L 8 LW 5/15 B ER und L 8 LW 6/15 B

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
8
1. Instanz
SG Münster (NRW)
Aktenzeichen
S 14 LW 10/15 ER
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 8 LW 5/15 B ER und L 8 LW 6/15 B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Auf die Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des Sozialgerichts Münster vom 12.11.2015 geändert und die aufschiebende Wirkung der Klage vom 27.7.2015 festgestellt, soweit die Antragsgegnerin durch Bescheid vom 25.11.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 25.6.2015 die Rückzahlung überzahlter Beitragszuschüsse fordert. Im Übrigen werden die Beschwerde sowie die weitere Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts Münster vom 12.11.2015 aufgrund der Ablehnung der Gewährung von Prozesskostenhilfe zurückgewiesen. Die Antragsgegnerin trägt die außergerichtlichen Kosten der Antragstellerin zu 1/5.

Gründe:

I.

Zwischen den Beteiligten ist eine Rückforderung der Antragsgegnerin gegenüber der Antragstellerin streitig, die auf einer gesamtschuldnerischen Inanspruchnahme für ausstehende Beiträge zur Alterskasse der Landwirte für ihren Ehemann beruht.

Die 1951 geborene Klägerin ist seit September 1972 mit Herrn L C verheiratet. Der Ehemann der Antragstellerin betrieb zunächst unter der Firmierung "Blumen, Friedhofsgärtnerei, Gartenbau L C" einen Gartenbaubetrieb. In dieser Eigenschaft bestand für ihn ab dem 1.5.1994 Versicherungspflicht nach dem Gesetz über die Alterssicherung der Landwirte (ALG), die erst durch Bescheid vom 6.7.2004 rückwirkend zum 30.4.2002 beendet worden ist. Bereits im Rahmen des Bescheides vom 6.7.2004 wies die Antragsgegnerin auf einen Beitragsrückstand in Höhe von 12.727,47 EUR hin.

Für die Antragstellerin bestand zudem aufgrund des Aufnahmebescheids vom 13.2.1995 rückwirkend zum 1.1.1995 Versicherungspflicht als Ehegattin von einem gärtnerischen Unternehmer nach § 1 Abs. 3 ALG. Diese wurde mit Bescheid vom 29.6.2004 rückwirkend zum 30.4.2002 aufgehoben. In dem Bescheid vom 29.6.2004 wurde die Antragstellerin ebenfalls auf einen Beitragsrückstand in Höhe von 5.295,56 EUR hingewiesen.

Da die Antragstellerin sodann im Rahmen eines Gartenbaubetriebes eine gärtnerische Urproduktion (Blumen- und Pflanzenanbau) auf Flächen in einer Größe von 96,39 Ar betrieb, stellte die Antragsgegnerin mit Bescheid vom 6.3.2014 ihre erneute Versicherungspflicht für die Zeit ab dem 1.3.2013 fest. Der Bescheid erwuchs in Bestandskraft.

Mit Beschluss des Amtsgerichts (AG) Münster (00 IN 00/00) wurde am 5.8.2014 über das Vermögen des Ehemannes der Antragstellerin wegen Zahlungsunfähigkeit das Insolvenzverfahren eröffnet und ein Insolvenzverwalter bestellt. Mit Schreiben vom 2.10.2014 meldete die Antragsgegnerin eine Beitragsforderung für den Ehemann der Antragstellerin in Höhe von 12.727,47 EUR (Rückstände in der Zeit vom 1.2.1996 bis zum 30.4.2002) und für die Antragstellerin in Höhe von 10.158,57 EUR (Rückstände in der Zeit vom 1.9.1998 bis zum 4.8.2014) zur Tabelle an.

Mit Bescheid vom 25.11.2014 forderte die Antragsgegnerin von der Antragstellerin sodann einen Betrag von 9.501,05 EUR. Die Forderung setze sich aus Beiträgen für die Zeiträume Februar 1996, April bis Oktober 1996, Oktober 1997 bis Februar 2000, Juli 2000 bis April 2002 sowie aus einer Zuschuss-Rückforderung für die Zeit von März 1997 bis Dezember 1998 zusammen. Als Ehegatte sei sie bis zum 30.4.2002 gem. § 1 Abs. 1 i.V.m. Abs. 2 ALG versicherungspflichtig in der Alterssicherung der Landwirte gewesen. Die Beiträge für diese Pflichtversicherung seien gem. § 70 Abs. 1 ALG vom Landwirt zu tragen. Sind beide Ehegatten Landwirte, so haften sie nach § 70 Abs. 1 ALG gesamtschuldnerisch. Nach § 421 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) bedeute dies, dass die Beiträge von jedem Ehegatten ganz oder teilweise gefordert werden könnten. Davon unabhängig blieben beide Ehegatten bis zur vollständigen Zahlung der Beiträge verpflichtet.

Dagegen erhob die Antragstellerin mit Schreiben vom 10.12.2014 Widerspruch. Ihr Ehemann und sie lebten seit ca. 30 Jahren im Güterstand der Gütertrennung. Im Übrigen sei über das Vermögen ihres Ehemanns das Insolvenzverfahren eröffnet worden. Sie hafte nicht für seine Verpflichtungen.

Den Widerspruch wies die Antragsgegnerin mit Widerspruchsbescheid vom 25.6.2015 als unbegründet zurück. Die Antragstellerin hafte gesamtschuldnerisch mit ihrem Ehemann. Vor diesem Hintergrund sei unerheblich, ob sich ihr Ehemann im Insolvenzverfahren befinde. Die gesamtschuldnerische Haftung gelte auch im Rahmen der Gütertrennung.

Dagegen hat die Antragstellerin Klage am 27.7.2015 vor dem Sozialgericht (SG) Münster erhoben, die unter dem Aktenzeichen S 14 LW 7/15 geführt wird. Weiterer Gegenstand der Klage sind die Forderungsbescheide vom 1.12.2014 und 8.1.2015 jeweils in Gestalt eines zweiten Widerspruchsbescheides vom 25.6.2015.

Am 11.8.2015 hat die Antragstellerin zudem ein einstweiliges Rechtsschutzverfahren vor dem SG anhängig gemacht, welches dort unter dem Aktenzeichen S 14 LW 8/15 ER geführt worden ist. Die Zwangsvollstreckung aus dem angefochtenen Bescheid vom 25.11.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25.6.2015 sowie der Forderungsbescheide vom 1.12.2014 und 8.1.2015 jeweils in Gestalt des weiteren Widerspruchsbescheides vom 25.6.2015 sei vorläufig einzustellen. Die Antragsgegnerin betreibe die Zwangsbeitreibung, obgleich nicht ersichtlich sei, wie sich die Forderung zusammensetze.

Mit der Antragstellerin am 21.8.2015 zugestelltem Beschluss vom 20.8.2015 hat das SG den Antrag im einstweiligen Rechtsschutz abgelehnt. Soweit die Antragstellerin sich gegen ihre gesamtschuldnerische Haftung für Beitragsrückstände ihres Ehegatten wende (Bescheid vom 25.11.2014), habe sich die Antragsgegnerin zu Recht auf die gesamtschuldnerische Haftung nach § 70 Abs. 1 ALG bezogen. Diesbezüglich werde auf die Erläuterungen des Thüringer Landessozialgerichts (LSG) in seinem Beschluss vom 29.2.2012 (L 6 R 548/10 B, juris) Bezug genommen. Die Antragstellerin habe zudem die Beitragsforderung der Höhe nach nicht substantiiert bestritten. Für aufgelaufene Beitragsrückstände sei überdies unerheblich, ob der Ehemann der Antragstellerin seinen Betrieb im Jahr 2008 aufgegeben oder ob die Antragstellerin diesen bis 2012 fortgeführt habe. Die Weitergabe des Betriebes in andere Hände - innerhalb oder außerhalb der Familie - oder seine Aufgabe lasse bereits während der Betriebsführung entstandene Beitragsforderungen nicht entfallen. Hinsichtlich der Forderungsbescheide vom 1.12.2014 und 8.1.2015 habe die Antragstellerin mit Telefax Schreiben vom 27.1.2015 Widerspruch eingelegt. Mangels nachvollziehbarer Einwände der Antragstellerin gegen die Bemessung der Beiträge sei eine Rechtswidrigkeit der Bescheide nicht erkennbar. Die Antragstellerin hat keine Beschwerde gegen diesen Beschluss eingelegt.

Sie hat am 26.10.2015 bei dem SG einen erneuten Antrag mit folgenden Begehren gestellt, "hiermit erhebe ich Klage gegen die SVLFG mit der Forderung in Höhe von 9.501,05 EUR laut beiliegender Kopie. [ ] Ich beantrage hiermit Vollstreckungsschutz und sofern es auch möglich ist Prozesskostenhilfe." Es sei nicht nachvollziehbar, dass die Forderung der Antragsgegnerin, die an ihren Ehemann zu richten sei, nun an sie herangetragen werde. Sie sei zu der damaligen Zeit zuerst bei ihrem Ehemann angestellt gewesen und habe nur von Zeit zu Zeit in seinen Blumengeschäften ausgeholfen.

Das SG hat mit Beschluss vom 12.11.2015 das als Antrag im einstweiligen Rechtsschutz ausgelegte Begehren abgelehnt und die Bewilligung von Prozesskostenhilfe versagt. Der Antrag sei zwar statthaft, habe in der Sache allerdings keinen Erfolg. Es hat im Übrigen zur Begründung auf seinen Beschluss vom 20.8.2015 im Verfahren S 14 LW 8/15 ER Bezug genommen.

Gegen den ihr am 17.11.2015 zugestellten Beschluss hat die Antragstellerin am 18.11.2015 Beschwerde eingelegt. Sie lebe seit mehr als 30 Jahren mit ihrem Ehemann in Gütertrennung. Sie müsse nicht für seine aufgelaufenen Schulden haften.

Die Antragstellerin beantragt sinngemäß,

den Beschluss des SG Münster vom 12.11.2015 zu ändern und die aufschiebende Wirkung der Klage gegen den Forderungsbescheid vom 25.11.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25.6.2015 anzuordnen.

Die Antragsgegnerin beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Sie hält die Ausführungen des erstinstanzlichen Beschlusses für zutreffend.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte im vorliegenden Verfahren sowie auf die beigezogenen Akten des SG Münster (S 14 LW 7/15 und S 14 LW 8/15 ER) und auf die Verwaltungsvorgänge der Antragsgegnerin bezüglich der Antragstellerin sowie ihres Ehemannes Bezug genommen.

II.

Die Beschwerde hat im tenorierten Umfang Erfolg.

I. Soweit sich der Bescheid vom 25.11.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25.6.2015 auf die Beanstandung der Rückzahlung überzahlter Beitragszuschüsse wegen verspäteter Vorlage des Einkommenssteuerbescheides bezieht, ist nicht ein Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage zulässig, sondern dem nach § 123 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zu berücksichtigenden Begehren der nicht anwaltlich vertretenen und rechtsunkundigen Antragstellerin entsprechend ein Antrag auf Feststellung der aufschiebenden Wirkung.

Nach § 86b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG kann das Gericht der Hauptsache (nur) in den Fällen, in denen Widerspruch oder Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung haben, diese ganz oder teilweise anordnen. Haben die genannten Rechtsbehelfe indessen aufschiebende Wirkung, gibt es kein Rechtsschutzbedürfnis dafür, diese aufschiebende Wirkung (zusätzlich) gerichtlich anordnen zu lassen.

Ist die aufschiebende Wirkung eines Rechtsmittels jedoch umstritten oder ist eine Vollziehung durch die Behörde trotz der aufschiebenden Wirkung zu erwarten (sog. faktischer Vollzug), kann das Gericht die aufschiebende Wirkung analog § 86b Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGG deklaratorisch feststellen (Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen [LSG NRW], Beschluss v. 27.5.2013, L 11 KR 16/13 B ER, juris, m. w. N.; Keller in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, a.a.O., § 86b Rdnr. 15). Voraussetzung hierfür ist, dass der Widerspruch aufschiebende Wirkung hat (§ 86a Abs. 1 SGG). In diesem Fall ist als Minus zur Anordnung der aufschiebenden Wirkung der feststellende Ausspruch mit umfasst (LSG NRW, Beschluss v. 27.5.2013, a.a.O. m.w.N.).

1. Die Klage der Antragstellerin hat aufschiebende Wirkung, soweit sie sich auf die Rückzahlung überzahlter Beitragszuschüsse wegen verspäteter Vorlage des Einkommenssteuerbescheides bezieht. Nach § 86a Abs. 1 Satz 1 SGG haben Widerspruch und Anfechtungsklage aufschiebende Wirkung. Einer der in § 86a Abs. 2 SGG geregelten Ausnahmefälle, in denen die aufschiebende Wirkung entfällt, liegt insoweit nicht vor.

a) Insbesondere handelt es sich nicht um einen Fall der "Entscheidung über Versicherungs-, Beitrags- und Umlagepflichten sowie der Anforderung von Beiträgen, Umlagen und sonstigen öffentlichen Abgaben" im Sinne von § 86a Abs. 2 Nr. 1 SGG. Zwar mag, wirtschaftlich betrachtet, die Verpflichtung zur Rückzahlung eines Beitragszuschusses die Frage beantworten, ob und wer die Beiträge letztlich zu leisten hat und damit der Frage der Entscheidung über Beitragspflichten angelehnt sein. Den Gesetzesmaterialien zufolge soll jedoch nach § 86a Abs. 2 Nr. 1 SGG die aufschiebende Wirkung in den Fällen entfallen, "in denen die Funktionsfähigkeit der Leistungsträger, insbesondere der Sozialversicherung, zu sichern ist." Damit verbleibe es "bei dem geltenden Recht, wenn die Entscheidung über Pflichten zur Zahlung oder die Anforderung von Beiträgen, Umlagen und sonstigen öffentlichen Abgaben im Streit" sei (Bundestagsdrucksache [BT-Drs.] 14/5943, S. 25). Daraus ergibt sich, dass der Gesetzgeber den in § 86a Abs. 1 SGG normierten Grundsatz der aufschiebenden Wirkung von Rechtsbehelfen gegen Bescheide über Versicherungs- und Beitragspflicht nur in den Fällen durchbrechen wollte, in denen andernfalls die rechtzeitige und vollständige Zahlung der Sozialversicherungsbeiträge unterbliebe (Senat, Beschluss v. 28.10.2015, L 8 R 442/15 B ER, juris). Bei der Rückforderung des Beitragszuschusses, bei der es sich letztlich um eine Art Sozialleistung handelt (vgl. BSG, Urteil v. 17.8.2000, B 10 LW 8/00 R, BSGE 87, 76 zur Heranziehung des § 67 SGB I), steht jedoch die Vermeidung von Überzahlungen infolge nicht ausreichender Mitwirkung und nicht die Frage der vollständigen Beitragszahlung im Vordergrund (BT-Drs. 12/5700, S. 77).

b) Zudem entfällt die aufschiebende Wirkung auch nicht nach § 86a Abs. 2 Nr. 3 SGG. Zwar handelt es sich bei der Alterssicherung der Landwirte um eine Angelegenheit der Sozialversicherung nach § 51 Abs. 1 Nr. 1 SGG, jedoch beinhaltet die Rückforderung von Beitragszuschüssen nicht die Herabsetzung oder Entziehung einer laufenden Leistung. Mit Entziehung bzw. Herabsetzung der laufenden Leistung ist die ganz oder teilweise verfügte Beseitigung des früheren Bescheids mit Wirkung für die Zukunft gemeint. Aufgrund des zukunftsbezogenen Wortsinns fällt die Aufhebung einer Leistung für die Vergangenheit nicht darunter (Keller in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, a.a.O., § 86a Rdnr. 15, 14 m.w.N.).

2. Die Antragstellerin hat auch ein Feststellungsinteresse glaubhaft gemacht. Ein solches ist bereits dann gegeben, wenn die Behörde die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs missachtet (LSG NRW, Beschluss v. 27.5.2013, a.a.O., m.w.N.). Dies gilt zunächst vor dem Hintergrund der schriftsätzlichen Äußerungen der Antragsgegnerin im Eilverfahren, die anscheinend eine vollumfängliche Anwendbarkeit des § 86a Abs. 2 Nr. 1 SGG annimmt, sowie des vorgelegten Schreibens der Obergerichtsvollzieherin T vom 23.10.2015.

II. Im Übrigen hat das SG den weiteren Antrag auf Anordnung der aufschiebende Wirkung der Klage vom 27.7.2015 gegen den Bescheid vom 25.11.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25.6.2015 zu Recht abgelehnt.

1. Zwar ist ein solcher Antrag des Weiteren statthaft, § 86b Abs. 1 S. 1 Nr. 2 SGG i.V.m.

2. § 86a Abs. 2 Nr. 1 SGG.

a) Jedoch steht dem Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage die Rechtskraft des Beschlusses des SG vom 25.8.2015 entgegen (LSG NRW, Beschluss v. 4.3.2014, L 19 AS 183/14 B ER, juris; Bayrisches LSG, Beschluss v. 9.7.2012, L 11 AS 333/12 ER; Keller in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Auflage, § 86b Rdnr. 19a m.w.N.). Auch Beschlüsse, die im einstweiligen Rechtsschutz ergehen, erwachsen, sofern kein Rechtsmittel mehr gegeben ist, in materieller Rechtskraft (LSG NRW, Beschluss v. 4.3.2014, a.a.O. zu § 86b Abs. 1 SGG, Bayrisches LSG, Beschluss v. 9.7.2012, a.a.O. zu § 86b Abs. 1 SGG; LSG NRW, Beschluss v. 18.5.2011, L 19 AS 678/11 B ER zu § 86b Abs. 2 SGG). Dabei ist unerheblich, ob dem Eilantrag stattgegeben oder dieser abgelehnt wird. Das Bedürfnis, widersprechenden Entscheidungen entgegenzuwirken und einen fortgesetzten Streit unter den Beteiligten über denselben Streitgegenstand einzudämmen, besteht auch im Eilverfahren (LSG NRW, Beschluss v. 4.3.2014, a.a.O.). Vorliegend ist der Beschluss des SG Münster vom 20.8.2015 nach Zustellung an den Prozessbevollmächtigten der Antragstellerin am 21.8.2015 mit Ablauf der einmonatigen Beschwerdefrist zum 21.9.2015 rechtskräftig geworden.

b) Dabei ist unerheblich, dass der Streitgegenstand des Beschlusses vom 20.8.2015 die Anordnung der aufschiebenden Wirkung der im Wege der objektiven Klagehäufung angefochtenen Forderungsbescheide vom 25.11.2014 sowie vom 1.12.2014 und 8.1.2015 jeweils in der Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 25.6.2015 gewesen ist, während die Antragstellerin sich nunmehr auf die Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage allein in Bezug auf den Forderungsbescheid vom 25.11.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25.6.2015 beschränkt. Da es sich um einen abtrennbaren Streitgegenstand handelt, steht es ihr frei, den Suspensiveffekt der Klage insgesamt oder nur für einen Teil zu begehren, § 123 SGG. Das ändert allerdings nichts daran, dass das SG über diesen (Teil-)Antrag im Eilrechtsschutz bereits rechtskräftig entschieden hat.

c) Ein wiederholter Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung kann nur dann zulässig erhoben werden, wenn nach Eintritt der Rechtskraft neue Tatsachen entstanden sind oder eine veränderte Rechtslage vorliegt, welche eine andere Beurteilung des Sachverhaltes rechtfertigen (LSG NRW, Beschluss v. 4.3.2014 a.a.O., m.w.N.). Solche Änderungen werden von der Antragstellerin jedoch nicht geltend gemacht und sind nach Aktenlage auch nicht ersichtlich. Sie hat sich vielmehr sowohl im erstinstanzlichen als auch im Beschwerdeverfahren darauf zurückgezogen, ihr Vorbringen aus dem Verfahren S 14 LW 8/15 ER im Wesentlichen zu wiederholen.

2. Ergänzend verweist der Senat darauf, dass sich etwas anderes auch nicht ergeben würde, wenn der Antrag der Antragstellerin als Antrag im Sinne von § 86b Abs. 1 S. 4 SGG auf Abänderung der Entscheidung des SG ausgelegt würde (LSG Bayern, Beschluss v. 9.7.2012, a.a.O.). Die Voraussetzungen für eine dergestaltige Abänderung liegen nicht vor. Die Anordnung der aufschiebenden Wirkung ist durch das SG zu Recht nicht erfolgt.

Die Entscheidung, ob die aufschiebende Wirkung ausnahmsweise dennoch durch das Gericht angeordnet wird, erfolgt aufgrund einer umfassenden Abwägung des Aufschubinteresses des Antragstellers einerseits und des öffentlichen Interesses an der Vollziehung des Verwaltungsaktes andererseits. Im Rahmen dieser Interessenabwägung ist in Anlehnung an § 86a Abs. 3 Satz 2 SGG zu berücksichtigen, in welchem Ausmaß Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsaktes bestehen oder ob die Vollziehung für den Antragsteller eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte. Da § 86a Abs. 2 Nr. 1 SGG das Vollzugsrisiko bei Beitragsbescheiden grundsätzlich auf den Adressaten verlagert, können nur solche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Bescheides ein überwiegendes Aufschubinteresse begründen, die einen Erfolg des Rechtsbehelfs, hier der Klage, zumindest überwiegend wahrscheinlich erscheinen lassen. Für die Anordnung der aufschiebenden Wirkung reicht es nicht aus, dass im Rechtsbehelfsverfahren möglicherweise noch ergänzende Tatsachenfeststellungen zu treffen sind. Maßgebend ist, ob nach der Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der Eilentscheidung mehr für als gegen die Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides spricht (vgl. Senat, Beschluss v. 7.1.2011, L 8 R 864/10 B ER, NZS 2011, 906 [907 f.]; Beschluss v. 10.5.2012, L 8 R 164/12 B ER; Beschluss v. 9.1.2013, L 8 R 406/12 B ER; Beschluss v. 13.2.2013, L 8 LW 20/12 B ER; jeweils juris; jeweils m.w.N.).

a) Rechtsgrundlage für die Beitragstragungspflicht der Antragstellerin ist § 70 Abs. 1 S. 1 ALG. Danach werden die Beiträge bei Landwirten von ihnen selbst (Nr. 1) und bei mitarbeitenden Familienangehörigen von dem Landwirt, in dessen Unternehmen sie tätig sind (Nr. 2), getragen. Ob die Rückerstattung der Beitragszuschüsse unter Berücksichtigung der obigen Überlegungen nunmehr unter § 70 ALG fällt, kann indes aufgrund des bereits festzustellenden Suspensiveffekts offen bleiben.

b) Gemäß § 70 Abs. 1 S. 2 ALG haften Ehegatten, wenn beide Landwirte sind, gesamtschuldnerisch. Der Begriff des Landwirts ist umfassend zu verstehen. Er schließt nicht nur Landwirte i.S.v. § 1 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 S. 1 ALG sondern grundsätzlich auch deren Ehegatten nach § 1 Abs. 3 ALG ein (BSG, Urteil v. 25.7.2002, B 10 LW 40/00 R, SozR 3-5868 § 70 Nr. 1; Thüringer LSG, Beschluss v. 28.3.2012, L 6 R 548/10 B, juris, LSG Baden-Württemberg, Beschluss v. 13.11.2000, L 4 KR 3846/98, juris). Nach § 1 Abs. 3 ALG gilt der Ehegatte eines Landwirts nach Abs. 2 als Landwirt, wenn beide Ehegatten nicht dauernd getrennt leben und der Ehegatte nicht - unabhängig von der jeweiligen Arbeitsmarktlage - voll erwerbsgemindert nach § 43 Abs. 2 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (SGB VI) ist.

aa) Die Antragstellerin erfüllte für den streitigen Forderungszeitraum die Voraussetzungen des § 1 Abs. 3 ALG. Ihr Ehemann, der von ihr nicht dauernd getrennt lebte, war landwirtschaftlicher Unternehmer im Sinne des § 1 Abs. 2 ALG. Anhaltspunkte für eine bei ihr bestehende volle Erwerbsminderung nach dem SGB VI bestehen nicht. Entsprechendes wurde auch nicht vorgetragen. Soweit die Antragstellerin einwendet, dass sie lediglich sporadisch in dem landwirtschaftlichen Betrieb ihres Ehemannes mitgearbeitet habe, führt dies zu keinem anderen Ergebnis. Da es sich bei § 1 Abs. 3 ALG um eine gesetzliche Fiktion handelt, ist nicht erheblich, ob und dementsprechend auch nicht in welchem Umfang der Ehegatte tatsächlich im landwirtschaftlichen Unternehmen mitarbeitet (ähnlich: Thüringer LSG, Beschluss v. 28.2.2012, a.a.O.; BSG, Urteil v. 25.7.2002, a.a.O., m.w.N.).

bb) Dass die Antragstellerin und ihr Ehemann im Güterstand der Gütertrennung leben, hat sie nicht glaubhaft gemacht. Vor diesem Hintergrund kann der Senat letztlich offen lassen, ob eine Vereinbarung des Ausschlusses des gesetzlichen Güterstandes und des Eintritts der Gütertrennung gemäß § 1414 Satz 1, 2 BGB die gesamtschuldnerische Haftung von Ehegatten nach § 70 Abs. 1 ALG ausschließen kann. Dies erscheint indes zweifelhaft. Zwar kann danach jeder Ehegatte grundsätzlich nur sich selbst verpflichten, so dass auch jeder nur für seine eigenen Verbindlichkeiten haftet. Etwas anderes ergibt sich jedoch bereits z.B. bei Vorliegen entsprechender Vollmachten sowie in Bezug auf Rechtsgeschäfte zur angemessenen Deckung des Lebensbedarfs (§ 1357 Abs. 1 BGB; Hausch in: Herberger/Martinek/Rüßmann u.a., jurisPK-BGB, 7. Aufl. 2014, § 1414 BGB, Rdnr. 4; Heinemann in: Erman-BGB, 14. Auflage, § 1414 BGB, Rdnr. 2). Vor diesem Hintergrund wäre auch die gesetzgeberische Anordnung der gesamtschuldnerische Haftung für Versicherungsbeiträge nach § 70 Abs. 1 S. 2 ALG zu sehen (so jedenfalls: LSG Baden-Württemberg, Beschluss v. 13.11.2000, a.a.O.; auch das BSG spricht von einer Haftung "ohne Rücksicht auf ihren ehelichen Güterstand": BSG, Urteil v. 25.7.2002, a.a.O., Rdnr. 26).

cc) Soweit die Antragstellerin darauf verweist, dass über das Vermögen ihres Ehemannes das Insolvenzverfahren eröffnet worden ist, steht dies einer Geltendmachung der Forderung ihr gegenüber nicht entgegen. Denn sie ist von dem Insolvenzverfahren nicht betroffen. Aufgrund der gesamtschuldnerischen Haftung ist es der Antragsgegnerin daher nach § 421 BGB möglich, die Forderung ihr gegenüber geltend zu machen.

c) Die gesamtschuldnerische Haftung verstößt auch nicht gegen den Sinn und Zweck des ALG. Mit der Änderung des § 70 Abs. 1 S. 2 ALG durch das Gesetz zur Sicherung der nachhaltigen Finanzierungsgrundlagen der gesetzlichen Rentenversicherung vom 21.7.2004 (Bundesgesetzblatt [BGBl.] I S. 1791, 1802) wollte der Gesetzgeber sicherstellen, dass eine gesamtschuldnerische Haftung der Ehegatten auch dann greift, wenn nur einer der Ehegatten in der Alterssicherung der Landwirte aktiv versichert ist (BT-Drs. 15/2149, S. 30). Das spricht dafür, dass der Gesetzgeber sowohl die soziale Absicherung des Ehegatten eines Landwirtes verbessern als auch ihn hinsichtlich der zu leistenden Beiträge verpflichten wollte (Thüringer LSG, Beschluss v. 28.2.2012, a.a.O.).

III. Die Beschwerde gegen die Ablehnung der Bewilligung von Prozesskostenhilfe ist zulässig aber unbegründet. Nach § 73a Abs. 1 S. 1 SGG i.V.m. § 114 S. 1 Zivilprozessordnung (ZPO) erhält nur die Partei auf Antrag Prozesskostenhilfe, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Der Einsatz von Einkommen und Vermögen bestimmt sich nach § 115 ZPO. Zwar hat die von der Antragstellerin beabsichtigte Rechtverfolgung teilweise hinreichende Erfolgsaussicht geboten. Insofern kann auf die obige Ausführungen Bezug genommen werden. Allerdings hat sie zu keiner Zeit im Verfahren ihre persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse glaubhaft gemacht.

Die Kostenentscheidung im Beschwerdeverfahren erfolgt in entsprechender Anwendung von § 193 SGG.

Der Beschluss kann nicht mit der Beschwerde zum Bundessozialgericht angefochten werden, § 177 SGG.
Rechtskraft
Aus
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