L 11 R 2794/15

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
11
1. Instanz
SG Reutlingen (BWB)
Aktenzeichen
S 8 R 1609/13
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 11 R 2794/15
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung der Beklagten wird der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Reutlingen vom 03.06.2015 abgeändert und die Klage vollumfänglich abgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.

Der Streitwert wird auf 5.000 EUR festgesetzt.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist noch streitig, ob der Beigeladene zu 1) im Zeitraum vom 02.01.2013 bis 31.05.2014 bei der Klägerin abhängig beschäftigt gewesen ist und ob Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung und nach dem Recht der Arbeitsförderung bestanden hat.

Die Klägerin ist eine 1989 gegründete GmbH, die Abbrucharbeiten, vorwiegend Beton-Abbrucharbeiten durchführt. Am Stammkapital von DM 50.000,00 (Bl 15 Verwaltungsakte) bzw ab 21.02.2003 26.000,00 EUR (Bl 21 Verwaltungsakte) war der 1964 geborene Beigeladene zu 1) von Anfang an als Gesellschafter-Geschäftsführer mit einem Anteil von 50 % beteiligt.

Mit notariellem Vertrag vom 13.11.2009 übertrug der Beigeladene zu 1) ein Drittel seines Geschäftsanteils an seinen neu in die Gesellschaft eingetretenen Neffen (Bl 24 Verwaltungsakte), sodass ihm ein Gesellschaftsanteil von noch 33,33% verblieb. Zum 01.12.2009 wurde er als Geschäftsführer abberufen.

Mit notariellem Einbringungsvertrag vom 15.09.2010 (Bl 30 Verwaltungsakte) übertrug der Beigeladene zu 1) das bisher an die Klägerin verpachtete Betriebsgrundstück Flst Nr 155/10, 26,28ar (Grundbuch Lehengericht Bl 170; angegebener Verkehrswert 150.000 EUR) auf die Klägerin, die im Gegenzug auf dem Grundstück ruhende Belastungen übernahm. Dem Beigeladenen zu 1) wurden auf seinem Kapitalkonto 97.394,81 EUR gut geschrieben (Verkehrswert abzüglich Verbindlichkeiten, Bl 41 Verwaltungsakte).

Seit dem 01.06.2014 ist der Beigeladene zu 1) bei einer weiteren B. GmbH als abhängig Beschäftigter angestellt.

Am 26.06.2012 beantragten die Klägerin und der Beigeladene zu 1) die Feststellung des sozialversicherungsrechtlichen Status des Beigeladenen zu 1). Der Beigeladene zu 1) gab an, er arbeite als Betonsägefachmann für die Klägerin und unterliege zwar dem Weisungsrecht der Klägerin hinsichtlich Zeit, Ort und Art der Tätigkeit. Er könne seine Tätigkeit aber frei bestimmen und gestalten, da er die einzige Betonsägefachkraft im Unternehmen sei. Er müsse seinen Urlaub nicht genehmigen lassen, aber seine Abberufung/Kündigung sei zu jeder Zeit möglich. Er beschäftige keine eigenen Arbeitnehmer und sei auch nicht für mehrere Auftraggeber tätig.

Die Klägerin teilte mit, dass der Beigeladene zu 1) Eigentümer des Bauhofes mit Betriebshalle und Büro gewesen sei. Das Grundstück habe er der Klägerin bis 15.09.2010 verpachtet. Das Grundstück sei zur Betriebsführung unverzichtbar. Mit Einbringungsvertrag vom 15.09.2010 habe der Beigeladene zu 1) dieses Grundstück in die Klägerin eingebracht. Ein Entgelt habe die Klägerin nicht zu erbringen gehabt. Dem Beigeladenen zu 1) sei auf seinem Kapitalrücklagenkonto bei der Klägerin ein Betrag von 97.394,81 EUR gutgeschrieben worden. Die Bezüge des Beigeladenen zu 1) seien immer sozialversicherungsfrei behandelt worden, auch nach der Anteilsübertragung unter Aufgabe der Geschäftsführung im November/Dezember 2009. Es bestehe lediglich ein mündlicher Arbeitsvertrag. In seinem Fachbereich unterliege der Beigeladene zu 1) keinerlei Weisungen der Geschäftsführung. Mit Schreiben vom 24.10.2012 legte die Klägerin Gehaltsabrechnungen bezüglich des Beigeladenen zu 1) für den Zeitraum November 2009 bis Januar 2012 vor (Bl 90 Verwaltungsakte). Der Verdienst richtete sich nach der Zahl der geleisteten Arbeitsstunden; daneben erhielt der Beigeladene zu 1) Feiertagslohn, Urlaubsentgelt, vermögenswirksame Leistungen und einen Firmen-PKW.

Mit zwei Anhörungsschreiben vom 13.11.2012 teilte die Beklagte der Klägerin und dem Beigeladenen zu 1) mit, dass beabsichtigt sei, einen Bescheid über das Vorliegen einer abhängigen Beschäftigung mit Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung für den Zeitraum ab dem 13.11.2009 zu erlassen.

Die Klägerin trug hierauf vor, dass aufgrund der Gesamtumstände kein sozialversicherungspflichtiges Arbeitsverhältnis bestehe, insbesondere aufgrund der Einbringung des Grundstücks gegen Kapitalrücklage. Ein fremder Arbeitnehmer hätte sich in dieser Weise und Höhe nicht beteiligt bzw das Grundstück nur gegen komplette Zahlung des Verkehrswertes eingebracht.

Mit zwei Bescheiden vom 12.12.2012 (Bl 107/110 Verwaltungsakte) stellte die Beklagte gegenüber der Klägerin und dem Beigeladenen zu 1) fest, dass die Prüfung des versicherungsrechtlichen Status ergeben habe, dass der Beigeladene zu 1) seine Tätigkeit seit dem 13.11.2009 im Rahmen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses ausübe. Es bestehe Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung ab dem 13.11.2009. Der Beigeladene zu 1) erhalte Weisungen durch den Geschäftsführer und könne kraft seines Anteils am Stammkapital keinen maßgebenden Einfluss auf die Geschicke der Gesellschaft ausüben. Er habe nicht die Rechtsmacht, Weisungen zu verhindern, die ihm als Angestellten nicht genehm seien. Der Beigeladene zu 1) habe als Minderheitsgesellschafter keinen maßgebenden gestalterischen Einfluss auf die Gesellschaft. Die Umwandlung von Kapitalrücklagen in stimmberechtigtes Stammkapital sei nicht ersichtlich. In der Krankenversicherung bestehe Versicherungsfreiheit, weil das regelmäßige Jahresarbeitsentgelt die maßgebliche Jahresarbeitsentgeltgrenze voraussichtlich übersteige.

Am 02.01.2013 trafen die Gesellschafter der Klägerin eine Stimmbindungsvereinbarung (Bl 116 Widerspruchsakte der Beklagten). In der Präambel der Vereinbarung wird auf das laufende Statusfeststellungsverfahren und den Bescheid der Beklagten vom 12.12.2012 Bezug genommen. In § 1 heißt es: "Die Gesellschafter F. G., K. G. und P. G. vereinbaren, dass Gesellschafterbeschlüsse stets einstimmig zu erfolgen haben und aufgrund dieser Vereinbarung auch einstimmig erfolgen. Sollten die Gesellschafter bei anstehenden Beschlüssen unterschiedlicher Auffassung sein, binden sich die Gesellschafter, im Innenverhältnis wie folgt abzustimmen:

Die Mehrheit bestimmt das Abstimmungsverhalten, wobei hierfür maßgeblich die tatsächlichen Verhältnisse der Gesellschafter untereinander am Gesamtkapital des letzten festgestellten Jahresabschlusses sind. Derzeit sind dies nach dem festgestellten Jahresabschluss 2011 folgende Verhältnisse:

Gesamtanteil K. G. am Buchkapital 31.12.2011 129.011,18 EUR 67,10 v.H.

Gesamtanteil F. G. am Buchkapital 31.12.2011 47.424,06 EUR 24,67 v.H.

Gesamtanteil P. G. am Buchkapital 31.12.2011 15.807,70 EUR 8,23 v.H.

Die Vereinbarung ist auf unbestimmte Dauer abgeschlossen. Änderungen oder Ergänzungen bedürfen der Schriftform, worauf wiederum nur durch schriftliche Erklärung verzichtet werden kann.

Am 14.01.2013 erhob die Klägerin Widerspruch gegen den Bescheid vom 12.12.2012. Sie wiederholte und vertiefte ihr bisheriges Vorbringen und legte die Stimmbindungsvereinbarung vom 02.01.2013 vor. In der Vergangenheit seien Beschlüsse der Gesellschaft auch unter Berücksichtigung der tatsächlichen Beteiligungsverhältnisse immer einstimmig beschlossen worden. Dies werde auch zukünftig so geschehen.

Mit Widerspruchsbescheid vom 21.05.2013 (Bl 121 Verwaltungsakte) wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. Auch die Stimmbindungsvereinbarung vom 02.01.2013 ändere nichts daran, dass der Beigeladene zu 1) keinen maßgeblichen Einfluss auf die Geschicke der Klägerin habe. Der Gesellschaftsvertrag in der aktuellen Fassung bestimme nach wie vor, dass Beschlüsse mit einfacher Mehrheit der abgegebenen Stimmen zu fassen seien. Eine Änderung des Gesellschaftsvertrags sei nicht erfolgt. Auch die Stimmrechtsvereinbarung sei als lediglich schuldrechtliche Vereinbarung keine entsprechende relevante Änderung. Sie widerspreche zwar dem Gesellschaftsvertrag. Eine satzungsmäßige bzw gesellschaftsvertragliche Ausübung des Stimmrechts bleibe aber wirksam, auch wenn gegen eine anderslautende Stimmrechtsverpflichtung verstoßen werde. Die Stimmrechtsvereinbarung binde lediglich die Beteiligten und bewirke keinen Mangel des Gesellschafterbeschlusses.

Hiergegen hat die Klägerin am 17.06.2013 Klage zum Sozialgericht Reutlingen (SG) erhoben. Zur Begründung hat sie ihr bisheriges Vorbringen weiter vertieft. Gegen ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis spreche, dass ein schriftlicher Arbeitsvertrag nicht existiere. Die Beklagte habe zu Unrecht die Tatsache der Einbringung des Betriebsgrundstücks durch den Beigeladenen zu 1) nicht in die Bewertung einbezogen. Aufgrund der Einbringung des Grundstücks sei der Beigeladene zu 1) am ausgewiesenen Gesamtkapital mit mehr als der Hälfte, mit 67,1 % beteiligt. Unter Berücksichtigung der nunmehr schriftlich fixierten Stimmbindungsvereinbarung könne der Beigeladene zu 1) maßgeblichen Einfluss auf die Geschicke der Klägerin nehmen. Überdies sei er die einzige Betonsäge- und Betonabbruchfachkraft im Betrieb der Klägerin. Die Klägerin hat die Klage auf den Zeitraum 13.11.2009 bis 31.05.2014 beschränkt.

Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten und hat auf die Begründung des Widerspruchsbescheids Bezug genommen.

Mit Beschluss vom 29.07.2013 hat das SG den Beigeladenen zu 1) zum Verfahren beigeladen. Dieser hat vorgetragen, es handle sich bei der von ihm verrichteten Tätigkeit nicht um Abbrucharbeiten an einem ganzen Haus, sondern es würden etwa zum Einsatz von neuen Türen und Fenstern Mauerdurchbrüche vergrößert oder neu geschaffen. Die weiteren Bautätigkeiten würden dann von der Klägerin übernommen. Die Aufträge erhalte er zum Teil direkt durch Architekten oder Bauträger, ansonsten über das Büro der Klägerin.

Nachdem das SG in einem Erörterungstermin am 24.07.2014 die Sach- und Rechtslage mit den Beteiligten erörtert hat, hat es mit Gerichtsbescheid vom 03.06.2015 den Bescheid der Beklagten vom 12.12.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 21.05.2013 abgeändert und festgestellt, dass die Tätigkeit des Beigeladenen zu 1) bei der Klägerin ab dem 02.01.2013 bis einschließlich 31.05.2014 nicht im Rahmen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses, sondern als selbstständige Tätigkeit ausgeübt wurde und deshalb in dieser Zeit keine Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung noch nach dem Recht der Arbeitsförderung bestanden habe. Im Übrigen hat das SG die Klage abgewiesen, da im Übrigen der angefochtene Bescheid rechtmäßig sei und die Klägerin nicht in ihren Rechten verletze. Im Zeitraum vom 13.11.2009 bis 01.01.2013 sei die Tätigkeit des Beigeladenen zu 1) als abhängige Beschäftigung einzustufen, da er in die Betriebs- und Arbeitsorganisation der Klägerin eingebunden gewesen sei und ihm nicht genehme Weisungen seitens der Geschäftsführung oder der Gesellschafter nicht habe verhindern oder beeinflussen können. Eine wesentliche Änderung habe sich mit dem Abschluss der Stimmbindungsvereinbarung am 02.01.2013 ergeben. Ab diesem Zeitraum sei die angefochtene Entscheidung der Beklagten rechtswidrig und verletze die Klägerin in ihren Rechten. Mit dem Abschluss der Stimmbindungsvereinbarung habe der Beigeladene zu 1) ohne das Vorliegen einer Sperrminorität ihm nicht genehme Entscheidungen und Weisungen der Gesellschaft verhindern bzw zumindest rückgängig machen können. Aufgrund dieser Rechtsmacht könne seine Tätigkeit ab dem 02.01.2013 nicht mehr als abhängige Beschäftigung gewertet werden. Die Stimmbindungsvereinbarung sei gesellschaftsrechtlich zulässig und stelle keine unwirksame Stimmrechtsübertragung dar. Es handle sich nicht um eine dem Gesellschaftsvertrag widersprechende vertragliche Regelung, sondern um eine zulässige Konkretisierung bzw Ergänzung des Gesellschaftsvertrags zur Meinungsbildung der Gesellschafter vor anstehenden Beschlüssen und des diesbezüglichen Abstimmungsverhaltens.

Gegen den ihr am 15.06.2015 gegen Empfangsbekenntnis zugestellten Gerichtsbescheid des SG hat die Beklagte am 02.07.2015 Berufung beim Landessozialgericht Baden-Württemberg eingelegt.

Die Beklagte beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Reutlingen vom 03.06.2015 abzuändern und die Klage vollumfänglich abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beigeladenen haben keine Anträge gestellt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die beigezogene Verwaltungsakte sowie die Gerichtsakte Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung der Beklagten hat Erfolg.

Die nach den §§ 143, 144, 151 Abs 1 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Beklagten ist statthaft, zulässig und begründet. Der Bescheid der Beklagten vom 12.12.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 21.05.2013 ist auch insoweit rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten, als die Beklagte festgestellt hat, dass die Tätigkeit des Beigeladenen zu 1) bei der Klägerin ab dem 02.01.2013 bis einschließlich 31.05.2014 im Rahmen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses ausgeübt wurde und Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung und nach dem Recht der Arbeitsförderung bestand. Der Gerichtsbescheid des SG war daher abzuändern.

Die angefochtenen Bescheide der Beklagten sind formell rechtmäßig. Sie sind nach erfolgter Anhörung der Beteiligten ergangen. Die Beklagte hat auch die Anforderungen erfüllt, die das Bundesozialgericht (BSG) an eine Statusfeststellung gestellt hat. Danach genügt nicht die losgelöste Entscheidung über das Vorliegen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses, sondern es ist ebenso eine Feststellung zum Vorliegen von Versicherungspflicht zu treffen (BSG 11.03.2009, B 12 R 11/07 R, BSGE 103, 17 = SozR 4-2400 § 7a Nr 2 mit Anmerkung von Plagemann, EWiR 2009, 689; 04.06.2009, B 12 R 6/08 R, juris; hierzu auch ausführlich Merten, SGb 2010, 271).

Auch materiell-rechtlich sind die Bescheide rechtmäßig. Der Beigeladene zu 1) hat auch ab dem 02.01.2013 aufgrund einer abhängigen Beschäftigung bei der Klägerin der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung unterlegen.

Nach § 7a Abs 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch Viertes Buch (SGB IV) in der hier anzuwendenden, seit 01.01.2009 geltenden Fassung des Art 1 Nr 1 des 2. SGB IV ÄndG vom 21.12.2008 (BGBl I 2933) können die Beteiligten schriftlich eine Entscheidung der nach § 7a Abs 1 Satz 3 SGB IV zuständigen Beklagten beantragen, ob eine Beschäftigung vorliegt, es sei denn, die Einzugsstelle oder ein anderer Versicherungsträger hatte im Zeitpunkt der Antragstellung bereits ein Verfahren zur Feststellung einer Beschäftigung eingeleitet. Diese entscheidet aufgrund einer Gesamtwürdigung aller Umstände, ob eine Beschäftigung vorliegt (§ 7a Abs 2 SGB IV). Das Verwaltungsverfahren ist in Absätzen 3 bis 5 der Vorschrift geregelt. § 7a Abs 6 SGB IV regelt in Abweichung von den einschlägigen Vorschriften der einzelnen Versicherungszweige und des SGB IV den Eintritt der Versicherungspflicht (Satz 1) und die Fälligkeit des Gesamtsozialversicherungsbeitrags (Satz 2). Abs 7 der Vorschrift ordnet die aufschiebende Wirkung von Klage und Widerspruch bezüglich der Fälligkeit der Beiträge an (Satz 1). Mit dem rückwirkend zum 01.01.1999 durch das Gesetz zur Förderung der Selbstständigkeit vom 20.12.1999 (BGBl 2000 I, Seite 2) eingeführten Anfrageverfahren soll eine schnelle und unkomplizierte Möglichkeit zur Klärung der Statusfrage erreicht werden; zugleich sollen divergierende Entscheidungen verhindert werden (BT-Drucks 14/1855, Seite 6). Einen entsprechenden Antrag auf Statusfeststellung haben die Klägerin und der Beigeladene zu 1) am 26.06.2012 gestellt. Ein vorheriges Verfahren zur Feststellung einer Beschäftigung durch einen anderen Versicherungsträger oder die Einzugsstelle ist nicht ersichtlich.

In dem hier streitigen Zeitraum unterlagen Personen, die gegen Arbeitsentgelt beschäftigt waren, der Versicherungspflicht in der Renten- und Arbeitslosenversicherung (vgl § 1 S 1 Nr 1 SGB VI, § 25 Abs 1 SGB III). Allgemeiner gesetzlicher Ausgangspunkt für die Beurteilung des Vorliegens einer Beschäftigung ist § 7 Abs 1 S 1 SGB IV. Danach ist Beschäftigung die nichtselbstständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Anhaltspunkte für eine Beschäftigung sind eine Tätigkeit nach Weisungen und eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers (§ 7 Abs 1 S 2 SGB IV).

Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG setzt eine Beschäftigung voraus, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist (stRSpr, vgl zum Folgenden eingehend BSG 11.11.2015, B 12 KR 13/14 R, für BSGE und SozR 4 vorgesehen; 29.07.2015, B 12 KR 23/13 R, SGb 2015, 554, für BSGE vorgesehen, jeweils in juris, mit Anm Thees, Beitragsfalle Familiengesellschaften: Das Ende der "Schönwetter-Selbständigkeit", DB 2016, 352). Bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb ist dies der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und dabei einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt. Diese Weisungsgebundenheit kann eingeschränkt und zur "funktionsgerecht dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess" verfeinert sein. Demgegenüber ist eine selbstständige Tätigkeit vornehmlich durch das eigene Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet. Ob jemand abhängig beschäftigt oder selbstständig tätig ist, richtet sich ausgehend von den genannten Umständen nach dem Gesamtbild der Tätigkeit und hängt davon ab, welche Merkmale überwiegen (stRspr; vgl zum Ganzen zB BSG Urteil vom 30.10.2013 - B 12 KR 17/11 R - Juris RdNr 23 mwN; BSGE 111, 257 = SozR 4-2400 § 7 Nr 17, RdNr 15 und BSG SozR 4-2400 § 28e Nr 4 RdNr 17; ferner BSG SozR 4-2400 § 7 Nr 6 RdNr 14 mwN; BSG SozR 3-2400 § 7 Nr 19 S 69 f, Nr 13 S 31 f und Nr 4 S 13, jeweils mwN; BSGE 78, 34, 36 = SozR 3-2940 § 2 Nr 5 S 26 f mwN; zur Verfassungsmäßigkeit der Abgrenzung zwischen Beschäftigung und selbstständiger Tätigkeit vgl BVerfG SozR 3-2400 § 7 Nr 11). Ob eine wertende Zuordnung zum Typus der Beschäftigung gerechtfertigt ist, ergibt sich aus dem Vertragsverhältnis der Beteiligten, so wie es im Rahmen des rechtlich Zulässigen tatsächlich vollzogen worden ist (vgl BSG SozR 4-2400 § 7 Nr 21 Rn 14; BSGE 111, 257 = SozR 4-2400 § 7 Nr 17 Rn 16 mwN).

Die jeweilige Zuordnung einer Tätigkeit nach deren Gesamtbild zum rechtlichen Typus der Beschäftigung bzw selbstständigen Tätigkeit setzt dabei voraus, dass alle nach Lage des Einzelfalls als Indizien in Betracht kommenden Umstände festgestellt, in ihrer Tragweite zutreffend erkannt und gewichtet, in die Gesamtschau mit diesem Gewicht eingestellt und nachvollziehbar, dh den Gesetzen der Logik entsprechend und widerspruchsfrei, gegeneinander abgewogen werden (BSG 11.11.2015, B 12 KR 13/14 R unter Hinweis auf BSG SozR 4-2400 § 7 Nr 15 Rn 25 ff).

Ein schriftlicher Vertrag zwischen der Klägerin und dem Beigeladenen zu 1) existiert nicht, weshalb die Indizien und Umstände des Einzelfalles den Ausgangsmaßstab bilden. Zu den tatsächlichen Verhältnissen in diesem Sinne gehört unabhängig von ihrer Ausübung auch die einem Beteiligten zustehende Rechtsmacht (BSG 29.08.2012, B 12 KR 25/10 R, BSGE 111, 257 = SozR 4-2400 § 7 Nr 17).

Was den Zeitraum vom 13.11.2009 bis 01.01.2013 betrifft, nimmt der Senat Bezug auf die zutreffenden Ausführungen des SG, mit denen das SG das Vorliegen einer abhängigen Beschäftigung bejaht hat. Am Stammkapital der Klägerin (26.000 EUR) hat der Beigeladene zu 1) ab dem 13.11.2009 einen Stimmanteil von 33,33 % gehalten. Als mitarbeitender Minderheitsgesellschafter ohne Geschäftsführerstellung ist der Beigeladene zu 1) in die Betriebs- und Arbeitsorganisation der Klägerin eingebunden gewesen. Aus den vorgelegten Gehaltsabrechnungen bezüglich des Beigeladenen zu 1) ergibt sich ein Verdienst, der sich nach der Zahl der geleisteten Arbeitsstunden gerichtet hat; daneben hat der Beigeladene zu 1) Feiertagslohn, Urlaubsentgelt und vermögenswirksame Leistungen erhalten. Dies entspricht typischen Regelungen eines einem Beschäftigungsverhältnis zugrunde liegenden Anstellungsvertrages. Die Tatsache, dass er über besonderes Fachwissen im Bereich Betonsäge- und Abbrucharbeiten verfügt, führt nicht dazu, ihm eine hervorgehobene Position zuzusprechen. Die insbesondere für das Leistungsrecht der Arbeitsförderung entwickelte "Kopf und Seele"-Rechtsprechung, wonach bestimmte Angestellte einer Familiengesellschaft ausnahmsweise als Selbstständige zu betrachten sind, wenn sie faktisch wie ein Alleininhaber die Geschäfte der Gesellschaft nach eigenem Gutdünken führen, ist für die Statusbeurteilung im sozialversicherungsrechtlichen Deckungsverhältnis nicht heranzuziehen (BSG 29.07.2015, B 12 KR 23/13 R, SozR 4-2400 § 7 Nr 24). Auch die Einbringung des Grundstücks ist mangels einer hieraus folgenden im Gesellschaftsrecht wurzelnden Rechtsmacht unbeachtlich (vgl zur Bürgschaftsübernahme BSGE 111, 257 = SozR 4-2400 § 7 Nr 17 Rn 26 mwN

Auch nach dem 02.01.2013 ist an den gesellschaftsrechtlichen Verhältnissen keine relevante Änderung eingetreten. Der Beigeladene zu 1) kann weiterhin als Minderheitsgesellschafter keinen maßgebenden gestalterischen Einfluss auf die Geschicke der Gesellschaft nehmen und mangels Geschäftsführerstellung den Geschäftsbetrieb nicht bestimmen. Eine Umwandlung von Kapitalrücklagen in stimmberechtigtes Stammkapital zu seinen Gunsten ist nicht erfolgt. Das Stimmrecht richtet sich gemäß § 47 GmbHG nach dem Geschäftsanteil, der sich wiederum nach der Stammeinlage richtet (§ 14 GmbHG). Mitarbeitende Gesellschafter (ohne Geschäftsführerfunktion) und mit einem Anteil am stimmberechtigten Stammkapital unter 50 %, haben als Mitgesellschafter nicht die Rechtsmacht, Weisungen zu verhindern, die ihnen nicht genehm sind. Aus der Stimmbindungsvereinbarung vom 02.01.2013 folgt nichts anderes. Stimmbindungsverträge stellen rein schuldrechtliche Vereinbarungen dar (BGH 25.09.1986, II ZR 272/15, NJW 1987, 890). Nach der Rechtsprechung des BGH führen solche außerhalb des Gesellschaftsvertrages auf Dauer eingegangenen schuldrechtlichen Abstimmungsverpflichtungen unter wechselseitiger Beteiligung aller Gesellschafter an der Stimmbindungsvereinbarung regelmäßig zu einer Innengesellschaft bürgerlichen Rechts (§§ 705 ff BGB), weil mit der koordinierten Ausübung der Stimmrechte ein gemeinsamer Zweck verfolgt wird (vgl BGHZ 126, 226, 234 = NJW 1994, 2536; BGHZ 179, 13, 19 = NJW 2009, 669). Auch wenn sie auf unbestimmte Zeit abgeschlossen werden, sind sie jederzeit ordentlich kündbar (§ 723 Abs 1 S 1 BGB). Gestaltungen der Gesellschaftsrechts- bzw Gesellschaftsvertragsrechtslage prägen die Abwägungsentscheidung zum sozialversicherungsrechtlichen Status nicht iS einer strikten Parallelwertung zwingend vor; ihnen kommt keine - im Rahmen der sozialversicherungsrechtlich gebotenen Gesamtabwägung von vornherein den Ausschlag gebende, dh entscheidende - Indizfunktion für das Vorliegen selbstständiger Tätigkeit zu (BSG 11.11.2015, B 12 KR 13/14 R Rn 23 ff, juris). Eine unterschiedliche Bewertung von Stimmrechtsvereinbarungen im Gesellschaftsrecht einerseits und im Sozialversicherungsrecht andererseits ist durch die verschiedenen Sachstrukturen der jeweiligen Rechtsbereiche gerechtfertigt (BSG 11.11.2015, B 12 KR 13/14 R unter Hinweis auf Bernsdorff, DB 2014, 1551 (1555)). Eine Stimmabgabe ist in der Regel auch dann gültig, wenn sie entgegen einem wirksamen Stimmbindungsvertrag erfolgt; ein Mangel des Gesellschafterbeschlusses wird durch eine Stimmabgabe entgegen der Stimmbindungsvereinbarung grundsätzlich nicht bewirkt (vgl Senatsurteil vom 24.06.2014, L 11 KR 5338/12; OLG Köln 25.07.2002, 18 U 60/02, juris; Zöllner in Baumbach/Hueck, GmbHG, 20. Aufl, § 47 RdNr 117). Lediglich im Innenverhältnis zwischen einzelnen Gesellschaftern wirkende Stimmrechtsvereinbarungen können daher an dem Beschäftigtenstatus des Beigeladenen zu 1) nichts ändern (Senatsurteil vom 24.06.2014, L 11 KR 5338/12; LSG Hamburg 04.09.2013, L 2 R 111/12, juris). Die außerhalb des Gesellschaftsvertrages von den Gesellschaftern getroffene Stimmbindungsvereinbarung ist daher nach der RSpr des BSG, der sich der Senat anschließt, nicht geeignet, die sich aus dem Gesellschaftsvertrag ergebenden "Rechtsmachtverhältnisse" mit sozialversicherungsrechtlicher Wirkung zu "verschieben", weil der Stimmbindungsvertrag von jedem Gesellschafter aus wichtigem Grund gekündigt werden konnte (BSG 11.11.2015, B 12 KR 13/14 R – juris Rn 25 mwN). Auch dass Kündigungsrechte in der vorliegend zu beurteilenden Zeit tatsächlich nicht ausgeübt wurden, ist im sozialversicherungsrechtlichen Kontext ohne Bedeutung (BSG 11.11.2015, B 12 KR 13/14 R, juris Rn 26).

Die Versicherungspflicht beginnt am 13.11.2009.

Der Beginn der Versicherungspflicht richtet sich grundsätzlich nach dem Tag der Aufnahme des Beschäftigungsverhältnisses. Abweichend hiervon sieht § 7a Abs 6 S 1 SGB IV vor, dass die Versicherungspflicht mit der Bekanntgabe der Entscheidung der Beklagten eintritt, wenn der Antrag nach § 7a Abs 1 SGB IV innerhalb eines Monates nach Aufnahme des Beschäftigungsverhältnisses gestellt wird, der Beschäftigte dem späteren Beginn der Sozialversicherungspflicht zustimmt und er für den Zeitraum zwischen Aufnahme der Beschäftigung und Bekanntgabe der Entscheidung der Beklagten eine Absicherung vorgenommen hat, die der Art nach den Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung und der gesetzlichen Rentenversicherung entspricht. Da der Antrag auf Statusfeststellung für die am 13.11.2009 aufgenommene Beschäftigung am 26.06.2012 gestellt worden ist, sind die Voraussetzungen für einen späteren Beginn der Versicherungspflicht nicht erfüllt. Die Versicherungspflicht beginnt daher mit dem Tag der Aufnahme des Beschäftigungsverhältnisses am 13.11.2009.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG iVm § 154 Abs 1 Verwaltungsgerichtsordnung.

Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 197a Abs 1 Satz 1 Halbsatz 1 SGG iVm § 63 Abs 2 Satz 1, 52 Abs 2, 47 Gerichtskostengesetz. Die Höhe des Streitwerts entspricht dem Regelstreitwert von 5.000 EUR, da es der Klägerin nicht um eine konkrete Beitragsforderung geht.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 160 Abs 2 Nrn 1 und 2 SGG).
Rechtskraft
Aus
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