L 11 R 1175/13

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
11
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 4 R 2181/12
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 11 R 1175/13
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 13.02.2013 und der Bescheid der Beklagten vom 23.08.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 24.04.2012 aufgehoben und festgestellt, dass bezüglich der Tätigkeit der Beigeladenen zu 1) für die Klägerin im Zeitraum 01.07.2005 bis 20.11.2008 keine Versicherungspflicht in der Krankenversicherung, der Pflegeversicherung, der Rentenversicherung und nach dem Recht der Arbeitsförderung bestand.

Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird endgültig auf 5.000 EUR festgesetzt.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Beigeladene zu 1) in der Zeit vom 01.07.2005 bis 20.11.2008 bei der Klägerin sozialversicherungspflichtig beschäftigt war.

Die 1972 geborene Beigeladene zu 1) war vom 01.01.2003 bis 30.06.2005 bei der Klägerin als Art-Direktorin beschäftigt. Sie war in diesem Zeitraum privat krankenversichert. Vom 01.07.2005 bis 20.11.2008 war die Beigeladene zu 1) als Mediengestalterin/Layouterin für die Klägerin tätig. Für diesen Zeitraum meldete die Klägerin die Beigeladene zu 1) nicht zur Sozialversicherung an. Vom 21.11.2008 bis März 2010 bestand wiederum ein sozialversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis bei der Klägerin in Teilzeit.

Am 22.02.2011 beantragte die Beigeladene zu 1) bei der Beklagten die Feststellung des sozialversicherungsrechtlichen Status für ihre Tätigkeit "Mediengestaltung" vom 01.07.2005 bis 20.11.2008. Sie gab im Antrag an, dass bezüglich dieser Tätigkeit kein Unterschied zur vorangegangenen Tätigkeit (als Art-Direktorin) bestanden habe. Die ausgeübte Tätigkeit beschrieb sie wie folgt: Gestaltung, Layout von Büchern, Zeitschriften, Anzeigen; Betreuung der internen und externen Mitarbeiter (Anweisungen an Druckvorstufe, Einarbeiten von Praktikanten und neuen Mitarbeitern, Betreuung der Korrektoren, Verantwortung für Organisation von drei Korrekturgängen und deren Ausführung, Prüfen der Plots vor dem Druck); Kommunikation mit Verlagspartnern. Sie gab an, es hätten Vorgaben bestanden durch das Musterlayout und durch die Seitenpläne, teilweise sei gemeinsam am PC mit einer Mitarbeiterin der Klägerin gearbeitet worden und es habe eine Kontrolle des Layouts anhand der Ausdrucke durch die Klägerin stattgefunden. Ein schriftlicher Vertrag bezüglich der Tätigkeit existierte nicht. Die Beigeladene zu 1) teilte mit, es habe eine Anwesenheitspflicht als Richtlinie und auf Abruf gegeben, insbesondere in der Korrekturphase sowie zu den Besprechungen, und es habe eine Meldepflicht beim Kommen und Gehen bestanden. Sie habe ca je zur Hälfte im Verlag und zu Hause gearbeitet. Sie habe direkten Zugriff von zu Hause zum Firmenserver gehabt, mit der Anweisung, auf diesem zu arbeiten. Die Beigeladene zu 1) war im Besitz einer firmeninternen E-Mail-Adresse. Die Vergütung erfolgte großteils pauschal nach Seiten, teils nach Anzahl der Stunden.

Die Klägerin teilte auf Anfrage der Beklagten mit, dass die Beigeladene zu 1) in ihrer Zeiteinteilung frei gewesen und regelmäßig mit der Gestaltung von Büchern oder Zeitschriftentiteln beauftragt worden sei. Nach Einweisung und Übernahme der Inhalte im Verlag habe sie die Arbeiten entweder in ihrem Grafikbüro oder aber, speziell in der Endgestaltung, im Verlag - hier in enger Abstimmung mit der Redaktion - erledigt. Die inhaltlichen Vorgaben hätten sich der Natur der Sache nach aus den ihr zur Bearbeitung übergebenen Inhalten der Buch- und Zeitschriftentitel, den Wünschen der Chefredaktion und vor allem nach dem Grundlayout der Zeitschriften gerichtet. Festgelegte Arbeitszeiten habe es nicht gegeben, ausgenommen für die erforderlichen Besprechungen und Abstimmungsprozeduren. Entscheidend sei die Erledigung der Arbeiten zu den vorgegebenen Terminen gewesen. Die Tätigkeit als Mediengestalterin sei sowohl von Angestellten als auch anderen freien Mitarbeitern ausgeübt worden.

Mit Schreiben vom 04.07.2011 hörte die Beklagte die Klägerin zur Feststellung einer abhängigen Beschäftigung und zur Versicherungspflicht in allen Zweigen der Sozialversicherung an. Die Klägerin wies nachfolgend noch einmal darauf hin, dass im Anschluss an die Festanstellung die freiberufliche Tätigkeit der Beigeladenen zu 1) ausschließlich auf deren Wunsch hin nach mehr Freiheit, selbst bestimmten Arbeitszeiten und weiteren Auftraggebern erfolgt sei. Ab Herbst 2008 sei wieder eine halbtägige Festanstellung vereinbart worden, weil ab dann ein neuer Auftrag, eine Zeitschriftenreihe für einen anderen Verlag zu produzieren, abgearbeitet werden musste und insoweit keinerlei schöpferische Freiheit mehr bestanden habe. Ab dann sei die Beigeladene zu 1) auch mit der Organisation der Abläufe sowie mit der Kommunikation mit dem Verlagspartner betraut worden.

Mit Bescheiden vom 23.08.2011 gegenüber der Klägerin und der Beigeladenen zu 1) stellte die Beklagte fest, dass die Tätigkeit als Mediengestalterin bei der Klägerin in der Zeit vom 01.07.2005 bis 20.11.2008 im Rahmen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses ausgeübt werde und Versicherungspflicht in der Kranken-, Pflege -und Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung mit dem Tag der Aufnahme der Beschäftigung bestehe.

Im anschließenden Widerspruchsverfahren machte die Klägerin unter Vorlage der Arbeitsplatzbeschreibung und des Arbeitsvertrages geltend, dass eine Vergleichbarkeit der freiberuflichen Tätigkeit mit der zuvor ausgeübten Tätigkeit als Art-Direktorin nicht gegeben sei, da gerade die leitende Funktion nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht mehr fortgesetzt worden sei. Die Beigeladene zu 1) habe auch ein eigenes unternehmerisches Risiko gehabt, da ihre Projektarbeit pauschal pro gestalteter Seite bezahlt worden sei. Sie sei auch in ihrer Arbeitszeit frei gewesen. Termine für Besprechungen im Verlag seien gemeinsam vereinbart worden. Übliche kollegiale und betriebliche Hilfsdienste habe sie nicht verrichtet. Urlaub sei zu keiner Zeit beantragt worden. Jedoch habe die Beigeladene zu 1) die Verlagsleitung über Zeiten informiert, in denen sie aus Urlaubs- oder sonstigen Gründen nicht zur Verfügung stehen würde. Sie habe mit der Verlagsleitung besprochen, zu welchen Zeiten ein Fernbleiben günstig wäre. Dementsprechend seien die Termine geregelt und gegebenenfalls Aufträge als Vertretung an andere externe Layouter vergeben worden.

Die Beigeladene zu 1) führte aus, dass sie im Mai 2005 eine Änderungskündigung mit deutlich niedrigeren Gehalt für die gleiche Arbeit von der Klägerin erhalten habe. Mit anwaltlicher Hilfe sei eine Einigung erfolgt. Dennoch habe die Klägerin ihr dann mitgeteilt, dass am 30.06.2005 ihr letzter Arbeitstag sei. Sie habe sich umgehend arbeitslos gemeldet und ein Tag später sei ihr die freiberufliche Mitarbeit angeboten worden. Die Beigeladene zu 1) hielt an ihren Angaben im Statusantrag fest, machte dazu vertiefende Ausführungen und legte umfangreichen Mailverkehr vor. Sie teilte mit, dass sie viel im Verlag gearbeitet und auch Tätigkeiten wie Telefondienste, Post, Pakete annehmen und unterschreiben, dem Kurierdienst Pakete aushändigen/Quittung entgegennehmen und einsortieren, Hilfsdienste wie Spülmaschine ein- und ausräumen und ähnliches verrichtet habe.

Mit Widerspruchsbescheid vom 24.04.2012 wies die Beklagte den Widerspruch zurück.

Hiergegen hat die Klägerin am 03.05.2012 Klage zum Sozialgericht Freiburg (SG) erhoben und zur Begründung die Ausführungen im Widerspruchsverfahren vertieft. Mit Urteil vom 13.02.2013 hat das SG die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, dass kein Anlass bestehe, an der Richtigkeit der Entscheidung der Beklagten zu zweifeln. Es stehe fest, dass die Beigeladene zu 1) für die Klägerin eine Tätigkeit im Rahmen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses ausgeübt und daher Versicherungspflicht in allen Zweigen der Sozialversicherung bestanden habe.

Gegen das der Klägerbevollmächtigten am 06.03.2013 zugestellte Urteil hat diese am 15.03.2013 Berufung zum Landessozialgericht Baden-Württemberg eingelegt.

Der Senat hat die beteiligten Sozialversicherungsträger zum Verfahren beigeladen und die Sach- und Rechtslage mit den Beteiligten am 21.12.2015 erörtert. In diesem Termin hat die Beigeladene zu 1) für den hier streitgegenständlichen Zeitraum als Krankenkasse die Beigeladene zu 2) gewählt. Der Berichterstatter hat den Beteiligten nachfolgend einen gerichtlichen Vergleichsvorschlag unterbreitet, der von der Beigeladenen zu 2) nicht angenommen worden ist.

Die Klägerin ist der Auffassung, dass es sich bei der Tätigkeit der Beigeladenen zu 1) im hier streitgegenständlichen Zeitraum um eine selbstständige Tätigkeit handle und verweist hierzu auf ihre Ausführungen im Rahmen des Widerspruchsverfahrens und des Klageverfahrens.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 13.02.2013 sowie den Bescheid vom 23.08.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24.04.2012 aufzuheben und festzustellen, dass bezüglich der Tätigkeit der Beigeladenen zu 1) für die Klägerin im Zeitraum 01.07.2005 bis 20.11.2008 keine Versicherungspflicht in der Krankenversicherung, der Pflegeversicherung, der Rentenversicherung und nach dem Recht der Arbeitsförderung bestand.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beigeladenen haben keine Anträge gestellt.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge und die Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die nach den §§ 143, 144, 151 Abs 1 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Klägerin ist statthaft, zulässig und begründet.

Das SG hat die Klage zu Unrecht abgewiesen. Der Bescheid vom 23.08.2011 in der Gestalt der Widerspruchsbescheides vom 24.04.2012 ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten. Für die Tätigkeit der Beigeladenen zu 1) bei der Klägerin in der Zeit vom 01.07.2005 bis 20.11.2008 als Mediengestalterin/Layouterin bestand keine Versicherungspflicht in sämtlichen Zweigen der gesetzlichen Sozialversicherung, da sie nicht abhängig beschäftigt war.

Die angefochtenen Bescheide sind formell rechtmäßig. Sie sind nach erfolgter Anhörung der Beteiligten ergangen. Die Beklagte hat die Anforderungen erfüllt, die das Bundessozialgericht (BSG) an eine Statusfeststellung gem § 7a SGB IV gestellt hat. Danach genügt nicht die losgelöste Entscheidung über das Vorliegen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses, sondern es ist ebenso eine Feststellung zum Vorliegen von Versicherungspflicht zu treffen (BSG 11.03.2009, B 12 R 11/07 R, BSGE 103, 17 = SozR 4-2400 § 7a Nr 2 mit Anmerkung von Plagemann, E-WiR 2009, 689; 04.06.2009, B 12 R 6/08 R; hierzu auch ausführlich Merten, SGb 2010, 271).

Nach § 7a Abs 1 Satz 1 SGB IV in der hier anzuwendenden, seit 01.01.2009 geltenden Fassung des Art 1 Nr 1 des 2. SGB IV ÄndG vom 21.12.2008 (BGBl I 2933) können die Beteiligten schriftlich eine Entscheidung der nach § 7a Abs 1 Satz 3 SGB IV zuständigen Beklagten beantragen, ob eine Beschäftigung vorliegt, es sei denn, die Einzugsstelle oder ein anderer Versicherungsträger hatte im Zeitpunkt der Antragstellung bereits ein Verfahren zur Feststellung einer Beschäftigung eingeleitet. Diese entscheidet aufgrund einer Gesamtwürdigung aller Umstände, ob eine Beschäftigung vorliegt (§ 7a Abs 2 SGB IV). Das Verwaltungsverfahren ist in den Absätzen 3 bis 5 der Vorschrift geregelt. § 7a Abs 6 SGB IV regelt in Abweichung von den einschlägigen Vorschriften der einzelnen Versicherungszweige und des SGB IV den Eintritt der Versicherungspflicht (Satz 1) und die Fälligkeit des Gesamtsozialversicherungsbeitrags (Satz 2). Abs 7 der Vorschrift ordnet die aufschiebende Wirkung von Klage und Widerspruch bezüglich der Fälligkeit der Beiträge an (Satz 1). Mit dem rückwirkend zum 01.01.1999 durch das Gesetz zur Förderung der Selbstständigkeit vom 20.12.1999 (BGBl 2000 I, Seite 2) eingeführten Anfrageverfahren soll eine schnelle und unkomplizierte Möglichkeit zur Klärung der Statusfrage erreicht werden; zugleich sollen divergierende Entscheidungen verhindert werden (BT-Drucks 14/1855, Seite 6).

Einen entsprechenden Antrag auf Statusfeststellung hat die Beigeladene zu 1) am 22.02.2011 gestellt. Ein vorheriges Verfahren zur Feststellung einer Beschäftigung durch einen anderen Versicherungsträger oder die Einzugsstelle ist nicht ersichtlich.

Personen, die gegen Arbeitsentgelt beschäftigt sind, unterlagen im streitgegenständlichen Zeit-raum in der Kranken-, Pflege-, Renten- und Arbeitslosenversicherung der Versicherungs- bzw Beitragspflicht (§ 5 Abs 1 Nr 1 SGB V, § 20 Abs 1 Satz 2 Nr 1 SGB XI, § 1 Satz 1 Nr 1 SGB VI, § 25 Abs 1 SGB III). Beurteilungsmaßstab für das Vorliegen einer abhängigen Beschäftigung ist § 7 Abs 1 Satz 1 SGB IV in der ab 01.01.1999 geltenden Fassung. Danach ist Beschäftigung die nichtselbständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG setzt eine Beschäftigung voraus, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb ist dies der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und er dabei einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt. Diese Weisungsgebundenheit kann - vornehmlich bei Diensten höherer Art - eingeschränkt und zur "funktionsgerecht dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess" verfeinert sein. Demgegenüber ist eine selbstständige Tätigkeit vornehmlich durch das eigene Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet. Ob jemand abhängig beschäftigt oder selbstständig tätig ist, richtet sich ausgehend von den genannten Umständen nach dem Gesamtbild der Arbeitsleistung und hängt davon ab, welche Merkmale überwiegen (zum Ganzen BSG 29.08.2012, B 12 R 25/10 R, BSGE 111, 257 = SozR 4-2400 § 7 Nr 17 mwN).

Nach den genannten Grundsätzen überwiegen zur Überzeugung des Senats in der Zusammen-schau aller Aspekte deutlich die Einzelaspekte, die für eine selbstständige Tätigkeit sprechen, so dass nach dem Gesamtbild der Arbeitsleistung keine abhängige Beschäftigung gegeben ist.

Ausgangspunkt für die Beurteilung ist zunächst das Vertragsverhältnis der Beteiligten, so wie es sich aus den von ihnen getroffenen Vereinbarungen ergibt oder sich aus ihrer gelebten Beziehung erschließen lässt (Senatsurteil vom 18.07.2013, L 11 R 1083/12). Eine im Widerspruch zu ursprünglich getroffenen Vereinbarungen stehende tatsächliche Beziehung und die sich hieraus ergebende Schlussfolgerung auf die tatsächlich gewollte Natur der Rechtsbeziehungen geht der nur formellen Vereinbarung vor, soweit eine - formlose - Abbedingung rechtlich möglich ist. Umgekehrt gilt, dass die Nichtausübung eines Rechts unbeachtlich ist, solange diese Rechtsposition nicht wirksam abbedungen ist. Zu den tatsächlichen Verhältnissen in diesem Sinne gehört daher unabhängig von ihrer Ausübung auch die einem Beteiligten zustehende Rechtsmacht. Maßgeblich ist die Rechtsbeziehung so, wie sie praktiziert wird und die praktizierte Beziehung so, wie sie rechtlich zulässig ist (BSG 29.08.2012, B 12 KR 25/10 R, SozR 4-2400 § 7 Nr 17).

Ein schriftlicher Vertrag über die Tätigkeit der Beigeladenen zu 1) liegt nicht vor, so dass das Vertragsverhältnis aus der gelebten Beziehung abgeleitet werden muss. Nach den Feststellungen des Senats auf der Grundlage der Akten und insbesondere des Vorbringens der Beteiligten war die Beigeladene zu 1) in der Zeit vom 01.07.2005 bis 20.11.2008 bei der Klägerin als Mediengestalterin/Layouterin von Büchern und Zeitschriften tätig. Sie übernahm von der Klägerin Gestaltungsaufträge und betreute diese bis zum Druck. Dabei hatte sie inhaltliche Vorgaben des Verlages, der Kunden, Wünsche der Chefredaktion und das Grundlayout der Zeitschriften zu beachten. Sie arbeitete nach Übergabe des Projektes mit dem Verleger, Art-Direktor und jeweiligen Redakteur zusammen, stimmte sich auch zwischendurch mit diesen sowie in der Endphase eines Projektes auch mit dem Producer ab, dem sie die fertigen Layouts zur Erstellung der Druckdaten zu übermitteln hatte. Sofern ein von ihr gestaltetes Layout kein direktverwertbares Endprodukt darstellte, wurden die Arbeiten und ihr Stand anfangs, zuletzt und gegebenenfalls auch zwischendurch intensiv miteinander besprochen. Die Ausführung der Arbeiten im Bereich Layout wurden von der Redaktion begleitet und kontrolliert. Der Beigeladenen zu 1) stand bei der Klägerin im Verlag ein Arbeitsplatz mit EDV-Ausstattung zur Verfügung. Sie arbeitete regelmäßig in den Räumen des Verlags. Arbeitete sie zu Hause in ihrem eigenen Grafikbüro, bestand ein direkter Zugriff auf den Firmenserver. Sie war zudem im Besitz einer eigenen firmeninternen E-Mail-Adresse, mit der sie sowohl intern als auch extern mit Auftraggebern kommunizierte. Die Beigeladene zu 1) erhielt für ihre Tätigkeiten ein Honorar, dass sich überwiegend aus pauschalen Sätzen je layouteter Seite ergab. In wenigen Einzelfällen wurde nach Stunden abgerechnet (zB Cover) bzw über Pauschalen je Zeichnung. Die Beigeladene zu 1) informierte die Verlagsleitung regelmäßig über die Zeiten, in denen sie aus Urlaubs- oder sonstigen Gründen nicht zur Verfügung stehen konnte und besprach, zu welchen Zeiten ein Fernbleiben günstig wäre. Vor dem hier maßgeblichen Zeitraum war die Beigeladene zu 1) bei der Klägerin als Junior-Art-Direktorin beschäftigt und übernahm zusätzlich zu Layouttätigkeiten auch Projektleitungsaufgaben.

Eine Tätigkeit als Mediengestalterin/Layouterin ist grundsätzlich nicht nur im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses, sondern auch im Rahmen einer freien Mitarbeit (Dienstvertrag) möglich. Für die Statusabgrenzung ist sowohl nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) als auch nach der Rechtsprechung des BSG nicht entscheidend, an wie vielen verschiedenen Vorhaben der Betreffende teilgenommen hat und ob er auch für andere Auftraggeber tätig ist bzw war (BAG 09.10.2002, 5 AZR 405/01). Erforderlich ist selbst im Rahmen eines Dauerrechtsverhältnisses stets eine Bewertung der einzelnen Arbeitseinsätze (BSG, 28.05.2008, B 12 KR 13/07 R). Abzustellen ist daher nur auf die Tätigkeit der Beigeladenen zu 1) für die Klägerin.

Für das Vorliegen einer abhängigen Beschäftigung spricht, dass die Beigeladene zu 1) in gewissem Umfang in die Arbeitsorganisation der Klägerin eingebunden war und inhaltliche Vorgaben der Klägerin bzgl der Art der Ausführung der Tätigkeit beachten musste. Ein Anknüpfungskriterium hierfür ist zunächst, dass die Beigeladene zu 1) häufig im Verlag arbeitete. Für Phasen intensiver Kommunikation der Beigeladenen zu 1) stand im Verlag ein Rechner zur Verfügung. Einen eigenen Arbeitsbereich hatte die Beigeladene zu 1) jedoch nicht, sondern verwendete einen gemeinsam für mehrere Mitarbeiter eingerichteten Arbeitsplatz. Die Einbindung in die Arbeitsorganisation zeigt sich daran, dass die Beigeladene zu 1) im Besitz einer firmeninternen E-Mail-Adresse der Klägerin war und mit dieser intern und extern kommunizierte. Dies entnimmt der Senat den insoweit übereinstimmenden Aussagen der Beteiligten und dem vorgelegten Mailverkehr im Widerspruchsverfahren. Die Beigeladene zu 1) trat demnach auch nach außen als Mitarbeiterin der Klägerin auf und war als solche nach außen nicht als selbstständige Mitarbeiterin erkennbar. Aus dem vorgelegten Mailverkehr ergibt sich auch die tatsächliche Einbindung in den Arbeitsprozess. Ua kommunizierte die Beigeladene zu 1) selbstständig und direkt mit den Auftraggebern.

Die Beigeladene zu 1) unterlag auch inhaltlichen und zeitlichen Vorgaben der Klägerin, die nicht allesamt schon im Vorfeld bei der Auftragsvergabe feststanden. So wurde das gestaltete Layout auch im laufenden Prozess miteinander besprochen. Änderungswünsche der Chefredaktion und der Kunden mussten eingearbeitet werden.

Dabei muss jedoch berücksichtigt werden, dass bezüglich der konkreten Tätigkeit der Klägerin schon aufgrund des üblichen Produktionsprozesses im Verlag inhaltliche, zeitliche und betriebliche Vorgaben der Natur der Sache nach notwendig sind, um das Endprodukt zum vorgesehenen Termin erscheinen zu lassen. Deshalb können sowohl die häufige Anwesenheit im Verlag wie auch die inhaltlichen und zeitlichen Vorgaben alleine keine abhängige Beschäftigung begründen. Gleiches gilt für die Tatsache, dass die Beteiligten günstige Fehlzeiten miteinander abgesprochen haben. Dies ist für eine vertrauensvolle Zusammenarbeit in zeitlich fest definierten Projekten unablässig.

Im Übrigen verrichtete die Beigeladene zu 1) nicht vollumfänglich die gleichen Tätigkeiten, wie sie auch von festangestellten Mitarbeitern der Klägerin ausgeübt wurden. Dies hat insbesondere der Mitarbeiter der Klägerin, Herr B., in der im Widerspruchsverfahren vorgelegten Stellungnahme für den Senat glaubhaft dargestellt. Auch lässt sich alleine aus dem Umstand, dass die Beigeladene zu 1) vor dem hier streitgegenständlichen Zeitraum ebenfalls mit Layouttätigkeiten für die Klägerin abhängig beschäftigt war, nicht auf eine auch nachfolgende abhängige Beschäftigung schließen. Zum einen handelt es sich im hier streitgegenständlichen Zeitraum nicht vollumfänglich um dieselbe Tätigkeiten wie vorher, weil insbesondere die Leitungsaufgaben als Art-Direktorin weggefallen waren. Das ergibt sich auch aus der von der Beigeladenen zu 1) vorgelegten Änderungskündigung. Zum anderen spricht der Umstand, dass die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses zu den geänderten Konditionen gerade nicht zu Stande kam, dafür, dass nachfolgend gerade kein abhängiges Beschäftigungsverhältnis bestand.

Für das Vorliegen einer selbstständigen Tätigkeit spricht entscheidend das Vorhandensein eines erheblichen Unternehmerrisikos und spiegelbildlich erheblichen unternehmerischen Chancen bei der Beigeladenen zu 1). Maßgebendes Kriterium für das Vorliegen eines Unternehmerrisikos ist, ob eigenes Kapital oder die eigene Arbeitskraft auch mit der Gefahr des Verlustes eingesetzt wird, der Erfolg des Einsatzes der sächlichen oder persönlichen Mittel also ungewiss ist. Allerdings ist ein unternehmerisches Risiko nur dann Hinweis auf eine selbstständige Tätigkeit, wenn diesem Risiko auch größere Freiheiten in der Gestaltung und der Bestimmung des Umfangs beim Einsatz der eigenen Arbeitskraft gegenüberstehen (BSG 25.4.2012, B 12 KR 24/10 R, juris). Ein Unternehmerrisiko kann nur dann angenommen werden, wenn eine Gefahr vorliegt, die über diejenige hinausgeht, kein Entgelt zu erzielen. Dies ist der Fall, wenn bei Auftragsmangel nicht nur kein Einkommen erzielt wird, sondern auch zusätzliche Kosten für betriebliche Investitionen brach liegen (LSG Sachsen 04.03.2014, L 5 R 425/12).

Für ein relevantes Unternehmerrisiko im vorliegenden Fall spricht zunächst, dass die Beigeladene zu 1) ein vollausgestattetes Grafikbüro mit der für ihre Layouttätigkeiten notwendigen Hard- und Software an ihrem Arbeitsplatz zu Hause hatte und folglich bei Auftragsmangel betriebliche Investitionen brach gelegen hätten. Sie nutzte das Equipment auch für die hier maßgeblichen Tätigkeiten in nicht nur geringem Umfang.

Entscheidend ins Gewicht fällt hier jedoch für das Vorliegen eines unternehmerischen Risikos die tatsächliche Vergütung der Beigeladenen zu 1). Sie erhielt ausweislich der vorliegenden Rechnungen und der übereinstimmenden Aussagen der Beteiligten überwiegend ein pauschales Honorar je layouter Seite. Damit trug sie ein Unternehmerrisiko bzw hatte umgekehrt die Chance, mit effizienter Auftragserfüllung den Gewinn zu steigern. Sie trug das zeitliche Risiko bezüglich der Dauer ihrer Arbeit bei gleichbleibender Vergütung. Hinzu kommt, dass sie auch tatsächlich in erheblichem Umfang frei über ihre Arbeitskraft verfügen konnte und verfügte. So hat die Beigeladene zu 1) im Verwaltungsverfahren selbst angegeben, dass sie zu ca 50 % von zu Hause aus ihre Tätigkeit ausübte.

Dass keine Arbeitnehmerschutzrechte wie Lohnfortzahlung im Krankheitsfall oder bezahlter Urlaub vereinbart waren, kann weder als Indiz für selbstständige Tätigkeit noch für abhängige Beschäftigung herangezogen werden. Solche Vertragsgestaltungen sind als typisch anzusehen, wenn beide Seiten eine selbstständige freie Mitarbeit wollten.

In der Gesamtabwägung überwiegen nach alledem die Gesichtspunkte, die für eine selbstständige Tätigkeit sprechen. Die Beigeladene zu 1) war deshalb aufgrund ihrer Tätigkeit bei der Klägerin nicht versicherungspflichtig in sämtlichen Zweigen der Gesetzlichen Sozialversicherung.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG iVm § 154 Abs 1 VwGO.

Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 197a Abs 1 Satz 1 Halbsatz 1 SGG iVm § 63 Abs 2 Satz 1, 52 Abs 2, 47 GKG. Nachdem vorliegend keine konkrete Summe im Streit steht und sich eine solche auch nicht ermitteln lässt, bestimmt sich die endgültige Festsetzung des Streitwerts nach dem Auffangstreitwert in Höhe von 5.000 EUR (st Rspr des Senats; siehe dazu Beschluss vom 17.07.2014, L 11 R 2546/14 B).

Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs 2 Nrn 1 und 2 SGG) liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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