L 6 U 5276/13

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
6
1. Instanz
SG Ulm (BWB)
Aktenzeichen
S 11 U 1888/10
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 6 U 5276/13
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 11. Oktober 2013 aufgehoben und die Klage abgewiesen.

Außergerichtliche Kosten beider Instanzen sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist die Höhe der Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) wegen der Folgen eines anerkannten Arbeitsunfalls vom 30. Mai 2004 streitig.

Der 1965 geborene Kläger absolvierte eine Maurerlehre, qualifizierte sich 1991 zum Meister und Bauleiter, war anschließend von 1993 bis 1996 und dann wieder von 1997 bis 12/1998 berufstätig, unterbrochen jeweils durch den Bezug von Sozialleistungen. 6/2000 machte er sich selbstständig (Planungsbüro und Baugeschäft) und war zum Unfallzeitpunkt als Selbstständiger (Bauunternehmer mit 25 Angestellten) bei der Beklagten freiwillig versichert (Bl. 462 V. Akte). Im November 2004 musste er Insolvenz anmelden. Er ist unverheiratet, in nichtehelicher Lebensgemeinschaft lebend und wohnt – dies auch schon vor dem Unfall – im elterlichen Haus.

1994 wurde bei ihm anlässlich einer stationären Behandlung bei Adipositas mit restriktiver Ventilationsstörung ein Schlafapnoe-Syndrom ausgeschlossen (Bericht der Schillerhöhe, Bl. 32 Senatsakte). Im Juni 1996 wurde eine Angstneurose mit Panikattacken bei selbstunsicherer Persönlichkeit sowie eine Adipositas per magna (seit dem 8. Lebensjahr Übergewicht, Höchstgewicht zwischen dem 18. und 20. Lebensjahr bei 147 kg) festgestellt, er war deswegen seit 22. Juli 1996 arbeitsunfähig erkrankt und wurde schließlich von August bis 20. Dezember 1996 stationär im Ch.ophsbad Göppingen behandelt. Daran anschließend fand eine stationäre Rehabilitationsmaßnahme von Juli bis August 1997 zu Lasten des Rentenversicherungsträgers in den Baar-Klinken statt, die eine psychogene Essstörung vermuteten. Der Kläger habe über einen Arbeitsunfall 1985 (Auffahrunfall mit Schleudertrauma) mit dreiwöchiger Hemiparese berichtet, seine Braut sei auf dem Weg ins Krankenhaus tödlich verunfallt, damals habe er sein Leben aufgegeben, anschließend habe er zwei Jahre unter Kopfschmerzen gelitten (vgl. zu allem Bericht der Psychosomatischen Klinik Donaueschingen, Bl. 27 ff. LSG-Akte). 1999 wurde eine operative Magenverkleinerung durchgeführt.

Wegen eines anerkannten Arbeitsunfalls vom 9. November 1984 mit folgenlos ausgeheilter Prellung der Halswirbelsäule (HWS) machte er 2010 zuletzt mit seiner Klage beim Sozialgericht Ulm (SG) geltend, er leide unter starken Kopf- und Rückenschmerzen aufgrund des Unfalls, nach richterlichem Hinweis nahm er die Klage auf Gewährung einer Stützrente in der Verhandlung vom 22. November 2011 zurück (S 11 U 3826/10). Mit einer weiteren Klagerücknahme vom gleichen Tag endete auch der Rechtsstreit bezüglich eines am 16. Mai 1996 erlittenen Arbeitsunfalls, mit dem er wegen Kopf- und Wirbelsäulenverletzungen eine weitere Stützrente geltend machte; jedoch hatte dieser Unfall nur zu einer anerkannten Halswirbelsäulen-Distorsion und Arbeitsunfähig- und Behandlungsbedürftigkeit bis 6. Juli 1986 geführt (S 11 U 3829/10).

Am 30. Mai 2004 (Pfingstsonntag) erlitt der Kläger bei einem Motorradunfall (Traktorfahrer nahm die Vorfahrt, die unfallursächlich überhöhte Fahrgeschwindigkeit des Klägers lag bei 160 km/h bei zugelassenen 100 km/h, Gutachten des Dipl.-Ing. Fuchs vom 27. Juli 2004, Bl. 215 ff. V-Akte) eine traumatische Subarachnoidalblutung, ein Schädel-Hirn-Trauma wie eine Fraktur der zweiten Rippe rechts (Bl. 4 ff. V-Akte), des Weiteren Schürfwunden am rechten Ellenbogen und ein Hämatom an der rechten Ferse (Bl. 13 ff. V-Akte). Die Kawasaki des Klägers stürzte bei der Notbremsung auf die rechte Seite und er selbst kam nach ca. 160 m zum Liegen.

Der Kläger wurde vom 30. Mai bis 11. Juni 2004 stationär in der Neurochirurgie des Bezirkskrankenhauses Günzburg behandelt. Eine am 8 Juni 2004 gegen 15:30 Uhr aufgetretene neurologische Symptomatik bildete sich innerhalb weniger Stunden ohne Residuum zurück. Der Kläger war bei Verlegung wach und kooperativ, bewegte sich allseits gleich, die Sprachproduktion und das Sprachverständnis waren voll intakt. Im Bereich der linken Schulter imponierte noch kernspintomographisch ein mäßig ausgeprägtes Knochenmarködem. Er wurde dann anschließend bis 30. Juni 2004 in der Klinik für Neurologie, Neurophysiologie und frühe Rehabilitation Ch.ophsbad Göppingen weiterbehandelt, wo er bei anhaltenden Kopfschmerzen über eine eingeschränkte Kopfbeweglichkeit und einen Nackenbeugeschmerz klagte, K.zeitig (am Aufnahmetag) waren aphasische Störungen (durch Hirnschaden erworbene Sprachstörung) nachweisbar. Das daraufhin veranlasste Magnetresonanztomogramm (MRT) des Schädels vom 11. Juni 2004 ergab eine Einblutung im linken Kleinhirntonsillenpol, darüber hinaus links occipital schmale subdurale Blutungen, kein frisches ischämisches Infarktgeschehen. Der Kläger konnte mit sicherem Gangbild und dezentem Schwindel beim Aufstehen voll mobilisiert werden. Das weitere am 23. Juni 2004 angefertigte MRT zeigte eine weitgehende Resorbierung der subduralen Blutungen. Vom 12. Juli bis 6. August 2004 wurde der Kläger in den Kliniken Schmieder, Allensbach, weiterbehandelt, wo er aktuell über Sehstörungen und Drehschwindel klagte. Neurologisch waren die Armeigenreflexe mittelhaft und symmetrisch, ebenso die Beineigenreflexe. Die Konzentration war qualitativ wie quantitativ deutlich überdurchschnittlich, die Merkfähigkeit gut durchschnittlich, relative Schwächen waren nur bei anhaltenden Anforderungen an Aufmerksamkeit und Reaktion festzustellen (Bl. 67 ff. V-Akte).

Bei der weiterführenden Untersuchung vom 28. Februar 2005 fand Chefarzt Prof. Dr. Sch., Ch.ophsbad Göppingen, noch eine Hypästhesie im Bereich der linken Hand, eine etwas eingeschränkte grobe Kraft links im Schultergürtelbereich wie eine Atrophie und grobe Kraftminderung der Handbinnenmuskulatur bei guter Beweglichkeit der Halswirbelsäule und leichter Armplexus-Parese (Bl. 19 V-Akte). Am 10. Mai 2005 beklagte er gegenüber Prof. Dr. Sch. schmerzhafte Einschränkungen bei der Computerarbeit, immer wieder auch aphasische Störungen und Aparaxien (Unfähigkeit, willkürliche Bewegungen auszuführen) bei verminderter Belastbarkeit (Bl. 24 V-Akte).

In dem 2005 (genauer Termin nicht bekannt) durchgeführten Rehabilitationsverfahren des Rentenversicherungsträgers gab der wache und bewusstseinsklare Kläger, bei dem keine groben kognitiven Defizite auffällig waren, an, er habe u.a. erhebliche Probleme mit dem Sehen, könne nicht mehr richtig lesen, auch habe er große Mühe zu schreiben, da er ständig die "Schreibrichtung" verliere, stark lichtempfindlich und ständig geblendet sei, wobei er diskrepant dazu in der Sonne sitzend und Zeitung lesend angetroffen wurde, so dass insgesamt der Eindruck der Aggravation mit wenig Leistungsbereitschaft bei verbal-aggressivem Verhalten entstand (Bl. 85 ff. SG-Akte).

Am 26. August 2005 machte der Kläger den Motorradunfall als Arbeitsunfall geltend, wobei er zunächst angab, er habe Baustellen bei Göppingen geprüft und abgenommen, der Unfall habe sich dann auf dem Heimweg nach Süßen ereignet. Nachdem die Beklagte mit Bescheid vom 25. Oktober 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16. Februar 2006 einen Wegeunfall mit der Begründung ablehnte, der Unfall habe sich auf einem Umweg aus eigenwirtschaftlichen Gründen ereignet, gab der Kläger im anschließenden Klageverfahren beim SG an, er habe einen Abstecher nach Ottenbach zur Besichtigung einer Baustelle im Auftrag von S. K. unternommen, die aber, wenn möglich, nicht als Zeugin bei Gericht erscheinen wolle (Schriftsatz vom 31. Juli 2008). Nach Anhörung der Eltern sowie der damaligen Lebensgefährtin des Klägers, die übereinstimmend bekundeten, dass es nicht ungewöhnlich sei, dass der Kläger am Wochenende Baustellen besichtige und er dies auch am Unfalltag vorgehabt habe, verurteilte das SG die Beklagte mit Urteil vom 3. November 2008, den Unfall vom 30. Mai 2004 als Arbeitsunfall festzustellen, der gewählte Umweg sei unschädlich (S 2 U 956/06). Das Urteil wurde rechtskräftig.

In einem ersten Gutachten für die private Haftpflichtversicherung vom 8. Mai 2007 kam der Orthopäde Dr. Ch. zur Einschätzung einer Gesamt-MdE von 70 vom Hundert (v. H.), wobei neben einem chronischen posttraumatischen Kopfschmerz Bewegungseinschränkungen des linken Armes wie des rechten Beines berücksichtigt wurden (Bl. 338 ff. V-Akte).

In seinem neurologischen Gutachten für die Beklagte vom 18. Mai 2009 schätzte Prof. Dr. Sch. die MdE auf 40 v. H. unter Berücksichtigung eines leichten psychoorganischen Psychosyndroms und mit im Vordergrund stehenden chronischen Kopfschmerzen, nur noch diskreten zentralen und peripheren Gefühlsstörungen im Bereich des linken Armes und des rechten Fußes, wenngleich er keine wesentlichen kognitiven Beeinträchtigungen beschrieb, Merkfähigkeit und Arbeitsgedächtnis als erhalten betrachtete und insgesamt eine Besserung der Kopfschmerzen wie Funktionsstörungen konstatierte. Die Gesichtsfeldstörungen seien nicht mehr manifest (Bl. 379 ff. V-Akte).

In dem ersten Rentengutachten vom 9. Juli 2009 stellte Prof. Dr. W. im Bereich der Fußsohlen eine beidseits gleiche Beschwielung fest, die Überprüfung des Schuhwerks habe gleichmäßig abgelaufene Schuhe ergeben, wenngleich der Kläger Hacken- und Zehenstand wie den Einbeinstand rechts nicht habe demonstrieren können. Der Kläger habe über ein Taubheitsgefühl in der rechten Gesichtshälfte berichtet, laufen sei nur mit Gehstöcken möglich. Der Gutachter bewertete die MdE auf chirurgischem Fachgebiet mit 0 v. H. (Bl. 416 ff. V-Akte).

Gestützt hierauf bewilligte die Beklagte dem Kläger mit Bescheid vom 19. August 2009 daraufhin Rente auf unbestimmte Zeit, beginnend ab 27. November 2005 unter Anerkennung des Versicherungsfalls vom 30. Mai 2004. Als Unfallfolgen wurden festgestellt: Konzentrations- und Merkfähigkeitsstörungen, verminderte Aufmerksamkeit, deutliche Verlangsamung der Bearbeitungsgeschwindigkeit, chronische Kopfschmerzen, Gleichgewichts- und Gehstörungen sowie Gefühlsstörungen im Bereich des linken Armes und des rechten Fußes nach Schädel-Hirn-Trauma mit Subarachnoidalblutung mit Ventrikeleinbruch und daraus resultierenden transitorisch-ischämischen Attacken (Gefühlsstörungen im Gesichtsbereich, Sprechbeeinträchtigung, Bewusstseinsstörungen und Sprachblockaden) sowie eine ohne wesentliche Folgen verheilte Fraktur der zweiten Rippe rechts. Die MdE wurde mit 40 v. H. bewertet (Bl. 435 ff.).

Auf den Widerspruch des Klägers holte die Beklagte noch ein HNO-ärztliches, ein augenärztliches und zwei chirurgische Gutachten ein.

Der HNO-Arzt Dr. B. konnte in seinem Gutachten vom 19. Dezember 2009 keine Unfallfolgen auf HNO-Gebiet feststellen, nur Normalbefunde. Insbesondere sei die berichtete, allenfalls geringfügige Hörminderung des rechten Ohres nicht unfallbedingt (Bl. 586 ff. V-Akte). Auf augenärztlichem Gebiet bestätigte der Facharzt für Augenheilkunde Dr. R., dass der Astigmatismus, die Presbyopie sowie das latente Schielen unfallunabhängig seien. Selbst wenn das latente Schielen Unfallfolge wäre, ergäbe sich hieraus keine MdE, da dieses gut kompensiert werde und vom Kläger auch nach mehrmaligem Nachfragen keine Doppelbilder wahrgenommen würden (Gutachten vom 20. Januar 2010, Bl. 602 ff. V-Akte).

PD Dr. Sch., Klinikum Heidenheim, beschrieb in seinem Gutachten vom 17. Februar 2010 eine deutlich verminderte linke Arm- und Handkraft, die Elevation bei 70 Grad und die seitliche Abduktion mit 40-0-60 Grad seien erschwert, der Nackengriff links nicht möglich, ebenso der Schürzengriff. Faustschluss und Fingerspreizung seien ebenfalls reduziert, die Handkraft links im Vergleich zu rechts gemindert. Mit Ausnahme einer Kraftminderung der Fußhebung rechts finde sich keine Veränderung im Vergleich zu links, die Hüftgelenke seien beidseits gut beweglich, dies treffe auch auf die Kniegelenke zu, diese würden bandstabil geführt. Der Sachverständige befürwortete bei deutlicher Überschneidung mit dem neurologischen Fachgebiet eine Gesamt-MdE von 50 v. H., wobei allein die Einschränkungen auf orthopädischem Fachgebiet nur eine MdE mit 20 v. H. begründeten. Hierbei seien die traumatisch bedingte Fußheberschwäche rechts mit Muskelminderung und Teilsteife des oberen Sprunggelenks rechts, die Teilschultersteife links sowie die Bewegungseinschränkung der HWS zu berücksichtigen (Bl. 628 ff. V-Akte).

In seinem abschließenden unfallchirurgischen Gutachten vom 3. April 2010 kam Prof. Dr. U. nach Untersuchung des Klägers demgegenüber zu dem Ergebnis, dass die Gesamt-MdE 75 v. H. (unfallchirurgisch 65 v. H. - linker Arm: Schmerzsyndrom 35 v. H., Schulterteilsteife 20 v. H., Plexusläsion 30 v. H.; rechtes Bein 30 v. H.; neurologisch - Vorgutachten - 25 v. H.) betrage. Insofern müssten neurologisch die transitorischen-ischämischen Attacken mit typischer Hirnstamm-Symptomatik, die distal-betonte sensomotorische Armplexus-Parese links mit Teillähmung und Atrophie des linken Armes, die Schulterteilsteife links, das beginnende Ulnaris-Rinne-Syndrom links, die chronischen posttraumatischen Kopfschmerzen, das leichte hirnorganische Psychosyndrom mit intellektuellen, kognitiven Defiziten und subdepressiver Stimmungslage, die multiplen Weichteilverletzungen an Ellenbogen und Knien beidseits, rechte Ferse und Stirn, die diskrete zentrale und periphere Gefühlsstörung im Bereich des linken Armes und des rechten Fußes mit Teillähmung des rechten Fußes mit Fußheber- und Fußsenkerschwäche, die Gefühlsstörungen des linken Arms, des linken Thorax und beider Beine sowie das Karpaltunnel-Syndrom rechts berücksichtigt werden (Bl. 654 ff. V-Akte).

Mit Teil-Abhilfebescheid vom 12. Mai 2010 anerkannte die Beklagte daraufhin zusätzlich als Unfallfolge eine Bewegungseinschränkung der HWS und des linken Schultergelenkes sowie der linken Langfinger bei der Beugung und Streckung, Kraftminderung im rechten Unterschenkel und Muskelminderung im rechten oberen Sprunggelenk. Die Beklagte bewilligte Dauerrente nach einer MdE um 50 v. H. und wies mit Widerspruchsbescheid vom 27. Mai 2010 den Widerspruch im Übrigen als unbegründet zurück.

Hiergegen hat der Kläger am 31. Mai 2010 Klage beim SG mit dem Begehren, die MdE betrage mindestens 70 v. H., erhoben.

Zur weiteren Aufklärung des Sachverhalts hat das SG zunächst das im parallelen Rentenverfahren eingeholte Gutachten des Prof. Dr. Sch. beigezogen und den Kläger dann erneut orthopädisch und neurologisch begutachten lassen.

Prof. Dr. Sch. hat in seinem neurologischen Gutachten vom 30. Juli 2010 aus dem Rentenstreitverfahren erstmals die Diagnose eines chronischen regionalen Schmerzsyndroms (CRPS) gestellt. Die Probleme am rechten Unterschenkel und Fuß seien durch die initialen Sprunggelenksverletzungen zu erklären, eine Polyneuropathie könne ausgeschlossen werden. Ergänzend hat der Sachverständige ausgeführt, dass die Klagen über permanente schwere Kopfschmerzen bei geringer Belastung schwer interpretierbar seien, zumal der Kläger bei guter emotionaler Beteiligung berichte, dass er seit einem Jahr nach dem Unfall wieder Auto fahre und dabei gut zurechtkomme.

In seinem orthopädischen Gutachten vom 13. Januar 2011 ist Dr. B. unter Zugrundelegung einer MdE von 40 v. H. auf neurologisch-psychiatrischem Fachgebiet insgesamt zu einer Gesamt-MdE von 100 v. H. gelangt. Dabei hat er die Folgen einer unteren Plexus-Läsion mit 60 v. H. bewertet, der linke Arm sei fast komplett schlaff gelähmt und könne nur noch um 30° angehoben werden. Die linke Hand könne kaum noch eingesetzt werden, der Faustschluss sei unmöglich, der Spitzgriff gelinge nur noch zwischen dem Daumen und Zeigefinger. Darüber hinaus imponiere eine Bewegungseinschränkung der HWS mit einer MdE von 10 v. H. Die Prellung des rechten oberen Sprunggelenks bei ausgeprägtem hinkenden Gangbild und Minderung der Kraft bezüglich Fußhebung und Notwendigkeit des Tragens einer Peronaeus-Schiene sei mit einer weiteren MdE von 30 v. H. zu berücksichtigen.

Daraufhin hat die Beklagte einen Vergleichsvorschlag des Inhalts unterbreitet, dass dem Kläger Rente auf unbestimmte Zeit nach einer Gesamt-MdE von 70 gewährt werde. Nachdem der Kläger sich diesem Vergleichsvorschlag nicht hat anschließen können, hat das SG nach Vertagung der ersten mündlichen Verhandlung vom 22. November 2011 den Kläger neurologisch begutachten lassen.

Dr. N. hat in ihrem Gutachten vom 28. Februar 2012 mit neuropsychologischem Zusatzgutachten vom 29. Februar 2012 dargelegt, dass die Demonstration der Paresen keinem anatomisch-funktionellen Korrelat gefolgt sei, vielmehr laienhaft und bewusstseinsnah gewirkt habe, so dass von einer deutlichen Aggravation und tendenziösen Auslegung auszugehen sei. Im Rahmen der Anamnese-Erhebung seien bei sehr strukturierter Schilderung der Beschwerdesymptomatik (beginnend am Kopf, endend im Fuß) keinerlei Einschränkungen der konzentrativen Leistungen der Aufmerksamkeit oder Ermüdungserscheinungen aufgefallen. Weder im Bereich des Unterarmes noch der unteren Extremitäten hätten sich Muskelatrophien gezeigt, einen Steppergang weise der Kläger nicht auf, der rechte Fuß werde komplett auf dem Fußaußenrand aufgesetzt, das Gangbild sei unter Mitbewegen des linken Armes hinkend. Als Unfallfolgen auf neurologischem Fachgebiet hat sie leichte neurokognitive Beeinträchtigungen mit leichter Wesensveränderung; eine leichte Hirnstammkontusion (ohne Nachweise einer zentralen Parese mit noch inkompletter Trigeminusläsion mit Gefühlsstörungen der rechten Gesichtshälfte ohne motorische Einschränkungen, pathologischem OOR ohne klinisch apparente Fazialisparese, Hypästhesie der rechten Zungenhälfte, Urgeinkontinenz); den Restbefund einer leichten unteren Armplexusläsion links; einen medikamenteninduzierten Kopfschmerz bei Analgetikaabusus sowie eine bewusstseinsnahe Aggravation beschrieben. Auf chirurgischem Gebiet liege eine Fraktur der zweiten Rippe links, eine Schulterprellung mit frozen shoulder links und eine Prellung des rechten Sprunggelenks vor. Die Gesamt-MdE schätze sie mit 40 v. H. ein.

In seinem auf Antrag des Klägers erstatteten Gutachten vom 8. Januar 2013 hat der den Kläger behandelnde PD Dr. W., Bundeswehrkrankenhaus Ulm, die Gesamt-MdE mit 80 v. H. bewertet, wobei er insbesondere erstmalig eine Dystonie (neurologische Bewegungsstörung) als Folge der Schädel-Hirn-Verletzung diagnostizierte. Die posttraumatischen Kopfschmerzen sowie die kognitiven Leistungsstörungen hat er mit einer MdE von 40 v. H., die dystone Funktionsstörung der linken oberen Extremität mit fast völliger Gebrauchsunfähigkeit mit 80 v. H., die dystone Funktionsstörung der rechten unteren Extremität mit 50 bis 60 v. H. bewertet. Ergänzend hat er dargelegt, dass ähnliche Befunde bereits von Prof. Dr. Sch. beschrieben worden seien, somit bereits seit Juli 2004 eine MdE von 80 v. H. anzunehmen sei.

Gestützt hierauf hat das SG die Beklagte mit Urteil vom 11. Oktober 2013, der Beklagten zugestellt am 7. November 2013, verurteilt, dem Kläger Rente nach einer Gesamt-MdE um 80 v. H. ab dem 27. November 2005 zu bewilligen. Bereits die anerkannten Unfallfolgen auf neurologischem Fachgebiet rechtfertigten eine MdE um 50 v. H., denn die Erfahrungswerte aufgrund einer Hirnschädigung mit kognitiven Leistungsstörungen sähen einen Rahmen zwischen 40 bis 60 v. H. hierfür vor. Zusätzlich müsse die untere Plexus-Läsion mit Atrophie des linken Arms sowie im Bereich des rechten oberen Sprunggelenks mit Minderung der Kraft der Fußhebung berücksichtigt werden, welche insgesamt eine Gesamt-MdE um 80 v. H. rechtfertige.

Hiergegen hat die Beklagte am 9. Dezember 2013, einem Montag, Berufung beim Landessozialgericht Baden-Württemberg (LSG) mit der Begründung eingelegt, das SG habe sich nicht ausreichend mit der gestellten Diagnose einer Dystonie auseinandergesetzt, die insbesondere zu der seit Jahren bekannten Somatisierungsneigung des Klägers hätte abgegrenzt werden müssen.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 11. Oktober 2013 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen, hilfsweise Prof. Dr. med. Dr. Dipl.-Ing. W. und Dr. med. Dipl. biol. D. zur Erläuterung ihres Gutachtens mündlich anzuhören.

Er erachtet die erstinstanzliche Entscheidung für zutreffend und hat ergänzend vorgetragen, dass die beiden vom Senat gehörten Sachverständigen seine unfallbedingten Einschränkungen nicht voll umfänglich berücksichtigt hätten. Seine aktuelle Lebensgefährtin Frau K., die ihn zu sämtlichen Gutachtern, Arztterminen etc. begleite, da er selbst schwer lesen, verstehen oder gar Formulare ausfüllen könne, werde seine Einschränkungen im täglichen Leben bestätigen.

Der Kläger hat noch weitere Unterlagen zu seinen Vorerkrankungen, insbesondere den Bericht des MDK Baden-Württemberg vom 13. März 1997 sowie den Bericht der Psychosomatischen Klinik Donaueschingen über die Behandlung vom 15. Juli bis 19. August 1997 zu den Akten gereicht.

Zur weiteren Aufklärung des Sachverhaltes hat der Senat den Kläger von Amts wegen neurologisch und orthopädisch begutachten lassen.

Prof. Dr. med. Dr. Dipl.-Ing. W. ist in seinem Gutachten vom 14. Juli 2015 aufgrund der zweieinhalbstündigen Exploration und Untersuchung zu den unfallbedingten Diagnosen eines politopen Schmerzsyndroms, einer Sensibilitätsstörung im Bereich der rechten Gesichtshälfte, einem leichtgradigen hirnorganischen Psychosyndrom sowie einer leichten Restsymptomatik nach unterer Armplexus-Schädigung, die mit einer MdE von 40 v. H. ausreichend berücksichtigt seien, gelangt. Die kleine Handmuskulatur sei links gegenüber rechts allenfalls geringfügig schwächer ausgebildet, das Erscheinungsbild der unteren Extremitäten sei nicht seitenunterschiedlich, dies gelte auch für Haarwachstum und Fußnägel wie die kleine Fußrückenmuskulatur, wenngleich rechts eine Peronaeus-Schiene getragen werde. Der Kläger presse den linken Arm steif an den Oberkörper, die Armbeugung und -streckung werde als unmöglich demonstriert, was zur ersichtlichen Muskulatur kontrastiere, zumal die Handstreckung bemerkenswert kräftig gelinge. An der unteren Extremität werde eine ausgeprägte Fuß- und Zehenheber- sowie auch Fußheber- und Zehensenker-Parese demonstriert, was zur ersichtlichen Fuß- und Unterschenkelmuskulatur kontrastiere. Initial seien keinerlei Sprachstörungen erkennbar, während der Untersuchung habe sich keinerlei nachlassende Konzentrationsfähigkeit gezeigt, der Kläger habe am Schluss nochmals eingehend darauf geachtet, ob der Sachverständige alle Unterlagen bekommen und erfasst habe. Der formale Gedankengang sei geordnet und zielgerichtet, wenngleich etwas umständlich und weitläufig gewesen. Die affektive Schwingungsfähigkeit sei recht gut erhalten, auch der Antrieb scheine nicht wesentlich beeinträchtigt. Auffällig sei bei der Krankengeschichte, dass nach neurologisch bereits im Sommer 2004 unauffälligen Befunden mit nur noch leichten Defiziten bei Aufmerksamkeit und Reaktionsfähigkeit 2007 anlässlich der orthopädischen Begutachtung für die Haftpflichtversicherung eine Beschwerdeausweitung beschrieben werde, nämlich erstmals eine Wahrnehmungsstörung der rechten Seite mit Doppelbildern, Taubheitsgefühlen der rechten Wange, Konzentrationsstörungen, Schwäche am linken Arm sowie Gefühlsstörung an beiden Beinen. Schwerwiegendere Probleme auf Seiten des rechten Beines seien erstmals 2010 berichtet worden, wobei der neurogene Umbau auf beiden Seiten zunächst folgerichtig zur Diagnose einer (unfallunabhängigen) Polyneuropathie geführt habe. Hinsichtlich der Schädel-Hirn-Verletzung gelte die Grundregel, dass sowohl neuropsychologische als auch sensomotorische Defizite unmittelbar nach der Schädigung am ausgeprägtesten seien und sich dann im weiteren Verlauf entweder besserten oder im ungünstigsten Fall gleich blieben. Nachdem in der Neurochirurgie Günzburg sowie auch im Ch.-Bad Göppingen als auch in den Kliniken Schmieder in Allensbach durchgehend keine relevanten Paresen beschrieben und sowohl die Muskeleigenreflexe als auch das bei zentralen Schäden empfindliche Babinski-Zeichen stets als negativ dokumentiert seien, sei neurologisch nur eine periphere Schädigung des Trigeminusnervens wahrscheinlich. Unzweifelhaft liege auch eine Einblutung in die Liquor-Räume vor, die typischerweise mit Kopfschmerzen einhergehe. Der Befund des drei Wochen nach dem Unfallereignis durchgeführten Kernspin-Tomogramms des Schädels verneine ausdrücklich irgendwelche Hämosiderin-Rückstände in diesem Bereich. Nach dieser kuren Zeit hätten selbst kleinste Läsionen noch darstellbar sein müssen. Wenn dies nicht der Fall sei, könne schlechterdings nicht der Vollbeweis einer kortikalen Läsion erbracht werden und "lediglich" Läsionen im Bereich des Hirnstamms und des Kleinhirns könnten als nachgewiesen gelten, ohne dass beim Kläger die andernfalls zu erwartenden klinischen Auffälligkeiten aufgetreten seien. Von pflegerischer Seite bezeichneten die initialen Akten der Klinik Günzburg umfangreich lokale Verletzungen, die den Bereich der oberen Extremitäten des linken Handgelenks und des rechten Ellenbogengelenks, an den unteren Extremitäten die Kniegelenke und den linken Unterschenkel beträfen. Der Verdacht auf eine rechtsseitige Fersenbein-Fraktur habe sich nach radiologischer Untersuchung nicht erhärten lassen. Bei dem Unfallereignis sei es unzweifelhaft zu einer Schädigung des unteren Armplexus gekommen, die jedoch nicht gravierend gewesen sein könne, da ansonsten im Plexus-Kernspin-Tomogramm sichtbare Auffälligkeiten zu erwarten gewesen wären. Dies hätten die späteren elektrophysiologischen Untersuchungen erhärtet. Hinsichtlich der neuro-psychologischen Defizite sei der Kläger bereits im Juli 2004 mit Ausnahme von leichten Defiziten bezüglich Aufmerksamkeit und Reaktionsfähigkeit als unauffällig beschrieben worden. Grenzwertig habe dies auch noch im Frühjahr 2009 gegolten. Ganz anders sehe die Situation demgegenüber 2010 und 2012 aus. Eine Verschlechterung der Unfallfolgen könne ausgeschlossen werden, so dass lediglich von einer leichtgradigen hirnorganischen Schädigung gesprochen werden könne, der üblicherweise mit einer MdE von 20 bis 30 v. H. Rechnung getragen werde. Eine Dystonie könne in Ermangelung eines schweren Großhirntraumas und zentraler neurologischer Ausfälle ausgeschlossen werden. Hinsichtlich der Schmerzen scheine der zeitliche Zusammenhang nicht klar, zumal auch Prof. Dr. Sch. im Frühjahr 2005 eine seitengleiche Hauttemperatur, seitengleiche Schweißneigung und seitengleich trophisch ohne Anhaltspunkte für eine Beteiligung des vegetativen Nervensystems am linken Arm beschrieben habe, so dass die von ihm gestellte Diagnose eines CRPS klinisch nicht belegt sei. Allenfalls stelle sich die Frage einer "psychogenen" dissoziativen Störung, wobei Voraussetzung hierfür wäre, dass ein schwerwiegenderer Körperschaden nachgewiesen sei, der eine lang anhaltende, sich insbesondere auch in den letzten Jahren verstärkende psychische Fehlverarbeitung nach sich ziehe. Dies könne bei dem Kläger ausgeschlossen werden, da umfangreich konkurrierende Probleme dokumentiert seien. So sei sein Bauunternehmen in Konkurs gegangen, seine Lebenspartnerin habe sich von ihm getrennt und in den neunziger Jahren sei bereits eine mehr als einjährige Arbeitsunfähigkeit aufgrund einer offensichtlich schweren psychischen Erkrankung dokumentiert, die bereits seinerzeit mit Verkrampfungen am ganzen Körper und neurokognitiven Auffälligkeiten in Form von Konzentrationsstörungen einhergegangen sei.

Der Chirurg und Unfallchirurg Dr. med. Dipl. biol. D. hat in seinem Gutachten vom 23. November 2015 die aktive Beweglichkeitseinschränkung im rechten unteren Sprunggelenk mit einer MdE kleiner als 10 v. H. bewertet, nachdem die Überstreckbarkeit 5 Grad und die maximale Beugung 30 Grad betragen habe. Die Stabilitätsprüfung beider oberer Sprunggelenke sei seitengleich stabil. Die eigene Röntgendiagnostik habe einen seitengleichen Mineralsalzgehalt der Fußskelette ohne Zeichen einer Inaktivitäts-Atrophie ergeben. Die von Dr. B. erhobenen Bewegungsmaße seien angesichts der gezeigten guten Beweglichkeit 2010 nicht nachvollziehbar. Der Sachverständige hat eine seitengleiche regelgerechte Muskulatur mit seitengleicher Hautbehaarung der Beine und der Füße beschrieben, auch die Bein- und Fußpulse seien in den typischen Etagen seitengleich kräftig nachweisbar. Die Fußsohlenbeschwielung sei seitengleich ausgebildet. Die scheinbar endgradig eingeschränkte Beugung in beiden Kniegelenken resultiere allein aus der massiven Adipositas. Überraschend sei gewesen, dass der Kläger beim Barfußgang auf ebenem Boden keinen Steppergang aufweise, also keine Gangart, die durch eine relevante Peronaeus-Lähmung verursacht werde, vielmehr halte er den rechten Fuß bei der Schwungphase im rechten oberen und unteren Sprunggelenk in Neutral-Null-Stellung.

Der Kläger hat noch den Entlassungsbericht über die stationäre Behandlung vom 10. bis 22. September 2015 wegen eines chronischen Schmerzsyndroms bei degenerativen Veränderungen der Brustwirbelsäule und Lendenwirbelsäule im Bundeswehrkrankenhaus zu den Akten gereicht. Aktuell leidet er danach an einem Bandscheibenprolaps des Brustwirbelkörpers 11/12 rechts. Der Kläger sei in Partnerschaft befindlich, in ausgeglichener Stimmung, bei unauffälligem Antrieb, nur Appetit und Schlaf seien schmerzbedingt gestört.

Der Kläger hat des Weiteren noch die Verordnung über orthopädische Schuhversorgung, die Kostenübernahme für den Elektroantrieb für den Rollstuhl der AOK Neckar-Filz, ein Attest des HNO-Arztes Dr. M. (das schwere Schädel-Hirn-Trauma sei mit geringer Wahrscheinlichkeit ein Co-Faktor bei der Genese der schlafbezogenen Atemstörung) vorgelegt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz, die von der Beklagten vorgelegte Verwaltungsakte (6 Band) wie die beigezogenen Gerichtsakten S 2 U 956/06, S 11 U 382/10 und S 11 U 3829/10 Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung der Beklagten ist form- und am Montag, 9. Dezember 2013, wegen der Zustellung des Urteils des SG am 7. November 2013 noch fristgerecht (§ 151 Abs. 1, § 64 Abs. 3 Sozialgerichtsgesetz – SGG -) beim LSG eingelegt worden sowie auch im Übrigen zulässig, insbesondere statthaft (§§ 143, 144 Abs. 1 SGG), und auch begründet. Das SG hat der Klage zu Unrecht stattgegeben, denn die angefochtenen Bescheide sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten. Dieser hat wegen der Folgen des Ereignisses vom 30. Mai 2004 ab 27. November 2005 kein Recht auf Rente nach einer höheren MdE als 50 v. H ...

Der Rechtsstreit ist nach Einholung von sechs Verwaltungs- und fünf Gerichtsgutachten entscheidungsreif; die Gutachter Prof. Dr. med. Dr. Dipl.-Ing. W. und Dr. med. Dipl. biol. D. waren nicht zur Erläuterung ihres Gutachtens mündlich anzuhören. Das Gericht hat sich im Rahmen der Beweiswürdigung mit den einander entgegenstehenden Ergebnissen auseinanderzusetzen (Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, Kommentar zum SGG, 11. Aufl. 2014, § 128 RdNr 7d, 7e m. w. N.). Hält das Gericht eines von mehreren Gutachten für überzeugend, darf es sich diesem anschließen, ohne ein weiteres Gutachten einzuholen. Bei einer derartigen Fallgestaltung ist für eine weitere Beweiserhebung regelmäßig kein Raum (BSG, Beschluss vom 1.April 2014 - B 9 V 54/13 B - Juris). Welche Erkenntnisse eine mündliche Vernehmung der Sachverständigen Prof. Dr. med. Dr. Dipl.-Ing. W. und Dr. med. Dipl. biol. D. über die bereits vorliegenden schriftlichen Äußerungen hinaus hätte erbringen sollen, hat der Kläger ebenso wenig dargelegt wie welche Fragen noch offen geblieben sind. Der Senat lehnt daher den Beweisantrag ab, weil Art. 103 Abs. 1 GG keinen Anspruch darauf gewährt, das Fragerecht gegenüber Sachverständigen in jedem Fall mündlich auszuüben (vgl. BVerfG vom 29. Mai 2013 - 1 BvR 1522/12 - Juris; vgl. auch BVerfG vom 17. Januar 2012 - 1 BvR 2728/10 - NJW 2012, 1346, Juris m. w. N.). Es ist auch nicht erkennbar, dass eine mündliche Befragung einen über die Wiederholung schriftlicher Äußerungen hinausreichenden Mehrwert hätte (so zuletzt BSG, Beschluss vom 10. Dezember 2013 - B 13 R 198/13 B - Juris). Auch wenn vom Kläger nicht verlangt werden kann, die Fragen im Einzelnen vorzuformulieren, so muss er doch deutlich machen, inwieweit noch Aufklärungsbedarf besteht. Dieser ist nicht ansatzweise zu erkennen. Allein der Umstand, dass verschiedene Sachverständige zu einer anderen Einschätzung gelangt sind, begründet einen solchen jedenfalls nicht, zumal die abweichende Einschätzung der Gutachter insbesondere erster Instanz nicht durch die Erstbefunde gedeckt und schon aus diesem Grund kaum nachvollziehbar sind.

Gegenstand des Berufungsverfahrens ist das Urteil des SG vom 11. Oktober 2013, mit dem der kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs. 1 Satz 1 Abs. 4 SGG) des Klägers stattgegeben worden ist.

Anspruchsgrundlage für die begehrte höhere Rentengewährung nach einer MdE von mehr als 50 v. H. ab dem 27. November 2005 ist § 56 Abs. 1 Satz 1 SGB VII. Danach haben Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit infolge eines Versicherungsfalls - hier eines Arbeitsunfalls - über die 26. Woche nach dem Versicherungsfall hinaus um wenigstens 20 v. H. gemindert ist, Anspruch auf Rente. Ist die Erwerbsfähigkeit infolge mehrerer Versicherungsfälle gemindert und erreichen die Vomhundertsätze zusammen wenigstens die Zahl 20, besteht für jeden, auch für einen früheren Versicherungsfall, Anspruch auf Rente (§ 56 Abs. 1 Satz 2 SGB VII). Die Folgen eines Versicherungsfalls sind nur zu berücksichtigen, wenn sie die Erwerbsfähigkeit um wenigstens 10 v. H. mindern (§ 56 Abs. 1 Satz 3 SGB VII).

Die MdE richtet sich nach dem Umfang der sich aus der Beeinträchtigung des körperlichen und geistigen Leistungsvermögens ergebenden verminderten Arbeitsmöglichkeiten auf dem gesamten Gebiet des Erwerbslebens (§ 56 Abs. 2 Satz 1 SGB VII). Um das Vorliegen der MdE beurteilen zu können, ist zunächst zu fragen, ob das aktuelle körperliche oder geistige Leistungsvermögen beeinträchtigt ist. In einem zweiten Schritt ist zu prüfen, ob und in welchem Umfang dadurch die Arbeitsmöglichkeiten der versicherten Person auf dem gesamten Gebiet des Erwerbslebens vermindert werden. Die Bemessung des Grades der MdE erfolgt als Tatsachenfeststellung des Gerichts, die dieses gemäß § 128 Abs. 1 Satz 1 SGG nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung trifft (BSG, Urteil vom 18. Januar 2011 - B 2 U 5/10 R -, juris, Rz. 16 m. w. N.). Die zur Bemessung der MdE in Rechtsprechung und Schrifttum herausgearbeiteten Erfahrungssätze sind dabei zu beachten. Sie sind zwar nicht für die Entscheidung im Einzelfall bindend, bilden aber die Grundlage für eine gleiche und gerechte Bewertung der MdE in zahlreichen Parallelfällen der täglichen Praxis und unterliegen ständigem Wandel (BSG, Urteil vom 22. Juni 2004 - B 2 U 14/03 R -, BSGE 93, 63).

Die Einschätzung der MdE setzt voraus, dass der Arbeitsunfall beim Kläger eine Beeinträchtigung des Leistungsvermögens hervorgerufen hat, entweder durch einen unfallbedingten Gesundheitserst- oder einen damit im Ursachenzusammenhang stehenden Gesundheitsfolgeschaden. Hinsichtlich des Beweismaßstabes gilt für die Beweiswürdigung bei der Tatsachenfeststellung, dass die Tatsachen, die solche Gesundheitsschäden erfüllen, im Grad des Vollbeweises, also mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit, für das Gericht feststehen müssen. Demgegenüber genügt für den Nachweis der naturphilosophischen Ursachenzusammenhänge zwischen der versicherten Einwirkung und einem Gesundheitserstschaden sowie zwischen einem Gesundheitserst- und einem Gesundheitsfolgeschaden der Grad der (hinreichenden) Wahrscheinlichkeit, nicht allerdings die Glaubhaftmachung und erst Recht nicht die bloße Möglichkeit (vgl. BSG, Urteile vom 2. April 2009 - B 2 U 29/07 R -, juris, Rz. 16 und vom 31. Januar 2012 - B 2 U 2/11 R -, juris, Rz. 17).

Das Bestehen einer Beeinträchtigung des körperlichen und geistigen Leistungsvermögens muss ausgehend von konkreten Funktionseinbußen beurteilt werden. Soweit die MdE sich nicht ausnahmsweise unmittelbar aus den Unfallfolgen erschließt, bilden festgestellte und eindeutig nach gängigen Diagnosesystemen konkret zu bezeichnende Krankheiten (vgl. BSG, Urteil vom 9. Mai 2006 - B 2 U 1/05 R -, BSGE 96, 196) die Tatsachengrundlage, von der ausgehend die Beeinträchtigung des körperlichen oder seelischen Leistungsvermögens auf dem Gebiet des gesamten Erwerbslebens zu beurteilen ist (BSG, Urteil vom 18. Januar 2011 - B 2 U 5/10 R -, juris, Rz. 17 m.w.N.).

Nach diesen Maßstäben führen die Folgen des Arbeitsunfalls vom 30. Mai 2004 ab 27. November 2005, dem Rentenbeginn gemäß § 72 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII, wie er wegen der bindenden Feststellung mit Bescheid vom 19. September 2010 feststeht, jedenfalls nicht zu einer höheren MdE als 50 v. H., wie die Beklagte mit dem auch angefochtenen Teilabhilfebescheid vom 15. Mai 2010 zutreffend festgestellt hat.

Durch das Unfallereignis kam es beim Kläger zunächst zu einer traumatischen Subarachnoidalblutung, einem Schädel-Hirn-Trauma wie einer - folgenlos ausgeheilten - Fraktur der zweiten Rippe rechts, später imponierte eine Gefühlsstörung im 2. und 3. Trigeminusast, was der Senat dem Entlassungsbericht des Bezirkskrankenhauses entnimmt. Die neurologische Symptomatik bildete sich zügig zurück, sogar das Gangbild war sicher. Im Ch.-Bad Göppingen waren chronische Kopfschmerzen und kognitive Einbußen feststellbar. Diese Unfallfolgen hat die Beklagte auch anerkannt. Richtigerweise ist das SG für die Bemessung der MdE von den von der Beklagten festgestellten bestandskräftigen Gesundheitsstörungen ausgegangen und hat diese zunächst seiner MdE-Bildung zugrunde gelegt.

In Auswertung der durchgeführten medizinischen Ermittlungen liegt beim Kläger zur Überzeugung des Senats aber eine rentenberechtigende MdE allenfalls in einem Ausmaß von 40 v. H. vor, so dass jedenfalls die Entscheidung des Beklagten, dem Kläger Rente nach einer MdE von 50 v. H. zu gewähren, ihn nicht in seinen Rechten verletzt. Der Senat stützt sich insoweit insbesondere auf die von ihm eingeholten Gutachten von Prof. Dr. med. Dr. Dipl.-Ing. W. wie des Dr. med. Dipl. biol. D. sowie von Dr. N. bzw. die Verwaltungsgutachten von Prof. Dr. Sch., Dr. R. und Dr. B., die der Senat jeweils im Wege des Urkundsbeweises verwertet hat (§ 118 Abs. 1 Satz 1 SGG i. V. m. §§ 415 ff. Zivilprozessordnung - ZPO). Demgegenüber konnten die abweichenden Einschätzungen des PD Dr. Sch., Prof. Dr. U., Dr. B. und PD Dr. W. nicht überzeugen, da sie nicht nachvollziehbar nur die jeweils aktuellen Angaben des Klägers wie die von ihm demonstrierten Paresen und Bewegungsmaße ihrer Bewertung ungeprüft zugrunde gelegt haben. Dabei hätte in Anbetracht des Umstands, dass sehr bald nach dem Unfallereignis eine teilweise Remission der Unfallfolgen eingetreten war und eine Verschlimmerung erstmalig drei Jahre nach dem Unfallereignis im Zusammenhang mit Versorgungsansprüchen berichtet wurde, Anlass zu kritischer Prüfung bestanden, zumal zahlreiche Auffälligkeiten wie die simulierte Sehschwäche in der Rehabilitationseinrichtung, schon sehr früh dokumentiert waren und auch der festgestellte Gesundheitserstschaden dies nicht stützen. Das Gutachten von Prof. Dr. U. kann schon deswegen der Bewertung nicht zugrunde gelegt werden, weil einzelne Abschnitte des Armes einzeln und damit mehrfach bewertet, danach addiert werden, somit die von ihm angenommene Funktionseinschränkungen des Armes letztlich mit einem Verlust des Armes im Bereich des Unterarms vergleichbar wäre (vgl. SchönB./Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 8. Aufl. 2010, S. 691). Demgegenüber wird von ihm die Einstufung auf neurologischem Fachgebiet ohne Begründung hierfür von 40 v. H. auf 25 v. H. vermindert eingestellt, worauf schon Beratungsarzt Dr. Spohner zutreffend hingewiesen hat, und was das Gutachten nicht mehr ansatzweise nachvollziehbar macht, so dass es nicht Grundlage der MdE-Einstufung sein kann.

Im Vordergrund der Funktionseinschränkungen steht die anlässlich des Verkehrsunfalls erlittene Schädel-Hirn-Verletzung des Klägers, die unstreitig zu chronischen Kopfschmerzen, einem Schmerzsyndrom wie Einschränkungen der kognitiven Leistungsfähigkeit geführt hat, nur deren Ausmaß wird gutachterlicherseits unterschiedlich bewertet. Die Auswirkungen hat zuletzt der Sachverständige Prof. Dr. med. Dr. Dipl.-Ing. W. übereinstimmend mit Dr. N. mit einer MdE von 20 bewertet, was für den Senat auch in Anbetracht der ersten Begutachtung durch Prof. Dr. Sch. schlüssig war.

Für eine zentrale Dystonie, die allein PD Dr. W. diagnostiziert hat und die schon für sich betrachtet eine hohe MdE rechtfertigen könnte, fehlt es, wie der Sachverständige Prof. Dr. med. Dr. Dipl.-Ing. W. schlüssig dargelegt hat, an dem dafür erforderlichen schweren Großhirntrauma. Ein solches hat auch Dr. N. nicht bestätigen können. Hinsichtlich der Einblutung in die Liquor-Räume hat es sich nach dem zeitnah angefertigten MRT des Schädels nämlich so verhalten, dass Läsionen im Bereich des Großhirns nicht belegt waren. Prof. Dr. Sch. hat in Auswertung der MRT des Schädels vom 23. Juni 2004 bereits frühzeitig dargelegt, dass die subduralen Blutungen weitestgehend resorbiert waren. Zentrale neurologische Ausfälle wurden ebenfalls nicht dokumentiert, also klinische Zeichen einer zentralen Schädigung an der betroffenen Extremität, eine Tonus-Erhöhung, strukturelle Schäden im Bereich Basal-Ganglien wie des Thalamus. Damit einhergehend hat sich der klinische Verlauf zunächst unauffällig dargestellt, der Kläger konnte rasch mobilisiert werden, das Gangbild war sicher, der Schwindel dezent, nur einmal war eine Sprachstörung tatsächlich zu beobachten. Sowohl in der Neurochirurgie Günzburg als auch im Ch.-Bad Göppingen wie den Kliniken Schmieder in Allensbach wurden durchgehend keine relevanten Paresen beschrieben. Die Muskeleigenreflexe waren seitengleich lebhaft auslösbar, die Sensibilität war lediglich hinsichtlich des linken kleinen Fingers eingeschränkt, die berichteten leichten Kopfschmerzen traten nur noch intermittierend bei der Entlassung auf, auch das Babinski-Zeichen war stets als negativ dokumentiert, somit nur eine periphere Schädigung des Trigeminus-Nervs wahrscheinlich. Die weitere Schlussfolgerung des Sachverständigen Prof. Dr. med. Dr. Dipl.-Ing. W., das auch keinerlei zentrale neurologische Ausfälle beschrieben werden, die auf eine zentrale posttraumatische Dystonie hinweisen, ist daher für den Senat gut nachvollziehbar gewesen, so dass er sich der Begutachtung des PD Dr. W. nicht anschließen konnte.

Was die kognitiven Defizite anbelangt, so waren bereits im Juli 2004 nur noch leichte Defizite bezüglich Aufmerksamkeit und Reaktionsfähigkeit bemerkbar, was der Senat dem Entlassungsbericht des Ch.-Bad Göppingen entnimmt. Danach wurde die Konzentration sogar als qualitativ wie quantitativ deutlich überdurchschnittlich und die Merkfähigkeit als gut durchschnittlich gewertet, relative Schwächen waren nur bei anhaltenden Anforderungen an Aufmerksamkeit und Reaktion festzustellen. Der Senat misst diesen Aussagen der auf solche Erkrankungen spezialisierten Klinik grundsätzlich einen hohen Beweiswert zu, weil sie noch völlig unbeeinflusst von etwaigen Leistungsansprüchen waren und allein therapeutische Konsequenzen nach sich zogen. Die beklagten Sprachstörungen konnten nur einmalig beobachtet werden, sie imponierten bei späteren Begutachtungen nicht (dazu siehe unten). Die berichtete Aufnahme der Autofahrten durch den Kläger hätte den abweichenden Gutachtern in Anbetracht der damit verbundenen Anforderungen an die Konzentrationsfähigkeit und Stresstoleranz zu denken geben müssen, wie dies bereits Prof. Dr. Sch. angemerkt hatte. In seinem ersten Gutachten hat dieser Sachverständige dann auch folgerichtig nur noch ein leichtes psychoorganische Psychosyndrom mit im Vordergrund stehenden, aber gebesserten chronischen Kopfschmerzen gesehen. Die kognitiven Beeinträchtigungen waren nicht mehr wesentlich, denn die Merkfähigkeit und das Arbeitsgedächtnis wurden als erhalten betrachtet. Sprachstörungen wurden bis auf das einmalige Auftreten 2004 nicht verifiziert, nur vom Kläger behauptet, was aber nach der Vielzahl der anamnestischen Angaben, die nur vom Kläger stammen können, schlicht nicht sein kann. In Anbetracht der Darlegungen des Sachverständigen Prof. Dr. med. Dr. Dipl.-Ing. W., dass bei Schädel-Hirn-Verletzung die Grundregel gilt, dass sowohl neuropsychologische als auch sensomotorische Defizite unmittelbar nach der Schädigung am ausgeprägtesten sind und sich dann im weiteren Verlauf entweder bessern oder im ungünstigsten Fall gleich bleiben, ist die später behauptete Verschlechterung, so sie denn überhaupt nachgewiesen ist, jedenfalls nicht dem Unfall anzulasten, zumal der Kläger selbst sie in weiteren Klageverfahren auf andere Arbeitsunfälle zurückgeführt haben wollte, so jedenfalls unzweifelhaft hinsichtlich der beklagten Kopfschmerzen. Deswegen ist die übereinstimmende Einschätzung der Sachverständigen Prof. Dr. med. Dr. Dipl.-Ing. W. und Dr. N., dass es sich nur um eine leichtgradige hirnorganische Schädigung handelt, für den Senat gut nachvollziehbar gewesen. Diese ist auch bei zentralen vegetativen Störungen allenfalls mit einer MdE von 20 v. H. zu bewerten (vgl. Schönberger./Mehrtens/Valentin, a.a.O., S. 186).

Die MdE von 30 v. H. ist daher nach Einschätzung des Senats allenfalls im Hinblick auf das zusätzlich vorliegende Schmerzsyndrom begründet. Ein chronisches Schmerzsyndrom, welches nach der Zehnten Revision der internationalen statistischen Klassifikation der Krankheiten und verwandter Gesundheitsprobleme der WHO aus dem Jahre 1989 (vom Deutschen Institut für medizinische Dokumentation und Information (DIMDI) ins Deutsche übertragen, herausgegeben und weiterentwickelt, aktuelle Fassung ICD-10 German Modification [GM] Version 2015, ICD-10-GM-2015) unter F45.41 als "Chronische Schmerzstörung mit somatischen und psychischen Faktoren" erfasst wird (Urteil des Senats vom 22. Januar 2015 - L 6 U 4997/13 -, juris, Rz. 33), liegt beim Kläger nicht mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit vor. Angesichts der zahlreichen in Betracht kommenden somatoformen Erkrankungen (vgl. ICD-10-GM-2015 F45.0 bis F45.9) und möglicher Schulenstreite sollte diese Feststellung nicht nur begründet sein, sondern aufgrund eines der üblichen Diagnosesysteme (z. B. ICD-10-GM-2015) und unter Verwendung der dortigen Schlüssel und Bezeichnungen erfolgen, damit die Feststellung nachvollziehbar ist. Denn je genauer und klarer die bei den Versicherten bestehenden Gesundheitsstörungen bestimmt sind, desto einfacher sind ihre Ursachen zu erkennen und zu beurteilen sowie letztlich die MdE zu bewerten (Urteil des Senats vom 22. Januar 2015 - L 6 U 4997/13 -, a. a. O.). Allerdings orientiert sich selbst die Gutachtenliteratur für die MdE-Bewertung nur grob an Diagnosesystemen, indem etwa bezogen auf das vorliegende Krankheitsbild eine Zweiteilung in somatoforme Störung (ICD-10 F45) ohne somatoforme Schmerzstörung und somatoforme Schmerzstörung (ICD-10 F45.4) vorgenommen wird (SchönB./Mehrtens/Valentin, a. a. O., S. 222). Die MdE-Stufungen erfolgen dann danach, ob ein Schmerzzustand mit leicht- bis mäßiggradiger körperlich-funktioneller Einschränkung (bis 10 v. H.), ein chronifizierter Schmerzzustand mit stärkergradiger körperlich-funktioneller Einschränkung und psychisch-emotionaler Beeinträchtigung (bis 30 v. H.) oder ein chronifizierter Schmerzzustand mit schwerwiegender körperlich-funktioneller Einschränkung und erheblicher psychisch-emotionaler Beeinträchtigung (bis 40 v. H.) vorliegt. Dies ist vor dem Hintergrund zu sehen, dass die MdE-Bewertung gemäß § 56 Abs. 2 Satz 1 SGB VII auf der Beeinträchtigung des körperlichen und geistigen Leistungsvermögens fußt. Die Einordnung solcher Erkrankungen nach einem Diagnosesystem ist folglich äußerst hilfreich, den Vollbeweis zu führen, dass sie vorliegen. Es ist damit aber nicht ausgeschlossen, aus anderen Gründen mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass ein Gesundheitsschaden vorliegt.

Insoweit ist zunächst abzugrenzen zu dem Befund von 2015. Bereits aus dem Entlassungsbericht des Bundeswehrkrankenhauseses Ulm geht klar hervor, dass das dort behandelte chronische Schmerzsyndrom auf degenerative Veränderungen der Brust- und Lendenwirbelsäule zurückgeführt wurde, also nicht unfallabhängig gewesen ist. Hinsichtlich der Wirbelsäule sind auch lediglich Bewegungseinschränkungen der Halswirbelsäule von der Beklagten anerkannt worden. Eine Verletzung weiterer Teile der Wirbelsäule ist nicht dokumentiert und damit auch nicht nachgewiesen. Das Schmerzgeschehen wird auch nicht durch eine CRPS geprägt. Für die allein von Prof. Dr. Sch. diagnostizierte CRPS fehlt es an jeglichem klinischen Hinweis dafür, was zuletzt für den Senat überzeugend Prof. Dr. med. Dr. Dipl.-Ing. W. dargelegt hat. Danach ermangelt es für eine richtungsweisend auf Schmerzen seitens des rechten Sprunggelenks zurückzuführende substanzielle Schädigung derselben. Das geht für den Senat überzeugend bereits aus dem Entlassungsbericht des Ch.-Bad hervor, wonach bereits 2004 eine volle Mobilisation bei sicherem Gangbild gelang. Dazu passend ist, dass der Kläger bei der klinisch-neurologischen Untersuchung durch Dr. N. zwar eine funktionelle Parese der linken oberen und der rechten unteren Extremität versucht hat zu zeigen, diese Demonstration aber so laienhaft und bewusstseinsnah war, so dass sie zutreffend zu der Einschätzung einer deutlichen Aggravation und tendenziösen Auslegung gelangt ist. Das rechte Sprunggelenk wurde vielmehr nur geprellt und dazu passend hat die Beklagte auch nur eine Kraftminderung des rechten Unterschenkels und eine Muskelminderung des oberen Sprunggelenks anerkannt, wenngleich dies dem heutigen klinischen Befund nicht mehr entspricht (dazu siehe unten). Auch die letzten neurologischen Befunde des Prof. Dr. Sch. vom Frühjahr 2005 beschreiben nur geringe Probleme seitens der Schulter, so dass kein zeitlicher Zusammenhang zu den seit 2009 geklagten massiven Schulterschmerzen besteht. Das vegetative Nervensystem kann auch, was der Sachverständige Prof. Dr. med. Dr. Dipl.-Ing. W. nachvollziehbar dargelegt hat, bei seitengleicher Hauttemperatur, seitengleicher Schweißneigung und seitengleicher Trophik nicht beteiligt sein, so dass es bereits an den für ein CRPS erforderlichen klinischen Hinweisen fehlt. Auch von einer dissoziativen Überlagerung des Schmerzsyndroms konnte sich der Senat letztendlich nicht überzeugen. Dessen ungeachtet, dass der gesamte Verfahrensablauf auf einen bewusstseinsnahen Versorgungswunsch hindeutet, was aus zahlreichen Befundberichten hervorgeht und zuletzt auch die Sachverständigen Dr. N., Dr. D. und Prof. Dr. med. Dr. Dipl.-Ing. W. beschrieben haben, fehlt es aus an der Kausalität durch das Unfallereignis, weil der Kläger bereits in sehr jungen Jahren 1986 psychisch auffällig wurde, dies schließlich zu einer mehr als einjährigen Arbeitsunfähigkeit führte und zugleich in der Biographie des Klägers Ereignisse stattfanden wie die Insolvenz seines Bauunternehmens und die Trennung von seiner Lebenspartnerin, die gegen eine Verursachung durch den Unfall sprechen.

Auf neurologischen Fachgebiet besteht weiter noch der Restbefund einer leichten unteren Armplexus-Läsion, die nach den Schürfwunden am rechten Ellenbogen als Gesundheitserstschaden und damit zeitnah zum Unfallereignis aufgrund der elektromyographischen Untersuchung der kleinen Handmuskeln links mit Zeichen von akuten Schädigungszeichen 2004 festgestellt wurde. Diese Unfallfolgen hat der ausgewiesene Spezialist Prof. Dr. med. Dr. Dipl.-Ing. W. schon deswegen als geringfügig bewertet, weil ansonsten im Plexus-Kernspin-Tomogramm sichtbare Auffälligkeiten zu erwarten gewesen wären. Das wurde im Übrigen durch die späteren elektrophysiologischen Untersuchungen erhärtet. Die Schädigung bildete sich auch rasch zurück. Bereits Prof. Dr. Sch. hatte 2009 die Funktionsstörungen der zentralen und peripheren Gefühlsstörungen im Bereich des linken Armes nur noch als diskret beschrieben. Damit steht die 2010 beklagte Einschränkung nicht im Einklang, kann, so sie denn überhaupt gesichert vorliegt, jedenfalls nicht auf den Unfall zurückgeführt werden. Am Vollbeweis irgendwelcher diesbezüglicher Einschränkungen fehlt es, da auch bei Dr. N. nur noch ganz geringe Auffälligkeiten, nämlich eine leichte Atrophie und leichte Muskelhypotonie ohne komplexes Schädigungsmuster bestanden. Die Muskulatur der Hand war allenfalls geringfügig schwächer ausgebildet, was sowohl Dr. N. als auch Prof. Dr. med. Dr. Dipl.-Ing. W. übereinstimmend befundet haben, insbesondere die Handstreckung gelingt bemerkenswert kräftig, was bei der demonstrierten Parese nicht der Fall sein kann. Die von Dr. B. angenommene Teil-MdE von 60 v. H. dafür ist, wie insbesondere Prof. Dr. med. Dr. Dipl.-Ing. W. herausgearbeitet hat, schon deswegen völlig unschlüssig, weil die vom Sachverständigen Dr. B. behauptete schwere Schulterverletzung, die im übrigen nicht nachgewiesen ist (dazu siehe unten), nicht zu einer unteren Plexusläsion führen kann, denn für die Schulter ist der obere Plexus zuständig. Es ist daher nur eine weitere MdE von 10 v. H. angemessen.

Eine nennenswerte Sehbeeinträchtigung ist trotz der vom Kläger bis zuletzt behaupteten Doppelbilder nicht im erforderlichen Vollbeweis nachgewiesen. In Auswertung des initialen Computertomogramms hat der neurologische Sachverständige Prof. Dr. med. Dr. Dipl.-Ing. W. auch für den Senat anschaulich dargelegt, dass es unmittelbar nach dem Unfallereignis zu einer rechtsseitigen frontalen Weichteilschwellung mit nicht dislozierter Schädelfraktur gekommen ist, die bis zur rechten Orbita reicht und deswegen nur die eingangs geklagten Doppelbilder beim Blick nach rechts erklärt, zusätzlich zu einer linksseitigen Einblutung im Hirnstammbereich. Entgegen dem Vorbringen des Klägers ist es aber nicht zu einer dauerhaften Augenschädigung gekommen, wie dies auch für den Senat überzeugend der Sachverständige Dr. R. dargelegt hat, demgegenüber von ihm auf mehrfache Nachfrage keinerlei Doppelbilder mehr beklagt wurden. Das steht in Übereinstimmung mit den Beobachtungen anlässlich der Rehabilitationsmaßnahme 2005, wonach der Kläger zwar angeblich nicht mehr richtig sehen konnte, dann aber in einem unbeobachteten Moment Zeitung lesend gesehen wurde, was mit seiner Befundschilderung schlichtweg nicht vereinbar ist. Der Sachverständige hat den allein krankheitswertigen Astigmatismus, die Presbyopie und das latente Schielen zutreffend als unfallunabhängig bewertet und ist auch nachvollziehbar zu der Einschätzung gelangt, dass sich die Angabe des Klägers, er könne nicht sehen, was er schreibe, nicht objektivieren lässt. Durch den Augenbefund wird daher keine eigenständige MdE begründet.

Gleiches gilt für die behauptete Schwerhörigkeit des Klägers nach dem Unfallereignis, die sich ebenfalls bei der Untersuchung von dem HNO-Arzt Dr. B. nicht hat nachweisen lassen, vielmehr im Wesentlichen Normalbefunde festgestellt werden konnten. Im Tonschwellenaudiogramm hat sich zwar die leichte Hörminderung des rechten Ohres bestätigen lassen, das Sprachgehör ist dadurch aber nicht eingeschränkt gewesen und auch die weiterführende audiologische Diagnostik hat keine krankhaften Befunde erkennen lassen. Die anamnestisch geklagte Riechstörung konnte nicht bestätigt werden, so dass vom HNO-ärztlichen Bereich die MdE zutreffend auch aus Sicht des Senats mit 0 bewertet worden ist.

Schließlich kann die 2011 diagnostizierte Schlafapnoe die MdE nicht erhöhen, sie ist nicht kausal auf den Unfall zurückzuführen. Selbst wenn sie der behandelnde HNO-Arzt Dr. M. als Co-Faktor bei der Genese bewertet hat, dann wäre sie als die Unfallfolge nur möglich, aber nicht wahrscheinlich. Vielmehr ist die Belastungsdyspnoe, die letztlich zu der Schlafapnoe geführt hat, der Adipositas Grad III geschuldet. Dafür spricht, dass in den Kliniken Schmieder 1994 bei ihm anlässlich der stationären Behandlung in der Schillerhöhe ein Schlafapnoe-Syndrom bei Adipositas mit restriktiver Ventilationsstörung zwar noch ausgeschlossen werden konnte, aber schon damals der Verdacht darauf bestand. Deswegen ist die spätere gutachterliche Bewertung von Dr. N., das chronisch-obstruktive Schlafapnoe-Syndrom mit CPAP-Therapie sei unfallunabhängig, für den Senat gut nachvollziehbar.

Auf chirurgischem Gebiet liegt eine – ausgeheilte – Fraktur der zweiten Rippe links, eine Schulterprellung mit frozen shoulder links und eine Prellung des rechten Sprunggelenks vor. Die dadurch begründeten Einschränkungen hat bereits Prof. Dr. W. 2009 angesichts der nicht nennenswerten Funktionseinschränkungen mit einer MdE von unter 10 v. H. bewertet.

Hinsichtlich der linken Schulter konnte bereits aufgrund der zeitnah angefertigten Röntgenaufnahmen vom Bezirkskrankenhaus Günzburg der Nachweis einer Fraktur nicht geführt werden, was durch das am 7. Juni 2004 angefertigte Kernspintomogramm bestätigt wurde. Im Bereich der linken Schulter imponierte vielmehr nur ein mäßig ausgeprägtes Knochenmarködem. Dr. N. hat den Befund daher zutreffend nur als Schulterprellung mit frozen shoulder links diagnostiziert. Der Kläger hat zwar immer wieder demonstriert, dass er den Arm nicht bewegen kann, so zuletzt gegenüber Prof. Dr. med. Dr. Dipl.-Ing. W. eine Beweglichkeit der Schulter von 30° gezeigt. Der Senat hat aber insofern, ebenso wie Dr. N., keine Zweifel daran, dass dies bei der ersichtlichen Muskulatur und dem kräftigen Händedruck schlicht so unglaubwürdig ist, dass kein Vollbeweis einer Beeinträchtigung geführt und insoweit keine MdE anzusetzen ist.

Im rechten Sprunggelenk ist als Primärschaden nur eine Prellung, aber keine Fraktur dokumentiert. Bereits aus diesem Grund ist nicht nachvollziehbar, wie es zu einer dauerhaften Behinderung des Sprunggelenks kommen soll, was Prof. Dr. med. Dr. Dipl.-Ing. W. deutlich herausgearbeitet hat. Der Kläger hat zwar seit 2010 immer wieder ausgeprägte Zehen- und Fußparesen demonstriert, dies gegenüber der erfahrenen Neurologin Dr. N. so entgegen der Anatomie, dass sie dennoch eine gute Kraftentwicklung beobachten konnte, deswegen zutreffend zu der Schlussfolgerung gelangt ist, dass keine Peronäusparese vorliegt: die getragenen Schiene ist somit nicht erforderlich. Bei der darauf veranlassten chirurgischen Überprüfung hat auch der Sachverständige Dr. med. Dipl. biol. D. keine relevante Peronaeus-Lähmung mehr feststellen können, gerade den dafür typischen Steppergang ebenso wie Dr. N. ausgeschlossen, der Kläger hat den rechten Fuß vielmehr bei der Schwungphase im rechten oberen und unteren Sprunggelenk in Neutral-Null-Stellung gehalten. Die Verordnung der Schiene vermag ebenso wenig wie die des Rollstuhls das Gegenteil zu beweisen, zumal die seitengleiche Bemuskelung und die Behaarung darauf hindeuten, dass der Kläger die Hilfsmittel im täglichen Leben nicht einsetzt. Dr. med. Dipl. biol. D. hat denn auch bei seiner Röntgendiagnostik einen seitengleichen Mineralsalzgehalt der Fußskelette ohne Zeichen einer Inaktivitäts-Atrophie gefunden, was ebenfalls den tatsächlichen Einsatz der Gliedmaße bestätigt. Die Feststellungen dieser Sachverständigen korrelieren damit, dass – wie oben dargelegt – direkt nach dem Unfall eine substanzielle Schädigung am rechten Sprunggelenk ausgeschlossen werden konnte und bereits 2004 eine volle Mobilisation bei sicherem Gangbild gelang, so dass in keiner Weise nachvollzogen werden kann, worauf jetzt eine relevante Peronaeus-Lähmung beruhen soll. Das wurde zuletzt bei den im Februar 2010 gefertigten Röntgenaufnahmen bestätigt, wonach sich kein Nachweis sonstiger stattgehabter Frakturen fand, lediglich eine größere Weichteilverkalkung am Hinterrand des oberen Sprunggelenks (Bl. 647 V-Akte). Bereits bei Prof. Dr. W. zeigte sich bei der Untersuchung 2009 eine regelmäßige Beschwielung beider Füße, auch das Schuhwerk war gleichmäßig abgelaufen, was eindrucksvoll den tatsächlichen Gebrauch der Gliedmaße belegt. Die von Dr. B. angenommene Teil-MdE von 30 v. H. ist daher nicht nachvollziehbar, nur eine solche unter 10 v. H. begründbar.

Bei der gebotenen integrierenden Gesamtschau der Gesamteinwirkungen (vgl. SchönB./Mehrtens/Valentin, a. a. O., S. 103) sind die leichte hirnorganische Schädigung mit dem Schmerzsyndrom mit einer MdE von 30 v. H. nicht mit dem Restbefund der unteren Armplexusläsion mit einer MdE von 10 v. H. überschneidend, so dass letztlich jedenfalls eine Gesamt-MdE von 40 v. H. angemessen, aber auch ausreichend die nachgewiesenen dauerhaften Unfallfolgen berücksichtigt. Die von der Beklagten gewährte Rente nach einer MdE von 50 v. H. verletzt den Kläger daher jedenfalls nicht in seinen Rechten.

Auf die Berufung der Beklagten war daher das erstinstanzliche Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen, wobei die Kostenentscheidung auf § 193 SGG beruht.

Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen.
Rechtskraft
Aus
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