L 5 KA 2374/14

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Vertragsarztangelegenheiten
Abteilung
5
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 5 KA 2065/13
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 5 KA 2374/14
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 10.04.2014 wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt auch die Kosten des Berufungsverfahrens.

Der Streitwert wird endgültig auf 20.777,57 EUR festgesetzt.

Gründe:

I.

Der Kläger begehrt von der Beklagten die Auszahlung des unbudgetierten Honorars für das Quartal II/2009 und I/2010, hilfsweise höheres vertragsärztliches Honorar und höchsthilfsweise, die Verpflichtung der Beklagten zur Neubescheidung.

Der Kläger ist als Facharzt für Orthopädie und Chirurgie mit Sitz in E. zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen. Die Beklagte wies dem Kläger das Regelleistungsvolumen (RLV) wie folgt zu:

I/2009 50.529,57 EUR II/2009 43.622,32 EUR IV/2009 47.067,84 EUR I/2010 52.457,86 EUR.

Das Honorar des Klägers in den (noch) streitgegenständlichen Honorarbescheiden der Quartale II/2009 vom 14.12.2009 und I/2010 vom 15.07.2010 stellte sich wie folgt dar:

II/2009 I/2010 Honorar gesamt nach Konvergenz vor Abzug Praxisgebühr/Zuzahlungen 174.030,21 EUR 191.849,70 EUR anerkannte Leistungsanforderung 187.012,46 EUR 195,937,20 EUR RLV 43.622,32 EUR 52.457,86 EUR RLV-relevante Leistungsanforderung 52.084,03 EUR 55.141,89 EUR Quotiert vergütet 896,10 EUR 472,92 EUR Konvergenzregelung 0 EUR 0 EUR

Gegen die Bescheide über die RLV-Zuweisungen der Quartale I/2009, II/2009, IV/2009 und I/2010 sowie die Honorarbescheide dieser Quartale erhob der Kläger Widerspruch.

Mit seinen Widersprüchen rügte der Kläger eine nicht fristgerechte Zuweisung des RLV. Weiter beantragte er eine gleichhohe Zahlung wie für I/2008, außerdem "die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs", eine Haftung der KV für eventuelle Folgeschäden, eine Weiterführung des Honorarverteilungsvertrages aus 2008 und rügte außerdem einen rechtswidrigen Fallwert. Darüber hinaus decke die Röntgenvergütung von 5,00 EUR bzw. 7,20 EUR nicht einmal die Unkosten. Zudem machte er geltend, "die Vorgabe des Bewertungsausschusses der KBV für die Honorarverteilung zu Lasten der Gruppe der Fachärzte" entspreche nicht den gesetzlichen Vorgaben des § 87c Sozialgesetzbuch (SGB) V. Außerdem bemängelte der Kläger die Einbeziehung von Sachkosten bei der Ermittlung des konvergenzrelevanten Honorars.

Der Widerspruch des Klägers gegen den Honorarbescheid des Quartals I/2009 wurde mit bestandskräftigem Widerspruchsbescheid vom 28.10.2010 zurückgewiesen, derjenige gegen den Honorarbescheid für das Quartal IV/2009 mit bestandskräftigem Widerspruchsbescheid vom 25.11.2010.

Mit Widerspruchsbescheid vom 19.03.2013 wies die Beklagte die Widersprüche gegen die RLV-Zuweisungsbescheide der Quartale II/2009 und I/2010 sowie die Widersprüche gegen die Honorarbescheide der Quartale II/2009 und I/2010 zurück. Zur Begründung führte sie aus, die nicht fristgerechte Zuweisung des RLV werde vom Gesetzgeber nicht sanktioniert. Eine gleich hohe Honorarzahlung wie in I/2008 sei nicht möglich. Die Beklagte könne durch ein Widerspruchsverfahren keinen Einfluss auf die Aufrechterhaltung der früheren vertraglichen Gestaltungen nehmen. Widersprüche und Klagen gegen die Honorarfestsetzung hätten gemäß § 85 Abs. 4 Satz 9 SGB V keine aufschiebende Wirkung. Hinsichtlich des Vorbringens, der festgesetzte RLV-Fallwert werde durch die Grundpauschale des Einheitlichen Bewertungsmaßstabes (EBM) fast vollständig ausgefüllt, sei zu sagen, dass das RLV ein Euro-Volumen für Leistungen der Praxis insgesamt darstelle und nicht auf einzelne Patienten bezogen sei. Darüber hinaus sei der RLV-Fallwert nicht gleichzusetzen mit dem Gesamtfallwert. Die Gesamtfallwerte, die die jeweiligen Umsätze der übrigen Vergütungsbestandteile (qualitätsgebundene Fallwertzuschläge, Freie Leistungen, Einzelleistungen sowie abgestaffelte Leistungen bei RLV-Überschreitung) beinhalteten, seien deutlich höher als die RLV-Fallwerte. Der RLV-Fallwert habe damit nur eingeschränkte Aussagekraft. Die Vergütung der Fallwertzuschläge (diagnostische Radiologie) sei für die Beklagte in Teil B § 8 i.V.m. Anlage 2 Honorarverteilungsvertrag (HVV) verbindlich festgelegt. Weiter verwies die Beklagte unter näheren Erläuterungen darauf, dass das Honorar des Klägers zutreffend berechnet worden sei. Ergänzend führte die Beklagte aus, dass allgemein die Durchsicht der Unterlagen des Klägers ergeben habe, dass er mit Ausnahme der Quartale I/2009 und IV/2009 (wobei hier der Honorarverlust zum Teil auf den Rückgang der Fallzahlen zurückzuführen sei) sein Honorar jedes Quartal habe steigern können. Insoweit verwies sie auf folgende tabellarische Aufstellung:

Honorar Fallzahl Fallwert I/2008 176.310,18EUR 1.758 100,29EUR I/2009 162.446,27EUR 1.749 92,88EUR +/- -7,86% -0,51% -7,39%

Honorar Fallzahl Fallwert II/2008 167.494,53EUR 1.779 94,15EUR II/2009 173.272,96EUR 1.726 98,34EUR +/- +3,45% -0,96% +4,45%

Honorar Fallzahl Fallwert III/2008 155.345,26EUR 1.616 96,13EUR III/2009 187.985,61EUR 1.672 112,43EUR +/- +21,01% +3,47% +16,96%

Honorar Fallzahl Fallwert IV/2008 191.382,28EUR 1.699 112,64EUR IV/2009 187.147,81EUR 1.647 113,63EUR +/- -2,21% -3,06% +0,88%

Honorar Fallzahl Fallwert I/2009 170.418,72EUR 1.749 97,44EUR I/2010 188.799,64EUR 1.681 112,31EUR +/- +10,79% -3,89% +15,26%

Honorar Fallzahl Fallwert II/2009 173.272,96EUR 1.762 98,34EUR II/2010 183.449,43EUR 1.738 105,55EUR +/- +5,87% -1,36% +7,33%

Mit weiterem Widerspruchsbescheid vom 19.03.2013 wies die Beklagte die Widersprüche gegen die RLV-Zuweisung der Quartale I/2009 und IV/2009 unter Hinweis auf das fehlende Rechtsschutzbedürfnis wegen der eingetretenen Bestandskraft der Honorarbescheide der entsprechenden Quartale zurück.

Der Kläger erhob am 09.04.2013 im Wege der Klagehäufung gegen beide Widerspruchsbescheide vom 19.03.2013 Klage zum Sozialgericht Stuttgart (SG). Zur Begründung legte der Klägerbevollmächtigte eine Art Rechtsgutachten vor, mit welchem - soweit im Berufungsverfahren noch von Interesse - geltend gemacht wird, dass die erstmalige Vereinbarung der morbiditätsbedingten Gesamtvergütung in Teil B des Beschlusses Vereinbarung der morbiditätsbedingten Gesamtvergütung (§ 87c Absatz 4 SGB V in der vom 01.07.2008 bis 31.12.2011 geltenden Fassung vom 26.03.2007; im Folgenden: a.F.) nicht mit den gesetzgeberischen Vorgaben vereinbar sei. Der Gesetzgeber sehe in § 87 Absatz 2f SGB V (in der ab 01.07.2008 geltenden Fassung vom 26.03.2007; im Folgenden: a.F.) zwingend vor, dass der Bewertungsausschuss bis 31.08. eines Jahres Indikatoren zur Messung der regionalen Besonderheiten bei der Kosten- und Versorgungsstruktur vorgebe. Dieses habe der Bewertungsausschuss in Teil C des Beschlusses nicht umgesetzt. Außerdem habe der EBewA auch entgegen § 87b Absatz 3 Nummer (gemeint wohl: Satz) 6 SGB V a.F. den Morbiditätsgesichtspunkt des "Geschlechts" in Teil F des Beschlusses nicht berücksichtigt. Soweit der Bewertungsausschuss die Vorgaben des Gesetzgebers fehlerhaft umgesetzt habe, würden die fehlerhaften Umsetzungen in der HVV perpetuiert. Somit würden dieselben Einwendungen, wie zuvor dargestellt, gelten.

Die Beklagte trat der Klage entgegen. Sie vertrat die Auffassung, dass die Bescheide für die Quartale II/2009 und I/2010 nicht zu beanstanden seien, sie beruhten auf den rechtlichen Vorgaben für die Honorarverteilung, die sich aus den §§ 87ff. SGB V i.V.m. den Beschlüssen des (Erweiterten) Bewertungsausschusses zur Neuordnung der vertragsärztlichen Vergütung und dem ab 01.01.2009 gültigen HVV der Beklagten ergeben würden. Soweit sich der Kläger mit den Beschlüssen des Erweiterten Bewertungsausschusses vom 27./28.08.2008 auseinandersetze, habe bereits das SG Marburg in seiner Entscheidung vom 06.10.2010 (S 11 KA 340/09, in juris) diese Beschlüsse als im Wesentlichen rechtmäßig bestätigt. Hierzu führte die Beklagte näher aus. Weiter legte die Beklagte dar, dass keine Fehler in dem ab 01.01.2009 gültigen HVV zu erkennen seien und im Übrigen der Kläger eine rechtliche Betroffenheit nicht dargelegt habe. Darüber hinaus wies die Beklagte die Kritik an den Beschlüssen des Erweiterten Bewertungsausschusses vom 02.09.2009 und 22.09.2009 unter ausführlichen Darlegungen zurück und wies hinsichtlich der Ausführungen des Klägerbevollmächtigten zu dem vom 01.01.2010 bis 30.06.2010 geltenden HVV auch insoweit auf eine fehlende rechtliche Betroffenheit des Klägers hin.

Im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 10.04.2014 nahm der Klägerbevollmächtigte sodann die Klage bezüglich der RLV-Zuweisungen der Quartale I/2009 und IV/2009 zurück.

Mit Urteil vom 10.04.2014 wies das SG die Klage ab. Die Klage sei zulässig, aber unbegründet. Die RLV-Zuweisungsbescheide für die Quartale II/2009 und I/2010 sowie die Honorarbescheide der Quartale II/2009 und I/2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 19.03.2013 stünden in Einklang mit der diesen zugrunde liegenden Honorarverteilungsvereinbarung 2009 (abgeschlossen zwischen der Beklagten und den Baden-Württembergischen Krankenkassenverbänden gemäß § 83, 85 Absatz 4 Satz 2 i.V.m. § 87b SGB V und auf der Basis der Beschlüsse des Erweiterten Bewertungsausschusses vom 27./28.08, 17.10.2008 sowie deren Anpassungen und Ergänzungen für die Zeit ab dem 01.01.2009, im folgenden HVV 2009) sowie den der HVV 2009 zugrunde liegenden Beschlüssen des (Erweiterten) Bewertungsausschusses vom 27./28.08.2008 sowie vom 17.10.2008 und 23.10.2008 (im folgenden Beschlüsse EBewA 2008). Im Hinblick auf die im Berufungsverfahren noch relevanten Punkte führte das SG unter Bezugnahme auf das Urteil des SG vom 24.10.2013 (S 11 KA 6099/11) im Einzelnen aus, der (E)BewA habe insbesondere die gesetzlichen Vorgaben im Hinblick auf die Berücksichtigung regionaler Besonderheiten bei der Kosten- und Versorgungsstruktur sowie im Hinblick auf das Morbiditätskriterium "Geschlecht" eingehalten. § 87 Absatz 2f SGB V a.F. bestimme, dass der für ärztliche Leistungen zuständige Bewertungsausschuss jährlich bis zum 31.08. Indikatoren zur Messung der regionalen Besonderheiten bei der Kosten- und Versorgungsstruktur nach § 87a Absatz 2 Satz 2 SGB V festlege, auf deren Grundlage in den regionalen Punktwertvereinbarungen von den Orientierungswerten nach Absatz 2e Satz 1 abgewichen werden könne. Der Bewertungsausschuss könne die zur Festlegung der Indikatoren erforderlichen Datenerhebungen und -auswertungen gemäß Absatz 3f Satz 3 a.F. durchführen; soweit möglich habe er bei der Festlegung der Indikatoren amtliche Indikatoren zugrunde zu legen. Als Indikatoren für das Vorliegen von regionalen Besonderheiten bei der Versorgungsstruktur dienten insbesondere Indikatoren, die Abweichungen der regionalen Fallzahlentwicklung von der bundesdurchschnittlichen Fallzahlentwicklung messen würden. Als Indikatoren für das Vorliegen von regionalen Besonderheiten bei der Kostenstruktur dienten insbesondere Indikatoren, die Abweichungen der für die Arztpraxen maßgeblichen regionalen Investitions- und Betriebskosten von den entsprechenden bundesdurchschnittlichen Kosten messen würden. Der Kläger trage zu Recht vor, dass der Bewertungsausschuss keine Indikatoren zur Messung der regionalen Besonderheiten bei der Kosten- und Versorgungsstruktur vorgegeben habe. Ebenfalls zutreffend merke er an, dass das Gesetz zum damaligen Zeitpunkt keine Möglichkeit für den Bewertungsausschuss enthalten habe, von den Vorgaben abzuweichen. Jedoch führe die Rechtswidrigkeit des Beschlusses in diesem Punkt nicht unmittelbar zu einer Verletzung des Klägers in seinen Rechten, da die Indikatoren für die regionalen Besonderheiten ausschließlich im Rahmen der Bildung der Euro-Gebührenwerte eine Rolle spielen würden und es im Ermessen der Gesamtvertragsparteien liege zu entscheiden, ob nach den vom Bewertungsausschuss vorgegebenen Kriterien eine Anpassung der Euro-Gebührenwerte vorgenommen werde. Insoweit bestünden zwei unterschiedliche Rechtskreise (SG Marburg, Urteil vom 06.10.2010 – S 11 KA 340/09, Rn. 162, zitiert nach juris). Im Rahmen der Vorschriften über regionale Besonderheiten sei die gesetzliche Konstruktion – anders als im Bereich der morbiditätsbedingten Gesamtvergütung – so ausgelegt, dass ein Umsetzungsakt auf Landesebene weiterhin notwendig bleibe, um dem gesetzlichen Auftrag Rechnung zu tragen. Vor diesem Hintergrund sei eine hypothetische Rechtsverletzung des Klägers nur unter der Prämisse gegeben, dass in Baden-Württemberg tatsächlich von der Verhandlungsmöglichkeit zwischen den Parteien der Gesamtverträge Gebrauch gemacht worden wäre und dies zu Gunsten des Klägers. Je nach Indikator wäre auch ein Abschlag auf die Gebührenwerte durchaus denkbar gewesen. Im Rahmen der Berücksichtigung der Euro-Gebührenordnung bei der individuellen Arztabrechnung sei zudem eine Benachteiligung des Klägers nur denklogisch möglich, wenn dieser sein RLV nicht ausgeschöpft hätte und dementsprechend von höheren Euro-Gebührenwerten im Rahmen der Abrechnung im Quartal I/2009 auch profitiert hätte. Dies sei jedoch vorliegend gerade nicht der Fall. Vielmehr habe der Kläger das ihm zugewiesene RLV ausweislich des Honorarbescheides für das Quartal I/2009 überschritten. Eine rechtliche Betroffenheit des Klägers durch die fehlende Umsetzung der Vorgaben nach § 87 Absatz 2f SGB V a.F. durch den Bewertungsausschuss sei damit ausgeschlossen. Darüber hinaus ergebe sich auch aus dem Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom 27.06.2012, dass eine unmittelbare Betroffenheit des Klägers nicht vorliege (BSG, Urteil vom 27.06.2012, – B 6 KA 28/11 R -, Rn. 71 zitiert nach juris). Hinsichtlich der hilfsweisen Ermittlung der Indikatoren mit Hilfe amtlicher Indikatoren ergebe sich nichts anderes.

§ 87b Absatz 3 Satz 1 SGB V a.F. bestimme, dass die Werte für die RLV nach Absatz 2 morbiditätsgewichtet und differenziert nach Arztgruppen und nach Versorgungsgraden sowie unter Berücksichtigung der Besonderheiten kooperativer Versorgungsformen festzulegen seien. Nach Satz 4 sei die Morbidität nach Satz 1 mit Hilfe der Morbiditätskriterien Alter und Geschlecht zu bestimmen. Die Kammer gehe insoweit davon aus, dass der EBewA aufgrund der genauen Analyse des Datenmaterials festgestellt habe, dass sich das Kriterium Geschlecht nicht zur Abbildung der Morbidität eigne, da das abgerechnete Volumen durch dieses Kriterium nicht signifikant beeinflusst werde. Die Kammer halte es für nachvollziehbar und hinreichend plausibel, dass eine Analyse des Datenmaterials genau dieses Ergebnis ergeben habe. Insofern habe der Einheitliche Bewertungsausschuss keine Möglichkeit gehabt, die gesetzliche Grundlage in vernünftiger Weise umzusetzen (vgl. auch SG Marburg, Urteil vom 06.10.2010 – S 11 KA 340/09, Rn. 166, zitiert nach juris). Darüber hinaus habe der Kläger nicht substantiiert vorgetragen, inwieweit er durch die Nichtberücksichtigung des Kriteriums Geschlecht beschwert sei.

Das Urteil wurde dem Klägervertreter am 29.04.2014 mittels Empfangsbekenntnis zugestellt.

Hiergegen richtet sich die am 28.05.2014 zum Landessozialgericht Baden-Württemberg (LSG) erhobene Berufung, mit welcher der Kläger nur noch die Nichtberücksichtigung regionaler Besonderheiten bei der Kosten- und Versorgungsstruktur sowie die Nichtberücksichtigung des Morbiditätskriteriums "Geschlecht" rügt. Dem Urteil des BSG vom 11.12.2013 (B 6 KA 4/13 R) könne insoweit nicht gefolgt werden. Der Gesetzgeber sehe in § 87 Abs. 2f SGB V a. F. zwingend vor, dass der BewA bis 31.08. eines Jahres Indikatoren zur Messung der regionalen Besonderheiten vorgebe. Das Gesetz sehe keine Möglichkeit der Abweichung vor. Gleiches gelte für den Wortlaut des § 87b Abs. 3 Satz 6 SGB V a.F., wonach die Morbidität nach Satz 1 mit Hilfe der Morbiditätskriterien Alter und Geschlecht zu bestimmen sei. Dies lasse gerade keinen Auslegungsspielraum zu. Es sei auch nicht nachvollziehbar, dass das abgerechnete Volumen durch dieses Kriterium nicht beeinflusst werde.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 10.04.2014, die RLV-Zuweisungsbescheide für die Quartale II/2009 und I/2010 sowie die Honorarbescheide für das Quartal II/2009 vom 14.12.2009 und für das Quartal I/2010 vom 15.07.2010, jeweils in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19.03.2013 aufzuheben und das vom Kläger im Quartal II/2009 und I/2010 abgerechnete Honorar unbudgetiert durch die Beklagte zur Auszahlung zu bringen,

hilfsweise, die Beklagte zu verpflichten, dem Kläger ein höheres vertragsärztliches Honorar für die Quartale II/2009 und I/2010 zuzuerkennen,

höchsthilfsweise, die Beklagte zu verpflichten, erneut unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts über die Widersprüche des Klägers zu entscheiden,

weiter höchsthilfsweise, den Anträgen im Schriftsatz vom 20.11.2014 (Bl. 52ff. der LSG-Akte, Bl. 13 des Schriftsatzes bzw. Bl. 64 der LSG-Akte) nachzukommen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Entscheidung des BSG vom 11.12.2013 (B 6 KA 4/13 R, in juris) sei zu folgen. Insbesondere soweit der EBewA keine Indikatoren zur Messung der regionalen Besonderheiten bei der Kosten- und Versorgungsstruktur festgelegt habe, sei nach der zutreffenden Auffassung des BSG der Kläger durch die fehlende Vorgabe von Indikatoren nicht beschwert. Das BSG habe bereits in seinem Urteil vom 21.03.2012 (B 6 KA 21/11 R, in juris) entschieden, dass die Vertragspartner auf regionaler Ebene trotz fehlender Vorgaben nicht gehindert gewesen seien, nach eigener Entscheidung Zuschläge auf den oder Abschläge vom Orientierungspunktwert zu vereinbaren.

Der Berichterstatter hat die Beteiligten mit Schreiben vom 07.04.2016 informiert, dass der Senat erwäge, die Berufung nach § 153 Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ohne mündliche Verhandlung und ohne Mitwirkung ehrenamtlicher Richter durch Beschluss zurückzuweisen, da der Senat die Berufung einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich halte. Den Beteiligten ist Gelegenheit zur Äußerung gegeben worden.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Verwaltungsakten der Beklagten, der Gerichtsakten des SG und der Berufungsakten des Senats Bezug genommen.

II.

Der Senat entscheidet über die Berufung des Klägers gem. § 153 Abs. 4 SGG durch Beschluss, weil er sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Der Rechtsstreit weist nach Einschätzung des Senats keine besonderen Schwierigkeiten in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht auf, die mit den Beteiligten in einer mündlichen Verhandlung erörtert werden müssten. Zu der beabsichtigten Verfahrensweise hat der Senat die Beteiligten gehört.

Die Berufung des Klägers ist zulässig. Sie ist insbesondere statthaft. Ein Berufungsausschlussgrund nach § 144 Abs. 1 SGG liegt nicht vor.

Die Berufung ist jedoch nicht begründet. Soweit der Kläger in der Berufung noch die Nichtberücksichtigung regionaler Besonderheiten bei der Kosten- und Versorgungsstruktur (hierzu unter 1.) sowie die Nichtberücksichtigung des Morbiditätskriteriums "Geschlecht" (hierzu unter 2.) in den Beschlüssen des (E)BewA und die Perpetuierung dieser Fehler in den nachrangigen Regellungen des HVV der Beklagten rügt, schließt sich der Senat wie schon im Urteil vom 16.03.2016 - L 5 KA 359/14 - insoweit den Ausführungen des BSG in seinem Urteil vom 11.12.2013 (- B 6 KA 4/13 R -, in juris) vollumfänglich an.

1. Danach ist der EBewA für das Jahr 2009 seiner Verpflichtung aus § 87c Abs 2 SGB V a. F. zwar nicht in vollem Umfang nachgekommen, Vorgaben für die Ermittlung von Indikatoren i.S. des § 87 Abs 2f Satz 4 SGB V a. F. vorzugeben. Zutreffend hat das BSG insoweit aber ausgeführt:

Die gesetzlichen Vorgaben für die Ermittlung derartiger Indikatoren sind allerdings nicht widerspruchsfrei, insbesondere deshalb, weil sie einerseits auf die Wirtschaftskraft der Bundesländer abstellen (§ 87c Abs 2 SGB V aF), andererseits den Vertragspartnern aber auch eine Richtschnur geben sollen, Zu- und Abschläge vom Orientierungswert zu vereinbaren, um "insbesondere regionale Besonderheiten bei der Kosten- und Versorgungsstruktur" zu berücksichtigen (§ 87a Abs 2 Satz 2 SGB V aF). Hier kann die Wendung "regional" nur planungsbereichsbezogen gemeint sein, weil Gesamtverträge ohnehin nur - mit Ausnahme von Nordrhein-Westfalen - für ein Bundesland geschlossen werden. So fernliegend die Annahme des EBewA wäre, er könne keine Indikatoren für die Abweichung der Wirtschaftskraft eines Bundeslandes von der bundesdurchschnittlichen Wirtschaftskraft iS des § 87c Abs 2 SGB V aF finden (zutreffende Kritik des SG Marburg - S 11 KA 340/09 - RdNr 159), so wenig folgt aus diesem Befund für die hier allein relevanten regionalen Besonderheiten der Kosten- und Versorgungsstrukturen.

So klar es ist, dass hinsichtlich der Wirtschaftskraft zwischen Bayern, Sachsen und Mecklenburg-Vorpommern erhebliche Unterschiede bestehen, so schwierig ist es, diese Differenzen in Bezug auf die Kosten für die vertragsärztliche Tätigkeit entsprechend abzubilden. Das beruht vor allem darauf, dass innerhalb der einzelnen, oft recht großen KÄV-Bezirke möglicherweise die gesamte Spannbreite der Kostenstrukturunterschiede, die sich auch in der Bundesrepublik finden lassen, zu verzeichnen ist. Einem einheitlichen Indikator für Bayern - begründet mit der hohen Wirtschaftskraft dieses Bundeslandes - würde sofort mit guten Gründen entgegengehalten werden, dass die Region Oberpfalz nicht mit der Region München gleich behandelt werden kann, und entsprechendes gilt sicher auch für den Erzgebirgskreis in Sachsen und die Stadt Leipzig - die, was etwa Immobilienpreise angeht - zu den eher teuren Gebieten der Bundesrepublik zählt. Entscheidend ist aber, dass die Klägerin durch potenziell defizitäre Ermittlungen des EBewA nicht beschwert ist. Der Senat hat in seinem Urteil vom 21.3.2012 - B 6 KA 21/11 R - (BSGE 110, 258 = SozR 4-2500 § 87a Nr 1, RdNr 33 ff) ausgeführt, dass die fehlende Vorgabe von Indikatoren durch den EBewA die Vertragspartner auf regionaler Ebene nicht gehindert hat, nach eigener Entscheidung Zuschläge oder Abschläge von den Orientierungswerten zu vereinbaren. Die Vertragspartner durften nach § 87a Abs 2 Satz 2 SGB V aF solche Zuschläge nur nicht unter Verwendung von Kriterien vereinbaren, die denen widersprechen, die der BewA (unterstellt) festgelegt hat. Die Regelung des § 87a Abs 2 Satz 2 SGB V aF ist nicht in der Weise gefasst, dass ohne Vorgabe der Indikatoren zu Besonderheiten bei der Versorgungsstruktur durch den BewA jede Vereinbarung von Zuschlägen oder Abschlägen von den Orientierungswerten im Hinblick auf regionale Besonderheiten ausgeschlossen gewesen wäre. Insoweit wirkt sich die unterbliebene Umsetzung der Ermächtigung an den BewA zur Festsetzung "regionaler Indikatoren" nicht auf die Höhe des RLV der klägerischen Praxis im Quartal I/2009 aus.

Diesen Ausführungen schließt sich der Senat nach eigener Prüfung an. Auch im vorliegenden Verfahren sind keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass die Partner der Gesamtverträge irgendeinen Anlass gesehen hätten, aus Gründen regionaler Besonderheiten innerhalb des KÄV-Bezirks für einzelne Städte oder Kreise Zuschläge zu den Orientierungswerten zu vereinbaren. Für die Stadt E., in der der Kläger seinen Sitz hat, liegt diese Annahme besonders fern, weil nicht ansatzweise erkennbar ist, weshalb dort im Vergleich etwa zu den größeren Städten in Baden-Württemberg wie etwa K., M., F., H. oder auch U. eine signifikant abweichende - im Sinne von: höhere - Kostenstruktur hinsichtlich der für seine Praxis relevanten Faktoren gegeben sein könnte.

2. Darüber hinaus setzt der angegriffene Beschluss in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des BSG auch § 87b Abs 3 Satz 6 SGB V a. F. um. Hiernach soll der BewA zur Ermittlung der morbiditätsorientierten Gesamtvergütungen auch das Kriterium "Geschlecht" berücksichtigen. Der EBewA hat dazu in seinem Beschluss vom 27./28.8.2008 in Teil F Nr 3.2.2 festgestellt, dass durch dieses Kriterium eine signifikante Beeinflussung des abgerechneten Leistungsvolumens - bezogen auf die Gesamtheit der vertragsärztlichen Leistungen - nicht aufgezeigt wird.

Soweit der Kläger das mit dem Hinweis in Frage stellt, dass die Lebenserwartung von Männern und Frauen unterschiedlich sei, wird das der hier maßgeblichen Fragestellung nicht gerecht. Insoweit weist das BSG zutreffend darauf hin:

"Es geht in § 87b Abs 3 Satz 6 SGB V aF nicht pauschal darum, ob die Krankenkassen insgesamt statistisch für eine weibliche Versicherte mehr Geld aufwenden als für einen männlichen, sondern darum, ob sich in der vertragsärztlichen Versorgung bezogen auf alle Arztgruppen und alle Altersstufen von Versicherten bei Frauen eine höhere Morbidität messen lässt als bei Männern. Das bedarf statistischer Ermittlungen, die weder durch Hinweise auf Banalitäten - sehr hoher Anteil weiblicher Versicherter bei Gynäkologen - noch durch Spekulationen - Frauen gehen häufiger zum Arzt als Männer - ersetzt werden können. Wenn die dem EBewA vorliegenden Abrechnungsdaten insoweit - über alle Arztgruppen gesehen - keine signifikanten Abweichungen ergeben, die auf eine geschlechtsspezifisch messbar abweichende Morbidität hindeuten, ist der EBewA seinem Auftrag nachgekommen. Der Gesetzgeber kann nicht vorgeben, dass die Realität anders ist, als sie sich tatsächlich darstellt. Er könnte allenfalls normativ bestimmen, dass die Morbidität weiblicher Versicherter um einen bestimmten Faktor höher zu gewichten ist als bei männlichen. Das ist in § 87b Abs 3 Satz 6 SGB V aF indessen nicht geschehen."

Diesen Ausführungen schließt sich der Senat ebenfalls nach eigener Prüfung an.

3. Eine Beiladung des Vorsitzenden des EBewA sieht § 75 SGG im Übrigen nicht vor. Eine Beiladung des EBewA im Hinblick auf die nur mittelbare Prüfung der Wirksamkeit dessen Beschlusses war ebenfalls nicht veranlasst (vgl. Leitherer, in Mayer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. A., § 75 Rdnr. 8 mwN).

Bei dem Antrag auf Beiziehung der Unterlagen handelt es sich um keinen Beweisantrag, sondern allenfalls um einen Beweisermittlungsantrag. Der Senat musste sich im Übrigen auch nicht zur weiteren Beweiserhebung gedrängt fühlen. Die Beiziehung der dem EBewA vorliegenden Abrechnungsdaten und ihre statistische Auswertung sind als Basis der Entscheidung des EBewA grundsätzlich nicht beiziehungspflichtig. Dies gilt umso mehr, als der Kläger keine substantiierten Einwände oder gegenteilige statistische Daten mit Relevanz für seine Praxis vorgelegt hat.

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197 a SGG i.V.m. § 154 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung.

Die Höhe des Streitwerts folgt aus § 52 Abs. 3 GKG.

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 160 Abs. 2 SGG).
Rechtskraft
Aus
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