genannten Merkmale bei Betrachtung des Gesamtbildes der Verhältnisse überwiegen (Urteile des BSG vom 25. April 2012 – B 12 KR 24/10 R – und zuletzt Urteil vom 12. November 2015 – B 12 KR 10/14 R -, zitiert nach Juris). Ausgangspunkt der Prüfung, ob die Beigeladene zu 1) für den Kläger im Rahmen einer Beschäftigung oder als Selbständige tätig wurde, sind die für die Tätigkeit maßgeblichen vertraglichen Vereinbarungen.

Zu berücksichtigen ist hierbei zunächst, dass Personen, die in dem hier in Rede stehenden Tätigkeitsfeld im weiteren Sinne Sprachkommunikationsleistungen erbringen, grundsätzlich sowohl als Beschäftigte als auch aufgrund freier Dienstverhältnisse tätig sein können (Urteil des BSG vom 30. Dezember 2013 – B 12 KR 17/11 R -, zitiert nach juris).

Nach diesen allgemein rechtlichen Maßstäben sprechen bereits die vertraglichen Vereinbarungen für eine selbständige Tätigkeit. Rechtlicher Ausgangspunkt für die Würdigung des Gesamtbildes der Tätigkeit der Beigeladenen zu 1) ist zunächst, dass die Klägerin und die Beigeladene zu 1) einen Rahmenvertrag abgeschlossen haben, der eine auf Dauer angelegte Geschäftsverbindung eröffnen soll, dabei jedoch nur (im Voraus) bestimmte Einzelheiten künftig noch abzuschließender Verträge festlegen sollte. Unter dem Dach dieses Rahmenvertrags wurde zwischen der Klägerin und der Beigeladenen zu 1) eine "Projektvereinbarungen zum Rahmenvertrag über die Erbringung von Beratungsleistungen (per Telefon) Projekt L SLS" geschlossen.

Diese zwischen der Klägerin und der Beigeladenen zu 1) abgeschlossenen Verträge sprechen zunächst dafür, dass die Vertragspartner keine sozialversicherungspflichtige Tätigkeit vereinbaren wollten. Die Vertragschließenden sprechen nicht von einem von einem Arbeitsverhältnis, sondern von einem "Rahmenvertrag" und einer "Projektvereinbarung". Sie bezeichnen sich als "Auftraggeber" und "Auftragnehmer". Arbeitnehmertypische Pflichten sind in diesen Vertragswerken nicht geregelt. Die Klägerin als Auftraggeber verlangte von der Beigeladenen zu 1) als Auftragnehmer weder eine Mindestzeit, in der sie die Beratungstätigkeit auszuüben hatte, noch eine Mindestanzahl tatsächlich getätigter Anrufe. Die Beigeladene zu 1) konnte im Gegenteil die Zeiten, währenddessen sie für die Entgegennahme von Anrufen zur Verfügung stehen wollte und konnte, in einer für Arbeitnehmer untypischen Weise weitgehend selbst steuern und bestimmen und sie hinsichtlich der zeitlichen Verteilung und Lage sowie hinsichtlich des Umfangs nach ihren eigenen Vorstellungen und Bedürfnissen ausrichten. Die Beigeladene zu 1) hat hierzu ausgeführt, dass "sie sich für Slots immer dann angemeldet (habe), wenn sie in der eigentlichen Tätigkeit in der Lohn- und Gehaltsabrechnung freie Kapazitäten gehabt habe." Vorgaben erfolgten hierbei nur insoweit, als die "kleinste Buchungseinheit 15 Minuten betrug. Arbeitnehmeruntypisch ist in dem Rahmenvertrag zudem bestimmt, dass die Beigeladenen zu 1) keinem Weisungs- oder Direktionsrecht unterliegt und sie die Beratungstätigkeit in eigener Verantwortung ausführt.

Auch finden sich in den Vertragswerken weder Angaben über eine Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall oder eine Urlaubsregelung. Die Beigeladene zu 1) musste die Beratungstätigkeit zudem (arbeitnehmeruntypisch) nicht höchstpersönlich vornehmen. Nach dem Rahmenvertrag war sie berechtigt, unter Beachtung der fachlichen Qualifikation, hierfür eigene Mitarbeiter einzusetzen. Schließlich hat die Beigeladene zu 1) auch keine feste monatliche Vergütung erhalten, sondern ihre Vergütung erfolgte nach der tatsächlichen telefonischen Beratungszeit.

Insbesondere dieser Umstand zeigt aber auch, dass die Beigeladene zu 1) ein eigenes unternehmerisches Risiko getragen hat, welches für eine selbständige Tätigkeit typisch ist. Maßgebendes Kriterium für ein derartiges Risiko ist der Einsatz von Kapital oder der eigenen Arbeitskraft, verbunden mit der Gefahr des Verlustes, so dass der Erfolg des Einsatzes der sächlichen oder persönlichen Mittel ungewiss ist. Ein solcher Sachverhalt liegt hier vor. Die Beigeladene zu 1) trug das Risiko, dass während der von ihr gebuchten Slots eine ausreichende Anzahl an umsatzbringenden Anrufen einging. Sie hat eben kein festes monatliches Gehalt bezogen, sondern angemeldete Slots, in denen keine Telefonate eingingen, sind nicht vergütet worden. Dementsprechend bezog die Beigeladene zu 1) aus ihrer Tätigkeit für die Klägerin ein von der Anzahl der eingehenden Anrufe abhängiges Einkommen. Während der Tätigkeit für die Klägerin hat die Beigeladene zu 1) zudem ihr eigenes Büro und die von ihr auf eigene Kosten angeschaffte Büroausstattung genutzt. Die Beigeladene zu 1) hat hierzu noch vorgetragen, dass sie über diese Büroausstattung hinaus, ein zusätzliches Telefon und eine Headset angeschafft habe, welches sie für die Beratungszeit genutzt hat.

Indessen ergibt sich das Entstehen von Versicherungspflicht ohnehin aus dem Gesetz. Entsprechend kann sie nicht Gegenstand einzelvertraglicher Vereinbarungen sein. Entscheidend für das Vorliegen einer abhängigen Beschäftigung ist deswegen die tatsächliche Ausgestaltung der Verhältnisse, welchen gegebenenfalls sogar stärkeres Gewicht als abweichenden vertraglichen Regelungen zukommen kann (Urteile des BSG vom 28. Mai 2008 – B 12 KR 13/07 R und vom 24. Januar 2007 – B 12 KR 31/06 R – zitiert jeweils nach Juris).

Insoweit stimmen im vorliegenden Fall indes das vertraglich Vereinbarte mit der tatsächlichen Ausgestaltung der Tätigkeit überein. Die Beigeladene zu 1) war nicht in einer arbeitnehmertypischen Weise in die betriebliche Ordnung des Klägers eingegliedert. Dabei reicht es für die Annahme einer Eingliederung in den Betrieb des Klägers nicht aus, dass dieser mit seinem Geschäftsmodell erst die Möglichkeit (an)bot, telefonische Beratungsleistungen durchzuführen und die Beigeladenen zu 1) das "virtuelle Call-Center" der Klägerin nutze. Die bloße Nutzung eines von anderen vorgehaltenen/betriebenen Systems oder Netzes (Logistik) durch einen "Systempartner" oder Diensteanbieter ohne Vorliegen weiterer, für eine Einbindung in die organisatorische Einheit des "Systemgebers" oder Netzbetreibers sprechender Umstände zwingt nicht (von vornherein) zu der Annahme, es liege eine arbeitnehmertypische Eingliederung in eine von anderen vorgegebene betriebliche Ordnung vor, in der die "Systempartner" oder Diensteanbieter fremdbestimmte Arbeit leisteten (Urteil des BSG vom 30. Oktober 2013, a. a. O.). Umstände von Gewicht, die jenseits der (bloßen) Nutzung der von dem Kläger vorgehaltenen Technik für eine Eingliederung der Beigeladenen zu 1) in deren "Betrieb" sprechen könnten, liegen nicht vor. So gab es keinen von der Klägerin vorgegebenen Dienstplan. Die Beigeladene zu 1) hat die Slots, also die Zeiträume in denen sie sich für die telefonischen Beratungsleistungen zur Verfügung stand, ausschließlich nach ihren persönlichen und eigenen unternehmerischen Interessen ausgewählt. Hierfür konnte sie sogar eigene Angestellte einsetzten. Die Beratungsleistung musste sie nach dem Rahmenvertrag nicht höchstpersönlich erbringen. Die Slots konnte die Beigeladene zu1), wie sie unwidersprochen vorgetragen hat, auch ohne Probleme wieder absagen. Für die Tätigkeit hat sie ihre eigenen Betriebsräume und ihre eigene Büroausstattung genutzt. In den Betriebsräumen der Klägerin hat sie sich hierbei nicht aufgehalten. Die Beigeladene zu 1) hat auch keine Weisungen erhalten, wie sie im Einzelnen ihre Beratungstätigkeit zu erbringen gehabt habe. Nach Entgegennahme eines Beratungsgesprächs richtete sich die Tätigkeit der Beigeladenen zu 1) an den Bedürfnissen und Wünschen der anrufenden Kunden aus. Wie die Gesprächsinhalte im Einzelnen ausgestaltet waren und wie lange die Telefongespräche dauerten, bestimmte sich nach den jeweiligen individuellen Erfordernissen; dies verlangte von der Beigeladenen zu 1) eine Flexibilität und die Fähigkeit zu entsprechender Reaktion beim Austausch von Gesprächsinhalten und beließ ihr einen großen Entscheidungsbereich. Denn bei der Beratungstätigkeit der Beigeladenen zu 1) ging es nicht um die Beantwortung von technischen IT-Fragen, sondern um inhaltliche Fragen zur Lohn- und Gehaltsabrechnung. Hierfür konnte und musste die Beigeladene zu 1) auf ihr durch ihre berufliche Erfahrung gewonnenes Wissen, soweit es um die Anwendung des "L" Systems in der Praxis eines Lohn- und Gehaltsbüros ging, zurückgreifen und entsprechende Anfragen beantworten. Inhaltliche Vorgaben erfolgten weder durch die Klägerin noch durch den H-Verlag. Soweit der Beigeladenen zu 1) ein Gesprächsleitfaden an die Hand gegeben wurde, in dem Kommunikationshinweise und Ratschläge zu bestimmten Gesprächssituationen gegeben wurden, vermag dies an der inhaltlichen Weisungsfreiheit der Beigeladenen zu 1) nichts zu ändern. Denn das BSG hat bereits entschieden, dass selbst dann, wenn gewisse "Eckpunkte" wie etwa der "grobe" Inhalt der Tätigkeit vorgegeben waren und insoweit eine "geminderte Autonomie" bestand, nicht auf eine Weisungsgebundenheit im geforderten Sinne geschlossen werden kann (Urteil des BSG vom 30. Oktober 2013, a. a. O.). Selbst an eine derartige Qualität hinsichtlich der Vorgaben für ein Beratungsgespräch reicht ein derartiger Gesprächsleitfaden nicht heran. Der Senat sieht im Übrigen von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab und weist die Berufung aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung als unbegründet zurück (§ 153 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG)).

Die Kostenentscheidung folgt aus § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG in Verbindung mit §§ 154 Abs. 2, 162 Abs. 3 Verwaltungsgerichtsordnung.

Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 Nr. 1 oder 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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