L 11 R 3430/15

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
11
1. Instanz
SG Mannheim (BWB)
Aktenzeichen
S 10 R 4027/13
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 11 R 3430/15
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 09.07.2015 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt Rente wegen Erwerbsminderung.

Der 1958 geborene Kläger ist gelernter Einzelhandelskaufmann. Von 1975 bis 1989 arbeitete er im elterlichen Lebensmittelgeschäft. Von 1989 bis 2002 war er als Lkw-Fahrer versicherungspflichtig beschäftigt. Im Anschluss liegen Pflichtbeitragszeiten wegen Bezug von Sozialleistungen bei Arbeitsunfähigkeit bzw Arbeitslosigkeit vor. Von 2008 bis 2010 arbeitete der Kläger erneut als Lkw-Fahrer. Nach Erschöpfung des Anspruchs auf Arbeitslosengeld bezieht er seither Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende. 2006 und 2008 beantragte der Kläger bereits erfolglos eine Erwerbsminderungsrente.

Am 19.12.2012 beantragte der Kläger erneut Rente wegen Erwerbsminderung. Die Beklagte zog die vorhandenen ärztlichen Unterlagen und Gutachten bei. Vom 16.11. bis 14.12.2005 hatte der Kläger eine stationäre Rehabilitationsmaßnahme in der Klinik St G., H. durchgeführt. Er war mit den Diagnosen Nierenzellkarzinom rechts mit Tumorexzision10/05, erhebliche postoperative Narbenschmerzen, Depression, degenerativ bedingtes HWS- und LWS-Syndrom als nicht mehr leistungsfähig für die Tätigkeit als Berufskraftfahrer entlassen worden. Leichte bis mittelschwere Tätigkeiten in wechselnder Körperhaltung wurden für mindestens sechs Stunden täglich möglich gehalten. Eine weitere Rehabilitation wurde vom 11.10. bis 08.11.2006 in B. M. durchgeführt. Die dortigen Ärzte kamen zu derselben Leistungsbeurteilung auch unter Berücksichtigung eines chronifizierten Schmerzsyndroms. Im Rahmen des ersten Rentenantrags ließ die Beklagte ein Gutachten durch den Chirurgen Dr. Z. erstellen, der unter dem 05.03.2007 ebenfalls leichte bis mittelschwere Tätigkeiten für möglich hielt. Das nachfolgende Klageverfahren vor dem Sozialgericht Mannheim (SG, S 2 R 2030/07) endete mit einem Vergleich, mit dem eine weitere Reha-Maßnahme angeboten wurde. Diese wurde vom 29.04. bis 27.05.2008 in der M.-Klinik B. S. durchgeführt. Im Entlassungsbericht wurden die Diagnosen emotional instabile Persönlichkeitsstörung impulsiver Typ, rezidivierende depressive Störung, gegenwärtig mittelgradige depressive Episode, anhaltende somatoforme Schmerzstörung, Zn Nephrektomie, kleinzelliges Nieren-Ca und HWS- und LWS-Syndrom aufgeführt. Eine endgültige Leistungseinschätzung könne erst nach erfolgter tagesklinischer und orthopädischer Behandlung abgegeben werden. Eine weitere Reha-Maßnahme in B. S., die der Kläger vor dem SG im Verfahren S 10 R 888/11 erstritten hatte, brach der Kläger am 07.09.2011 einen Tag nach Beginn ab, indem er ohne Ankündigung in der Nacht die Klinik verließ.

Die Beklagte ließ ein nervenärztliches Gutachten durch Dr. B. erstellen. Im Gutachten vom 27.05.2013 kam Dr. B. zu der Einschätzung, dass der Kläger unter einer Persönlichkeitsstörung, Zn Alkoholabusus, Wirbelsäulenschmerzen und Kopfschmerzen, somatoformer Schmerzstörung und kompensiertem Tinnitus leide. Leichte bis mittelschwere Tätigkeiten in Tagschicht könnten sechs Stunden und mehr täglich verrichtet werden. Ungeachtet subjektiver Beschwerden sei der Kläger objektiv in Konzentration, Merkfähigkeit, Gedächtnis und Aufmerksamkeit bis zuletzt ungestört mit keinerlei Zeichen vorzeitiger Erschöpfung oder Ermüdung gewesen. Über die lange Untersuchungsprozedur sei er auch zu keinem Zeitpunkt erkennbar schmerzbedingt oder durch den Tinnitus beeinträchtigt gewesen.

Mit Bescheid vom 01.07.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 04.11.2013 lehnte die Beklagte den Rentenantrag ab.

Hiergegen richtet sich die am 03.12.2013 zum SG erhobene Klage.

Das SG hat zunächst die behandelnden Ärzte schriftlich als sachverständige Zeugen befragt. Die Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie Dr. O.-P. hat mit Schreiben vom 14.01.2014 mitgeteilt, dass sie den Kläger zuletzt im Oktober 2011 behandelt habe. Der Orthopäde Dr. B. hat auf vier Behandlungen wegen HWS- und LWS-Beschwerden im Jahr 2013 verwiesen (Schreiben vom 13.01.2014).

Das SG hat den Kläger daraufhin vom Orthopäden Dr. W. begutachten lassen. Im Gutachten vom 05.05.2014 hat dieser folgende Diagnosen gestellt: - chronisches HWS- und LWS-Syndrom bei bis mäßiggradigen degenerativen Veränderungen, zufriedenstellender Beweglichkeit ohne überdauernde Nervenwurzelreizerscheinungen, - Klagen über chronisches Schmerzsyndrom zB im Rahmen einer somatoformen Schmerzstörung, - Großzehengrundgelenksarthrose rechts ausgeprägter als links. Leichte bis mittelschwere Tätigkeiten ohne ständiges Gehen, Arbeiten in gebückter Haltung oder im Hocken/Knien und ohne hohe Schwingungsbelastung im Sitzen könne der Kläger acht Stunden täglich verrichten.

Zusätzlich hat das SG ein psychiatrisches Gutachten bei Dr. B. eingeholt. Diese stellte in ihrem Gutachten vom 30.06.2014 folgende Diagnosen: - schädlicher Gebrauch von Alkohol - anhaltende Schmerzstörung, - rezidivierend depressive Störung, aktuell mittelgradig ausgeprägt, - emotional instabile Persönlichkeitsstörung vom impulsiven Typ. Es bestehe ein Leistungsvermögen von unter drei Stunden täglich. Die Einschätzung ergebe sich aus der Beurteilung mittels des Testinstruments Mini-ICF, durch die sich eine schwergradige Störung der Flexibilität, Urteilsfähigkeit, Durchhaltefähigkeit und Kontaktfähigkeit des Klägers gezeigt habe. Darüber hinaus zeige sich eine aufgehobene Fähigkeit in der Gruppenfähigkeit und bei engen Beziehungen, es bestünden mittelgradige Störungen in der Anpassung an Regeln und Routinen. Bei der emotional instabilen Persönlichkeitsstörung gebe es eine viel größere Nähe zu den Konzepten der Psychose als bei anderen Persönlichkeitsstörungen, was bei dem Kläger mit der wahnhaft anmutenden Symptomatik auch deutlich werde.

Mit seiner Stellungnahme vom 16.07.2014 hat Dr. N. vom sozialmedizinischen Dienst der Beklagten kritisiert, dass die Gutachterin den subjektiven Beschwerdeangaben des Klägers folge. Die Anamnese passe recht wenig zu den gestellten Diagnosen, insbesondere werde eine Depressivität nicht sichtbar. Ein kritisches Hinterfragen erfolge nicht, beschriebene Diskrepanzen würden auch nicht weiter erklärt.

Das SG hat daraufhin eine weitere Begutachtung nach Aktenlage durch Prof. Dr. S., Chefarzt im Psychiatrischen Zentrum N. in W. durchführen lassen. Der Kläger hatte zuvor mitgeteilt, dass er sich keinesfalls einer weiteren persönlichen Begutachtung unterziehen werde. Prof. Dr. S. hat in seinem Gutachten vom 23.03.2015 folgende Diagnosen gestellt: - anhaltende somatoforme Schmerzstörung - rezidivierende depressive Störung - schädlicher Gebrauch von Alkohol - emotional instabile Persönlichkeitsstörung vom impulsiven Typ. Die vorliegenden Gesundheitsstörungen schränkten das quantitative Leistungsvermögen nicht ein. Sofern keine gravierende depressive Störung und keine floride psychotische Symptomatik gegeben sei, lasse sich keine Begründung für eine quantitatives Leistungsdefizit gewinnen. Dr. B. habe im psychopathologischen Befund durchgängig Befunde und Beschwerden des Klägers vermengt, was in der psychiatrischen Standardbegutachtungsliteratur als schwerer Fehler angesehen werde. Zu Auffassung, Aufmerksamkeit, Merkfähigkeit und Erinnerungsvermögen fänden sich keinen Angaben, wenngleich vom Kläger selbst an anderer Stelle schwerste Dysfunktionen angegeben würden. Die behauptete wahnbedingte Angst bei Konfrontation mit anderen Menschen stehe im Widerspruch zu der offenkundigen Fähigkeit zur freien Bewegung im sozialen Raum (Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel, Freizeitverhalten: "Im Frühjahr und Sommer gehe er am Nachmittag gerne an den Rhein. da liege er dann im Schatten. Dann hole er sich aus dem Penny-Markt etwas zu essen."). Es bestehe eine offenkundige Diskrepanz zwischen den Angaben des Klägers im Strukturierten Fragebogen Simulierter Symptome (SFFS) und den mitgeteilten psychopathologischen Befunden. Die von Dr. B. vorgenommene Konsistenzanalyse könne nicht bestätigt werden.

Mit Urteil vom 09.07.2015 hat das SG die Klage gestützt auf die Gutachten von Dr. B., Dr. W. und Prof. Dr. S. abgewiesen. Der Kläger leide an chronischem HWS- und LWS-Syndrom, Großzehengrundgelenksarthrose, schädlichem Gebrauch von Alkohol, anhaltender Schmerzstörung, rezidivierender depressiver Störung und emotional instabiler Persönlichkeitsstörung. Aufgrund der orthopädischen Erkrankungen unterliege der Kläger keinen quantitativen Einschränkungen. Bei der Untersuchung durch Dr. W. sei auffällig gewesen, dass der Kläger sich spontan im Bereich der Hals- und Rumpfwirbelsäule unauffällig bewegt habe, bei der gezielten Bewegungsprüfung habe sich eine zufriedenstellende Beweglichkeit gezeigt. Die nachweisbaren degenerativen Veränderung seien im Bereich der HWS altersunterdurchschnittlich, im Bereich der LWS sicher nicht weit vorauseilend. Aus den Gesundheitsstörungen im Bereich der Wirbelsäule und des Großzehengrundgelenks resultiere die Einschränkung, dass Arbeiten in gebückter Haltung, mit hoher Schwingungsbelastung im Sitzen, ständiges Gehen oder regelmäßiges Hocken oder Knien zu vermeiden seien. Eine psychotische Symptomatik sei erstmals von Dr. B., zuvor an keiner Stelle der multiplen Vorbefunde thematisiert worden. Eine eigentliche psychotische Störung sei aus den widersprüchlichen Befunden von Dr. B. nicht zu begründen, auch Dr. B. habe selbst eine solche Störung nicht explizit diagnostiziert. Sofern keine anhaltende gravierende depressive Störung und keine psychotische Symptomatik nachweisbar sei, lasse sich keine Begründung für ein relevantes quantitatives Leistungsdefizit finden. Im Klageverfahren hätten keine weiteren Erkenntnisse gewonnen werden können. Der Kläger sei nicht zur Begutachtung bei Prof. Dr. S. bereit gewesen. Als Beteiligter sei er jedoch zur Mitwirkung bei den Ermittlungen verpflichtet. Die Beteiligten hätten die Folgen mangelnder Mitwirkung zu tragen, hierüber sei der Kläger auch belehrt worden. Es bestehe auch kein Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit. Zwar könne der Kläger den zuletzt ausgeübten Beruf als Lkw-Fahrer nicht mehr ausüben, als ungelernter Arbeiter könne er jedoch auf sämtliche Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes verwiesen werden. Die absolvierte Ausbildung zum Einzelhandelskaufmann sei in diesem Zusammenhang irrelevant, da es auf die zuletzt ausgeübte Tätigkeit ankomme.

Gegen das ihm am 16.07.2015 zugestellte Urteil richtet sich die am 13.08.2015 eingelegte Berufung des Klägers. Seine schmerzhaften Veränderungen im Kopf und im Körper würden immer schlimmer. Dr. B. habe im Rahmen einer 5-stündigen Befragung und Untersuchung festgestellt, dass er nur unter drei Stunden arbeitsfähig sei. Dies stimme und sollte nicht angezweifelt werden.

Der Kläger beantragt sinngemäß,

das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 09.07.2015 und den Bescheid der Beklagten vom 01.07.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 04.11.2013 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm Rente wegen voller, hilfsweise teilweiser Erwerbsminderung ab 01.12.2012 zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Kläger ist mit Schreiben vom 15.09.2015 darauf hingewiesen worden, dass die Berufung ohne erneute aktuelle Untersuchung im Rahmen einer Begutachtung kaum Aussicht auf Erfolg habe. Mit Schreiben vom 29.09.2015 hat der Kläger mitgeteilt, er lasse sich auch begutachten, wenn es ihm gesundheitlich möglich sei. Den vom daraufhin gerichtlich bestellten Sachverständigen Dr. S., Facharzt für Innere Medizin, Neurologie, Psychiatrie und Psychotherapie für den 03.12.2015 festgesetzten Untersuchungstermin hat der Kläger unentschuldigt nicht wahrgenommen. Auf nochmaligen Hinweis auf seine Mitwirkungspflichten und die Folgen fehlender Teilnahme an der Untersuchung mit Schreiben vom 07.12.2015 hat der Kläger sich für den ausgefallenen Termin entschuldigt und mitgeteilt, er versuche, sich das nächste Mal an die Termine zu halten. Einen weiteren angebotenen Untersuchungstermin bei Dr. Schnütgen am 14.04.2016 hat er jedoch ebenfalls nicht wahrgenommen.

Mit Schreiben vom 19.04.2016 sind die Beteiligten auf eine beabsichtigte Zurückweisung der Berufung durch Beschluss gemäß § 153 Abs 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) hingewiesen worden.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge und die Verwaltungsakten der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung des Klägers hat keinen Erfolg.

Der Senat weist die Berufung durch Beschluss ohne mündliche Verhandlung und ohne Beteiligung ehrenamtlicher Richter gemäß § 153 Abs 4 SGG zurück, da er sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Die Beteiligten sind zu dieser Verfahrensweise gehört worden; es sind keine Gründe genannt worden, die den Senat zur Anberaumung einer mündlichen Verhandlung hätten veranlassen müssen.

Die nach den §§ 143, 144, 151 Abs 1 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers ist zulässig, aber unbegründet. Das SG hat die Klage mit zutreffender Begründung abgewiesen. Der Bescheid der Beklagten vom 01.07.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 04.11.2013 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Gewährung einer Rente wegen voller bzw teilweiser Erwerbsminderung.

Versicherte haben nach § 43 Abs 2 Satz 1 SGB VI Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze, wenn sie voll erwerbsgemindert sind (Nr 1), in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben (Nr 2) und vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben (Nr 3). Voll erwerbsgemindert sind nach § 43 Abs 2 Satz 2 SGB VI Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außer Stande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Eine volle Erwerbsminderung liegt nach der ständigen Rechtsprechung des BSG auch dann vor, wenn der Versicherte täglich mindestens drei bis unter sechs Stunden erwerbstätig sein kann und er damit nach dem Wortlaut des § 43 Abs 1 Satz 2 SGB VI ohne Berücksichtigung der Arbeitsmarktlage an sich nur teilweise erwerbsgemindert ist (sog abstrakte Betrachtungsweise), ihm aber der Teilzeitarbeitsmarkt tatsächlich verschlossen ist (sog konkrete Betrachtungsweise). Wurde für die Prüfung, ob der Arbeitsmarkt verschlossen ist, zunächst noch gefordert, dass Vermittlungsbemühungen der Arbeitsverwaltung oder des Rentenversicherungsträgers innerhalb eines Jahres ab Stellung des Rentenantrags erfolglos blieben (vgl BSG 10.05.1977, 11 RA 8/76, juris), ist nunmehr zur Feststellung der Erwerbsminderung eines drei bis unter sechsstündig einsatzfähigen Versicherten bei rückwirkender Prüfung der Arbeitsmarktlage der Nachweis solcher konkreter Vermittlungsbemühungen nicht mehr erforderlich (vgl zum früheren Recht BSG 08.09.2005, B 13 RJ 10/04 R, BSGE 95, 112). Die nach dem früheren, dh bis 31.12.2000 geltenden Recht maßgebliche konkrete Betrachtungsweise hat der Gesetzgeber beibehalten, wie sich auch aus einem Umkehrschluss aus § 43 Abs 2 SGB VI ergibt (BSG 05.10.2005, B 5 RJ 6/05 R, SozR 4-2600 § 43 Nr 5; zum Ganzen siehe auch ausführlich LSG Baden-Württemberg 10.10.2014, L 4 R 5172/13, juris).

Nach dem Ergebnis der vom SG durchgeführten Beweisaufnahme und unter Berücksichtigung der im Verwaltungsverfahren und Gerichtsverfahren erstellten Gutachten von Dr. B., Dr. W. und Prof. Dr. S. sowie der Entlassungsberichte aus den Reha-Verfahren ist der Eintritt einer Erwerbsminderung des Klägers zur Überzeugung des Senats weder ersichtlich noch nachgewiesen. Das SG hat unter umfassender Auswertung sämtlicher vorliegender ärztlicher Unterlagen zutreffend festgestellt, dass der Kläger danach noch in der Lage ist, leichte bis mittelschwere Arbeiten ohne häufiges Bücken, ständiges Gehen, im Knien oder in der Hocke und ohne hohe Schwingungsbelastungen im Sitzen noch mindestens sechs Stunden arbeitstäglich verrichten kann. Der Senat schließt sich nach eigener Prüfung den ausführlichen und zutreffenden Ausführungen des SG an und weist die Berufung aus den überzeugenden Gründen der angefochtenen Entscheidung zurück (§ 153 Abs 2 SGG). Insbesondere ist das Gutachten von Dr. B. nicht schlüssig und nachvollziehbar. Die berechtigte Kritik des Prof. Dr. S. an diesem Gutachten macht sich der Senat zu eigen, er folgt dem Gutachten von Dr. B. daher nicht.

Eine andere Beurteilung ist nicht im Hinblick auf eine mögliche Verschlechterung des Gesundheitszustandes des Klägers geboten. Belege für eine Verschlechterung des Gesundheitszustands sind nicht vorhanden.

Eine weitere Ermittlung des Sachverhalts war dem Senat - wie zuvor bereits dem SG - nicht möglich, da der Kläger trotz ausführlichen Hinweises auf die negativen Folgen die ihm angebotenen Untersuchungstermine bei Dr. S. nicht wahrgenommen hat. Weitere medizinische Ermittlungen hält der Senat nach alledem nicht für erforderlich, da das bereits in Auftrag gegebene nervenärztliche Gutachten wegen der fehlenden Mitwirkungsbereitschaft des Klägers nicht eingeholt werden konnte. Eine Begutachtung nach Aktenlage hat bereits das SG durchgeführt, neue Befunde liegen seither nicht vor.

Ein Leistungsvermögen des Klägers von unter sechs Stunden arbeitstäglich ist damit nicht zur vollen Überzeugung des Senats nachgewiesen. Der Kläger ist daher nicht erwerbsgemindert (§ 43 Abs 3 SGB VI) und hat damit keinen Anspruch auf Gewährung einer Rente wegen teilweiser bzw voller Erwerbsminderung. Im sozialgerichtlichen Verfahren trägt derjenige die objektive Beweislast, zu dessen Gunsten ein Tatbestandsmerkmal im Prozess wirkt. Danach trägt der Kläger die objektive Beweislast für das Vorliegen einer Erwerbsminderung. Der Grundsatz der objektiven Beweislast greift dann ein, wenn das Gericht trotz aller Bemühungen bei der Amtsermittlung den Sachverhalt nicht weiter aufklären kann (vgl Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Auflage, § 118 RdNr 6). Der Kläger ist seiner prozessualen Mitwirkungspflicht (§ 103 Satz 1 SGG) nicht nachgekommen. Das Gericht erforscht den Sachverhalt von Amts wegen (§ 103 Satz 1 Halbsatz 1 SGG), die Beteiligten sind hierzu mit heranzuziehen (§ 103 Satz 1 Halbsatz 2 SGG). Sie müssen jedoch ihrer Mitwirkungslast genügen, sonst können sie Nachteile treffen. Soll Beweis erhoben werden durch Einholung eines Sachverständigengutachten trifft den Kläger die Obliegenheit, zum Zweck der Begutachtung beim Sachverständigen zu erscheinen (Hauck in Hennig, SGG, § 103 Rdnr 51). Das Gericht kann den Kläger nicht zwingen, sich einer Untersuchung und Begutachtung durch vom Gericht bestimmte neutrale Ärzte zu unterziehen. Verweigert er - wie vorliegend - eine Begutachtung, so hat er die prozessrechtlichen Folgen seines Verhaltens zu tragen. Hierauf ist der Kläger mehrfach ausdrücklich hingewiesen worden. Die Mitwirkungspflichten des Klägers sind durch die Anordnung einer Begutachtung auch nicht überspannt worden. Nach den auch im sozialgerichtlichen Verfahren anzuwendenden Grundsätzen (vgl Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer aaO, § 103 Rdnr 14a) des § 65 Abs 1 Nr 2 und Abs 2 Sozialgesetzbuch Erstes Buch (SGB I) besteht eine Mitwirkungspflicht des Versicherten nur dann nicht, wenn ihm ihre Erfüllung aus einem wichtigen Grund nicht zugemutet werden bzw wenn bei Untersuchungen im Einzelfall ein Schaden für Leben oder Gesundheit nicht mit hoher Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden kann. Diese Voraussetzungen sind im Fall des Klägers nicht ersichtlich. Nach alledem geht es zu Lasten des Klägers, dass der Sachverhalt insoweit nicht weiter aufgeklärt werden kann und eine Erwerbsminderung nicht nachgewiesen ist.

Anhaltspunkte dafür, dass in der Person des Klägers eine Summierung ungewöhnlicher Leistungsbeeinträchtigungen oder eine spezifische Leistungsbeeinträchtigung gegeben wäre, bestehen nicht. Die vorliegenden qualitativen Einschränkungen, die nicht ungewöhnlich sind, lassen keine ernstlichen Zweifel daran aufkommen, dass der Kläger noch wettbewerbsfähig in einem Betrieb einsetzbar ist. Schließlich ist hier auch nicht von einem verschlossenen Arbeitsmarkt im Sinne der Rechtsprechung des BSG und der dort aufgestellten Kriterien auszugehen (siehe BSG 30.11.1983, 5a RKn 28/82, BSGE 56, 64, SozR 2200 § 1246 Nr 110; siehe insbesondere auch hierzu den bestätigenden Beschluss des Großen Senats vom 19.12.1996 in BSGE 80, 2, SozR 3-2600 § 44 Nr. 8; siehe auch BSG 05.10.2005, B 5 RJ 6/05 R, SozR 4-2600 § 43 Nr.5). Der Kläger ist auch in der Lage, täglich viermal eine Wegstrecke von 500 Metern innerhalb von jeweils 20 Minuten zu Fuß zurückzulegen sowie öffentliche Verkehrsmittel zu Hauptverkehrszeiten zweimal am Tag zu benutzen. Die in den vorliegenden Gutachten erhobenen Befunde haben keine Einschränkung der Wegefähigkeit erbracht.

Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit gemäß § 240 SGB VI. Voraussetzung eines solchen Rentenanspruchs ist nach dieser Vorschrift, dass er vor dem 02.01.1961 geboren und berufsunfähig ist. Da der Kläger sich von seinem erlernten Beruf nicht aus gesundheitlichen Gründen gelöst hat, ist maßgeblich die zuletzt ausgeübte Tätigkeit als Lkw-Fahrer. Hierbei handelt es sich um eine ungelernte Tätigkeit, so dass der Kläger auf den allgemeinen Arbeitsmarkt verwiesen werden kann und eine Verweisungstätigkeit nicht benannt werden muss.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 160 Abs 2 Nr 1 und 2 SGG).
Rechtskraft
Aus
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