Land
Freistaat Sachsen
Sozialgericht
Sächsisches LSG
Sachgebiet
Sonstige Angelegenheiten
Abteilung
1
1. Instanz
SG Chemnitz (FSS)
Aktenzeichen
S 15 KR 289/11
Datum
2. Instanz
Sächsisches LSG
Aktenzeichen
L 1 KR 209/12 NZB
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
§ 19 Abs. 2 VwVG kann als Rechtsgrundlage für die Erhebung von Mahngebühren in Euro-Beträgen herangezogen werden.
I. Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Berufung im Urteil des Sozialgerichts Chemnitz vom 7. August 2012 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind auch im Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten.
Gründe:
I.
In der Hauptsache streiten die Beteiligten über die Erhebung eines Säumniszuschlags von 0,50 EUR und einer Mahngebühr von 0,80 EUR.
Die Klägerin ist bei der Beschwerdegegnerin freiwillig krankenversichert.
Mit Bescheid vom 14. Februar 2011 setzte die Rechtsvorgängerin der Beschwerdegegnerin den monatlichen Beitrag der Beschwerdeführerin zur Krankenversicherung ab 1. Februar 2011 auf 64,30 EUR fest. Der Beitrag sei am 15. des Folgemonats fällig.
Mit Bescheid vom 24. März 2011 erinnerte die Rechtsvorgängerin der Beschwerdegegnerin die Beschwerdeführerin an die Überweisung des Beitrags in Höhe von 64,30 EUR für Februar 2011. Der Überweisung des Gesamtbetrags werde innerhalb einer Woche entgegengesehen. Zugleich setzte die Rechtsvorgängerin der Beschwerdegegnerin einen Säumniszuschlag in Höhe von 0,50 EUR und eine Mahngebühr in Höhe von 0,80 EUR fest.
Hiergegen legte die Beschwerdeführerin mit Schreiben vom 28. März 2011 Widerspruch ein. Insoweit richtete sie sich insbesondere gegen "die Berechnung von Säumniszuschlägen und Mahngebühren".
Mit Widerspruchsbescheid vom 4. Mai 2011 wies die Rechtsvorgängerin der Beschwerdegegnerin die Widersprüche der Beschwerdeführerin gegen die Bescheide vom 14. Februar 2011 und vom 24. März 2011 zurück. Unter anderem heißt es in dem Widerspruchsbescheid, ein Widerspruch habe keine aufschiebende Wirkung (Hinweis auf § 86a Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz [SGG]). Da die Beiträge nicht entrichtet worden seien, seien sie zu Recht erneut mit Bescheid vom 24. März 2011 geltend gemacht worden. Dieser Bescheid enthalte denselben Beitrag wie der Bescheid vom 14. Februar 2011, so das offensichtlich sei, dass mit diesem Bescheid die Beiträge auf die Kapitalleistung gefordert worden seien. Die Erhebung von Säumniszuschlägen und Mahngebühren beruhe auf § 24 Viertes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IV) und § 19 Verwaltungs-Vollstreckungsgesetz (VwVG) in Verbindung mit § 66 Abs. 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X).
Gegen den Bescheid vom 14. Februar 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 4. Mai 2011 hat die Beschwerdeführerin unter dem Aktenzeichen S 15 KR 288/11 Klage beim Sozialgericht (SG) Chemnitz erhoben. Durch Urteil vom 7. August 2012 hat das SG die Klage abgewiesen. Das dagegen angestrengte Berufungsverfahren ist unter dem Aktenzeichen L 1 KR 216/12 beim Sächsischen Landessozialgericht (LSG) anhängig.
Gegen den Bescheid vom 24. März 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 4. Mai 2011 hat die Beschwerdeführerin am 3. Juni 2011 unter dem Aktenzeichen S 15 KR 289/11 Klage beim SG Chemnitz erhoben.
Mit Wirkung vom 1. Januar 2012 fusionierte die Rechtsvorgängerin der Beschwerdegegnerin, eine Ersatzkasse, mit der BKK Gesundheit und der BKK Axel Springer.
Mit Urteil vom 7. August 2012 hat das SG die Klage abgewiesen. Der Bescheid vom 24. März 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 4. Mai 2011 enthalte lediglich Regelungen hinsichtlich eines Säumniszuschlags und einer Mahngebühr. Diese Regelungen seien rechtmäßig. Rechtsgrundlage für den Säumniszuschlag von 0,50 EUR sei § 24 Abs. 1 Satz 1 SGB IV. Ein Fall des § 24 Abs. 1 Satz 2 SGB IV liege nicht vor, weil der Säumniszuschlag nicht gesondert schriftlich angefordert worden sei, sondern zusammen mit der Mahngebühr. Auch die Festsetzung der Mahngebühr von 0,80 EUR sei rechtmäßig. Gemäß § 19 Abs. 2 Satz 1 VwVG werde für die Mahnung nach § 3 Abs. 3 VwVG eine Mahngebühr erhoben. Die Mahnung gemäß § 3 Abs. 3 VwVG sei ebenfalls zutreffend erfolgt, denn vor Anordnung der Vollstreckung solle der Schuldner mit einer Zahlungsfrist von einer weiteren Woche besonders gemahnt werden. Auch die Höhe der Mahngebühr sei gemäß § 19 Abs. 2 Satz 2 und 3 VwVG zutreffend. Demnach betrage die Mahngebühr 1 v.H. des Mahnbetrages bis 100,00 DM einschließlich, 0,5 v.H. von dem Mehrbetrag, mindestens jedoch 1,50 DM und höchstens 100,00 DM. Die Mahngebühr werde auf volle 10 Deutsche Pfennige aufgerundet. Aufgrund des Mahnbetrages von 64,30 EUR ergebe sich der Mindestbetrag von 1,50 DM, nach dem amtlichen Umrechnungskurs von 1,95583 entspreche dies 0,7669 EUR, gerundet 0,80 EUR. Die Aufrundung auf volle 10 Cent anstelle der im Gesetzestext genannten vollen 10 Deutschen Pfennige, halte die Kammer noch vom Sinn und Zweck der Vorschrift des § 19 Abs. 2 Satz 3 VwVG, die Massenverfahren regeln und den Verwaltungsaufwand vereinfachen solle, gedeckt, auch wenn bislang noch keine Anpassung des Gesetzes an den Euro erfolgt sei.
Gegen das ihrem Prozessbevollmächtigten am 18. September 2012 zugestellte Urteil hat die Beschwerdeführerin am 18. Oktober 2012 Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt.
Sie trägt vor, der Rechtssache komme grundsätzliche Bedeutung zu. Es fehle an einer Rechtsgrundlage für die Festsetzung der Mahngebühr. § 19 Abs. 2 VwVG könne nicht als Rechtsgrundlage für die Erhebung von Mahngebühren in Euro-Beträgen herangezogen werden. Insbesondere sei nicht klar, wie der Höchst- und der Mindestbetrag in § 19 Abs. 2 Satz 1 VwVG zu ermitteln seien und wie die Rundungsregelung des § 19 Abs. 2 Satz 2 VwVG zu handhaben sei. Über die in Art. 1 Buchstabe h der Verordnung (EG) Nr. 974/98 des Rates vom 3. Mai 1998 über die Einführung des Euro (ABl. L 139 vom 11. Mai 1998 S. 1) genannte Übergangszeit vom 1. Januar 1999 bis 31. Dezember 2001 hinaus könnten Verwaltungsakte, durch die eine Mahngebühr festgesetzt werde, nicht auf Art. 1 in Verbindung mit Art. 14 dieser Verordnung gestützt werden. Würde man Art. 14 der Verordnung (EG) Nr. 974/98 auf § 19 Abs. 2 VwVG anwenden, ergäbe sich das Problem, dass Art. 5 Satz 1 der Verordnung (EG) 1103/97 über bestimmte Vorschriften im Zusammenhang mit der Einführung des Euro (ABl. L 162 vom 19. Juni 1997 S. 1) nach einer Umrechnung eines Betrages in der früheren nationalen Währungseinheit auf den Euro nur eine Auf- oder Abrundung auf den nächstliegenden Cent vorsehe. Es sei verfassungsrechtlich zu klären, ob der Festsetzung einer Mahngebühr durch die Beschwerdegegnerin eine mehrfache Rundung zugrunde liegen dürfe. Zudem sei die Beschwerdeführerin vor Festsetzung der Mahngebühr nicht angehört worden. Weiterhin habe es das SG – trotz entsprechender Rüge der Beschwerdeführerin – versäumt, die Legitimation der Beschwerdegegnerin für das vorliegende Verfahren zu prüfen. Es sei fraglich, ob die Beschwerdegegnerin nach ihrer – wenn auch genehmigten – Fusion mit weiteren Krankenkassen zum 1. Januar 2012 wirksam in den vorliegenden Rechtsstreit habe eintreten können. Darüber hinaus sei § 229 Abs. 1 Nr. 5 SGB V verfassungswidrig, weil die dort geregelte Verbeitragung gegen die Eigentumsfreiheit und das Gleibehandlungsgebot verstoße. Im Übrigen werde gerügt, dass der Bescheid vom 24. März 2011 dem Begründungserfordernis des § 35 Abs. 1 Satz 2 SGB X nicht gerecht werde und insbesondere keine Rechtsgrundlage benenne.
Die Beschwerdeführerin beantragt sinngemäß,
die Berufung zuzulassen.
Die Beschwerdegegnerin beantragt sinngemäß,
die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Berufung im Urteil des Sozialgerichts Chemnitz vom 7. August 2012 zurückzuweisen.
Sie trägt vor, die Erhebung der Mahngebühren in DM sei nicht möglich gewesen, weil diese Währung nicht mehr existiere. Sie habe deshalb die Umrechnung in Euro nach dem amtlichen Umrechnungskurs vorgenommen. Im Hinblick auf die von der Beschwerdeführerin genannten Rundungsregelungen werde auf das Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom 12. Juli 2012 (B 14 AS 35/12 R - juris) verwiesen.
Dem Senat haben die Verwaltungsakte der Beschwerdegegnerin sowie die Gerichtsakten beider Rechtszüge vorgelegen, auch zum Verfahren L 1 KR 216/12.
II.
Die Nichtzulassungsbeschwerde ist zulässig (1), aber unbegründet (2).
1. Die Nichtzulassungsbeschwerde ist gemäß § 145 Abs. 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthaft, weil das SG die Berufung nicht zugelassen hat und der Wert des Beschwerdegegenstandes 750,00 EUR nicht übersteigt, so dass das Rechtsmittel der Berufung nicht eröffnet war, sondern der Zulassung durch das SG bedurft hätte. Nach § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 in Verbindung mit Satz 2 SGG bedarf die Berufung der Zulassung in dem Urteil des Sozialgerichts, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes bei einer Klage, die eine Geld- oder Sachleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt betrifft, 750,00 EUR nicht übersteigt und keine wiederkehrenden oder laufenden Leistungen für mehr als ein Jahr betroffen sind. Der Wert des Beschwerdegegenstandes übersteigt vorliegend 750,00 EUR nicht, da die Erhebung eines Säumniszuschlags von 0,50 EUR und einer Mahngebühr von 0,80 EUR im Streit stehen.
2. Zu Recht hat das SG die Berufung nicht zugelassen.
Gründe für die Zulassung der Berufung liegen nicht vor.
Gemäß § 144 Abs. 2 SGG ist die Berufung zuzulassen, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (Nr. 1), das Urteil von einer Entscheidung des LSG, des BSG, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht (Nr. 2) oder ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann (Nr. 3).
a) Eine Rechtssache von grundsätzlicher Bedeutung liegt nicht vor. Eine Rechtssache hat dann grundsätzliche Bedeutung, wenn die Streitsache eine bisher nicht geklärte Rechtsfrage aufwirft, deren Klärung im allgemeinen Interesse liegt, um die Rechtseinheit zu erhalten und die Weiterentwicklung des Rechts zu fördern. Ein Individualinteresse genügt nicht. Die Rechtsfrage muss klärungsbedürftig und klärungsfähig sein (siehe Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Auflage, § 144 Rn. 28). Nicht klärungsbedürftig ist eine Rechtsfrage in der Regel dann, wenn sich die Antwort auf die Rechtsfrage unmittelbar und ohne weiteres aus dem Gesetz ergibt (vgl. Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Auflage, § 160 Rn. 8a). Entsprechendes gilt in der Regel auch dann, wenn die Frage höchstrichterlich entschieden ist (Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Auflage, § 160 Rn. 8).
aa) Soweit die Beschwerdeführerin geltend macht, es fehle an einer Rechtsgrundlage für die Erhebung der Mahngebühr von 0,80 EUR, trifft dies nicht zu. Dies ergibt sich unmittelbar und ohne weiteres aus dem Gesetz. Gemäß § 66 Abs. 1 Satz 1 SGB X gilt für die Vollstreckung zu Gunsten der Behörden des Bundes das VwVG. Voraussetzungen für die Einleitung der Vollstreckung sind gemäß § 3 Abs. 2 VwVG: a) der Leistungsbescheid, durch den der Schuldner zur Leistung aufgefordert worden ist; b) die Fälligkeit der Leistung; c) der Ablauf einer Frist von einer Woche seit Bekanntgabe des Leistungsbescheides oder, wenn die Leistung erst danach fällig wird, der Ablauf einer Frist von einer Woche nach Eintritt der Fälligkeit. § 3 Abs. 3 VwVG bestimmt, dass vor Anordnung der Vollstreckung der Schuldner ferner mit einer Zahlungsfrist von einer weiteren Woche besonders gemahnt werden soll. Nach § 19 Abs. 2 Satz 1 VwVG in der ab 1. Januar 1977 gültigen Fassung des Einführungsgesetzes zur Abgabenordnung (EGAO 1977) vom 14. Dezember 1976 wird für die Mahnung nach § 3 Abs. 3 VwVG eine Mahngebühr erhoben. Sie beträgt 1 v.H. des Mahnbetrages bis 100,00 DM einschließlich, 0,5 v.H. von dem Mehrbetrag, mindestens jedoch 1,50 DM und höchstens 100,00 DM (§ 19 Abs. 2 Satz 2 VwVG). Die Mahngebühr wird auf volle 10 Deutsche Pfennige aufgerundet (§ 19 Abs. 2 Satz 3 VwVG).
Die Rechtsvorgängerin der Beschwerdegegnerin forderte die Beschwerdeführerin durch Bescheid vom 14. Februar 2011 zur Zahlung ihres Krankenversicherungsbeitrags für die Zeit ab 1. Februar 2011 in Höhe von 64,30 EUR auf. Der Beitrag für Februar 2011 war am 15. März 2011 fällig. Gemäß § 23 Abs. 1 Satz 1 SGB IV in Verbindung mit § 17 Abs. 1 Satz 2 der Satzung der Rechtsvorgängerin der Beschwerdegegnerin vom 1. Januar 2010 (Stand: 1. Januar 2011 in der Fassung des 8. Nachtrages) bestimmt sich die Fälligkeit für laufende Beiträge nach § 23 Abs. 1 Sätze 1, 2 und 4 SGB IV. Nach § 23 Abs. 1 Satz 4 SGB IV werden Beiträge – wie die vorliegenden – spätestens am 15. des Monats fällig, der auf den Monat folgt, für den sie zu entrichten sind. Der Widerspruch vom 22. Februar 2011 gegen den Bescheid vom 14. Februar 2011 hatte gemäß § 86a Abs. 2 Nr. 1 SGG keine aufschiebende Wirkung. Die Rechtsvorgängerin hatte auch die in § 3 Abs. 2 Buchstabe c genannte Frist abgewartet.
Für die Mahnung vom 24. März 2011 hat die Rechtsvorgängerin der Beschwerdegegnerin zu Recht einen Betrag von 0,80 EUR festgesetzt. Insoweit wird – abgesehen vom zweiten Absatz auf Seite 5 der Entscheidungsgründe – auf die zutreffenden Ausführungen des SG verwiesen. Soweit die Beschwerdeführerin meint, § 19 Abs. 2 VwVG könne nicht als Rechtsgrundlage für die Erhebung von Mahngebühren in Euro-Beträgen herangezogen werden, trifft dies nicht zu. Erwägung 20 der Verordnung (EG) Nr. 974/98 lautet unter anderem wie folgt:
"Nach dem Ende der Übergangszeit sind Bezugnahmen auf nationale Währungseinheiten in Rechtsinstrumenten, die am Ende der Übergangszeit bestehen, als Bezugnahmen auf die Euro-Einheit entsprechend dem jeweiligen Umrechnungskurs zu verstehen. Daher ist eine materielle Anpassung bestehender Rechtsinstrumente hierzu nicht notwendig. Die in der Verordnung (EG) Nr. 1103/97 festgelegten Rundungsregeln gelten auch für die zum Ende der Übergangszeit oder nach der Übergangszeit vorzunehmenden Umrechnungen."
Nach Art. 1 Buchstabe b der Verordnung (EG) Nr. 974/98 sind "Rechtsinstrumente" im Sinne dieser Verordnung "Rechtsvorschriften, Verwaltungsakte, gerichtliche Entscheidungen, Verträge, einseitige Rechtsgeschäfte, Zahlungsmittel – außer Banknoten und Münzen – sowie sonstige Instrumente mit Rechtswirkung".
Bei § 19 Abs. 2 Satz 2 und 3 VwVG handelt es sich um Rechtsvorschriften. Sie dürfen als Rechtsgrundlage für den Erlass eines Verwaltungsakts – dabei handelt es sich ebenfalls um ein "Rechtsinstrument" – herangezogen werden. Nach Art. 1 der Verordnung (EG) Nr. 2866/98 des Rates vom 31. Dezember 1998 über die Umrechnungskurse zwischen dem Euro und den Währungen der Mitgliedstaaten, die den Euro einführen (ABl. L 359 vom 31. Dezember 1998 S. 1) beträgt der festgelegte Umrechnungskurs zwischen dem Euro und der DM 1,95583. Wird der Betrag von 1,50 DM durch 1,95583 geteilt, ergibt sich ein Betrag von 0,76694 EUR, der gemäß Art. 5 Satz 1 der Verordnung (EG) 1103/97 auf den nächstliegenden Cent auf 0,77 EUR aufzurunden ist. Wenn § 19 Abs. 2 Satz 3 VwVG eine Aufrundung auf volle 10 Deutsche Pfennig vorsieht, ist eine Aufrundung auch schon z.B. bei 0,21 DM auf 0,30 DM vorzunehmen. Jedenfalls bei einem Betrag von 0,77 EUR kann dann nur eine Aufrundung auf 0,80 EUR in Betracht kommen. Offen bleiben kann vorliegend die Frage, wie zu entscheiden wäre, wenn der umgerechnete Rundungsbetrag über einen Wert von 9 Deutsche Pfennig hinausgeht; dies wäre etwa bei einer Aufrundung von 0,74 EUR auf 0,80 EUR der Fall. Diese Frage ist allerdings nicht klärungsbedürftig. Denn in Fällen wie dem vorliegenden, handelt es sich um einen Mindestbetrag von 1,50 DM, so dass eine Rundung im Wert von mehr als 9 Deutschen Pfennigen niemals in Betracht kommen kann.
bb) Soweit die Beschwerdeführerin geltend macht, § 229 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 SGB V sei verfassungswidrig, weil diese Vorschrift gegen den Eigentumsschutz und den Gleichbehandlungsgrundsatz verstoße, steht dem die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG), der sich der erkennende Senat nach eigener Prüfung anschließt, entgegen. Danach ist die Einbeziehung von Renten der betrieblichen Altersversorgung bei der Beitragsbemessung in der gesetzlichen Krankenversicherung im Hinblick auf Art. 14 und 3 Abs. 1 Grundgesetz verfassungsgemäß (BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 6. September 2010 – 1 BvR 739/08 – juris Rn. 10 bis 16; siehe auch BSG, Beschluss vom 8. April 2013 – B 12 KR 55/12 B – juris Rn. 8).
b) Ebenso wenig sind die Voraussetzungen von § 144 Abs. 2 Nr. 2 SGG gegeben. Die Beschwerdeführerin hat Entscheidungen des Sächsischen LSG, des BSG, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts, von welchen das angefochtene Urteil des SG im Sinne von § 144 Abs. 2 Nr. 2 SGG abweichen könnte, nicht benannt. Solche sind für den Senat auch nicht ersichtlich. Soweit sie auf Seite 5 des anwaltlichen Schreibens vom 19. Dezember 2012 Entscheidungen des BSG zitiert hat, betreffen diese die Rechtsfrage eines Beteiligtenwechsels (BSG, Urteil vom 8. November 2001 – B 11 AL 45/01 R – juris Rn. 14 = SozR 3-4100 § 128 Nr. 14, und BSG, Urteil vom 2. September 2004 – B 7 AL 78/03 R – juris Rn. 14 = BSGE 93, 159, 160). Diese Frage ist vorliegend jedoch nicht entscheidungserheblich (dazu sogleich unter c aa).
c) Auch durchgreifende Verfahrensmängel im Sinne von § 144 Abs. 2 Nr. 3 SGG hat die Beschwerdeführerin nicht aufgezeigt. Ein Verfahrensmangel ist ein Verstoß gegen eine Vorschrift, die das sozialgerichtliche Verfahren regelt. Der Mangel bezieht sich nicht auf den sachlichen Inhalt des Urteils, es geht nicht um die Richtigkeit der Entscheidung, sondern um das prozessuale Vorgehen des Gerichts auf dem Weg zum Urteil (Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Auflage, § 144 Rn. 32). Einen Verfahrensmangel stellt insbesondere ein Verstoß gegen die Amtsermittlungspflicht dar, wenn sich das Gericht zu weiteren Ermittlungen aus seiner rechtlichen Sicht hätte gedrängt fühlen müssen (Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Auflage, § 144 Rn. 34), wenn es seine gesetzliche Verpflichtung zur Erforschung des Sachverhaltes also entweder verkannt hat oder ihr nicht nachgekommen ist (vgl. LSG Saarland, Beschluss vom 18.11.2004 – L 6 AL 3/02 NZB – juris Rn. 30).
aa) Soweit die Beschwerdeführerin geltend macht, die Beschwerdegegnerin sei für das vorliegende Verfahren nicht legitimiert, liegen diese Ausführungen neben der Sache. Eine Pflicht zur Amtsermittlung durch das SG konnte dadurch nicht ausgelöst werden. Denn die Fusion der Rechtsvorgängerin der Beschwerdegegnerin mit der BKK Gesundheit und der BKK Axel Springer richtet sich nach § 171a SGB V. Gemäß § 171a Abs. 1 Satz 3 SGB V gilt § 144 Abs. 2 und 4 SGB V entsprechend mit der Maßgabe , dass dem Antrag auf Genehmigung auch eine Erklärung beizufügen ist, welche Kassenartzugehörigkeit aufrechterhalten bleiben soll. Nach § 144 Abs. 4 Satz 2 SGB V tritt die neue Krankenkasse in die Rechte und Pflichten der bisherigen Krankenkassen ein.
bb) Soweit die Beschwerdeführerin geltend macht, sie sei vor Erlass des Bescheides vom 24. März 2011 nicht angehört worden, ist darauf hinzuweisen, dass sich die Beschwerdeführerin in ihrem Widerspruchsschreiben vom 28. März 2011 ausdrücklich gegen die Berechnung von Säumniszuschlägen und Mahngebühren richtete, so dass die Anhörung gemäß § 41 Abs. 1 Nr. 3 SGB X wirksam nachgeholt worden sein dürfte. Selbst wenn man dem nicht folgt, ist vorliegend jedenfalls der Rechtsgedanke des § 170 Abs. 1 Satz 2 SGG heranzuziehen (siehe hierzu Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Auflage, § 160a Rn. 18). Diese Vorschrift lautet:
"Ergeben die Entscheidungsgründe zwar eine Gesetzesverletzung, stellt sich die Entscheidung selbst aber aus anderen Gründen als richtig dar, so ist die Revision ebenfalls zurückzuweisen."
Deshalb ist bei einer von vornherein aussichtslosen Prozessführung in der Regel davon auszugehen, dass die Entscheidung nicht auf dem Verfahrensmangel beruht (Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Auflage, § 144 Rn. 35). So liegt es – wie oben bereits ausgeführt – hier.
cc) Soweit die Beschwerdeführerin geltend macht, der Bescheid vom 24. März 2011 werde dem Begründungserfordernis nicht gerecht und benenne keine Rechtsgrundlage, ist darauf hinzuweisen, dass der Widerspruchsbescheid vom 4. Mai 2011 die Begründung nachholt und insbesondere die Rechtsgrundlagen für die Erhebung von Säumniszuschlägen und Mahngebühren benennt.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
4. Der Beschluss ist nicht mit der Beschwerde zum Bundessozialgericht anfechtbar (§ 177 SGG).
Klotzbücher Schanzenbach Dr. Wietek
II. Außergerichtliche Kosten sind auch im Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten.
Gründe:
I.
In der Hauptsache streiten die Beteiligten über die Erhebung eines Säumniszuschlags von 0,50 EUR und einer Mahngebühr von 0,80 EUR.
Die Klägerin ist bei der Beschwerdegegnerin freiwillig krankenversichert.
Mit Bescheid vom 14. Februar 2011 setzte die Rechtsvorgängerin der Beschwerdegegnerin den monatlichen Beitrag der Beschwerdeführerin zur Krankenversicherung ab 1. Februar 2011 auf 64,30 EUR fest. Der Beitrag sei am 15. des Folgemonats fällig.
Mit Bescheid vom 24. März 2011 erinnerte die Rechtsvorgängerin der Beschwerdegegnerin die Beschwerdeführerin an die Überweisung des Beitrags in Höhe von 64,30 EUR für Februar 2011. Der Überweisung des Gesamtbetrags werde innerhalb einer Woche entgegengesehen. Zugleich setzte die Rechtsvorgängerin der Beschwerdegegnerin einen Säumniszuschlag in Höhe von 0,50 EUR und eine Mahngebühr in Höhe von 0,80 EUR fest.
Hiergegen legte die Beschwerdeführerin mit Schreiben vom 28. März 2011 Widerspruch ein. Insoweit richtete sie sich insbesondere gegen "die Berechnung von Säumniszuschlägen und Mahngebühren".
Mit Widerspruchsbescheid vom 4. Mai 2011 wies die Rechtsvorgängerin der Beschwerdegegnerin die Widersprüche der Beschwerdeführerin gegen die Bescheide vom 14. Februar 2011 und vom 24. März 2011 zurück. Unter anderem heißt es in dem Widerspruchsbescheid, ein Widerspruch habe keine aufschiebende Wirkung (Hinweis auf § 86a Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz [SGG]). Da die Beiträge nicht entrichtet worden seien, seien sie zu Recht erneut mit Bescheid vom 24. März 2011 geltend gemacht worden. Dieser Bescheid enthalte denselben Beitrag wie der Bescheid vom 14. Februar 2011, so das offensichtlich sei, dass mit diesem Bescheid die Beiträge auf die Kapitalleistung gefordert worden seien. Die Erhebung von Säumniszuschlägen und Mahngebühren beruhe auf § 24 Viertes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IV) und § 19 Verwaltungs-Vollstreckungsgesetz (VwVG) in Verbindung mit § 66 Abs. 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X).
Gegen den Bescheid vom 14. Februar 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 4. Mai 2011 hat die Beschwerdeführerin unter dem Aktenzeichen S 15 KR 288/11 Klage beim Sozialgericht (SG) Chemnitz erhoben. Durch Urteil vom 7. August 2012 hat das SG die Klage abgewiesen. Das dagegen angestrengte Berufungsverfahren ist unter dem Aktenzeichen L 1 KR 216/12 beim Sächsischen Landessozialgericht (LSG) anhängig.
Gegen den Bescheid vom 24. März 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 4. Mai 2011 hat die Beschwerdeführerin am 3. Juni 2011 unter dem Aktenzeichen S 15 KR 289/11 Klage beim SG Chemnitz erhoben.
Mit Wirkung vom 1. Januar 2012 fusionierte die Rechtsvorgängerin der Beschwerdegegnerin, eine Ersatzkasse, mit der BKK Gesundheit und der BKK Axel Springer.
Mit Urteil vom 7. August 2012 hat das SG die Klage abgewiesen. Der Bescheid vom 24. März 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 4. Mai 2011 enthalte lediglich Regelungen hinsichtlich eines Säumniszuschlags und einer Mahngebühr. Diese Regelungen seien rechtmäßig. Rechtsgrundlage für den Säumniszuschlag von 0,50 EUR sei § 24 Abs. 1 Satz 1 SGB IV. Ein Fall des § 24 Abs. 1 Satz 2 SGB IV liege nicht vor, weil der Säumniszuschlag nicht gesondert schriftlich angefordert worden sei, sondern zusammen mit der Mahngebühr. Auch die Festsetzung der Mahngebühr von 0,80 EUR sei rechtmäßig. Gemäß § 19 Abs. 2 Satz 1 VwVG werde für die Mahnung nach § 3 Abs. 3 VwVG eine Mahngebühr erhoben. Die Mahnung gemäß § 3 Abs. 3 VwVG sei ebenfalls zutreffend erfolgt, denn vor Anordnung der Vollstreckung solle der Schuldner mit einer Zahlungsfrist von einer weiteren Woche besonders gemahnt werden. Auch die Höhe der Mahngebühr sei gemäß § 19 Abs. 2 Satz 2 und 3 VwVG zutreffend. Demnach betrage die Mahngebühr 1 v.H. des Mahnbetrages bis 100,00 DM einschließlich, 0,5 v.H. von dem Mehrbetrag, mindestens jedoch 1,50 DM und höchstens 100,00 DM. Die Mahngebühr werde auf volle 10 Deutsche Pfennige aufgerundet. Aufgrund des Mahnbetrages von 64,30 EUR ergebe sich der Mindestbetrag von 1,50 DM, nach dem amtlichen Umrechnungskurs von 1,95583 entspreche dies 0,7669 EUR, gerundet 0,80 EUR. Die Aufrundung auf volle 10 Cent anstelle der im Gesetzestext genannten vollen 10 Deutschen Pfennige, halte die Kammer noch vom Sinn und Zweck der Vorschrift des § 19 Abs. 2 Satz 3 VwVG, die Massenverfahren regeln und den Verwaltungsaufwand vereinfachen solle, gedeckt, auch wenn bislang noch keine Anpassung des Gesetzes an den Euro erfolgt sei.
Gegen das ihrem Prozessbevollmächtigten am 18. September 2012 zugestellte Urteil hat die Beschwerdeführerin am 18. Oktober 2012 Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt.
Sie trägt vor, der Rechtssache komme grundsätzliche Bedeutung zu. Es fehle an einer Rechtsgrundlage für die Festsetzung der Mahngebühr. § 19 Abs. 2 VwVG könne nicht als Rechtsgrundlage für die Erhebung von Mahngebühren in Euro-Beträgen herangezogen werden. Insbesondere sei nicht klar, wie der Höchst- und der Mindestbetrag in § 19 Abs. 2 Satz 1 VwVG zu ermitteln seien und wie die Rundungsregelung des § 19 Abs. 2 Satz 2 VwVG zu handhaben sei. Über die in Art. 1 Buchstabe h der Verordnung (EG) Nr. 974/98 des Rates vom 3. Mai 1998 über die Einführung des Euro (ABl. L 139 vom 11. Mai 1998 S. 1) genannte Übergangszeit vom 1. Januar 1999 bis 31. Dezember 2001 hinaus könnten Verwaltungsakte, durch die eine Mahngebühr festgesetzt werde, nicht auf Art. 1 in Verbindung mit Art. 14 dieser Verordnung gestützt werden. Würde man Art. 14 der Verordnung (EG) Nr. 974/98 auf § 19 Abs. 2 VwVG anwenden, ergäbe sich das Problem, dass Art. 5 Satz 1 der Verordnung (EG) 1103/97 über bestimmte Vorschriften im Zusammenhang mit der Einführung des Euro (ABl. L 162 vom 19. Juni 1997 S. 1) nach einer Umrechnung eines Betrages in der früheren nationalen Währungseinheit auf den Euro nur eine Auf- oder Abrundung auf den nächstliegenden Cent vorsehe. Es sei verfassungsrechtlich zu klären, ob der Festsetzung einer Mahngebühr durch die Beschwerdegegnerin eine mehrfache Rundung zugrunde liegen dürfe. Zudem sei die Beschwerdeführerin vor Festsetzung der Mahngebühr nicht angehört worden. Weiterhin habe es das SG – trotz entsprechender Rüge der Beschwerdeführerin – versäumt, die Legitimation der Beschwerdegegnerin für das vorliegende Verfahren zu prüfen. Es sei fraglich, ob die Beschwerdegegnerin nach ihrer – wenn auch genehmigten – Fusion mit weiteren Krankenkassen zum 1. Januar 2012 wirksam in den vorliegenden Rechtsstreit habe eintreten können. Darüber hinaus sei § 229 Abs. 1 Nr. 5 SGB V verfassungswidrig, weil die dort geregelte Verbeitragung gegen die Eigentumsfreiheit und das Gleibehandlungsgebot verstoße. Im Übrigen werde gerügt, dass der Bescheid vom 24. März 2011 dem Begründungserfordernis des § 35 Abs. 1 Satz 2 SGB X nicht gerecht werde und insbesondere keine Rechtsgrundlage benenne.
Die Beschwerdeführerin beantragt sinngemäß,
die Berufung zuzulassen.
Die Beschwerdegegnerin beantragt sinngemäß,
die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Berufung im Urteil des Sozialgerichts Chemnitz vom 7. August 2012 zurückzuweisen.
Sie trägt vor, die Erhebung der Mahngebühren in DM sei nicht möglich gewesen, weil diese Währung nicht mehr existiere. Sie habe deshalb die Umrechnung in Euro nach dem amtlichen Umrechnungskurs vorgenommen. Im Hinblick auf die von der Beschwerdeführerin genannten Rundungsregelungen werde auf das Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom 12. Juli 2012 (B 14 AS 35/12 R - juris) verwiesen.
Dem Senat haben die Verwaltungsakte der Beschwerdegegnerin sowie die Gerichtsakten beider Rechtszüge vorgelegen, auch zum Verfahren L 1 KR 216/12.
II.
Die Nichtzulassungsbeschwerde ist zulässig (1), aber unbegründet (2).
1. Die Nichtzulassungsbeschwerde ist gemäß § 145 Abs. 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthaft, weil das SG die Berufung nicht zugelassen hat und der Wert des Beschwerdegegenstandes 750,00 EUR nicht übersteigt, so dass das Rechtsmittel der Berufung nicht eröffnet war, sondern der Zulassung durch das SG bedurft hätte. Nach § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 in Verbindung mit Satz 2 SGG bedarf die Berufung der Zulassung in dem Urteil des Sozialgerichts, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes bei einer Klage, die eine Geld- oder Sachleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt betrifft, 750,00 EUR nicht übersteigt und keine wiederkehrenden oder laufenden Leistungen für mehr als ein Jahr betroffen sind. Der Wert des Beschwerdegegenstandes übersteigt vorliegend 750,00 EUR nicht, da die Erhebung eines Säumniszuschlags von 0,50 EUR und einer Mahngebühr von 0,80 EUR im Streit stehen.
2. Zu Recht hat das SG die Berufung nicht zugelassen.
Gründe für die Zulassung der Berufung liegen nicht vor.
Gemäß § 144 Abs. 2 SGG ist die Berufung zuzulassen, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (Nr. 1), das Urteil von einer Entscheidung des LSG, des BSG, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht (Nr. 2) oder ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann (Nr. 3).
a) Eine Rechtssache von grundsätzlicher Bedeutung liegt nicht vor. Eine Rechtssache hat dann grundsätzliche Bedeutung, wenn die Streitsache eine bisher nicht geklärte Rechtsfrage aufwirft, deren Klärung im allgemeinen Interesse liegt, um die Rechtseinheit zu erhalten und die Weiterentwicklung des Rechts zu fördern. Ein Individualinteresse genügt nicht. Die Rechtsfrage muss klärungsbedürftig und klärungsfähig sein (siehe Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Auflage, § 144 Rn. 28). Nicht klärungsbedürftig ist eine Rechtsfrage in der Regel dann, wenn sich die Antwort auf die Rechtsfrage unmittelbar und ohne weiteres aus dem Gesetz ergibt (vgl. Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Auflage, § 160 Rn. 8a). Entsprechendes gilt in der Regel auch dann, wenn die Frage höchstrichterlich entschieden ist (Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Auflage, § 160 Rn. 8).
aa) Soweit die Beschwerdeführerin geltend macht, es fehle an einer Rechtsgrundlage für die Erhebung der Mahngebühr von 0,80 EUR, trifft dies nicht zu. Dies ergibt sich unmittelbar und ohne weiteres aus dem Gesetz. Gemäß § 66 Abs. 1 Satz 1 SGB X gilt für die Vollstreckung zu Gunsten der Behörden des Bundes das VwVG. Voraussetzungen für die Einleitung der Vollstreckung sind gemäß § 3 Abs. 2 VwVG: a) der Leistungsbescheid, durch den der Schuldner zur Leistung aufgefordert worden ist; b) die Fälligkeit der Leistung; c) der Ablauf einer Frist von einer Woche seit Bekanntgabe des Leistungsbescheides oder, wenn die Leistung erst danach fällig wird, der Ablauf einer Frist von einer Woche nach Eintritt der Fälligkeit. § 3 Abs. 3 VwVG bestimmt, dass vor Anordnung der Vollstreckung der Schuldner ferner mit einer Zahlungsfrist von einer weiteren Woche besonders gemahnt werden soll. Nach § 19 Abs. 2 Satz 1 VwVG in der ab 1. Januar 1977 gültigen Fassung des Einführungsgesetzes zur Abgabenordnung (EGAO 1977) vom 14. Dezember 1976 wird für die Mahnung nach § 3 Abs. 3 VwVG eine Mahngebühr erhoben. Sie beträgt 1 v.H. des Mahnbetrages bis 100,00 DM einschließlich, 0,5 v.H. von dem Mehrbetrag, mindestens jedoch 1,50 DM und höchstens 100,00 DM (§ 19 Abs. 2 Satz 2 VwVG). Die Mahngebühr wird auf volle 10 Deutsche Pfennige aufgerundet (§ 19 Abs. 2 Satz 3 VwVG).
Die Rechtsvorgängerin der Beschwerdegegnerin forderte die Beschwerdeführerin durch Bescheid vom 14. Februar 2011 zur Zahlung ihres Krankenversicherungsbeitrags für die Zeit ab 1. Februar 2011 in Höhe von 64,30 EUR auf. Der Beitrag für Februar 2011 war am 15. März 2011 fällig. Gemäß § 23 Abs. 1 Satz 1 SGB IV in Verbindung mit § 17 Abs. 1 Satz 2 der Satzung der Rechtsvorgängerin der Beschwerdegegnerin vom 1. Januar 2010 (Stand: 1. Januar 2011 in der Fassung des 8. Nachtrages) bestimmt sich die Fälligkeit für laufende Beiträge nach § 23 Abs. 1 Sätze 1, 2 und 4 SGB IV. Nach § 23 Abs. 1 Satz 4 SGB IV werden Beiträge – wie die vorliegenden – spätestens am 15. des Monats fällig, der auf den Monat folgt, für den sie zu entrichten sind. Der Widerspruch vom 22. Februar 2011 gegen den Bescheid vom 14. Februar 2011 hatte gemäß § 86a Abs. 2 Nr. 1 SGG keine aufschiebende Wirkung. Die Rechtsvorgängerin hatte auch die in § 3 Abs. 2 Buchstabe c genannte Frist abgewartet.
Für die Mahnung vom 24. März 2011 hat die Rechtsvorgängerin der Beschwerdegegnerin zu Recht einen Betrag von 0,80 EUR festgesetzt. Insoweit wird – abgesehen vom zweiten Absatz auf Seite 5 der Entscheidungsgründe – auf die zutreffenden Ausführungen des SG verwiesen. Soweit die Beschwerdeführerin meint, § 19 Abs. 2 VwVG könne nicht als Rechtsgrundlage für die Erhebung von Mahngebühren in Euro-Beträgen herangezogen werden, trifft dies nicht zu. Erwägung 20 der Verordnung (EG) Nr. 974/98 lautet unter anderem wie folgt:
"Nach dem Ende der Übergangszeit sind Bezugnahmen auf nationale Währungseinheiten in Rechtsinstrumenten, die am Ende der Übergangszeit bestehen, als Bezugnahmen auf die Euro-Einheit entsprechend dem jeweiligen Umrechnungskurs zu verstehen. Daher ist eine materielle Anpassung bestehender Rechtsinstrumente hierzu nicht notwendig. Die in der Verordnung (EG) Nr. 1103/97 festgelegten Rundungsregeln gelten auch für die zum Ende der Übergangszeit oder nach der Übergangszeit vorzunehmenden Umrechnungen."
Nach Art. 1 Buchstabe b der Verordnung (EG) Nr. 974/98 sind "Rechtsinstrumente" im Sinne dieser Verordnung "Rechtsvorschriften, Verwaltungsakte, gerichtliche Entscheidungen, Verträge, einseitige Rechtsgeschäfte, Zahlungsmittel – außer Banknoten und Münzen – sowie sonstige Instrumente mit Rechtswirkung".
Bei § 19 Abs. 2 Satz 2 und 3 VwVG handelt es sich um Rechtsvorschriften. Sie dürfen als Rechtsgrundlage für den Erlass eines Verwaltungsakts – dabei handelt es sich ebenfalls um ein "Rechtsinstrument" – herangezogen werden. Nach Art. 1 der Verordnung (EG) Nr. 2866/98 des Rates vom 31. Dezember 1998 über die Umrechnungskurse zwischen dem Euro und den Währungen der Mitgliedstaaten, die den Euro einführen (ABl. L 359 vom 31. Dezember 1998 S. 1) beträgt der festgelegte Umrechnungskurs zwischen dem Euro und der DM 1,95583. Wird der Betrag von 1,50 DM durch 1,95583 geteilt, ergibt sich ein Betrag von 0,76694 EUR, der gemäß Art. 5 Satz 1 der Verordnung (EG) 1103/97 auf den nächstliegenden Cent auf 0,77 EUR aufzurunden ist. Wenn § 19 Abs. 2 Satz 3 VwVG eine Aufrundung auf volle 10 Deutsche Pfennig vorsieht, ist eine Aufrundung auch schon z.B. bei 0,21 DM auf 0,30 DM vorzunehmen. Jedenfalls bei einem Betrag von 0,77 EUR kann dann nur eine Aufrundung auf 0,80 EUR in Betracht kommen. Offen bleiben kann vorliegend die Frage, wie zu entscheiden wäre, wenn der umgerechnete Rundungsbetrag über einen Wert von 9 Deutsche Pfennig hinausgeht; dies wäre etwa bei einer Aufrundung von 0,74 EUR auf 0,80 EUR der Fall. Diese Frage ist allerdings nicht klärungsbedürftig. Denn in Fällen wie dem vorliegenden, handelt es sich um einen Mindestbetrag von 1,50 DM, so dass eine Rundung im Wert von mehr als 9 Deutschen Pfennigen niemals in Betracht kommen kann.
bb) Soweit die Beschwerdeführerin geltend macht, § 229 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 SGB V sei verfassungswidrig, weil diese Vorschrift gegen den Eigentumsschutz und den Gleichbehandlungsgrundsatz verstoße, steht dem die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG), der sich der erkennende Senat nach eigener Prüfung anschließt, entgegen. Danach ist die Einbeziehung von Renten der betrieblichen Altersversorgung bei der Beitragsbemessung in der gesetzlichen Krankenversicherung im Hinblick auf Art. 14 und 3 Abs. 1 Grundgesetz verfassungsgemäß (BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 6. September 2010 – 1 BvR 739/08 – juris Rn. 10 bis 16; siehe auch BSG, Beschluss vom 8. April 2013 – B 12 KR 55/12 B – juris Rn. 8).
b) Ebenso wenig sind die Voraussetzungen von § 144 Abs. 2 Nr. 2 SGG gegeben. Die Beschwerdeführerin hat Entscheidungen des Sächsischen LSG, des BSG, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts, von welchen das angefochtene Urteil des SG im Sinne von § 144 Abs. 2 Nr. 2 SGG abweichen könnte, nicht benannt. Solche sind für den Senat auch nicht ersichtlich. Soweit sie auf Seite 5 des anwaltlichen Schreibens vom 19. Dezember 2012 Entscheidungen des BSG zitiert hat, betreffen diese die Rechtsfrage eines Beteiligtenwechsels (BSG, Urteil vom 8. November 2001 – B 11 AL 45/01 R – juris Rn. 14 = SozR 3-4100 § 128 Nr. 14, und BSG, Urteil vom 2. September 2004 – B 7 AL 78/03 R – juris Rn. 14 = BSGE 93, 159, 160). Diese Frage ist vorliegend jedoch nicht entscheidungserheblich (dazu sogleich unter c aa).
c) Auch durchgreifende Verfahrensmängel im Sinne von § 144 Abs. 2 Nr. 3 SGG hat die Beschwerdeführerin nicht aufgezeigt. Ein Verfahrensmangel ist ein Verstoß gegen eine Vorschrift, die das sozialgerichtliche Verfahren regelt. Der Mangel bezieht sich nicht auf den sachlichen Inhalt des Urteils, es geht nicht um die Richtigkeit der Entscheidung, sondern um das prozessuale Vorgehen des Gerichts auf dem Weg zum Urteil (Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Auflage, § 144 Rn. 32). Einen Verfahrensmangel stellt insbesondere ein Verstoß gegen die Amtsermittlungspflicht dar, wenn sich das Gericht zu weiteren Ermittlungen aus seiner rechtlichen Sicht hätte gedrängt fühlen müssen (Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Auflage, § 144 Rn. 34), wenn es seine gesetzliche Verpflichtung zur Erforschung des Sachverhaltes also entweder verkannt hat oder ihr nicht nachgekommen ist (vgl. LSG Saarland, Beschluss vom 18.11.2004 – L 6 AL 3/02 NZB – juris Rn. 30).
aa) Soweit die Beschwerdeführerin geltend macht, die Beschwerdegegnerin sei für das vorliegende Verfahren nicht legitimiert, liegen diese Ausführungen neben der Sache. Eine Pflicht zur Amtsermittlung durch das SG konnte dadurch nicht ausgelöst werden. Denn die Fusion der Rechtsvorgängerin der Beschwerdegegnerin mit der BKK Gesundheit und der BKK Axel Springer richtet sich nach § 171a SGB V. Gemäß § 171a Abs. 1 Satz 3 SGB V gilt § 144 Abs. 2 und 4 SGB V entsprechend mit der Maßgabe , dass dem Antrag auf Genehmigung auch eine Erklärung beizufügen ist, welche Kassenartzugehörigkeit aufrechterhalten bleiben soll. Nach § 144 Abs. 4 Satz 2 SGB V tritt die neue Krankenkasse in die Rechte und Pflichten der bisherigen Krankenkassen ein.
bb) Soweit die Beschwerdeführerin geltend macht, sie sei vor Erlass des Bescheides vom 24. März 2011 nicht angehört worden, ist darauf hinzuweisen, dass sich die Beschwerdeführerin in ihrem Widerspruchsschreiben vom 28. März 2011 ausdrücklich gegen die Berechnung von Säumniszuschlägen und Mahngebühren richtete, so dass die Anhörung gemäß § 41 Abs. 1 Nr. 3 SGB X wirksam nachgeholt worden sein dürfte. Selbst wenn man dem nicht folgt, ist vorliegend jedenfalls der Rechtsgedanke des § 170 Abs. 1 Satz 2 SGG heranzuziehen (siehe hierzu Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Auflage, § 160a Rn. 18). Diese Vorschrift lautet:
"Ergeben die Entscheidungsgründe zwar eine Gesetzesverletzung, stellt sich die Entscheidung selbst aber aus anderen Gründen als richtig dar, so ist die Revision ebenfalls zurückzuweisen."
Deshalb ist bei einer von vornherein aussichtslosen Prozessführung in der Regel davon auszugehen, dass die Entscheidung nicht auf dem Verfahrensmangel beruht (Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Auflage, § 144 Rn. 35). So liegt es – wie oben bereits ausgeführt – hier.
cc) Soweit die Beschwerdeführerin geltend macht, der Bescheid vom 24. März 2011 werde dem Begründungserfordernis nicht gerecht und benenne keine Rechtsgrundlage, ist darauf hinzuweisen, dass der Widerspruchsbescheid vom 4. Mai 2011 die Begründung nachholt und insbesondere die Rechtsgrundlagen für die Erhebung von Säumniszuschlägen und Mahngebühren benennt.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
4. Der Beschluss ist nicht mit der Beschwerde zum Bundessozialgericht anfechtbar (§ 177 SGG).
Klotzbücher Schanzenbach Dr. Wietek
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