L 5 KA 1615/15

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Vertragsarztangelegenheiten
Abteilung
5
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 10 KA 6965/13
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 5 KA 1615/15
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 30.01.2015 wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf 2.404,22 EUR festgesetzt.

Gründe:

I. Der Kläger wendet sich gegen eine im Wege sachlich-rechnerischer Berichtigung (nachgehende Richtigstellung) verfügte Honorarrückforderung für die Quartale 2/2010 bis 3/2012 i.H.v. 2.404,22 EUR.

Der Kläger nimmt als Zahnarzt an der vertragszahnärztlichen Versorgung teil. Mit Bescheid vom 13.03.2013 (ohne Unterschrift mit Angabe der Sachbearbeiterin, Frau B. B.) verfügte die Beklagte die sachlich-rechnerische Berichtigung der zu den Quartalen 2/2010 bis 3/2012 ergangenen Honorarbescheide bzw. die Rückforderung von Honorar i.H.v. 2.404,22 EUR wegen fehlerhafter Abrechnung von Leistungen nach Gebührenordnungsposition (GOP) 01 und 107 des Einheitlichen Bewertungsmaßstabs für zahnärztliche Leistungen (Bema-Z - Teil 1. Konservierende und chirurgische Leistungen (KCH-Leistungen) und Röntgenleistungen).

Die genannten GOPen haben (soweit hier maßgeblich) auszugsweise folgenden Wortlaut:

GOP 01 Eingehende Untersuchung zur Feststellung von Zahn-, Mund- und Kieferkrankheiten einschließlich Beratung ... 2. Eine Leistung nach Nr. 01 kann je Kalenderhalbjahr einmal abgerechnet werden, frühestens nach Ablauf von vier Monaten ...

GOP 107 Entfernen harter Zahnbeläge, ... Das Entfernen harter Zahnbeläge ist einmal pro Kalenderjahr abrechnungsfähig ...

Zur Begründung der Honorarrückforderung führte die Beklagte aus, aufgrund einer nachträglichen quartalsübergreifenden Plausibilitätsprüfung der KCH-Abrechnungen gemäß § 106a Sozialgesetzbuch (SGB) Fünftes Buch (SGB V) und bedingt durch entsprechende Berichtigungsanträge von Krankenkassen für die Quartale 4/2010 bis 3/2012 seien Berichtigungen vorzunehmen; aus der dem Bescheid beigefügten Anlage ergäben sich die entsprechenden Kürzungsbeträge. Der Kläger habe sich mit der Belastung seines Honorarkontos mit dem Gesamtkürzungsbetrag von 2.404,22 EUR telefonisch einverstanden erklärt.

Am 21.03.2013 erhob der Kläger Widerspruch. Er trug vor, die Beklagte habe die KCH-Abrechnungen der Quartale 2/2010 bis 3/2012 jeweils nach Quartalsende überprüft und die Abrechnung der GOPen 01 und 107 Bema-Z nicht bemängelt. Hierfür seien auch Verwaltungskosten berechnet worden. Es könne nicht sein, dass die Beklagte nach 3 Jahren ihre eigene Arbeit als nicht korrekt einstufe und sein Honorarkonto mit einem Kürzungsbetrag von 2.404,22 EUR belasten wolle; damit habe er sich auch nicht einverstanden erklärt. Die nachträgliche Plausibilitätsprüfung sei nach fast 3 Jahren nicht mehr zulässig. Der Kürzungsbescheid sei nicht unterschrieben worden.

Mit (von der Vorsitzenden der Widerspruchsstelle der Beklagten unterschriebenem) Widerspruchsbescheid vom 12.11.2013 (in dem die an der Widerspruchsentscheidung beteiligten Personen benannt sind) wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Zur Begründung führte sie (u.a.) aus, hinsichtlich der Abrechnung der KCH-Leistungen des Quartals 3/2012 sei festgestellt worden, dass die Software einiger Zahnarztpraxen bei der quartalsübergreifenden Prüfung nicht oder nur teilweise funktioniert habe. So sei etwa das erste Behandlungsdatum bei der Abrechnung der GOP 107 Bema-Z einschließlich des zugehörigen Feststellungscodes nicht übermittelt worden. Sie habe deshalb für die Quartale 4/2010 bis 3/2012 eine quartalsübergreifende Prüfung von GOPen des Bema-Z Teil 1 durchgeführt. Im Rahmen der quartalsübergreifenden Prüfung der abgerechneten Leistungen des Quartals 4/2010 habe man die Abrechnungsdaten des gesamten Jahres 2010 herangezogen. Soweit dabei weitere quartalsübergreifende Abrechnungsfehler in den Quartalen 2/2010 und 3/2010 festgestellt worden seien, haben man auch diese korrigiert. Der Kläger habe (nur einmal im Kalenderjahr abrechenbare) Leistungen nach GOP 107 Bema-Z in 161 Fällen zweimal im Kalenderjahr abgerechnet. Die Leistung nach GOP 01 Bema-Z könne je Kalenderhalbjahr nur einmal abgerechnet werden, frühestens nach Ablauf von 4 Monaten. Der Kläger habe in 6 Fällen die Viermonatsfrist nicht eingehalten. Für die sachlich-rechnerische Richtigstellung gelte eine vierjährige Ausschlussfrist (BSG, Urteil vom 28.03.2007, - B 6 KA 26/06 R -, in juris). Diese Frist sei auch im Hinblick auf das Abrechnungsjahr 2010 gewahrt. Der Kürzungsbescheid sei auch ohne Unterschrift wirksam, da er die erlassende Behörde erkennen lasse und den Namen des Beauftragten der erlassenden Behörde (bzw. des Behördenleiters - hier Frau B. B. (Sachbearbeiterin)) enthalte (vgl. § 33 Abs. 3 Satz 1 SGB X).

Am 11.12.2013 erhob der Kläger Klage beim Sozialgericht Stuttgart (SG). Zur Begründung trug er vor, die Honorarrückforderung verstoße gegen Art 2 Abs. 1 und 3 Abs. 1 Grundgesetz (GG) sowie gegen das Grundrecht der Berufsausübungsfreiheit (Art 12 Abs. 1 GG) und gegen die Menschenwürde. Er gebe die KCH-Abrechnungen nach jedem Quartal fristgerecht zur Überprüfung ab und müsse auch eine entsprechende Verwaltungsgebühr zahlen. Da zu den Quartalen 2/2010 bis 3/2012 eine zeitnahe Berichtigung nicht erfolgt sei, habe er angenommen, die Abrechnung sei korrekt. Nach 3 Jahren seien Honorarkürzungen nicht mehr zulässig; diese müssten nach jedem Quartal zeitnah vorgenommen werden. Er wisse auch nicht, wer die nachträgliche quartalsübergreifende Plausibilitätsprüfung seiner KCH-Abrechnungen für die streitigen Quartale beantragt habe. Überzahlte Verwaltungskosten müssten anteilig zurückerstattet werden.

Die Beklagte trat der Klage entgegen. Der Kläger bestreite die Rechtmäßigkeit der Honorarberichtigung in der Sache nicht. Er habe gegen die zeitlichen Einschränkungen in den Abrechnungsbestimmungen der GOP 01 und GOP 107 Bema-Z verstoßen. Sie sei gemäß § 106a Abs. 2 SGB V berechtigt und auch verpflichtet, die sachliche und rechnerische Richtigkeit der Abrechnungen festzustellen; auf Anträge von Krankenkassen komme es hierfür nicht an. Die für Honorarberichtigungen geltende Frist von 4 Jahren sei eingehalten.

Mit Urteil vom 30.01.2015 wies das SG die Klage ab. Zur Begründung nahm es auf die Begründung des Widerspruchsbescheids Bezug (§ 136 Abs. 3 Sozialgerichtsgesetz, SGG). Grundrechtsverletzungen seien nicht ersichtlich. Der Kläger habe in den von der Honorarkürzung betroffenen Fällen gegen die Abrechnungsbestimmungen in GOP 01 und GOP 107 Bema-Z verstoßen, was er auch nicht bestreite. Die Beklagte müsse die Honorarabrechnungen (ohne Bindung an Anträge von Krankenkassen) sachlich-rechnerisch prüfen (§ 106 Abs. 2 SGB V) und innerhalb einer Frist von 4 Jahren Berichtigungen vornehmen (BSG, Urteil vom 28.03.2007, - B 6 KA 26/06 R -, in juris); diese Frist sei eingehalten.

Gegen das ihm am 25.03.2015 zugestellte Urteil hat der Kläger am 23.04.2015 Berufung eingelegt. Zur Begründung bekräftigt er im Wesentlichen sein bisheriges Vorbringen. Er habe ein Grundrecht darauf, zu erfahren, wer die nachträgliche quartalsübergreifende Plausibilitätsprüfung seiner KCH-Abrechnungen in den streitigen Quartalen beantragt habe. Er fühle sich insgesamt in seinen Grundrechten verletzt.

Der Kläger beantragt sinngemäß,

das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 30.01.2015 sowie den Bescheid der Beklagten vom 13.03.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 12.11.2013 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend und weist darauf hin, dass die in Rede stehenden Abrechnungsverstöße bei der EDV-gestützten Prüfung wegen eines Programmfehlers zunächst nicht erkannt und erst infolge von Berichtigungsanträgen einzelner Krankenkassen festgestellt worden seien. Sie habe daraufhin sämtliche Abrechnungen der Vertragszahnärzte überprüft mit dem Ergebnis einer Vielzahl von Berichtigungen (im Zuständigkeitsbereich der Bezirksdirektion Stuttgart 1.445 Berichtigungen), die sie (auch im Fall des Klägers) von Amts wegen - und nicht auf Anträge von Krankenkassen - vorgenommen habe. Die Erteilung von Auskünften bzw. die Erstattung von (im Übrigen zu Recht erhobenen) Verwaltungskosten sei nicht Streitgegenstand des vorliegenden Verfahrens.

Der Senat hat die Beteiligten darauf hingewiesen, dass er die Berufung, was vorliegend beabsichtigt sei, gemäß § 153 Abs. 4 SGG durch Beschluss zurückweisen kann, wenn er sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Die Beteiligten hatten Gelegenheit zur Stellungnahme. Sie haben sich nicht mehr geäußert.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf deren Schriftsätze sowie die Akten der Beklagten, des SG und des Senats Bezug genommen.

II. Der Senat entscheidet über die Berufung des Klägers gemäß § 153 Abs. 4 SGG durch Beschluss, weil er sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Der Rechtsstreit weist nach Einschätzung des Senats keine besonderen Schwierigkeiten in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht auf, die mit den Beteiligten in einer mündlichen Verhandlung erörtert werden müssten. Zu der beabsichtigten Verfahrensweise hat der Senat die Beteiligten angehört.

Die Berufung des Klägers ist gemäß §§ 143, 144, SGG statthaft; der Beschwerdewert des § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG (750 EUR) ist bei einem streitigen Kürzungsbetrag von 2.404,22 EUR überschritten. Die Berufung ist form- und fristgerecht eingelegt worden und daher auch gemäß § 151 SGG zulässig. Sie ist jedoch nicht begründet. Der Senat nimmt auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils und ergänzend auf die Begründung des Widerspruchsbescheids vom 12.11.2013 Bezug (§§ 153 Abs. 1 und 2, 136 Abs. 3 SGG). Ergänzend sei angemerkt:

Streitgegenstand des Klage- und des Berufungsverfahrens ist (allein) die mit Bescheid vom 13.03.2013 (Widerspruchsbescheid vom 12.11.2013) im Wege der nachgehenden sachlich-rechnerischen Berichtigung des vom Kläger in den Quartalen 2/2010 bis 3/2012 abgerechneten Vertragszahnarzthonorars verfügte Honorarrückforderung. Dagegen richten sich der vom Kläger in der mündlichen Verhandlung des SG vom 30.01.2015 gestellte Klagantrag und auch der in der Berufungsschrift vom 23.04.2015 gestellte Berufungsantrag. Die Erteilung von Auskünften oder die Erstattung gezahlter Verwaltungsgebühren ist nicht Streitgegenstand.

Die Beklagte hat die Abrechnung von Leistungen nach GOP 01 und GOP 107 Bema-Z wegen - worüber die Beteiligten nicht streiten - fehlerhafter Anwendung des Regelwerks (der Abrechnungsbestimmungen in GOP 01 und GOP 107 Bema-Z) berichtigt, die für die streitigen Quartale ergangenen Honorarbescheide in Höhe des Berichtigungs- bzw. Kürzungsbetrags teilweise aufgehoben und das zuviel gezahlte Honorar zurückgefordert. Sie hat die für nachgehende Richtigstellungen geltende Vierjahresfrist (dazu auch etwa BSG, Urteil vom 28.08.2013, - B 6 KA 50/12 R -, in juris) beachtet. Fehler hinsichtlich der Berechnung des Kürzungsbetrags im Einzelnen sind nicht erkennbar und auch nicht geltend gemacht. Die verfügte Honorarrückforderung entspricht danach dem Gesetz; sie ist rechtmäßig und verletzt daher auch Grundrechte des Klägers nicht. Aus welchem Anlass es zu der sachlich-rechnerischen Berichtigung gekommen ist, ist unerheblich. Die Beklagte ist zur Prüfung der Rechtmäßigkeit der Abrechnungen nach Maßgabe des § 106a SGB V (i.V.m. § 72 Abs. 1 Satz 2 SGB V) verpflichtet (vgl. zur Prüfung von Amts wegen jurisPK-SGB V/Clemens, § 106a Rdnr. 47 m.N. zur Rspr. des BSG; auch etwa BSG, Urteil vom 11.02.2015, - B 6 KA 15/14 R -, in juris). Die angefochtenen Bescheide sind im Übrigen formell rechtmäßig (vgl. dazu etwa LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 06.03.2015, - L 4 R 2666/13 -, in juris zum Erfordernis der Unterschrift).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 154 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).

Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 52 Abs. 3 Gerichtskostengesetz (GKG).

Gründe für die Zulassung der Revision bestehen nicht (§ 160 Abs. 2 SGG).
Rechtskraft
Aus
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