L 11 KR 1175/16 B

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
11
1. Instanz
SG Konstanz (BWB)
Aktenzeichen
S 8 KR 3317/15
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 11 KR 1175/16 B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde des Klägers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Konstanz vom 18.02.2016 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Der Kläger wendet sich gegen die Versagung von Prozesskostenhilfe. Im zu Grunde liegenden Verfahren wendet sich der Kläger gegen die Erhebung von Beiträgen zur Kranken- und Pflegeversicherung für die Zeit vom 10.01. bis 03.06.2015.

Der 1952 geborene Kläger war bis 30.11.2012 als Kellner versicherungspflichtig beschäftigt und bei der Beklagten gesetzlich krankenversichert. Ab 01.12.2012 bezog er Arbeitslosengeld. Nach Eintritt von Arbeitsunfähigkeit am 20.11.2013 und Ende der Leistungsfortzahlung bezog der Kläger ab 04.12.2013 von der Beklagten zu 1) Krankengeld (Krg). Die Arbeitsunfähigkeit (AU) wurde durch den Orthopäden Dr. S. durchgehend bescheinigt zunächst mit Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen, ab Januar 2014 mit Auszahlscheinen, zuletzt vom 25.11.2014 (AU voraussichtlich bis 23.12.2014) und vom 23.12.2014 (AU voraussichtlich bis 09.01.2015, Diagnose: PHS – Periarthritis humeroscapularis rechts).

Mit Bescheid vom 11.11.2014 hatte die Beklagte zu 1) das Krg zum 09.11.2014 wegen des Nichtantritts einer Reha-Maßnahme versagt und darauf hingewiesen, dass die Mitgliedschaft mit Anspruch auf Krg zu diesem Tag ende. Hiergegen legte der Kläger Widerspruch ein.

Mit Bescheid vom 20.05.2015 versicherte die Beklagte zu 1) den Kläger, nachdem er auf entsprechende Nachfragen nicht reagiert, keinen anderweitigen Krankenversicherungsschutz nachgewiesen und keine freiwillige Krankenversicherung abgeschlossen hatte, ab 10.11.2014 obligatorisch nach § 188 Abs 4 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V). Für die Zeit vom 10.11.2014 bis 30.04.2015 seien Beiträge iHv 4.038,75 EUR angefallen. Hiergegen legte der Kläger Widerspruch ein und verwies darauf, dass die Beendigung der Mitgliedschaft aufgrund der Versagung des Krg rechtswidrig sei.

Mit Bescheid vom 16.07.2015 half die Beklagte zu 1) dem Widerspruch ab, nahm den Bescheid vom 11.11.2014 zurück und zahlte Krg für die Zeit vom 10.11.2014 bis 09.01.2015 nach. Die Mitgliedschaft mit Anspruch auf Krg ende zum 09.01.2015. Hiergegen erhob der Kläger Widerspruch. Für den Fortbestand des Krg-Anspruches bedürfe es keiner weiteren Krankschreibung. Nach der Versagung von Krg mit Bescheid vom 11.11.2014 habe er seine Ärzte nicht mehr regelmäßig aufgesucht, da er davon ausgegangen sei, dass er entstehende Behandlungskosten selbst tragen müsse, da er nicht mehr krankenversichert sei. Er legte ein Attest von Dr. S. vom 17.08.2015 vor, wonach er vom 01.01.2015 bis heute durchgehend in seinem Beruf als Kellner nicht arbeitsfähig gewesen sei.

Mit weiterem Bescheid vom 16.07.2015 korrigierte die Beklagte zu 1) die Anschlussversicherung, diese bestehe erst ab 10.01.2015. Für die Zeit vom 10.01.2015 bis 30.06.2015 seien Beiträge nach der Beitragsbemessungsgrenze iHv 4.067,69 EUR zu zahlen. Hiergegen erhob der Kläger Widerspruch. Mit weiterem Bescheid vom 30.07.2015 reduzierte die Beklagte zu 1) nach Vorlage von Einkommensnachweisen die Beiträge und berechnete diese nunmehr nach der Mindestentgeltgrenze. Für den Zeitraum 10.01. bis 31.07.2015 forderte sie noch 1.095,38 EUR. Der Bescheid erging ausdrücklich auch im Namen der Beklagten zu 2).

Am 18.09.2015 beantragte der Kläger beim Sozialgericht Konstanz (SG) die aufschiebende Wirkung seines Widerspruchs gegen den Beitragsbescheid. Mit Beschluss vom 14.10.2015 lehnte das SG den Antrag ab (S 8 KR 2563/15 ER), die Beschwerde des Klägers blieb erfolglos (LSG Baden-Württemberg 22.12.2015, L 5 KR 4779/15 ER-B).

Mit Widerspruchsbescheid vom 25.11.2015 wies die Beklagte zu 1) den Widerspruch wegen der Zahlung von Krg über den 09.01.2015 hinaus zurück, da die AU nur bis 09.01.2015 nachgewiesen worden sei. Die dagegen eingelegte Klage wird beim SG unter dem Az S 8 KR 3316/15 geführt.

Mit weiterem Widerspruchsbescheid vom 25.11.2015 wies die Beklagte zu 1) – auch im Namen der Pflegekasse – den Widerspruch gegen die Bescheid vom 20.05.2015, 16.07.2015 und 30.07.2015 zurück.

Hiergegen richtet sich die am 17.12.2015 zum SG erhobene Klage, für welche der Kläger die Gewährung von Prozesskostenhilfe (PKH) beantragt. Er macht geltend, § 46 SGB V regele lediglich die Entstehung des Anspruchs auf Krg. Hierfür reiche eine erste ärztliche Feststellung aus. Der Anspruch bestehe fort, solange die AU tatsächlich fortbestehe. Das Gesetz verlange nicht die Erfüllung weiterer Obliegenheiten durch den Versicherten. Das Berufen der Beklagten auf fehlende AU-Bescheinigungen sei widersprüchlich, willkürlich und rechtsmissbräuchlich, so dass sich der weitere Krg-Anspruch zumindest aus dem sozialrechtlichen Herstellungsanspruch begründe. Wegen des weiter bestehenden Krg-Anspruchs bestehe keine Beitragspflicht zur Kranken- und Pflegeversicherung.

Mit Beschluss vom 18.02.2016 hat das SG die Gewährung von PKH für das Klageverfahren abgelehnt. Rechtsgrundlage für die Beiträge sei § 223 Abs 1 SGB V. Der Kläger sei im Anschluss an seine Pflichtmitgliedschaft ab 10.01.2015 Mitglied der freiwilligen Versicherung der Beklagten zu 1) geworden (sog obligatorische Anschlussversicherung nach § 188 Abs 4 SGB V). Die Versicherung beginne mit dem Tag des Ausscheidens aus der Versicherungspflicht. Die Beitragspflicht bestehe unabhängig davon, ob Beiträge in Anspruch genommen würden. Als freiwilliges Mitglied habe der Kläger die Beiträge nach § 250 Abs 2 SGB V allein zu tragen. Das Fortbestehen der Mitgliedschaft als Versicherungspflichtiger könne nicht auf einen Anspruch auf Krg gestützt werden, da der Kläger ab 10.01.2015 weder Krg bezogen, noch einen Anspruch darauf gehabt habe. Der Anspruch auf Krg setze die vorherige ärztliche Feststellung voraus. Bei zeitlich befristeter AU müssten die Voraussetzungen für jeden Bewilligungsabschnitt neu festgestellt werden. Nach dem Auszahlschein vom 23.12.2014 habe die Krankschreibung des Klägers am 09.01.2015 geendet. Eine neue Krankschreibung liege danach nicht vor. § 46 Satz 1 Nr 2 SGB V sei strikt zu handhaben. Ausnahmen seien nur in engen Grenzen zulässig, wenn die ärztliche Feststellung oder die Meldung durch Umstände verhindert oder verzögert worden sei, die dem Verantwortungsbereich der Krankenkasse zuzurechnen seien. Ein solcher Fall liege hier nicht vor. Dass der Kläger der Fehlvorstellung unterlegen habe, nach Ende des Krg-Bezugs nicht mehr krankenversichert zu sein, entbinde ihn nicht von der Obliegenheit, weitere AU-Feststellungen vor Fristablauf einzuholen. Dies gelte umso mehr, als er bereits im Dezember 2014 in einem Widerspruchsverfahren (gegen den Bescheid vom 11.11.2014) seinen Krg-Anspruch weiter verfolgt habe. Insoweit sei ihm zuzumuten, die Anspruchsvoraussetzungen durch Vorlage einer AU-Bescheinigung zu erfüllen. Im Übrigen sei der Kläger von der Beklagten zu 1) über die Notwendigkeit des lückenlosen Nachweises informiert worden und habe die Kenntnisnahme mit seiner Unterschrift am 23.01.2014 bestätigt. Eine Beratungspflichtverletzung, die einen sozialrechtlichen Herstellungsanspruch begründen könne, sei danach nicht ersichtlich.

Gegen den ihm am 24.02.2016 zugestellten Beschluss richtet sich die am 22.03.2016 beim SG eingelegte Beschwerde des Klägers. Eine Verpflichtung zur Beitragszahlung bestehe für den Zeitraum 10.01. bis 03.06 2015 nicht, denn dem Kläger stehe ein Anspruch auf Krg zu. Dem SG könne nicht darin gefolgt werden, dass für einen Krg-Anspruch das Vorliegen lückenloser ärztlicher Bescheinigungen der AU erforderlich sei (unter Hinweis auf SG Speyer ua). Zudem habe der Kläger rückwirkend durch Attest von Dr. S. vom 17.08.2015 die ununterbrochene AU nachgewiesen. Die Beklagte habe mit Schreiben vom 02.01.2015 dem Kläger auf seinen Auszahlschein vom 23.12.2014 mitgeteilt, sie werde kein weiteres Krg an ihn zahlen. Vor dem Hintergrund, dass die Beklagte ihm bereits mit Bescheid vom 11.11.2014 mitgeteilt hatte, er sei nicht mehr krankenversichert, habe sich der Kläger schlicht nicht mehr getraut, seine Ärzte weiterhin regelmäßig aufzusuchen, da er davon ausgegangen sei, die entstehenden Behandlungskosten selbst tragen zu müssen. Dieses Agieren der Beklagten könne nicht anders ausgelegt werden als Aufforderung an den Kläger, keine weiteren AU-Bescheinigungen dort einzureichen. Die Mitteilung der Beklagten vom 02.01.2015 sei unzutreffend und unvollständig gewesen, die Beklagte hätte den Kläger darauf hinweisen müssen, dass die dortigen Folgen nur gälten, wenn keine weiteren AU-Bescheinigungen eingereicht würden. Zumindest unter dem Gesichtspunkt des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs sei der Krg-Anspruch begründet.

Bezüglich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Verfahrensakten beider Rechtszüge sowie die beigezogenen Verwaltungsakten der Beklagten verwiesen.

II.

Die form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde ist statthaft und zulässig (§§ 172 Abs 1, 173 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz - SGG), sie ist nicht gemäß § 172 Abs 3 Nr 2 SGG ausgeschlossen. Das SG hat nicht die persönlichen und wirtschaftlichen Voraussetzungen für die PKH verneint, sondern die Bewilligung wegen mangelnder Erfolgsaussicht der Klage abgelehnt.

Die Beschwerde ist nicht begründet. Das SG hat den Antrag auf Prozesskostenhilfe zu Recht abgelehnt.

Gemäß § 73a Abs 1 Satz 1 SGG in Verbindung mit § 114 ZPO erhält ein Beteiligter, der nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, auf Antrag PKH, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Hinreichende Erfolgsaussicht im Sinne des § 114 ZPO verlangt eine gewisse Erfolgswahrscheinlichkeit; dabei sind keine überspannten Anforderungen zu stellen (ständige Rechtsprechung des Senats unter Hinweis auf BVerfG 13.03.1990, 2 BvR 94/88, BVerfGE 81, 347, 357). Eine hinreichende Erfolgsaussicht der Rechtsverfolgung ist ua dann regelmäßig zu bejahen, wenn der Ausgang des Rechtsschutzverfahrens als offen zu bezeichnen ist. Zu beachten ist dabei, dass die Prüfung der Erfolgsaussicht nicht dazu dienen soll, die Rechtsverfolgung selbst in das summarische Verfahren zu verlagern. Dieses Verfahren will den grundrechtlich garantierten Rechtsschutz nicht selbst bieten, sondern zugänglich machen (BVerfG 02.03.2000, 1 BvR 2224/98, NJW 2000, 2098). PKH ist deshalb zu gewähren, wenn die Entscheidung in der Hauptsache von einer schwierigen, bislang nicht geklärten Rechtsfrage abhängt (vgl BVerfG 04.02.2004, 1 BvR 596/03, NJW 2004, 1789, 1790; Bundesgerichtshof (BGH), 10.12.1997, IV ZR 238/97, NJW 1998, 1154; Bundesfinanzhof (BFH), 27.11.1998, VI B 120/98, juris). Wenn die entscheidungserhebliche Rechtsfrage höchstrichterlich noch nicht geklärt ist, kann die Gewährung von PKH allerdings abgelehnt werden, wenn die Beantwortung der Rechtsfrage im Hinblick auf die einschlägige gesetzliche Regelung oder die durch die bereits vorliegende Rechtsprechung gewährten Auslegungshilfen nicht in dem genannten Sinne als "schwierig" erscheint (BVerfG, 11.03.2010, 1 BvR 365/09, NJW 2010, 1657 mwN). PKH kann des Weiteren verweigert werden, wenn ein Erfolg in der Hauptsache zwar nicht schlechthin ausgeschlossen ist, die Erfolgschance aber nur eine entfernte ist (BVerfG, 13.03.1990, 2 BvR 94/88, BVerfGE 81, 347).

Ausgehend von diesen Grundsätzen hat das SG zu Recht die PKH-Bewilligung abgelehnt, da eine hinreichende Erfolgsaussicht nicht vorliegt. Die Verpflichtung zur Beitragszahlung ergibt sich aus § 223 Abs 1 SGB V. Danach sind Beiträge für jeden Kalendertag der Mitgliedschaft zu zahlen, soweit das SGB V nichts anderes bestimmt. Nach § 190 Abs 12 SGB V endet die Mitgliedschaft der Bezieher von Arbeitslosengeld mit Ablauf des letzten Tages, für den die Leistung bezogen wird. Nach § 192 Abs 1 Nr 2 SGB V blieb die Mitgliedschaft des Klägers nach Ende des Bezugs von Arbeitslosengeld am 03.12.2013 über den Krg-Bezug bis 09.01.2015 erhalten. Über diesen Tag hinaus bestand keine Pflichtmitgliedschaft mehr, da der Kläger weder Krg bezog, noch einen Anspruch hierauf hatte. Insoweit wird auf die ausführlichen Darlegungen im Senatsbeschluss vom heutigen Tag im Parallelverfahren L 11 KR 1174/16 B Bezug genommen.

Nach dem Ende der Pflichtmitgliedschaft zum 09.01.2015 setzt sich die Mitgliedschaft gemäß § 188 Abs 4 SGB V am Tag nach dem Ausscheiden aus der Versicherungspflicht – somit ab 10.01.2015 - als freiwillige Mitgliedschaft fort. § 188 Abs 4 Satz 3 SGB V steht dem nicht entgegen. Nach dieser Vorschrift gilt Satz 1 nicht, wenn ein Anspruch auf Leistungen nach § 19 Abs 2 SGB V besteht, sofern im Anschluss daran das Bestehen eines anderweitigen Anspruchs auf Absicherung im Krankheitsfall nachgewiesen wird. Im Rahmen dieses Konkurrenzverhältnisses ist eine Prognose anzustellen, dass spätestens nach Ablauf eines Monats eine anderweitige Absicherung im Krankheitsfall erfolgen werde (vgl Felix in juris-PK SGB V, § 188 RdNr 22 und § 5 RdNr 93). Für eine anderweitige Absicherung nach spätestens einem Monat, zB durch ein neues Beschäftigungsverhältnis, bestehen im vorliegenden Fall allerdings keinerlei Anhaltspunkte. Es bleibt daher dabei, dass die freiwillige Mitgliedschaft am 10.01.2015 beginnt.

Freiwillige Mitglieder der gesetzlichen Krankenversicherung sind nach § 20 Abs 3 Sozialgesetzbuch Elftes Buch (SGB XI) versicherungspflichtig in der Pflegeversicherung.

Die Höhe der Beiträge wird vom Kläger nicht beanstandet und richtet sich hier zutreffend nach der Mindestbemessungsgrenze gemäß § 240 Abs 4 Satz 1 SGB V. Der Kläger hat die Beiträge nach §§ 250 Abs 2 SGB V, 59 Abs 4 Satz 1 SGB XI allein zu tragen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden nicht erstattet (§ 73a Abs 1 Satz 1 SGG iVm § 127 Abs 4 ZPO).

Dieser Beschluss ist nicht mit der Beschwerde anfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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