L 4 KR 3625/15

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 19 KR 4174/14
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 4 KR 3625/15
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 23. Juli 2015 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten auch des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Der Kläger wendet sich gegen die Festsetzung von Beiträgen zur Kranken- Pflegeversicherung für die Zeit vom 20. Oktober 2010 bis 2. Januar 2011 sowie gegen eine Vollstreckungsanordnung vom 19. März 2012 und begehrt die Einstellung der Zwangsvollstreckung.

Der Kläger ist seit Jahren Mitglied der zu 1) beklagten Krankenkasse und der zu 2) beklagten Pflegekasse. Er wendet sich, unter anderem auch in zahlreichen Klageverfahren, seit dem Jahr 2010 gegen die Erhebung von Beiträgen zur Kranken- und Pflegeversicherung durch die Beklagten. Der Kläger war vom 1. April 2009 bis 19. April 2010 freiwillig versichertes Mitglied der zu 1) beklagten Krankenkasse, vom 20. April 2010 bis 19. Oktober 2010 versicherungspflichtiges Mitglied der Beklagten zu 1) als Bezieher von Arbeitslosengeld. In diesen Zeiträumen war er dementsprechend pflegepflichtversichertes Mitglied der Beklagten zu 2).

Der Kläger gab gegenüber der Beklagten zu 1) an, ab 3. Januar 2011 versicherungspflichtig beschäftigt zu sein (unter dem 31. Dezember 2010 ausgefüllter Fragebogen) sowie keine Einnahmen zu haben und seinen Lebensunterhalt durch vorhandene Spareinlagen zu bestreiten (unter dem 29. Januar 2011 ausgefüllter Fragebogen). Die Beklagten gingen für die Zeit vom 20. Oktober 2010 bis 2. Januar 2011 von einer freiwilligen Krankenversicherung des Klägers und der daraus sich ergebenden Pflichtversicherung in der sozialen Pflegeversicherung aus. Die Beklagte zu 1) setzte zugleich im Namen der Beklagten zu 2) mit Bescheid vom 16. Februar 2011 die Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung für die Zeit vom 20. Oktober 2010 bis 2. Januar 2011 auf der Grundlage der Mindestbemessungsgrundlage von EUR 851,67 sowie Beitragssätzen in der Krankenversicherung von 14,3 v.H. (2010) und 14,9 v.H. (2011) und in der Pflegeversicherung 1,95 v.H. fest (Beiträge für 20. bis 31. Oktober 2010 EUR 55,36, für die Monate November und Dezember 2010 jeweils EUR 138,40 und für 1. und 2. Januar 2011 EUR 9,57, insgesamt EUR 341,73). Unter dem 18. März 2011 wies die Beklagte zu 1) den Kläger darauf hin, er habe die Beiträge für Oktober 2010 bis Januar 2011 noch nicht gezahlt, sowie auf ein mögliches Ruhen der Leistungsansprüche. Sie bezifferte den offenen Betrag mit EUR 346,22 (Beiträge von EUR 341,73, Säumniszuschläge für Oktober 2010 von EUR 0,50, für November und Dezember 2010 jeweils EUR 1,00 sowie Mahnkosten von EUR 1,99). Hiergegen erhob der Kläger Widerspruch und vertrat die Auffassung, der "Bescheid" vom 18. März 2011 sei nichtig. Die Beklagte zu 1) unterrichtete unter dem 12. April 2011 den Kläger, diesen Widerspruch nicht anzunehmen, weil der Kläger die Widerspruchsfrist wegen des Bescheids vom 16. Februar 2011 versäumt habe und dieser Bescheid deshalb bestandskräftig sei.

In der Folgezeit machte der Kläger neben der Rechtswidrigkeit einer früheren Festsetzung von Beiträgen zur Kranken- und Pflegeversicherung in seinem Schreiben vom 1. Juni 2011 auch geltend, die Bescheide vom 16. Februar und 12. April 2011 seien rechtswidrig. Der gemeinsame Widerspruchsausschuss der Beklagten wies diesen Widerspruch des Klägers gegen den Bescheid vom 16. Februar 2011 betreffend die Festsetzung der Beiträge vom 20. Oktober 2010 bis 2. Januar 2011 zurück (Widerspruchsbescheid vom 19. Juli 2011). Unter anderem gegen diesen Widerspruchsbescheid erhob der Kläger am 11. August 2011 Klage zum Sozialgericht Stuttgart (SG; S 26 KR 4659/11). Soweit diese Klage den Bescheid vom 16. Februar 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 19. Juli 2011 betraf, wies das SG die Klage mit Urteil vom 23. Oktober 2012 ab. Unabhängig davon, ob der Kläger freiwilliges Mitglied geworden oder in der Auffangpflichtversicherung nach § 5 Abs. 1 Nr. 13 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) versichert gewesen sei, ändere sich an der Beitragshöhe nichts. Diese sei zutreffend festgesetzt worden. Die hiergegen vom Kläger erhobene Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Berufung im Urteil des SG vom 13. Oktober 2012 wies das Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg zurück (Beschluss vom 19. Februar 2013 - L 11 KR 198/13 NZB -).

Weil der Kläger seit dem Jahr 2009 festgesetzte Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung nicht zahlte, veranlasste die Beklagte zu 1) Maßnahmen der Zwangsvollstreckung.

Unter Bezugnahme auf mehrere Schreiben des Klägers unterrichtete die Beklagte zu 1) den Kläger mit Bescheid vom 12. September 2013, sie werte sein Schreiben vom "29. Juli 2013" als Überprüfungsantrag nach § 44 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X). Als Ergebnis der Überprüfung "stornieren wir" die freiwillige Versicherung für die Zeit vom 20. Oktober 2010 bis 2. Januar "2013" (richtig 2011). Da der Kläger jedoch in dieser Zeit über keinen anderweitigen Versicherungsschutz verfügt habe, bestehe in dieser Zeit eine Pflichtversicherung nach § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V. Zugleich wies sie ihn auf die zum 1. August 2013 in Kraft getretene gesetzliche Möglichkeit hin, dass sie Beiträge erlassen oder ermäßigen könne.

Mit Schreiben vom 22. Oktober 2013 beantragte der Kläger bei der Beklagten zu 1), die Nichtigkeit des Bescheids vom 6. September 2013 (betreffend Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung vom 1. April 2009 bis 19. April 2010) sowie des "Widerspruchsbescheids" vom 12. September 2013 festzustellen und diese nach § 44 SGB X aufzuheben sowie ihm Beiträge in Höhe von EUR 1.973,90 (betreffend die Jahre 2009 und 2010) zu erstatten. In der Begründung seines Antrags wandte er sich ausschließlich gegen die Erhebung der Beiträge in den Jahren 2009 und 2010. Mit Bescheid vom 5. November 2013 verfügte die Beklagte zu 1), der Bescheid vom 6. September 2013 behalte weiterhin Bestandskraft, da sich nichts ergebe, was die Unrichtigkeit dieser Entscheidung bestätige und ursprünglich unberücksichtigt geblieben sei.

Am 5. August 2014 erhob der Kläger Klage beim SG. Er begehrte in seiner Klageschrift festzustellen, dass der Bescheid vom 16. Februar 2011 und der Bescheid vom 19. März 2013 (ihm nicht zugestellte Vollstreckungsanordnung) rechtswidrig bzw. nichtig seien als "Fortsetzungsfeststellungsklage" sowie die Beklagten diese rechtswidrigen Bescheide vorsätzlich erlassen hätten und ihm in einer gegen die guten Sitten verstoßenden Weise absichtlich Schaden zugefügt hätten als "Feststellungsklage". In der mündlichen Verhandlung des SG beantragte er festzustellen, dass der Bescheid vom 16. Februar 2011 rechtswidrig bzw. nichtig sei, die Beklagten ihm absichtlich einen Schaden zugefügt hätten sowie die Zwangsvollstreckung aus dem Bescheid vom 16. Februar 2011 für unzulässig zu erklären. Zu Unrecht hätten die Beklagten im Bescheid vom 16. Februar 2011 entschieden, er sei in der Zeit vom 20. Oktober 2010 bis 2. Januar 2011 freiwillig krankenversichert gewesen. Dem habe er mehrmals widersprochen. Am 31. Dezember 2010 habe er in einem Fragebogen mitgeteilt, dass er versicherungspflichtig sei. Er habe keine freiwillige Versicherung beantragt, was auch das SG im Urteil vom 23. Oktober 2012 bestätigt habe. Der Bescheid vom 16. Februar 2011 sei auch nichtig, weil seine Grundrechte und sein Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt worden seien. Am 12. September 2013 hätten die Beklagten entschieden, die angebliche freiwillige Versicherung für diesen Zeitraum zu stornieren. Wegen Wiederholungsgefahr bestehe ein Rechtsschutzbedürfnis auch nach Erledigung seines Begehrens. Mit dem "Bescheid" vom 19. März 2010 hätten die Beklagten entschieden, die Zwangsvollstreckung einzuleiten. Auf Antrag der Beklagten sei wegen der titulierten Gesamtforderung aus dem Bescheid vom 16. Februar 2011 gegen ihn Haft angeordnet worden. Die Zwangsvollstreckung werde widerrechtlich fortgesetzt.

Die Beklagten traten der Klage unter Verweis auf das rechtskräftig abgeschlossene Klageverfahren S 26 KR 4659/11 entgegen.

Das SG wies die Klage mit Urteil vom 23. Juli 2015 ab. Die Klage sei unzulässig. Hinsichtlich der im Bescheid vom 16. Februar 2011 verfügten Feststellung der freiwilligen Versicherung für die Zeit vom 20. Oktober 2010 bis 2. Januar 2011 sei die vom Kläger geltend gemachte Beschwer weggefallen, weil die Beklagte diese Feststellung mit Bescheid vom 12. September 2013 kassiert habe. Der Bescheid vom 16. Februar 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 19. Juli 2011 für die Zeit vom 20. Oktober 2010 bis 2. Januar 2011 sei aufgrund des Urteils vom 23. Oktober 2012 und des Beschlusses des LSG vom 19. Februar 2013 bestandskräftig. Für die Feststellung eines dem Kläger von den Beklagten zugefügten Schadens sei ein konkretes besonderes Feststellungsinteresse nicht ersichtlich. Insoweit sei die Klage auch unbegründet, weil eine sozialrechtliche materielle Grundlage für die begehrte Feststellung nicht bestehe. Amtshaftungsansprüche seien im Rechtsweg zu den Zivilgerichten zu verfolgen. Die Vollstreckungsabwehrklage sei nicht das vorgesehene Rechtsmittel dafür, dass der Kläger sich gegen die Vollstreckung aus dem bestandskräftigen Bescheid vom 16. Februar 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 19. Juli 2011 wende. Auch ein anderer statthafter, vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit geltend zu machender Hauptsacherechtsbehelf sei nicht ersichtlich. Gründe gegen die Vollstreckung, die nach dem Erlass des zu vollstreckenden Verwaltungsaktes entstanden seien, seien weder vorgetragen noch ersichtlich. An der bestandskräftig festgesetzten Beitragshöhe ändere sich nichts, gleich ob der Kläger seinerzeit freiwillig versichert oder pflichtversichert in der Auffangversicherung gewesen sei. Dass dem Kläger eine Vollstreckungsanordnung seiner Behauptung nach nicht zugestellt worden sei, sei unerheblich.

Die vom Kläger zugleich mit der Erhebung der Klage begehrte Anordnung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage blieb erfolglos (Beschluss des SG vom 23. Juli 2015 - S 19 KR 6631/14 ER; Beschluss des Senats vom 2. März 2016 - L 4 KR 3624/15 ER-B -).

Gegen das ihm am 28. Juli 2015 zugestellte Urteil hat der Kläger am 25. August 2015 beim SG sinngemäß Berufung eingelegt und wiederum die Feststellung begehrt, der Bescheid vom 16. Februar 2011 und der Bescheid vom 19. März 2013 seien rechtswidrig bzw. nichtig. Er macht - wie auch in anderen beim Senat anhängigen oder anhängig gewesenen Berufungs- und Beschwerdeverfahren - geltend, das SG habe sein tatsächliches und rechtliches Vorbringen sowie seine Klage-, Beweis- und anderen Anträge überhaupt nicht zur Kenntnis genommen und erwogen sowie ihm Gelegenheit gegeben, Ergänzungsfragen und Beweisanträge zu stellen. Die in der mündlichen Verhandlung des SG erschienene Bevollmächtigte habe beim SG keine Vollmacht vorgelegt sowie falsche Aussagen gemacht und das SG getäuscht. Der Kammervorsitzende habe die mitwirkenden ehrenamtlichen Richter beeinflusst sowie seine Grundrechte und die seinen Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt. Im Übrigen hat er - wie auch in anderen beim Senat anhängigen Berufungs- und Beschwerdeverfahren - sein bisheriges Vorbringen wiederholt, die Beklagten verlangten zu Unrecht Beiträge und vollstreckten zu Unrecht.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 23. Juli 2015 aufzuheben und festzustellen, dass die Bescheide vom 16. Februar 2011 und 19. März 2012 rechtswidrig bzw. nichtig sind sowie die Vollstreckung wegen des Bescheids vom 16. Februar 2011 einzustellen.

Die Beklagten beantragen,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie halten das Urteil des SG für zutreffend.

Die Berichterstatterin hat die Beteiligten auf die Absicht, die Berufung des Klägers ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss zurückzuweisen, hingewiesen und ihnen Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben. Die Beteiligten haben sich nicht geäußert.

Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Senatsakten, die Akten des SG sowie die von den Beklagten zu den Rechtsstreiten des Klägers vorgelegten Verwaltungsakten Bezug genommen.

II.

1. Der Senat entscheidet über die Berufung des Klägers gemäß § 153 Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) durch Beschluss, da er die Berufung des Klägers einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Der Rechtsstreit weist nach Einschätzung des Senats keine besonderen Schwierigkeiten in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht auf, die mit den Beteiligten in einer mündlichen Verhandlung erörtert werden müssten. Zu der beabsichtigten Verfahrensweise hat der Senat die Beteiligten angehört.

2. Gegenstand des Berufungsverfahrens ist nach dem vom Kläger in seiner Berufungsschrift formulierten Antrag sein Begehren festzustellen, der Bescheid vom 16. Februar 2011 und der "Bescheid" vom 19. März 2012 (Vollstreckungsanordnung) seien rechtswidrig bzw. nichtig.

Gegenstand des Berufungsverfahrens ist ferner das Begehren des Klägers, die Zwangsvollstreckung wegen der im Bescheid vom 16. Februar 2011 festgesetzten Beiträge einzustellen. Dies hat der Kläger zwar in seinen Anträgen in der Berufungsschrift nicht ausdrücklich aufgeführt. Aus den Ausführungen zur Begründung seiner Berufung ergibt sich aber, dass er dieses Begehren nicht aufgegeben hat, sondern weiter verfolgt.

3. Die Berufung des Klägers ist hinsichtlich der Begehren, festzustellen, der Bescheid vom 16. Februar 2011 und der "Bescheid" vom 19. März 2012 (Vollstreckungsanordnung) seien rechtswidrig bzw. nichtig unzulässig (a) und b)), im Übrigen (Einstellung der Zwangsvollstreckung) zwar zulässig, aber nicht begründet (c)).

a) Soweit der Kläger die Feststellung begehrt, der "Bescheid" vom 19. März 2012 sei rechtswidrig bzw. nichtig, ist die Berufung unzulässig, weil das SG in dem angefochtenen Urteil vom 23. Juli 2015 (S 19 KR 4174/14) hierüber nicht entschied. Denn der Kläger hat dieses Begehren in der mündlichen Verhandlung nicht mehr aufrechterhalten. Nach dem protokollierten Antrag begehrte er in der mündlichen Verhandlung nicht mehr festzustellen, dass der Bescheid vom 19. März 2012 rechtswidrig bzw. nichtig sei.

b) Soweit der Kläger die Feststellung begehrt, der Bescheid vom 16. Februar 2011 sei rechtswidrig bzw. nichtig, ist die Berufung unzulässig, weil sie der Zulassung bedarf, was nicht erfolgte.

Nach § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG bedarf die Berufung der Zulassung in dem Urteil des Sozialgerichts oder auf Beschwerde durch Beschluss des Landessozialgerichts, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes bei einer Klage, die eine Geld-, Dienst- oder Sachleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt betrifft, EUR 750,00 nicht übersteigt. Das gilt nach § 144 Abs. 1 Satz 2 SGG nicht, wenn die Berufung wiederkehrende oder laufende Leistungen für mehr als ein Jahr betrifft. Der Beschwerdewert von EUR 750,00 wird nicht erreicht. Zu den Geldleistungen im Sinne des § 144 Abs. 1 Nr. 1 SGG zählen auch Beitragsforderungen (BSG, Beschluss vom 28. Januar 1999 - B 12 KR 51/98 B - juris, Rn. 6). Die im Bescheid vom 16. Februar für die Zeit vom 20. Oktober 2010 bis 2. Januar 2011 festgesetzten Beiträge betragen insgesamt EUR 341,73. Der Ausnahmetatbestand des § 144 Abs. 1 Satz 2 SGG liegt nicht vor. Denn die Beitragsforderung betrifft nicht einen Zeitraum von einem Jahr, sondern nur ca. 3,5 Monate.

Dass die Berufung der Zulassung bedarf, entfällt nicht deswegen, weil hinsichtlich des weiteren Streitgegenstandes des Rechtsstreits (Unzulässigkeit der Zwangsvollstreckung) die Berufung nicht der Zulassung bedarf. Werden im Wege objektiver Klagehäufung einerseits Ansprüche verfolgt, die Geldleistungen oder hierauf gerichtete Verwaltungsakte zum Gegenstand haben (hier die Beiträge für die Zeit vom 20. Oktober 2010 bis 2. Januar 2011), und andererseits Ansprüche anderer Art (hier Einstellung der Zwangsvollstreckung), so können die auf diese verschiedenen Ansprüche entfallenden Gegenstandswerte nicht nach § 202 SGG i.V.m. § 5 Zivilprozessordnung (ZPO) zusammengerechnet werden (LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 3. Dezember 2010 - L 13 AS 2698/09 NZB - juris, Rn. 4).

Das SG hat die Berufung auch nicht zugelassen. Eine solche Zulassung ist weder im Tenor noch in den Entscheidungsgründen des Urteils vom 23. Juli 2015 erfolgt. Die beigefügte (unzutreffende) Rechtsmittelbelehrung, nach der das Urteil mit der Berufung angefochten werden könnte, stellt keine Berufungszulassung dar (vgl. BSG, Beschluss vom 6. Oktober 2011 - B 9 SB 45/11 B - juris, Rn. 12).

c) Soweit der Kläger die Einstellung der Zwangsvollstreckung aus dem Bescheid vom 16. Februar 2011 begehrt, ist die Berufung statthaft. Sie bedurfte schon deswegen nicht der Zulassung, weil insoweit die Klage weder eine Geld-, Dienst- oder Sachleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt betrifft.

Insoweit ist die zulässige Berufung des Klägers aber nicht begründet.

aa) Für die Vollstreckung gilt nach § 198 Abs. 1 SGG das Achte Buch der ZPO entsprechend, soweit sich aus dem SGG nichts anderes ergibt. Der Vollstreckungsschuldner kann deshalb die der ZPO vorgesehenen Rechtsmittel erheben.

Die Voraussetzungen der Vollstreckungsabwehrklage des § 767 ZPO sind nicht gegeben. Einwendungen, die einen durch Urteil festgestellten Anspruch selbst betreffen, sind von dem Schuldner im Wege der Klage bei dem Prozessgericht des ersten Rechtszuges geltend zu machen (§ 767 Abs. 1 ZPO). Sie sind nur insoweit zulässig, als die Gründe, auf denen sie beruhen, erst nach dem Schluss der mündlichen Verhandlung, in der Einwendungen nach den Vorschriften dieses Gesetzes spätestens hätten geltend gemacht werden müssen, entstanden sind und durch Einspruch nicht mehr geltend gemacht werden können (§ 767 Abs. 2 ZPO). Zu Recht hat das SG ausgeführt, dass die Beklagten nicht aufgrund eines Urteils vollstrecken, sondern aufgrund des bestandskräftigen Bescheids vom 16. Februar 2011. Soweit § 767 ZPO entsprechend auf bestandskräftige Bescheide angewendet wird, müsste der Kläger Einwände vorbringen, die nach Bestandskraft der Bescheide entstanden sind. Solche sind nicht erkennbar. Der Kläger wiederholt vielmehr nur sein Vorbringen, er sei in der Zeit vom 20. Oktober 2010 bis 2. Januar 2011 nicht freiwillig krankenversichert gewesen, sowie weiter auch sein Vorbringen aus zahlreichen anderen Verfahren, wonach er die Erhebung von Beiträgen für rechtswidrig hält.

bb) Die Vollstreckung - soweit sie derzeit noch erfolgen sollte - ist auch nicht auf Grund von Vorschriften der Abgabenordnung (AO) einzustellen.

Soll zu Gunsten einer Bundesbehörde oder einer bundesunmittelbaren Körperschaft des öffentlichen Rechts oder einer bundesunmittelbaren Anstalt des öffentlichen Rechts vollstreckt werden, so richtet sich nach § 200 Abs. 1 SGG die Vollstreckung nach dem Verwaltungsvollstreckungsgesetz (VwVG). Das Gleiche bestimmt § 66 Abs. 1 Satz 1 SGB X. Die Beklagten sind bundesunmittelbare Körperschaften und damit bundesunmittelbare Versicherungsträger (§ 90 Abs. 1 Satz 1 Viertes Buch Sozialgesetzbuch [SGB IV]). Denn ihr Zuständigkeitsbereich erstreckt sich über das Gebiet eines Bundeslandes hinaus.

Die Vollstreckung wegen Geldforderungen richtet sich nach dem ersten Abschnitt des VwVG. Nach § 1 Abs. 1 VwVG werden die öffentlich-rechtlichen Geldforderungen des Bundes und der bundesunmittelbaren juristischen Personen des öffentlichen Rechts nach den Bestimmungen dieses Gesetzes im Verwaltungswege vollstreckt. Nach § 3 Abs. 1 VwVG wird die Vollstreckung gegen den Vollstreckungsschuldner (wer dies ist bestimmt § 2 VwVG) durch Vollstreckungsanordnung eingeleitet. Die Voraussetzungen der Vollstreckungsanordnung regeln § 3 Abs. 2 bis 4 VwVG. Zuständig für die Vollstreckung sind nach § 4 Buchst. b VwVG, § 249 Abs. 1 Satz 3 AO, § 1 Nr. 4 Finanzverwaltungsgesetz (FinVG) die Hauptzollämter als Vollstreckungsbehörden der Bundesfinanzverwaltung. Das Verwaltungszwangsverfahren und der Vollstreckungsschutz richten sich nach § 5 VwVG im Falle des § 4 VwVG nach den Vorschriften der AO (§§ 77, 249 bis 258, 260, 262 bis 267, 281 bis 317, 318 Abs. 1 bis 4, §§ 319 bis 327 AO). Nach § 257 Abs. 1 AO ist die Vollstreckung einzustellen oder zu beschränken, sobald 1. die Vollstreckbarkeitsvoraussetzungen des § 251 Abs. 1 AO weggefallen sind, 2. der Verwaltungsakt, aus dem vollstreckt wird, aufgehoben wird, 3. der Anspruch auf die Leistung erloschen ist, 4. die Leistung gestundet worden ist. Keine dieser Voraussetzungen liegen hier vor.

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 Satz 1, Abs. 4 SGG.

5. Die Revision war nicht zuzulassen, da Gründe hierfür (vgl. § 160 Abs. 2 SGG) nicht vorliegen.
Rechtskraft
Aus
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