L 4 R 1950/14

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 12 R 4571/13
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 4 R 1950/14
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 27. März 2014 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten auch des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt eine Rente wegen Erwerbsminderung ab dem 1. Mai 2011.

Der am 1961 geborene Kläger war seit 1977 bis Oktober 2013 – seit einem Autounfall im Jahre 2005 unterbrochen teils durch längere Zeiten des Krankengeldbezuges – als Maschinenführer in einer Weberei beschäftigt. Das Beschäftigungsverhältnis endete durch Insolvenz des Arbeitgebers. Ab dem 22. Oktober 2013 bezog der Kläger zunächst Krankengeld und zuletzt jedenfalls bis Oktober 2015 Arbeitslosengeld I. Ab dem 1. November 2009 war ein Grad der Behinderung (GdB) von 30 festgestellt, seit dem 4. Februar 2015 ein GdB von 50 (Bescheid des Landratsamtes Waldshut vom 30. Oktober 2015).

In der Zeit vom 7. bis 28. Mai 2010 befand sich der Kläger in den stationärer Rehabilitation im Haus B., B ... Im dortigen Entlassungsbericht vom 1. Juni 2010 diagnostizierte Dr. F. eine Belastungseinschränkung des linken Knies mit Funktionseinschränkung der Patella links bei Zustand nach "flake fracuture" 2005, eine Fußheberparese links bei Verdacht auf Verletzung des Nervus Peronaeus 2005 (DD radikuläre Symptomatik), ein degeneratives Wirbelsäulensyndrom inklusive Bandscheibenvorfall L4/5, L5/S1, einen Zustand nach Fraktur des 12. Brustwirbelkörpers sowie eine depressive Verstimmung. Dem Kläger seien leichte bis mittelschwere körperliche Tätigkeiten überwiegend im Stehen oder Sitzen, zeitweise im Gehen sechs Stunden und mehr täglich zumutbar. Kniebelastende Tätigkeiten sowie dauerhaft gehende Tätigkeiten seien zu vermeiden, Tätigkeiten auf Leitern oder Gerüsten sowie Gehen auf unebenem Boden seien nicht durchführbar.

Am 10. Mai 2011 beantragte der Kläger die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung, zu dessen Begründung er auf gesundheitliche Folgen des Autounfalls 2005 (Strecksehnen-Läsion rechte Hand, Riss/Quetschung linkes Knie, Bandscheibenvorfall, links Fußschwäche, Wirbelsäulensyndrom und depressive Verstimmungen) verwies.

Die Beklagte beauftragte den Orthopäden Dr. R. mit der Erstellung eines Gutachtens, das dieser aufgrund einer Untersuchung am 20. Juni 2011 unter dem 21. Juni 2011 erstattete. Darin diagnostizierte er ein wiederkehrendes Hals- und Lendenwirbelsäulensyndrom bei Bandscheibendegenerationen, einen Zustand nach privatem Unfall vom 5. Mai 2005 mit Restbeschwerden linkes Kniegelenk und rechte Hand sowie Großzehenheberschwäche links. Der Kläger sei noch in der Lage, mittelschwere körperliche Tätigkeiten überwiegend im Stehen, Gehen oder Sitzen mindestens sechs Stunden oder mehr täglich zu verrichten. Lang andauernde Zwangshaltungen sowie häufiges Klettern und Steigen seien nicht leidensgerecht.

Mit Bescheid vom 24. Juni 2011 lehnte die Beklagte den Rentenantrag ab. Den dagegen eingelegten Widerspruch wies der Widerspruchsausschuss der Beklagten mit Widerspruchsbescheid vom 18. Januar 2012 als unbegründet zurück. Er führte die von Dr. R. genannten Diagnosen auf. Aufgrund des Begutachtungsergebnisses liege eine volle oder teilweise Erwerbsminderung nicht vor.

Hiergegen erhob der Kläger am 20. Februar 2012 Klage beim Sozialgericht Freiburg (SG; ursprüngliches Aktenzeichen S 14 R 852/12, nach zwischenzeitlichem Ruhen Wiederaufnahme unter S 12 R 4571/13), zu deren Begründung er ausführte, schon ohne Belastung unter ständigen starken Schmerzen zu leiden und zwar nicht nur wegen der im Widerspruchsbescheid genannten Leiden, sondern zusätzlich wegen beidseitiger Hüft- und Kniebeschwerden. Infolge des Unfalles habe er seinen langjährigen Arbeitsplatz, sein dortiges soziales Umfeld und sein Hobby (Rock ‚n‘ Roll) verloren, was ihn in eine tiefe psychische Krise versetzt habe. Ein Abstellen auf eine rein orthopädische Sicht sei fehlerhaft. Neben Unterlagen zum Unfallgeschehen und einem Attest des behandelnden Orthopäden und Unfallchirurgen Dr. B. vom 20. März 2012 legte er die für den Haftpflichtversicherer erstellten Gutachten des Chirurgen Prof. Dr. Sc. vom 15. Januar 2007 und des Neurologen und Psychiaters Prof. Dr. St. vom 23. Mai 2007 vor. Prof. Dr. Sc. führte unter anderem aus, nach den erhobenen Befunden sei der Kläger grundsätzlich an seinem Arbeitsplatz als Maschinenbediener arbeitsfähig, sofern keine schweren Lasten zu heben seien. Prof. Dr. St. kam zum Ergebnis, aus neurologisch-psychiatrischer Sicht bestehe Arbeitsfähigkeit.

Die Beklagte trat der Klage unter Vorlage einer sozialmedizinischen Stellungnahme der Chirurgin Dr. L. vom 9. Oktober 2013 entgegen. In der während des sozialgerichtlichen Verfahrens durchgeführten Rehabilitationsmaßnahme (dazu nachstehend) sei der Kläger nicht nur orthopädisch, sondern auch psychiatrisch-psychosomatisch mitbetreut und beurteilt worden. Die dortige Leistungseinschätzung bestätige die Auffassung der Beklagten.

In der Zeit vom 29. Mai bis 19. Juni 2013 befand sich der Kläger in den stationärer Rehabilitation in der Z.-Klinik, S. B ... Im dortigen Reha-Entlassungsbericht vom 26. Juni 2013 diagnostizierte Dr. W. ein rezidivierendes Lendenwirbelsäulen-Syndrom bei Zustand nach Bandscheibenvorfall L5/S1, eine Peronaeusparese links, eine chronische Schmerzstörung mit somatischen und psychischen Faktoren, eine Adipositas und eine arterielle Hypertonie. Dem Kläger seien leichte bis mittelschwere körperliche Tätigkeiten überwiegend im Stehen oder Sitzen, zeitweise im Gehen ohne Nachtschicht sechs Stunden und mehr täglich zumutbar. Schweres Heben und Tragen sowie Tätigkeiten mit dauernden Zwangs- und Torsionshaltungen und mit besonderen Anforderungen an die geistig/psychische Belastbarkeit seien ausgeschlossen.

Mit Gerichtsbescheid vom 27. März 2014 wies das SG die Klage ab. Den Einschätzungen von Dr. R. und der Reha-Entlassungsberichte des Dr. F. vom 1. Juni 2010 und des Dr. W. vom 26. Juni 2013 folgend bestehe ein mindestens sechsstündiges Leistungsvermögen für leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt. Von den vom Kläger geltend gemachten psychischen Belastungen sei in dem von ihm vorgelegten Gutachten von Prof. Dr. St. nichts zu lesen. Im Rahmen der letzten medizinischen Rehabilitation seien auch psychotherapeutische Ansätze verfolgt worden; eine ausschließlich orthopädische Bewertung des Leistungsvermögens des Klägers sei daher nicht erfolgt.

Gegen diesen seinem Prozessbevollmächtigten am 2. April 2014 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 2. Mai 2014 Berufung beim Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg eingelegt und zur Begründung über sein bisheriges Vorbringen hinaus ausgeführt, ausweislich des (vorgelegten) Kurzbriefs von Dr. P., M. S.-Klinik, vom 18. September 2013 (über die stationäre Behandlung vom 10. bis zum 19. September 2013) sei der Kläger zwar als arbeitsfähig entlassen worden, ausdrücklich werde jedoch eine psychosomatische Abklärung empfohlen und eine Anhebung des GdB auf 50 angeregt. Die während des Berufungsverfahrens in der Zeit vom 29. Januar bis 26. Februar 2015 durchgeführte Rehabilitationsmaßnahme in den J. Rehakliniken, Abteilung Psychosomatik/Psychotherapie, (dazu unten) habe ein lediglich drei- bis unter sechsstündiges Leistungsvermögen auch für leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt ergeben. Anders als das Gutachten des Facharztes für Innere Medizin, Neurologie, Psychiatrie und Psychotherapie Dr. Sch. (dazu unten) stütze sich diese Leistungsbeurteilung nicht auf eine nur einmalige ambulante Untersuchung, sondern auf die während des längeren Rehaverfahrens gewonnenen Erkenntnisse. Anders als von Dr. Sch. berücksichtigt, sei mittlerweile ein GdB von 50 anerkannt. Neben weiteren, überwiegend älteren medizinischen Unterlagen hat der Kläger des Weiteren einen Arztbrief von Orthopäde und Unfallchirurg Dr. B. vom 16. Juli 2013 (beginnende Hüftarthrose und Degeneration im Bereich der Lendenwirbelsäule) sowie ein Bericht des Psychologischen Psychotherapeuten Dipl.-Psych. K.-R. vom 17. Oktober 2014 (chronifizierte Schmerzstörung, chronifizierte Anpassungsstörung mit starken depressiven Symptomen) vorgelegt.

Der Kläger beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 27. März 2014 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 24. Juni 2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18. Januar 2012 zu verurteilen, ihm ab dem 1. Mai 2011 Rente wegen voller, hilfsweise wegen teilweiser Erwerbsminderung zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält den angefochtenen Gerichtsbescheid für zutreffend. Sie hat die sozialmedizinischen Stellungnahmen von Dr. L. vom 18. Mai 2015 und von Dr. N., Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie, vom 20. Mai 2015 vorgelegt. Dr. N. hat ausgeführt, die Leistungseinschätzung im Reha-Entlassungsbericht des Arztes B. vom 9. März 2015 sei nicht nachvollziehbar. Der mitgeteilte psychopathologische Befund entspreche nicht einer quantitativ leistungsmindernden psychischen Erkrankung. Die behandelnde Klinik vertrete offenbar eine therapeutische Schutzhaltung, ohne eine Konsistenzprüfung der subjektiven Beschwerdeangaben vorzunehmen. Die endgültige sozialmedizinische Entscheidung werde ausdrücklich einem noch anstehenden Gutachten überlassen. Eine antidepressiv wirksame Medikation sei nicht eingesetzt worden, so dass offenbar kein relevantes psychisches Erkrankungsbild vorliege. Dies werde durch das Gutachten von Dr. Sch. bestätigt, dass im Ergebnis die angefochtenen Bescheide rechtfertige. Des Weiteren hat die Beklagte Unterlagen aus der Reha-Akte vorgelegt, u.a. den vollständigen Entlassungsbericht des Prof. Dr. G. vom 17. Oktober 2013 über die stationäre Behandlung vom 10. bis 19. September 2013 und Arztbriefe von Dr. B. vom 16. Juli und 5. September 2013. Prof. Dr. G. hat ausgeführt, der Kläger sei chronischer Schmerzpatient mit multiplen Schmerzen am Bewegungsapparat, Schlafstörungen und sozialen Problemen bei Arbeitslosigkeit nach Insolvenz seines Arbeitgebers. Das komplexe Beschwerdebild habe hohe Anteile von chronifiziertem Schmerz und gegebenenfalls auch depressiven Anteilen. Empfohlen werde eine psychosomatische Abklärung wegen Verdachts auf eine Anpassungsstörung mit depressiver Entwicklung sowie in eine Erhöhung des Grades der Behinderung von 30 auf 50. Der Kläger könne leichte bis mittelschwere Tätigkeiten teils im Gehen, im Stehen und im Sitzen ohne Heben und Tragen schwerer Gegenstände sowie ohne Arbeiten in körperlich und günstigen Positionen sowie auf Leitern und Gerüsten verrichten.

Aufgrund einer nach Aktenlage erstellten "Gutachterlichen Äußerung" von Dr. Ro., Ärztlicher Dienst der Bundesagentur für Arbeit (BA), vom 27. Oktober 2014, in dem ein Leistungsvermögen von unter drei Stunden täglich angenommen worden ist, ist der Kläger von der BA zur Stellung eines Reha-Antrages aufgefordert worden.

Im Reha-Entlassungsbericht vom 9. März 2015 hat Arzt B. folgende Diagnosen gestellt: chronisches Schmerzsyndrom, Anpassungsstörung, länger andauernde Reaktion, Belastungsdefizit linkes Knie, Lumboischialgie und Analphabetentum. Ständiges Stehen und Gehen, Heben und Tragen mittelschwerer Lasten, erhöhte Anforderungen an das Konzentration- und Reaktionsvermögen sowie häufig wechselnde Arbeitszeiten und Nachtschicht seien ausgeschlossen. Leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt seien dem Kläger nur noch drei bis unter sechs Stunden täglich möglich, die letzte Tätigkeit als Maschinenbediener unter drei Stunden. Die endgültige Entscheidung darüber sollte nach dem anstehenden Gutachten erfolgen.

Der Senat hat die Akte des Berufungsverfahrens L 8 SB 4961/12 beigezogen und Dr. Sch. zum Sachverständigen bestellt. Dieser hat in seinem aufgrund einer Untersuchung des Klägers am 14. Juli 2015 unter dem 20. Juli 2015 erstellten Gutachten die Diagnosen eines missmutig-depressiven Syndroms im Sinne einer Dysthymie sowie eines Stotterns gestellt. Dem Kläger seien leichte bis mittelschwere körperliche Tätigkeiten in verschiedenen Arbeitshaltungen ohne Nachtschicht sechs Stunden und mehr täglich zumutbar. Ausgeschlossen seien Tätigkeiten mit vermehrtem Publikumsverkehr, mit vermehrt geistigen oder psychischen Belastungen wie vermehrt emotionalen Belastungen oder erhöhtem Konfliktpotenzial. Wegen der vorbeschriebenen Peronaeusparese sollten die Tätigkeiten nur zu ebener Erde ausgeübt werden. Ausgeschlossen seien das Ersteigen von Treppen, Leitern oder Gerüsten. Eine uneingeschränkte Gang- und Standsicherheit dürfe nicht vorausgesetzt werden. Die Wegefähigkeit sei nicht eingeschränkt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Verfahrensakten des Senats und des SG sowie der Verwaltungsakten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

1. Die nach § 151 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers ist zulässig, insbesondere statthaft gemäß § 144 Abs. 1 Satz 2 SGG, denn der Kläger begehrt laufende Rentenleistungen für mehr als ein Jahr.

2. Streitgegenstand ist das Begehren des Klägers auf Gewährung einer Rente wegen voller, hilfsweise teilweiser Erwerbsminderung. Streitbefangen ist der Bescheid vom 24. Juni 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18. Januar 2012.

3. Die Berufung des Klägers ist nicht begründet. Das SG hat die kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage zu Recht abgewiesen. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Gewährung von Rente wegen voller oder teilweiser Erwerbsminderung ab dem 1. Mai 2011 (vgl. § 99 Abs. 1 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch [SGB VI]).

a) Versicherte haben nach § 43 Abs. 2 Satz 1 SGB VI Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung und nach § 43 Abs. 1 Satz 1 SGB VI Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze (insoweit mit Wirkung zum 1. Januar 2008 geändert durch Artikel 1 Nr. 12 RV-Altersgrenzenanpassungsgesetz vom 20. April 2007, BGBl. I, S. 554), wenn sie voll bzw. teilweise erwerbsgemindert sind (Nr. 1), in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben (Nr. 2) und vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben (Nr. 3). Voll erwerbsgemindert sind nach § 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außer Stande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Teilweise erwerbsgemindert sind nach § 43 Abs. 1 Satz 2 SGB VI Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außer Stande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Sowohl für die Rente wegen teilweiser als auch für die Rente wegen voller Erwerbsminderung ist Voraussetzung, dass die Erwerbsfähigkeit durch Krankheit oder Behinderung gemindert sein muss. Entscheidend ist darauf abzustellen, in welchem Umfang ein Versicherter durch Krankheit oder Behinderung in seiner körperlichen und geistigen Leistungsfähigkeit beeinträchtigt wird und in welchem Umfang sich eine Leistungsminderung auf die Fähigkeit, erwerbstätig zu sein, auswirkt. Bei einem Leistungsvermögen, das dauerhaft eine Beschäftigung von mindestens sechs Stunden täglich bezogen auf eine Fünf-Tage-Woche ermöglicht, liegt keine Erwerbsminderung im Sinne des § 43 Abs. 1 und Abs. 2 SGB VI vor. Wer noch sechs Stunden unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts arbeiten kann, ist nicht erwerbsgemindert; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen (§ 43 Abs. 3 SGB VI).

b) Nach diesen Maßstäben steht für den Senat aufgrund der im Verwaltungs- und Gerichtsverfahren durchgeführten Beweisaufnahme fest, dass der Kläger in der Lage ist, zumindest leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes wenigstens sechs Stunden täglich zu verrichten. Zwar liegen beim Kläger gesundheitliche und daraus resultierende funktionelle Einschränkungen vor. Diese mindern seine berufliche Leistungsfähigkeit jedoch nur in qualitativer, nicht aber in quantitativer Hinsicht.

(1) Beim Kläger besteht auf orthopädischem Fachgebiet zunächst ein rezidivierendes Wirbelsäulensyndrom mit vorwiegender Betroffenheit der Lendenwirbelsäule bei degenerativen Veränderungen und Bandscheibenvorfällen L3/4 und L5/S1. Dies entnimmt der Senat den Reha-Entlassungsberichten des Dr. F. vom 1. Juni 2010, des Dr. W. vom 26. Juni 2013 und des Arztes B. vom 9. März 2015, dem bereits im Verwaltungsverfahren eingeholten orthopädischen Gutachten von Dr. R. und dem Entlassungsbericht des Prof. Dr. G. vom 17. Oktober 2013, die der Senat alle im Wege des Urkundsbeweises verwerten konnte (vgl. etwa Bundessozialgericht [BSG], Beschluss vom 14. November 2013 – B 9 SB 10/13 B – juris, Rn. 6; BSG, Urteil vom 5. Februar 2008 – B 2 U 8/07 R – juris, Rn. 51). Wiederholt wurde diesbezüglich eine Hypästhesie im Dermatom L5 und S1 beschrieben (Reha-Entlassungsberichte des Dr. W. vom 26. Juni 2013 und des Arztes B. vom 9. März 2015, Entlassungsbericht des Prof. Dr. G. vom 17. Oktober 2013). Das Zeichen nach Lasègue wurde durchgehend beidseits als negativ erhoben. Soweit im Entlassungsbericht des Prof. Dr. G. dieses Zeichen links als fraglich positiv angegeben wurde, wurde jedenfalls der Aufsitz-Lasègue insoweit als negativ berichtet. Signifikante Bewegungs- oder Entfaltbarkeitsstörungen werden in keinem der genannten Berichte dargestellt, auch nicht in den Arztbriefen von Dr. B. vom 20. März 2012 und 5. September 2013; die in seinem Arztbrief vom 16. Juli 2013 angegebene Bewegungsstörung lumbal und lumbosakral wird nicht näher quantifiziert. Der - spätere - Entlassungsbericht des Prof. Dr. G. beschreibt eine schmerzbedingte Einschränkung der Beweglichkeit der Rumpfwirbelsäule; ein Finger-Boden-Abstand von 40 cm wurde noch erreicht. Die Angaben von Dr. B. in den Arztbriefen vom 16. Juli und 5. September 2013, dass Parästhesien im rechten Bein bestünden und alle Reflexe der unteren Extremitäten nicht auslösbar seien, wurden in den nachfolgenden Untersuchungen in der M. S.-Klinik, den J.-bad. Rehakliniken und bei Dr. Sch. nicht bestätigt. Signifikante Funktionsbeeinträchtigungen der Halswirbelsäule werden übereinstimmend nicht berichtet.

Zu beachten ist daneben eine Fußheberschwäche links. Im Reha-Entlassungsbericht des Dr. W. vom 26. Juni 2013 wird hierzu eine Peronaeusparese links angegeben, im Entlassungsbericht des Prof. Dr. G. vom 17. Oktober 2013 eine unklare Ätiologie. Aufgrund der dort durchgeführten Elektrophysiologie konnte kein Hinweis auf eine periphere Nervenschädigung als Ursache gefunden werden. Im neurologischen Befund fand sich jedoch eine Großzehen- und Fußheberschwäche vom Muskelgrad 4/5. Auch im Reha-Entlassungsbericht des Arztes B. vom 9. März 2015 wird im neurologischen Befund eine Fußheberschwäche angegeben, allerdings nicht unter den relevanten Diagnosen geführt. Dr. Sch. konnte eine relevante linksseitige Peronaeusparese zum Zeitpunkt seiner Untersuchung nicht ausreichend objektivieren. Bei der dortigen technischen Untersuchung zeigte sich in den somatosensibel evozierten Potentialen (SEP) ein formal mit einer inkompletten Läsion im Bereich des Peronaeusnervs vereinbarer Befund, bei der motorischen Nervenleitgeschwindigkeit hingegen ein unauffälliger. Die bei der dortigen Untersuchung intermittierend auftretende Aggravation bzw. Simulation des Klägers auch bei Erhebung des neurologischen Befundes schränkte die sichere Beurteilbarkeit tatsächlich vorhandener Läsionen aber ein. Der Senat geht zugunsten des Klägers jedoch - insoweit auch in Übereinstimmung mit Dr. Sch. - vom Vorliegen dieses Krankheitsbildes aus. Auf dessen Ursache kommt es im Rahmen der hier relevanten Prüfung der Erwerbsminderung nicht an. Allerdings ist bei der Ausprägung der Störung zu beachten, dass sich nach dem von Dr. Sch. erhobenen Befund kein Anhalt für eine korrespondierende Muskelatrophie im linken Bein bot. Bereits im Entlassungsbericht des Prof. Dr. G. vom 17. Oktober 2013 wird ausdrücklich auf ein zur Großzehen- und Fußheberschwäche diskrepantes beidseits kräftiges Muskelrelief der Wadenmuskulatur verwiesen. Anschaulich hat Dr. Sch. darauf hingewiesen, dass auch ein sog. Steppergang, wie er üblicherweise bei einer relevanten Peronaeusparese auftritt, nicht vorlag.

Restbeschwerden bestehen am linken Bein aber noch seitens des Kniegelenks. Dies entnimmt der Senat dem Gutachten von Dr. R., den Reha-Entlassungsberichten des Dr. W. vom 26. Juni 2013 und des Arztes B. vom 9. März 2015 sowie dem Entlassungsbericht des Prof. Dr. G. vom 17. Oktober 2013. In Letzterem wird eine Chondropathia patellae links nach Patellafraktur beschrieben. Es bestand eine starke Druckdolenz im Bereich von medialem Gelenkspalt und Patella mit wahrscheinlich leicht subpatillärem Erguss. Die Beweglichkeit war aber (in beiden Knien) gut erhalten. Dies stimmt mit dem im Reha-Entlassungsbericht des Dr. W. vom 26. Juni 2013 wiedergegebenen Befund überein. Auch im Reha-Entlassungsbericht des Arztes B. vom 9. März 2015 wird eine Bewegungseinschränkung nicht beschrieben. Relevante Funktionsbeeinträchtigungen der Hüftgelenke sind weder dem Gutachten von Dr. R. noch den Reha-Entlassungsberichten des Dr. W. und des Arztes B. noch dem Entlassungsbericht des Prof. Dr. G. zu entnehmen. Die Funktionsfähigkeit der rechten Hand ist trotz der 2005 erlittenen Strecksehnenverletzung zweier Langfinger erhalten. Der Senat entnimmt dies den ausführlich dargestellten Befunden im Gutachten von Dr. R ... Abweichende Befunde wurden diesbezüglich auch später nicht erhoben. Dr. Sch. bestätigt ausdrücklich die unbeeinträchtigte Feinmotorik der Hände.

Auf psychiatrischem Fachgebiet besteht beim Kläger ein depressives Syndrom im Sinne einer Dysthymie. Dies entnimmt der Senat dem Gutachten von Dr. Sch., der anhand der ausführlich erhobenen und dargestellten Befunde diese Diagnose überzeugend begründet hat. So zeigte sich beim Kläger im psychopathologischen Befund keine Antriebsminderung oder gar psychomotorische Hemmung. Dieser war geistig gut flexibel. Kognitive oder mnestische Defizite konnte nicht erhoben werden. In der Grundstimmung wirkte der Kläger subdepressiv bzw. missgestimmt. Die affektive Resonanzfähigkeit war eingeschränkt und zum negativen Pol hin verschoben. Eine tiefgehende oder vitale depressive Stimmungslage zeigte sich jedoch nicht. Der Kläger verfügt noch über einen Freundes- und Bekanntenkreis. Eine vermehrte Einschlafneigung tagsüber oder Tagesmüdigkeit wurden ausdrücklich verneint. Der Einschätzung des behandelnden Psychotherapeuten Dipl.-Psych. K.-R. in seinem Bericht an den Hausarzt vom 17. Oktober 2014, wonach eine chronifizierte Anpassungsstörung mit starken depressiven Symptomen vorliege, vermag der Senat nicht zu folgen. Denn Dipl.-Psych. K.-R. hat keine Befunde mitgeteilt, die diese Einschätzung untermauern könnten. Vielmehr hat Dr. Sch. nachvollziehbar darauf hingewiesen, dass die dort erfolgende Behandlung mit Terminen alle zwei bis drei Monate sehr niederfrequent und zur Behandlung gravierender psychischer Erkrankungen nicht geeignet ist. Eine nervenärztliche Behandlung wird ebenfalls nicht in Anspruch genommen. Der im Reha-Entlassungsbericht des Arztes B. vom 9. März 2015 wiedergegebene psychische Befund entspricht weitgehend dem von Dr. Sch. erhobenen. Hinweise auf kognitiv-mnestische Einschränkungen werden ausdrücklich verneint. Die Stimmung war auch hier zum depressiven Pol verschoben, die Schwingungsfähigkeit jedoch erhalten. Soweit der Antrieb als eingeschränkt angegeben wurde, ist dies anhand der Therapieaktivitäten nicht nachvollziehbar. Darüber hinaus hat bereits Dr. N. in seiner Stellungnahme vom 20. Mai 2015 für den Senat nachvollziehbar darauf hingewiesen, dass keine antidepressiv wirksame Medikation eingesetzt worden sei, so dass nicht von einem relevanten psychischen Erkrankungsbild ausgegangen werden kann.

Eine eigenständige Somatisierungsstörung oder somatoforme Schmerzstörung liegt nicht vor. Für den Senat überzeugend hat Dr. Sch. dargelegt, dass gegen eine manifeste Somatisierung beim Kläger bereits spricht, dass es nicht zu einer Ausbreitung der Schmerzen auf andere Körpersysteme im Sinne eines so genannten "Chronic Widespread Pain" gekommen ist. Verschiedene körperliche Beschwerdekomplexe, die sich bei somatoformen Störungen immer wieder finden, liegen beim Kläger nicht vor. Für bewusstseinsferne psychische Faktoren, die von der Ausprägung her die Diagnose einer anhaltenden somatoformen Schmerzstörung rechtfertigen würden, ergibt sich danach kein ausreichender Anhalt. Der Schmerz ist beim Kläger nicht Leitsymptom bzw. wesentliches Symptom einer psychischen Erkrankung. Der Senat geht jedoch zugunsten des Klägers davon aus, dass eine chronische Schmerzstörung mit somatischen und psychischen Faktoren vorliegt. Diese Diagnose hat bereits Dr. W. im Reha-Entlassungsbericht vom 26. Juni 2013 gestellt. Der Reha-Entlassungsbericht des Arztes B. vom 9. März 2015 gibt in der Diagnoseliste insoweit ein chronisches Schmerzsyndrom an. Die Kodierung mit F45.41 nach ICD-10-GM entspricht aber gerade der einer chronischen Schmerzstörung mit somatischen und psychischen Faktoren. Dr. Sch. hat eine solche als selbständige Diagnose nicht aufgeführt, sie aber auch nicht ausgeschlossen. Vielmehr träfen seiner Ansicht nach deren Diagnosekriterien auf jede Person mit einem Entschädigungs- oder Rentenbegehren zu, die Schmerzen geltend mache, so auch beim Kläger.

Darüber hinaus liegt beim Kläger, wie dem Gutachten von Dr. Sch. zu entnehmen ist, ein Stottern vor. Ob der von Arzt B. angenommene Analphabetismus beim Kläger tatsächlich besteht, was dieser gegenüber Dr. Sch. ausdrücklich bestritten hat, kann offenbleiben. Denn Auswirkungen auf den Rentenanspruch hat dies nicht (dazu unten).

(2) Aus dem beim Kläger als relevant zu berücksichtigenden Gesundheitsstörungen ergeben sich nach Ansicht des Senats qualitative Einschränkungen. Der Senat stützt sich insoweit auf die Gutachten von Dr. Sch. und Dr. R., die Reha-Entlassungsberichte des Dr. F. vom 1. Juni 2010, des Dr. W. vom 26. Juni 2013 und des Arztes B. vom 9. März 2015 sowie den Entlassungsbericht des Prof. Dr. G. vom 17. Oktober 2013. Aufgrund der orthopädischen Gesundheitsstörungen sind nur noch Arbeiten in wechselnden Arbeitshaltungen in dem Sinne zumutbar, als ständiges Gehen, Stehen oder Sitzen ausgeschlossen ist. Gleiches gilt für langandauernde Zwangshaltungen, das ständige Heben und Tragen mittelschwerer oder das gelegentliche schwerer Lasten. Wegen der Funktionsbeeinträchtigung und Belastungsminderung des linken Beines nicht mehr leidensgerecht sind Tätigkeiten mit Arbeiten auf oder mit dem Ersteigen von Treppen, Leitern oder Gerüsten sowie mit besonderen Anforderungen an die Gang- und Standsicherheit. Wegen der psychischen Gesundheitsstörungen und des Stotterns sind Tätigkeiten mit vermehrtem Publikumsverkehr, mit vermehrt geistigen oder psychischen Belastungen wie vermehrt emotionalen Belastungen oder erhöhtem Konfliktpotenzial sowie Arbeiten in Nachtschicht ausgeschlossen.

(3) Die beim Kläger als rentenrelevant zu berücksichtigen Gesundheitsstörungen führen jedoch nicht zu einem Absinken des tatsächlichen Restleistungsvermögens auf ein unter sechsstündiges Maß; der Kläger ist weiterhin in der Lage, zumindest leichte Tätigkeiten sechs Stunden und mehr täglich auszuüben. Der Senat stützt sich auch insoweit auf die Gutachten von Dr. Sch. und Dr. R., die Reha-Entlassungsberichte des Dr. F. vom 1. Juni 2010 und des Dr. W. vom 26. Juni 2013 sowie den Entlassungsbericht des Prof. Dr. G. vom 17. Oktober 2013. In Letzterem wird in Ansehung der orthopädischen Gesundheitsstörungen ausdrücklich ein vollschichtiges Leistungsvermögens des Klägers für leichte bis mittelschwere Tätigkeiten beschrieben. Dies stimmt mit den Bewertungen der genannten Reha-Entlassungsberichte und dem Gutachten von Dr. R. überein. Zweifel an dieser Einschätzung ergeben sich auch nicht aus dem Reha-Entlassungsbericht des Arztes B. vom 9. März 2015. Auch darin wird den orthopädisch bedingten Funktionsbeeinträchtigungen lediglich durch die genannten qualitativen Ausschlüsse Rechnung getragen. Die psychischen Gesundheitsstörungen rechtfertigen - auch in der Zusammenschau mit den orthopädischen - keine Einschränkung auf ein unter sechsstündiges Leistungsvermögen. Der Senat folgt insoweit der Einschätzung von Dr. Sch., die schon im Reha-Entlassungsbericht des Dr. W. vom 26. Juni 2013 in gleicher Weise erfolgte. Bereits in dieser war die psychische Schmerzsituation des Klägers erfasst worden. Wie das SG zutreffend ausgeführt hat, erfolgte die dortige Behandlung und Bewertung nicht unter rein orthopädischen Gesichtspunkten. Dies kommt auch in der ausdrücklich als Diagnose aufgeführten chronischen Schmerzstörung mit somatischen und psychischen Faktoren zum Ausdruck. Überzeugend und in Übereinstimmung mit den von ihm erhobenen Befunden hat Dr. Sch. begründet, dass sich eine zeitliche Einschränkung des Leistungsvermögens bezogen auf eine leichte Tätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt nicht rechtfertigen lässt. Der Kläger wies eine sehr gute geistige Flexibilität auf. Kognitive Defizite relevanten Ausmaßes lagen nicht vor. Eine Antriebsminderung oder gar psychomotorische Hemmung zeigte sich nicht. Trotz der psychischen Symptomatik ist der Kläger – bei zumutbarer Willensanstrengung – in der Lage, seinen Tagesablauf angemessen bzw. den Anforderungen entsprechend zu strukturieren. Weder aus der Aktenlage, der Anamnese noch den Untersuchungsbefund ergab sich ein ausreichender Grund für die Annahme einer Einschränkung des Durchhaltevermögens. Eine weitgehende, objektivierbare oder ausreichend begründbare Einschränkung der Fähigkeit zur Teilhabe an den Aktivitäten des täglichen Lebens (z.B. in den Bereichen Mobilität, Selbstversorgung, Kommunikation, Konzentrationsfähigkeit, Antrieb, Interesse und Aufmerksamkeit) lagen nach schlüssiger Darstellung von Dr. Sch. nicht vor. Eine vermehrte Einschlafneigung tagsüber oder eine Tagesmüdigkeit hat der Kläger diesem gegenüber selbst verneint. In der Gutachtensituation war eine auffallende Erschöpfbarkeit nicht zu erkennen. Im EEG zeigten sich keine Vigilanzschwankungen oder gar minderungen.

Der abweichenden Leistungseinschätzung des Arztes B. im Reha-Entlassungsbericht vom 9. März 2015 vermochte der Senat nicht zu folgen. So ist bereits nicht nachvollziehbar, weshalb eine offenbar definitive Aussage zur Leistungsfähigkeit des Klägers auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt (drei bis unter sechs Stunden) getroffen werden kann, die - medizinische - Leistungseinschätzung zum bisherigen Beruf als Maschinenbediener jedoch einem späteren Gutachten vorbehalten bleiben soll. Sowohl in den Entlassungsbefund als auch in die sozialmedizinische Epikrise sind deutlich subjektive Elemente eingeflossen. So wird vermerkt, der Kläger "fühle sich" in der Konzentrationsfähigkeit eingeschränkt; er "fühle sich" nur unwesentlich kräftiger und ausdauernder. Der Kläger habe von körperlichen und psychischen Belastungen durch Schmerzen "berichtet". Soweit weiter ausgeführt wird, dies habe letztlich dazu geführt, dass der Kläger nicht mehr am Arbeits- und Alltagsleben habe teilhaben können, ist nicht erkennbar, inwieweit es sich hierbei um Feststellungen der behandelnden Ärzte oder subjektive Einschätzungen des Klägers handeln soll. Zu Recht hat Dr. N. in der beratungsärztlichen Stellungnahme darauf hingewiesen, dass eine notwendige Konsistenzprüfung (vgl. Knittel, SGb 2016, 124, 126) der Angaben des Klägers offenbar nicht erfolgt ist. Eine solche ist jedoch gerade bei Schmerzangaben im Rahmen eines Rentenverfahrens notwendig. So hat Dr. Sch. zutreffend auf das so genannte "therapeutische Dilemma" hingewiesen, wonach eine Besserung des körperlichen und seelischen Befindens bzw. der Schmerzen diametral der Gewährung der begehrten Rente entgegenstehe. Diese Problematik wird von Arzt B. im Reha-Entlassungsbericht vom 9. März 2015 nicht erkennbar berücksichtigt, jedenfalls in der Bewertung des Leistungsvermögens nicht erörtert. Verhaltensbeobachtungen werden nicht mitgeteilt. Dagegen berichtete Dr. Sch., dass in der dortigen Gutachtensituation der starke Eindruck entstanden war, dass das laufende Rentenverfahren, aber auch das Verfahren hinsichtlich eines Schmerzensgeldes aus dem Unfallgeschehen einen symptomunterhaltenden Effekt auf das psychische Befinden des Klägers hat. Wiederholt zeigten sich bei der Begutachtung durch Dr. Sch. konkrete Hinweise auf eine Aggravation oder Simulation von Beschwerden. Bei der Prüfung der Einzelkraftgrade am linken Unterschenkel bzw. linken Fuß bestand eine wechselnde Innervation. Das demonstrierte Gangbild war mit neurologischen Krankheitsbildern so nicht vereinbar. Beim Knie-Hacke-Versuch setzte der Kläger die Hacken am unteren Unterschenkeldrittel an, was wiederum nicht mit dem Gangbild in Einklang zu bringen war. Im Gegensatz zu der angegebenen Vergesslichkeit waren einige anamnestische Angaben sehr detailliert. Während die Schmerzen bei der Begutachtung als nahezu unerträglich angegeben wurden, zeigte sich nach der Darstellung von Dr. Sch. eine Diskrepanz zum offensichtlichen Leidensdruck. Trotz der berichteten Ein- und Durchschlafstörungen besteht keine Tagesmüdigkeit oder vermehrte Einschlafneigung tagsüber. Eine spezifische Schmerztherapie wird nicht durchgeführt. Die therapeutischen Maßnahmen beschränken sich auf die Einnahme eines Analgetikums. Die allein nach Aktenlage erfolgte Beurteilung des Leistungsvermögens durch Dr. Ro., Ärztlicher Dienst der BA, ist nicht näher begründet worden und im Hinblick auf die tatsächlich erhobenen Befunde aus den o.g. Gründen nicht nachvollziehbar.

(4) Ob dem Kläger ein Arbeitsplatz vermittelt werden kann oder nicht, ist für den geltend gemachten Anspruch auf Rente wegen Erwerbsminderung nicht erheblich. Die jeweilige Arbeitsmarktlage ist nicht zu berücksichtigen (§ 43 Abs. 3 SGB VI). Maßgebend ist, ob der Kläger mit dem ihm verbliebenen Restleistungsvermögen – wenn auch mit qualitativen Einschränkungen – in der Lage ist, zumindest körperlich leichte Tätigkeiten arbeitstäglich für mindestens sechs Stunden zu verrichten, sie also in diesem zeitlichen Umfang unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts erwerbstätig sein kann, wovon im Regelfall ausgegangen werden kann (vgl. z.B. BSG, Urteil vom 19. Oktober 2010 – B 13 R 78/09 R – juris, Rn. 31). Dies bejaht der Senat wie zuvor dargelegt.

(5) Eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen oder eine schwere spezifische Leistungsbehinderung liegen nicht vor. In einem solchen Fall kann der Arbeitsmarkt selbst bei einem noch vorhandenen sechsstündigen Leistungsvermögen ausnahmsweise als verschlossen gelten (siehe – auch zum Folgenden – etwa Urteil des Senats vom 21. November 2014 – L 4 R 4797/13 – nicht veröffentlicht). Dem liegt der Gedanke zugrunde, dass eine Verweisung auf noch vorhandenes Restleistungsvermögen nur dann möglich ist, wenn nicht nur die theoretische Möglichkeit besteht, einen entsprechenden Arbeitsplatz zu erhalten.

Dies ist hier nicht der Fall. Die qualitativen Leistungseinschränkungen des Klägers (siehe oben) sind nicht als ungewöhnlich zu bezeichnen. Darin ist weder eine schwere spezifische Leistungsbehinderung noch eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen zu sehen. Eine schwere spezifische Leistungsbehinderung liegt nur vor, wenn bereits eine erhebliche (krankheitsbedingte) Behinderung ein weites Feld von Verweisungsmöglichkeiten versperrt. Hierzu können – unter besonderer Berücksichtigung der jeweiligen Einzelfallumstände – beispielsweise Einäugigkeit, Einarmigkeit und Einschränkungen der Arm- und Handbeweglichkeit sowie besondere Schwierigkeiten hinsichtlich der Gewöhnung und Anpassung an einen neuen Arbeitsplatz zählen (vgl. BSG, Urteil vom 9. Mai 2012 – B 5 R 68/11 R – juris, Rn. 28 m.w.N.). Keine dieser Fallkonstellationen ist beim Kläger vorhanden. Ein nicht auf einer gesundheitlichen Störung beruhender Analphabetismus stellt keine schwere spezifische Leistungseinschränkung dar (BSG, Urteil vom 9. Mai 2012 - B 5 R 68/11 R - juris Rn. 28).

(6) Auch die Wegefähigkeit des Klägers war und ist gegeben. Neben der zeitlich ausreichenden Einsetzbarkeit eines Versicherten am Arbeitsplatz gehört zur Erwerbsfähigkeit auch das Vermögen, eine Arbeitsstelle in zumutbarer Zeit aufsuchen zu können. Das BSG hat dieses Vermögen nur dann für gegeben erachtet, wenn es dem Versicherten möglich ist, Entfernungen von über 500 Metern zu Fuß zurückzulegen, weil davon auszugehen ist, dass derartige Wegstrecken üblicherweise erforderlich sind, um Arbeitsstellen oder Haltestellen eines öffentlichen Verkehrsmittels zu erreichen (zum Ganzen z.B. BSG, Urteil vom 17. Dezember 1991 – 13/5 RJ 73/90 – juris, Rn. 16 ff.; Urteil vom 12. Dezember 2011 – B 13 R 21/10 R – juris, Rn. 21 f.; Urteil vom 12. Dezember 2011 – B 13 R 79/11 R – juris, Rn. 19 f.). Der Kläger ist in der Lage, eine Gehstrecke von 500 Metern viermal in weniger als 20 Minuten täglich zurückzulegen und öffentliche Verkehrsmittel zu benutzen. Aus den ärztlichen Äußerungen ergeben sich keine Befunde, die für eine unter den genannten Maßstäben eingeschränkte Gehfähigkeit des Klägers sprechen. Zwar besteht eine Belastungsminderung des linken Knies und eine ebenfalls linksseitige Fußheberschwäche. Diese sind aber nicht solchen Ausmaßes, dass sie die Wegefähigkeit des Klägers im erforderlichen Maße einschränkten. Dies entnimmt der Senat den überzeugenden Ausführungen im Gutachten von Dr. Sch ... Dieser hat darauf hingewiesen, dass das demonstrierte Gangbild nicht neurologischen Krankheitsbildern entspricht und der Kläger in der Lage war, mit öffentlichen Verkehrsmitteln alleine von seinem Wohnort in Wehr zur Begutachtung nach Mannheim anzureisen. Im Übrigen ist er im Alltag mit seinem Pkw uneingeschränkt mobil.

(7) Aus der Anerkennung eines Grades der Behinderung von 50 folgt ebenfalls nicht, dass der Kläger erwerbsgemindert wäre. Zwischen der Schwerbehinderung nach dem Sozialgesetzbuch Neuntes Buch (SGB IX) und der Erwerbsminderung nach dem SGB VI besteht keine Wechsel-wirkung, da die gesetzlichen Voraussetzungen unterschiedlich sind (BSG, Beschluss vom 8. August 2001 - B 9 SB 5/01 B -, juris, Rn. 5; BSG, Beschluss vom 9. Dezember 1987 - 5b BJ 156/87 , juris, Rn. 3).

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 Satz 1, Abs. 4 SGG.

5. Die Revision war nicht zuzulassen, da Gründe hierfür (vgl. § 160 Abs. 2 SGG) nicht vorliegen.
Rechtskraft
Aus
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