Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Aachen (NRW)
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
6
1. Instanz
SG Aachen (NRW)
Aktenzeichen
S 6 R 147/14
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 21 R 561/16
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Klage wird abgewiesen. Kosten sind nicht entstanden.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt von der Beklagten eine Rente wegen voller Erwerbsminderung.
Der am 00.00.0000 geborene Kläger hat eine Lehre zum Maler und Lackierer abgeschlossen. Von 1967 bis 2005 war er als Maler und Lackierer tätig, überwiegend für die Firma C. und Q. GmbH, B. Von 2005 bis 2007 bezog er Arbeitslosengeld. Mit Bescheid vom 00.00.0000 bewilligte ihm die Rechtsvorgängerin der Beklagten ab 01.03.2005 Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung auf Dauer.
Am 00.00.0000 stellte der Kläger einen Antrag auf Rente wegen voller Erwerbsminderung. Die Beklagte zog ein vom medizinischen Dienst ihrer Rechtsvorgängerin erstelltes Gutachten vom 00.00.0000 bei und wertete medizinische Unterlagen des Facharztes für radiologische Diagnostik Dr. T. vom 00.00. und 00.00.00, vom 00.00.0000 sowie vom 00.00.0000 aus. Anschließend sie veranlasste unter dem 00.00.0000 die Erstellung eines weiteren Gutachtens durch ihren medizinischen Dienst. Mit Bescheid vom 00.00.0000 lehnte sie den Antrag ab. Zur Begründung führte sie aus, der Kläger könne trotz einer beidseitigen Gonarthrose, einer fortgeschrittenen Arthrose des rechten Schultergelenks, arterieller Hypertonie, eines wiederkehrenden Lumbagos sowie Übergewichtes leichte, leidensangepasste Tätigkeiten im Umfang von mindestens sechs Stunden täglich verrichten. Der Kläger legte am 00.00.0000 Widerspruch ein. Die Beklagte wertete einen Bericht der Fachärztin für Orthopädie Dr. L. vom 00.00.0000 aus und wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 00.00.0000 unter Vertiefung ihrer bisherigen Ausführungen zurück.
Hiergegen richtet sich die am 00.00.0000 erhobene Klage.
Der Kläger führt aus, er leide unter gesundheitlichen Einschränkungen des orthopädisch-schmerztherapeutischen Fachgebietes. Diese seien bislang nicht ausreichend gewürdigt worden. Er sieht sich in seinem Klagebegehren durch ein Attest der Ärztin für Anästhesiologie C. vom 00.00.0000 bestätigt.
Der Kläger beantragt schriftsätzlich sinngemäß, die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 00.00.0000 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 00.00.0000 zu verurteilen, ihm Rente wegen voller Erwerbsminderung unter Zugrundelegung eines Versicherungsfalles vom 00.00.0000 nach Maßgabe der gesetzlichen Vorschriften zu gewähren.
Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.
Sie hält an ihrer bisherigen Auffassung fest.
Das Gericht hat zur Aufklärung des Sachverhalts Befundberichte der Fachärztin für Orthopädie Dr. L. vom 00.00.0000 sowie des Hausarztes Dr. I. vom 00.00.0000 eingeholt. Dr. L. hat lediglich qualitative Einschränkungen des klägerischen Leistungsvermögens festzustellen vermocht. Dr. I. hat auf rezidivierende Schmerzen im Bereich des Rückens hingewiesen. Das Gericht hat sodann Begutachtungen des Klägers durch den Facharzt für Orthopädie Dr. T. und die Fachärztin für Neurologie, Psychiatrie und Schmerztherapeutin Dr. M.-M. veranlasst. T. ist im Rahmen seines unter dem 00.00.0000 erstellten Gutachtens zu dem Ergebnis gelangt, der Kläger könne noch leichte, leidensangepasste Tätigkeiten im Umfang von wenigstens sechs Stunden täglich verrichten. Zu dem gleichen Ergebnis ist Dr. M.-M. im Rahmen ihres unter dem 00.00.0000 erstellten Gutachtens gelangt. Da die von Dr. T. an das Gericht zurückgesandten Akten auf dem Postweg abhanden gekommen sind, hat das Gericht das Anlegen einer rekonstruierten Ersatzakte veranlasst.
Am 00.00.0000 hat der Kläger beantragt, den Orthpäden und Schmerztherapeuten Dr. B. als weiteren Sachverständigen zu hören. Auf Anfrage des Gerichts hat Dr. B. unter dem 00.00.0000 mitgeteilt, mit einer Begutachtung des Klägers sei frühestens nach 9 Monaten ab Eingang des Aktenmaterials bei ihm zu rechnen. Das Gericht hat daraufhin unter dem 00.00.0000 den Kläger aufgefordert, im Interesse eines zügigen Verfahrens einen anderen Sachverständigen zu benennen. Der Kläger hat erklärt, er halte an Dr. B. fest.
Die Beteiligten haben sich übereinstimmend mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Zum Ergebnis der Beweisaufnahme wird auf den Inhalt der genannten Unterlagen verwiesen. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze und die übrige (rekonstruierte) Gerichtsakte sowie auf die (teilweise rekonstruierte) Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen, deren wesentlicher Inhalt bei der Entscheidung vorgelegen hat.
Entscheidungsgründe:
Die Kammer konnte durch Urteil ohne mündliche Verhandlung entscheiden, weil sich die Beteiligten hiermit übereinstimmend einverstanden erklärt haben, § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG).
Die Klage ist zulässig, jedoch nicht begründet. Der Kläger wird durch die angefochtenen Bescheide nicht im Sinne des § 54 Abs. 2 Satz 1 SGG beschwert, da sie nicht rechtswidrig sind. Er hat keinen Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung.
Ein solcher Anspruch besteht bei Erfüllung der versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für Versicherte, die erwerbsgemindert im Sinne von § 43 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch - Gesetzliche Rentenversicherung (SGB VI) sind. Erwerbsgemindert ist nach § 43 Abs. 3 SGB VI nicht, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann. Dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen.
Der Kläger, der die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen unstreitig erfüllt, kann noch mindestens sechs Stunden täglich arbeiten.
Er leidet im Wesentlichen unter folgenden Gesundheitsstörungen:
1. Radiologisch intitiale Umformungen in den Etagen C5/6 und C6/7 der Halswirbelsäule ohne Zeichen altersvoranschreitender Funktionseinschränkung,
2. Endgradige Funktionseinschränkung des rechten Schultergelenkes im Sinne eines subaktuen Engpasssyndroms; radiologisch Nachweis einer Schultereckgelenksarthrose rechts,
3. Folgezustand nach operativer Versorgung einer entzündlichen Veränderung im Bereich des 1. Strecksehnenfaches des rechten Daumens und Rekonstruktion des speichenseitigen Seitenbandes des rechten Grundgelenks,
4. Dysästhesie der Finger D IV und V der rechten Hand ohne Einschränkung der Motorik,
5. Intermittierende Lumbalgien mit nicht nervenwurzelbetonter Ausstrahlung bei radiologisch initialen Veränderungen in den Etagen L4/5 und TH 10/11,
6. Geringe Einschränkung der Innen- und Außenrotation beider Hüftgelenke,
7. Geringe Umfangsminderung des rechten Beines im Seitenvergleich,
8. Funktionseinschränkung beider Kniegelenke bei retropatellar betonter Gonarthrose beidseits (rechts größer als links); radiologisch Stadium II nach Kellgren rechts, Stadium I-II nach Kellgren links,
9. Abschwächung des Achillessehnenreflexes rechts nach Achillessehnennaht,
10. Senk-Spreizfußdeformität beidseits,
11. Hallux valgus beidseits,
12. Sonstiger chronischer Schmerz bei degenerativen Veränderungen der Hals- und Lendenwirbelsäule,
13. Adipositas,
14. Bluthochdruck.
Der Kläger ist selbst angesichts dieser Gesundheitsstörungen noch in der Lage, leichte körperliche Tätigkeiten in wechselnder Körperhaltung mit überwiegenden Sitzanteilen ohne längere einseitige körperliche Belastungen, Zwangshaltungen und ohne Überkopftätigkeiten in geschlossenen Räumen in Tagesschicht auszuführen. Nicht mehr zumutbar sind ihm Arbeiten unter Zeitdruck wie Einzel- oder Gruppenakkord oder an laufenden Maschinen. Arbeiten mit Expositionen gegenüber Kälte, Nässe und Zugluft oder auf Gerüsten oder Leitern müssen ebenfalls unterbleiben. Wesentliche Einschränkungen des geistigen Leistungsvermögens bestehen demgegenüber nicht. Insbesondere ist die Umstellungsfähigkeit des Klägers für neue Tätigkeiten erhalten.
Unter Berücksichtigung dieser Einschränkungen ist der Kläger in der Lage, an fünf Tagen in der Woche mit den betriebsüblichen Unterbrechungen mindestens sechs Stunden täglich tätig zu sein. Er kann mehrfach arbeitstäglich Fußwege von 500 m innerhalb eines Zeitraumes von höchstens 20 Minuten zurücklegen und öffentliche Verkehrsmittel benutzen.
Das Gericht entnimmt dies den Ausführungen der im gerichtlichen Verfahren gehörten Sachverständigen Dres. T. und M.-M. Diese sind als Facharzt für Orthopädie bzw. als Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie sowie als Schmerztherapeutin aufgrund eingehender Untersuchungen und sorgfältiger Befunderhebungen sowie unter Berücksichtigung der übrigen vorliegenden medizinischen Unterlagen zu der von ihnen vorgenommenen Beurteilung des Gesundheitszustandes und dessen Auswirkungen auf das Leistungsvermögen des Klägers im Erwerbsleben gelangt. Anhaltspunkte für unvollständige Befunderhebungen oder unzutreffende Leistungsbeurteilungen sind nicht ersichtlich. Die Ausführungen der Sachverständigen sind in sich schlüssig, widerspruchsfrei und überzeugend begründet. Die Kammer hat daher keine Bedenken, sich ihren Einschätzungen des klägerischen Leistungsvermögens anzuschließen, zumal der Kläger substantiierte Einwendungen hiergegen nicht zu erheben vermocht hat.
Für die Richtigkeit der Beurteilung durch Dres. T. und M.-M. sprechen insbesondere die Ergebnisse der durchgeführten körperlichen Untersuchung sowie der ausführlichen Exploration. So war der Kläger im Stande, sich ohne Hilfestellung Aus- und Anzukleiden, ferner konnte er aus der Rückenlage den Langsitz ohne seitliches Abstützen mit den Händen und ohne Schmerzangabe einnehmen. Überdies lassen die von Dr. T. gemessenen Bewegungsausmaße keine gravierenden funktionellen Einschränkungen erkennen, zudem waren Muskelatrophien an den oberen Gliedmaßen bei dem Kläger nicht erkennbar. Ferner ergab sich ein geordneter Tagesablauf des Klägers. Er verrichtet zudem Tätigkeiten im Haushalt und versorgt den eigenen Garten. Er verfügt über Sozialkontakte und fährt E-bike, ferner besucht er mit seiner Frau kulturelle Veranstaltungen. Aus Sicht der Kammer sind all dies wissenschaftlich anerkannte (vgl. nur Widder/Dertwinkel/Egle/Foerster/Schiltenwolf, Begutachtung von Patienten mit chronischen Schmerzen, Med Sach 103 (2007), S. 132 [134]) Indizien, die gegen derart gravierende schmerzbedingte Funktionsstörungen sprechen, welche die Schlussfolgerung eines auf unter sechs Stunden herabgesunkenen Leistungsvermögens im Erwerbsleben zuließen. Dass sich in den testpsychologischen Untersuchungen Hinweise auf eine klinisch relevante Ausprägung depressiver Symptome ergeben haben, steht dem nicht entgegen. Denn die Sachverständige Dr. M.-M. hat ausgeführt, dies spiegele sich in der Exploration nicht wider, vielmehr ergäben sich Hinweise auf eine negative Antwortverzerrung durch den Kläger. Auch der von Dr. M.-M. erhobene psychopathologische Befund spricht hierfür. Dort ergaben sich nämlich keinerlei Hinweise auf pathologische Veränderungen des Antriebs oder der affektiven Schwingungsfähigkeit, ohne dass eine depressive Verstimmung spürbar wurde.
Die Einschätzungen der Sachverständigen werden schließlich durch die behandelnden Ärzte des Klägers bestätigt. So haben die Fachärztin für Orthopädie Dr. L. und der Hausarzt Dr. I. lediglich qualitative Einschränkungen des Leistungsvermögens zu formulieren vermocht. Selbst die Ärztin für Anästhesiologie C. hat im Rahmen ihres Attestes vom 00.00.0000 lediglich "das Verrichten einer leichten oder mittelschweren Tätigkeit von mehr als 6 Std. arbeitstäglich" ausgeschlossen. Soweit der Kläger ausführt, er suche seine Ärzte nur sporadisch auf, spricht dies aus Sicht der Kammer nicht für eine mangelnde Fähigkeit zur Einschätzung des Leitungsvermögens der behandelnden Mediziner, sondern eher für einen fehlenden Leidensdruck des Klägers.
Die Kammer war schließlich nicht gehalten, dem Antrag des Klägers auf Anhörung des Facharztes für Orthopädie und Schmerztherapeuten Dr. B. zu entsprechen. Denn das Gericht kann einen Antrag nach § 109 Abs. 1 SGG ablehnen, wenn der benannte Sachverständige erklärt, sehr lange Zeit für die Erstattung des Gutachtens zu benötigen (so im Ergebnis Keller, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl. 2014, § 109 Rdnr. 5b; Roller, SGb 2010, 636. 639). Die aus Art. 6 Abs. 1 Satz 1 EMRK folgende gerichtliche Pflicht, das Sachverständigengutachten zügig und effizient einzuholen, gilt nämlich auch für Gutachten nach § 109 Abs. 1 SGG uneingeschränkt (EGMR, Urteil vom 08.10.2009 – 47757/06 = juris; Roller, SGb 2010, 636. 639). Überdies ist zu beachten, dass durch die mittlerweile auch im sozialgerichtlichen Verfahren nach § 202 Satz 2 SGG i.V.m. § 198 Abs. 1 GVG bestehende Möglichkeit, eine angemessene Entschädigung für überlange Gerichtsverfahren zu erhalten, ein weiteres Instrument zur Verfahrensbeschleunigung existiert.
Wann eine solche unzumutbar lange Zeit für die Erstellung eines Gutachtens gegeben ist, lässt sich nicht schematisch beantworten. Vielmehr sind hierfür nach Auffassung der Kammer die konkreten Umstände des Einzelfalles maßgeblich. Im vorliegen Fall ist zunächst zu berücksichtigen, dass eine reine Zustandsbegutachtung in Rede steht. Maßgeblich für die Frage, ob eine volle Erwerbsminderung des Klägers vorliegt, sind nach § 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI die vorliegenden Krankheiten oder Behinderungen unabhängig von ihrer Ursache. Von Bedeutung ist ferner, dass nicht ein abgeschlossenes Geschehen oder die Folgen eines Kausalverlaufs zu beurteilen sind, sondern sämtliche aus dem Krankheitszustand resultierenden funktionellen Einschränkungen, die sich im Laufe der Zeit verändern können. Dies ist deshalb von Bedeutung, weil die von Amts wegen gehörten Sachverständigen zahlreiche Erkrankungen diagnostiziert haben, welche sich im Laufe der Zeit insbesondere zum Nachteil des Klägers entwickeln können, zumal der Kläger ein fortgeschrittenes Lebensalter erreicht hat, in dem der Verschleiß des Stütz- und Bewegungsapparates stetig zunimmt. Darüber hinaus handelt es sich nicht um eine schwierige medizinische Spezialfrage, für deren Beantwortung von vornherein nur wenige Spezialisten in Frage kommen. Es handelt sich um alltägliche medizinische Fragestellungen einer gängigen medizinischen Fachrichtung. Schließlich spielt es eine Rolle, dass bereits von Amts wegen zwei medizinische Sachverständige gehört worden sind.
Unter Berücksichtigung sämtlicher dieser Umstände erscheint die vom Sachverständigen Dr. B. für die allein vom Eingang der Akten bis zur gutachtlichen Untersuchung veranschlagte Zeit von mindestens 9 Monaten unzumutbar lang. Denn da sämtliche Veränderungen des Gesundheitszustandes des Klägers ohne Rücksicht auf ihre Ursache bei der Entscheidungsfindung zu berücksichtigen sind, sind die Feststellungen der von Amts wegen gehörten Sachverständigen bei Vorliegen des Gutachtens von Dr. B. mit hoher Wahrscheinlichkeit schon allein wegen des Zeitablaufs als nicht mehr aktuell anzusehen, so dass sie zur Entscheidungsfindung nicht ohne weiteres herangezogen werden können. Das Gericht kann es dahin stehen lassen, wie in einem solchen Fall zu entscheiden ist, wenn ein abgeschlossenes Geschehen zu beurteilen ist oder sich schwierige Kausalitätsfragen stellen. Im Rahmen einer reinen Zustandsbegutachtung, zumal auf alltäglichem medizinischen Fachgebiet indessen würde eine solche zeitliche Verzögerung praktisch dazu führen, dass mit Vorlage des auf Antrag des Klägers eingeholten Gutachtens die von den von Amts wegen gehörten Sachverständigen getroffenen Feststellungen als veraltet anzusehen wären. Ein Zeitraum von mindestens 9 Monaten ab Eingang des Aktenmaterials bis zu Begutachtung erscheint daher zu lang.
Dem lässt sich auch nicht entgegen halten, dass die von Amts wegen beauftragte Sachverständige Dr. M.-M. vom Zugang des Aktenmaterials bis zur Übersendung des fertigen Gutachtens rund 8 Monate benötigt hat. Abgesehen davon nämlich, dass in der Beweisanordnung vom 00.00.0000 eine Frist von drei Monaten vorgesehen war, welche die Sachverständige wegen Arbeitsüberlastung nicht einhalten konnte, war sie selbst nach zwischenzeitlich gewährter Fristverlängerung nur durch Androhung eines Ordnungsgeldes zur zeitnahen Erstellung des Gutachtens zu bewegen. Demgegenüber betrifft der von Dr. B. veranschlagte Zeitraum von 9 Monaten den "gewöhnlichen Lauf der Dinge" – Verzögerungen oder andere Widrigkeiten sind hier noch nicht eingerechnet. Dem Kläger ist schließlich Gelegenheit zur Stellungnahme und zur Benennung eines anderen Sachverständigen gegeben worden (zu dieser Voraussetzung siehe Keller, a.a.O., Rdnr. 5b a.E.). Gleichwohl hat er trotz der vom Gericht geäußerten Bedenken und der Aufforderung, einen anderen Sachverständigen zu benennen, am Sachverständigen Dr. B. festgehalten.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 Satz 1 SGG.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt von der Beklagten eine Rente wegen voller Erwerbsminderung.
Der am 00.00.0000 geborene Kläger hat eine Lehre zum Maler und Lackierer abgeschlossen. Von 1967 bis 2005 war er als Maler und Lackierer tätig, überwiegend für die Firma C. und Q. GmbH, B. Von 2005 bis 2007 bezog er Arbeitslosengeld. Mit Bescheid vom 00.00.0000 bewilligte ihm die Rechtsvorgängerin der Beklagten ab 01.03.2005 Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung auf Dauer.
Am 00.00.0000 stellte der Kläger einen Antrag auf Rente wegen voller Erwerbsminderung. Die Beklagte zog ein vom medizinischen Dienst ihrer Rechtsvorgängerin erstelltes Gutachten vom 00.00.0000 bei und wertete medizinische Unterlagen des Facharztes für radiologische Diagnostik Dr. T. vom 00.00. und 00.00.00, vom 00.00.0000 sowie vom 00.00.0000 aus. Anschließend sie veranlasste unter dem 00.00.0000 die Erstellung eines weiteren Gutachtens durch ihren medizinischen Dienst. Mit Bescheid vom 00.00.0000 lehnte sie den Antrag ab. Zur Begründung führte sie aus, der Kläger könne trotz einer beidseitigen Gonarthrose, einer fortgeschrittenen Arthrose des rechten Schultergelenks, arterieller Hypertonie, eines wiederkehrenden Lumbagos sowie Übergewichtes leichte, leidensangepasste Tätigkeiten im Umfang von mindestens sechs Stunden täglich verrichten. Der Kläger legte am 00.00.0000 Widerspruch ein. Die Beklagte wertete einen Bericht der Fachärztin für Orthopädie Dr. L. vom 00.00.0000 aus und wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 00.00.0000 unter Vertiefung ihrer bisherigen Ausführungen zurück.
Hiergegen richtet sich die am 00.00.0000 erhobene Klage.
Der Kläger führt aus, er leide unter gesundheitlichen Einschränkungen des orthopädisch-schmerztherapeutischen Fachgebietes. Diese seien bislang nicht ausreichend gewürdigt worden. Er sieht sich in seinem Klagebegehren durch ein Attest der Ärztin für Anästhesiologie C. vom 00.00.0000 bestätigt.
Der Kläger beantragt schriftsätzlich sinngemäß, die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 00.00.0000 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 00.00.0000 zu verurteilen, ihm Rente wegen voller Erwerbsminderung unter Zugrundelegung eines Versicherungsfalles vom 00.00.0000 nach Maßgabe der gesetzlichen Vorschriften zu gewähren.
Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.
Sie hält an ihrer bisherigen Auffassung fest.
Das Gericht hat zur Aufklärung des Sachverhalts Befundberichte der Fachärztin für Orthopädie Dr. L. vom 00.00.0000 sowie des Hausarztes Dr. I. vom 00.00.0000 eingeholt. Dr. L. hat lediglich qualitative Einschränkungen des klägerischen Leistungsvermögens festzustellen vermocht. Dr. I. hat auf rezidivierende Schmerzen im Bereich des Rückens hingewiesen. Das Gericht hat sodann Begutachtungen des Klägers durch den Facharzt für Orthopädie Dr. T. und die Fachärztin für Neurologie, Psychiatrie und Schmerztherapeutin Dr. M.-M. veranlasst. T. ist im Rahmen seines unter dem 00.00.0000 erstellten Gutachtens zu dem Ergebnis gelangt, der Kläger könne noch leichte, leidensangepasste Tätigkeiten im Umfang von wenigstens sechs Stunden täglich verrichten. Zu dem gleichen Ergebnis ist Dr. M.-M. im Rahmen ihres unter dem 00.00.0000 erstellten Gutachtens gelangt. Da die von Dr. T. an das Gericht zurückgesandten Akten auf dem Postweg abhanden gekommen sind, hat das Gericht das Anlegen einer rekonstruierten Ersatzakte veranlasst.
Am 00.00.0000 hat der Kläger beantragt, den Orthpäden und Schmerztherapeuten Dr. B. als weiteren Sachverständigen zu hören. Auf Anfrage des Gerichts hat Dr. B. unter dem 00.00.0000 mitgeteilt, mit einer Begutachtung des Klägers sei frühestens nach 9 Monaten ab Eingang des Aktenmaterials bei ihm zu rechnen. Das Gericht hat daraufhin unter dem 00.00.0000 den Kläger aufgefordert, im Interesse eines zügigen Verfahrens einen anderen Sachverständigen zu benennen. Der Kläger hat erklärt, er halte an Dr. B. fest.
Die Beteiligten haben sich übereinstimmend mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Zum Ergebnis der Beweisaufnahme wird auf den Inhalt der genannten Unterlagen verwiesen. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze und die übrige (rekonstruierte) Gerichtsakte sowie auf die (teilweise rekonstruierte) Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen, deren wesentlicher Inhalt bei der Entscheidung vorgelegen hat.
Entscheidungsgründe:
Die Kammer konnte durch Urteil ohne mündliche Verhandlung entscheiden, weil sich die Beteiligten hiermit übereinstimmend einverstanden erklärt haben, § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG).
Die Klage ist zulässig, jedoch nicht begründet. Der Kläger wird durch die angefochtenen Bescheide nicht im Sinne des § 54 Abs. 2 Satz 1 SGG beschwert, da sie nicht rechtswidrig sind. Er hat keinen Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung.
Ein solcher Anspruch besteht bei Erfüllung der versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für Versicherte, die erwerbsgemindert im Sinne von § 43 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch - Gesetzliche Rentenversicherung (SGB VI) sind. Erwerbsgemindert ist nach § 43 Abs. 3 SGB VI nicht, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann. Dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen.
Der Kläger, der die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen unstreitig erfüllt, kann noch mindestens sechs Stunden täglich arbeiten.
Er leidet im Wesentlichen unter folgenden Gesundheitsstörungen:
1. Radiologisch intitiale Umformungen in den Etagen C5/6 und C6/7 der Halswirbelsäule ohne Zeichen altersvoranschreitender Funktionseinschränkung,
2. Endgradige Funktionseinschränkung des rechten Schultergelenkes im Sinne eines subaktuen Engpasssyndroms; radiologisch Nachweis einer Schultereckgelenksarthrose rechts,
3. Folgezustand nach operativer Versorgung einer entzündlichen Veränderung im Bereich des 1. Strecksehnenfaches des rechten Daumens und Rekonstruktion des speichenseitigen Seitenbandes des rechten Grundgelenks,
4. Dysästhesie der Finger D IV und V der rechten Hand ohne Einschränkung der Motorik,
5. Intermittierende Lumbalgien mit nicht nervenwurzelbetonter Ausstrahlung bei radiologisch initialen Veränderungen in den Etagen L4/5 und TH 10/11,
6. Geringe Einschränkung der Innen- und Außenrotation beider Hüftgelenke,
7. Geringe Umfangsminderung des rechten Beines im Seitenvergleich,
8. Funktionseinschränkung beider Kniegelenke bei retropatellar betonter Gonarthrose beidseits (rechts größer als links); radiologisch Stadium II nach Kellgren rechts, Stadium I-II nach Kellgren links,
9. Abschwächung des Achillessehnenreflexes rechts nach Achillessehnennaht,
10. Senk-Spreizfußdeformität beidseits,
11. Hallux valgus beidseits,
12. Sonstiger chronischer Schmerz bei degenerativen Veränderungen der Hals- und Lendenwirbelsäule,
13. Adipositas,
14. Bluthochdruck.
Der Kläger ist selbst angesichts dieser Gesundheitsstörungen noch in der Lage, leichte körperliche Tätigkeiten in wechselnder Körperhaltung mit überwiegenden Sitzanteilen ohne längere einseitige körperliche Belastungen, Zwangshaltungen und ohne Überkopftätigkeiten in geschlossenen Räumen in Tagesschicht auszuführen. Nicht mehr zumutbar sind ihm Arbeiten unter Zeitdruck wie Einzel- oder Gruppenakkord oder an laufenden Maschinen. Arbeiten mit Expositionen gegenüber Kälte, Nässe und Zugluft oder auf Gerüsten oder Leitern müssen ebenfalls unterbleiben. Wesentliche Einschränkungen des geistigen Leistungsvermögens bestehen demgegenüber nicht. Insbesondere ist die Umstellungsfähigkeit des Klägers für neue Tätigkeiten erhalten.
Unter Berücksichtigung dieser Einschränkungen ist der Kläger in der Lage, an fünf Tagen in der Woche mit den betriebsüblichen Unterbrechungen mindestens sechs Stunden täglich tätig zu sein. Er kann mehrfach arbeitstäglich Fußwege von 500 m innerhalb eines Zeitraumes von höchstens 20 Minuten zurücklegen und öffentliche Verkehrsmittel benutzen.
Das Gericht entnimmt dies den Ausführungen der im gerichtlichen Verfahren gehörten Sachverständigen Dres. T. und M.-M. Diese sind als Facharzt für Orthopädie bzw. als Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie sowie als Schmerztherapeutin aufgrund eingehender Untersuchungen und sorgfältiger Befunderhebungen sowie unter Berücksichtigung der übrigen vorliegenden medizinischen Unterlagen zu der von ihnen vorgenommenen Beurteilung des Gesundheitszustandes und dessen Auswirkungen auf das Leistungsvermögen des Klägers im Erwerbsleben gelangt. Anhaltspunkte für unvollständige Befunderhebungen oder unzutreffende Leistungsbeurteilungen sind nicht ersichtlich. Die Ausführungen der Sachverständigen sind in sich schlüssig, widerspruchsfrei und überzeugend begründet. Die Kammer hat daher keine Bedenken, sich ihren Einschätzungen des klägerischen Leistungsvermögens anzuschließen, zumal der Kläger substantiierte Einwendungen hiergegen nicht zu erheben vermocht hat.
Für die Richtigkeit der Beurteilung durch Dres. T. und M.-M. sprechen insbesondere die Ergebnisse der durchgeführten körperlichen Untersuchung sowie der ausführlichen Exploration. So war der Kläger im Stande, sich ohne Hilfestellung Aus- und Anzukleiden, ferner konnte er aus der Rückenlage den Langsitz ohne seitliches Abstützen mit den Händen und ohne Schmerzangabe einnehmen. Überdies lassen die von Dr. T. gemessenen Bewegungsausmaße keine gravierenden funktionellen Einschränkungen erkennen, zudem waren Muskelatrophien an den oberen Gliedmaßen bei dem Kläger nicht erkennbar. Ferner ergab sich ein geordneter Tagesablauf des Klägers. Er verrichtet zudem Tätigkeiten im Haushalt und versorgt den eigenen Garten. Er verfügt über Sozialkontakte und fährt E-bike, ferner besucht er mit seiner Frau kulturelle Veranstaltungen. Aus Sicht der Kammer sind all dies wissenschaftlich anerkannte (vgl. nur Widder/Dertwinkel/Egle/Foerster/Schiltenwolf, Begutachtung von Patienten mit chronischen Schmerzen, Med Sach 103 (2007), S. 132 [134]) Indizien, die gegen derart gravierende schmerzbedingte Funktionsstörungen sprechen, welche die Schlussfolgerung eines auf unter sechs Stunden herabgesunkenen Leistungsvermögens im Erwerbsleben zuließen. Dass sich in den testpsychologischen Untersuchungen Hinweise auf eine klinisch relevante Ausprägung depressiver Symptome ergeben haben, steht dem nicht entgegen. Denn die Sachverständige Dr. M.-M. hat ausgeführt, dies spiegele sich in der Exploration nicht wider, vielmehr ergäben sich Hinweise auf eine negative Antwortverzerrung durch den Kläger. Auch der von Dr. M.-M. erhobene psychopathologische Befund spricht hierfür. Dort ergaben sich nämlich keinerlei Hinweise auf pathologische Veränderungen des Antriebs oder der affektiven Schwingungsfähigkeit, ohne dass eine depressive Verstimmung spürbar wurde.
Die Einschätzungen der Sachverständigen werden schließlich durch die behandelnden Ärzte des Klägers bestätigt. So haben die Fachärztin für Orthopädie Dr. L. und der Hausarzt Dr. I. lediglich qualitative Einschränkungen des Leistungsvermögens zu formulieren vermocht. Selbst die Ärztin für Anästhesiologie C. hat im Rahmen ihres Attestes vom 00.00.0000 lediglich "das Verrichten einer leichten oder mittelschweren Tätigkeit von mehr als 6 Std. arbeitstäglich" ausgeschlossen. Soweit der Kläger ausführt, er suche seine Ärzte nur sporadisch auf, spricht dies aus Sicht der Kammer nicht für eine mangelnde Fähigkeit zur Einschätzung des Leitungsvermögens der behandelnden Mediziner, sondern eher für einen fehlenden Leidensdruck des Klägers.
Die Kammer war schließlich nicht gehalten, dem Antrag des Klägers auf Anhörung des Facharztes für Orthopädie und Schmerztherapeuten Dr. B. zu entsprechen. Denn das Gericht kann einen Antrag nach § 109 Abs. 1 SGG ablehnen, wenn der benannte Sachverständige erklärt, sehr lange Zeit für die Erstattung des Gutachtens zu benötigen (so im Ergebnis Keller, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl. 2014, § 109 Rdnr. 5b; Roller, SGb 2010, 636. 639). Die aus Art. 6 Abs. 1 Satz 1 EMRK folgende gerichtliche Pflicht, das Sachverständigengutachten zügig und effizient einzuholen, gilt nämlich auch für Gutachten nach § 109 Abs. 1 SGG uneingeschränkt (EGMR, Urteil vom 08.10.2009 – 47757/06 = juris; Roller, SGb 2010, 636. 639). Überdies ist zu beachten, dass durch die mittlerweile auch im sozialgerichtlichen Verfahren nach § 202 Satz 2 SGG i.V.m. § 198 Abs. 1 GVG bestehende Möglichkeit, eine angemessene Entschädigung für überlange Gerichtsverfahren zu erhalten, ein weiteres Instrument zur Verfahrensbeschleunigung existiert.
Wann eine solche unzumutbar lange Zeit für die Erstellung eines Gutachtens gegeben ist, lässt sich nicht schematisch beantworten. Vielmehr sind hierfür nach Auffassung der Kammer die konkreten Umstände des Einzelfalles maßgeblich. Im vorliegen Fall ist zunächst zu berücksichtigen, dass eine reine Zustandsbegutachtung in Rede steht. Maßgeblich für die Frage, ob eine volle Erwerbsminderung des Klägers vorliegt, sind nach § 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI die vorliegenden Krankheiten oder Behinderungen unabhängig von ihrer Ursache. Von Bedeutung ist ferner, dass nicht ein abgeschlossenes Geschehen oder die Folgen eines Kausalverlaufs zu beurteilen sind, sondern sämtliche aus dem Krankheitszustand resultierenden funktionellen Einschränkungen, die sich im Laufe der Zeit verändern können. Dies ist deshalb von Bedeutung, weil die von Amts wegen gehörten Sachverständigen zahlreiche Erkrankungen diagnostiziert haben, welche sich im Laufe der Zeit insbesondere zum Nachteil des Klägers entwickeln können, zumal der Kläger ein fortgeschrittenes Lebensalter erreicht hat, in dem der Verschleiß des Stütz- und Bewegungsapparates stetig zunimmt. Darüber hinaus handelt es sich nicht um eine schwierige medizinische Spezialfrage, für deren Beantwortung von vornherein nur wenige Spezialisten in Frage kommen. Es handelt sich um alltägliche medizinische Fragestellungen einer gängigen medizinischen Fachrichtung. Schließlich spielt es eine Rolle, dass bereits von Amts wegen zwei medizinische Sachverständige gehört worden sind.
Unter Berücksichtigung sämtlicher dieser Umstände erscheint die vom Sachverständigen Dr. B. für die allein vom Eingang der Akten bis zur gutachtlichen Untersuchung veranschlagte Zeit von mindestens 9 Monaten unzumutbar lang. Denn da sämtliche Veränderungen des Gesundheitszustandes des Klägers ohne Rücksicht auf ihre Ursache bei der Entscheidungsfindung zu berücksichtigen sind, sind die Feststellungen der von Amts wegen gehörten Sachverständigen bei Vorliegen des Gutachtens von Dr. B. mit hoher Wahrscheinlichkeit schon allein wegen des Zeitablaufs als nicht mehr aktuell anzusehen, so dass sie zur Entscheidungsfindung nicht ohne weiteres herangezogen werden können. Das Gericht kann es dahin stehen lassen, wie in einem solchen Fall zu entscheiden ist, wenn ein abgeschlossenes Geschehen zu beurteilen ist oder sich schwierige Kausalitätsfragen stellen. Im Rahmen einer reinen Zustandsbegutachtung, zumal auf alltäglichem medizinischen Fachgebiet indessen würde eine solche zeitliche Verzögerung praktisch dazu führen, dass mit Vorlage des auf Antrag des Klägers eingeholten Gutachtens die von den von Amts wegen gehörten Sachverständigen getroffenen Feststellungen als veraltet anzusehen wären. Ein Zeitraum von mindestens 9 Monaten ab Eingang des Aktenmaterials bis zu Begutachtung erscheint daher zu lang.
Dem lässt sich auch nicht entgegen halten, dass die von Amts wegen beauftragte Sachverständige Dr. M.-M. vom Zugang des Aktenmaterials bis zur Übersendung des fertigen Gutachtens rund 8 Monate benötigt hat. Abgesehen davon nämlich, dass in der Beweisanordnung vom 00.00.0000 eine Frist von drei Monaten vorgesehen war, welche die Sachverständige wegen Arbeitsüberlastung nicht einhalten konnte, war sie selbst nach zwischenzeitlich gewährter Fristverlängerung nur durch Androhung eines Ordnungsgeldes zur zeitnahen Erstellung des Gutachtens zu bewegen. Demgegenüber betrifft der von Dr. B. veranschlagte Zeitraum von 9 Monaten den "gewöhnlichen Lauf der Dinge" – Verzögerungen oder andere Widrigkeiten sind hier noch nicht eingerechnet. Dem Kläger ist schließlich Gelegenheit zur Stellungnahme und zur Benennung eines anderen Sachverständigen gegeben worden (zu dieser Voraussetzung siehe Keller, a.a.O., Rdnr. 5b a.E.). Gleichwohl hat er trotz der vom Gericht geäußerten Bedenken und der Aufforderung, einen anderen Sachverständigen zu benennen, am Sachverständigen Dr. B. festgehalten.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 Satz 1 SGG.
Rechtskraft
Aus
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NRW
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