Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Düsseldorf (NRW)
Aktenzeichen
S 8 KR 586/11
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 1 KR 363/15
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 21.05.2015 geändert und die Klage abgewiesen. Kosten sind in beiden Rechtszügen nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Der Kläger nimmt die Beklagte auf Kostenerstattung für Kataraktoperationen in Anspruch.
Der 1932 geborene Kläger ist bei der Beklagten mit Anspruch auf Kostenerstattung (§ 13 Abs. 2 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch - SGB V) versichert. Im Jahr 2010 bestand bei ihm ein fortgeschrittener Grauer Star (Katarakt) mit Visuswerten von 0,2 auf beiden Augen. Am 13.09.2010 und 20.09.2010 unterzog sich der Kläger ambulanten Operationen und ließ sich Intraocularlinsen in das linke und rechte Auge einsetzen. Im Rahmen dieser Operationen wurden asphärische Linsen - Linsen mit einer besonderen Oberfläche zur Vermeidung von Abbildungsfehlern - eingesetzt.
Nach Abschluss der Operationen beantragte der Kläger bei der Beklagten unter Vorlage diverser Rechnungen die anteilige Erstattung der von ihm aufgewandten Kosten. Dies lehnte Beklagte am 04.11.2010 im Rahmen eines mit dem Kläger geführten Telefonats ab und teilte mit, dass es sich bei den durchgeführten Operationen um außervertragliche Leistungen gehandelt habe.
Mit dem hiergegen erhobenen Widerspruch vertrat der Kläger die Auffassung, es sei nicht einsichtig, dass eine Kostenerstattung vollständig abgelehnt werde, zumal die Behandlung medizinisch notwendig gewesen sei. In diesem Zusammenhang legte der Kläger ein Attest der ihn behandelnden Augenärzte vom 10.11.2010 vor. Diese führten dort u.a. aus, dass aufgrund des vorliegenden Katarakts beidseitig die Operation des rechten Auges am 13.09.2010 und des linken Auges am 20.09.2010 medizinisch indiziert gewesen sei. Die Qualitätskriterien zur Abrechnung über die Kassenärztliche Vereinigung (KV) seien erfüllt.
Den Widerspruch wies die Beklagte zurück (Widerspruchsbescheid vom 09.06.2011).
Im Klageverfahren hat der Kläger Rechnungen über einen Gesamtbetrag von 4.901,62 EUR vorgelegt und im Wesentlichen geltend gemacht: Die Beklagte sei im Rahmen der gewählten Kostenerstattung verpflichtet, ihm 25 % der aufgewandten Kosten zu erstatten. Es habe sich bei den durchgeführten Operationen nicht um Maßnahmen der - durch den Gemeinsamen Bundesausschuss (GBA) ausgeschlossenen - refraktiven Chirurgie gehandelt, da ausschließlich der bei ihm vorhandene Graue Star behandelt worden sei. Die streitige Implantation der asphärischen Linsen sei nach Angabe des behandelnden Augenarztes/Chirurgen zur Verbesserung seiner Sehfähigkeit notwendig gewesen.
Der Kläger hat beantragt,
die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 03.11.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 09.06.2011 zu verurteilen, ihm die Gesamtkosten für die ambulanten Augenoperationen i.H.v. 4.901,62 EUR zu 25 %, mithin i.H.v. 1.225,41 EUR, zu erstatten.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat sich auf den angefochtenen Bescheid sowie auf die Rechtsprechung des Landessozialgerichtes (LSG) Niedersachsen-Bremen gestützt und entgegnet: Bei den durchgeführten Maßnahmen handele es sich bei der bis zum 01.01.2012 geltenden Rechtslage um eine nicht der vertragsärztlichen Versorgung zuzuordnende neue Behandlungsmethode. Darüber hinaus hätte der behandelnde Arzt den Kläger auf seine Kostenlast hinweisen und seine Vergütungspflicht schriftlich vereinbaren müssen. Da dies, soweit ersichtlich, nicht geschehen sei, sei der Kläger keinem fälligen Vergütungsanspruch ausgesetzt, so dass ihm vor diesem Hintergrund keine erstattungsfähigen Kosten entstanden seien.
Durch Urteil vom 21.05.2015 hat das SG die Beklagte antragsgemäß verurteilt. Bei der streitigen Operation habe es sich nicht um eine neue Behandlungsmethode gehandelt, da Katarakt-Operationen im Einheitlichen Bewertungsmaßstab (EBM) aufgeführt seien, ohne dass zwischen dem Einsatz unterschiedlicher Linsen differenziert werde. Abgesehen davon sei nicht einsichtig, aus welchen Gründen der Einsatz monofokaler, sphärischer Linsen eine von der Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) erfasste Behandlungsmaßnahme darstelle, die Implantation von Sonderlinsen jedoch eine ausgeschlossene neue Behandlungsmethode. Hierfür spreche auch die zum 01.01.2012 eingeführte Mehrkostenregelung des § 33 Abs. 9 SGB V. Der Gesetzgeber habe mit dieser Regelung rückwirkend klargestellt, dass die Implantation einer Sonderlinse den Eingriff nicht zu einer neuen Behandlungsmethode mache. Entgegen der von der Beklagten vertretenen Auffassung sei ein wirksamer Behandlungsvertrag zwischen dem Kläger und den behandelnden Ärzten zu Stande gekommen. Spätestens mit Zahlung des Honorars sei ein wirksamer Vertrag geschlossen worden.
Gegen das ihr am 03.06.2015 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 22.06.2015 Berufung eingelegt. Sie hält an ihrer erstinstanzlich vertretenen Auffassung fest.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 21.05.2015 zu ändern und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er verteidigt das angefochtene Urteil und trägt vor: Zwar habe es sich bei der streitigen Maßnahme nicht um eine Standardoperation gehandelt. Allerdings habe der behandelnde Arzt ausdrücklich zur Implantation asphärischer Linsen geraten. Die Implantation dieser Sonderlinsen sei medizinisch indiziert und ausschließlich geboten gewesen, um eine adäquate Behandlung sicherzustellen. Insofern sei diese Konstellation durchaus mit einer notstandsähnlichen Erkrankungssituation vergleichbar.
Weiterer Einzelheiten wegen wird Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichts- und Verwaltungsakte.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist begründet. Der Kläger hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Zahlung des mit der Klage geltend gemachten Betrages und wird durch den angefochtenen Bescheid vom 04.11.2010 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 09.06.2011 nicht im Sinne des § 54 Abs. 2 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) beschwert. Daher war das Urteil des SG Düsseldorf vom 21.05.2015 zu ändern und die Klage abzuweisen.
1. Nach § 13 Abs. 2 SGB V in der hier maßgeblichen, bis zum 01.01.2011 geltenden Fassung können Versicherte - wie hier der Kläger - anstelle der Sach- oder Dienstleistung Kostenerstattung wählen (Satz 1). Der Leistungserbringer hat die Versicherten vor Inanspruchnahme der Leistung darüber zu informieren, dass Kosten, die nicht von der Krankenkasse übernommen werden, von dem Versicherten zu tragen sind (Satz 3). Der Versicherte hat die erfolgte Beratung gegenüber dem Leistungserbringer schriftlich zu bestätigen (Satz 4). Anspruch auf Erstattung besteht höchstens in Höhe der Vergütung, die die Krankenkasse bei Erbringung als Sachleistung zu tragen hätte (Satz 8).
Da Kostenerstattung lediglich "anstelle der Sach- oder Dienstleistung" gewählt werden kann, löst die Wahl der Kostenerstattung den Leistungsanspruch des Versicherten nicht aus dem System der GKV heraus (Schifferdecker in: Kasseler Kommentar, § 13 SGB V, Rn. 32 m.w.N). Daher müssen Krankenkassen nur Kosten solcher selbst beschaffter Behandlungen erstatten, die sie allgemein als Sach- oder Dienstleistung zu erbringen haben (BSG, Urteil v. 08.09.2009 - B 1 KR 1/09 R, BSGE 104, 160), also solche Leistungen, die in den Leistungskatalog der GKV fallen und insbesondere dem Wirtschaftlichkeitsgebot (§ 12 SGB V) entsprechen (Joussen in: BeckOK-SGB V, § 13 Rn. 9 m.w.N).
a) Diese Voraussetzungen sind nicht erfüllt. Denn der Kläger hätte die Implantation von asphärischen Intraocularlinsen nicht als Sachleistung beanspruchen können.
aa) Die hier streitige Implantation von asphärischen Intraocularlinsen wird zwar dem Grunde nach von dem gemäß § 87 Abs. 1 SGB V zu vereinbarenden Einheitlichen Bewertungsmaßstab (EBM) - hier: dem EBM 2010 - erfasst. Bei dem EBM handelt es sich um den abschließenden Katalog der Gebührenordnungspositionen, die in der ambulanten vertragsärztlichen Behandlung abrechnungsfähig sind. Der EBM benennt in Ziff. 31350 intraocularere Eingriffe der Kategorie X1 (obligater Leistungsinhalt: Chirurgischer Eingriff der Kategorie X1 entsprechend Anhang 2) und in Ziff. 31351 EBM intraocularere Eingriffe der Kategorie X2 (obligater Leistungsinhalt: Chirurgischer Eingriff der Kategorie X2 entsprechend Anhang 2) als abrechnungsfähige Leistungen. Anhang 2 des EBM nimmt hierbei die Zuordnung der operativen Prozeduren nach § 295 SGB V (Operationen- und Prozedurenschlüssel - OPS) zu den Leistungen der Kapitel 31 und 36 des EBM vor. Eine Leistung ist damit nur dann vollständig erbracht und abrechnungsfähig, wenn bei der Berechnung ambulante und belegärztliche Operationen nach dem OPS kodiert bzw. kodierbar sind (vgl. auch § 295 Abs. 1 Satz 4 SGB V).
bb) Anhang 2 des EBM 2010 ordnet
- die Extrakapsuläre Extraktion der Linse [ECCE]: Linsenkernverflüssigung [Phakoemulsifikation] über sklero-kornealen Zugang: Mit Einführung einer kapselfixierten Hinterkammerlinse, Sonderform der Intraokularlinse (OPS 5-144.3e),
- die Extrakapsuläre Extraktion der Linse [ECCE]: Linsenkernverflüssigung [Phakoemulsifikation] über sklero-kornealen Zugang: Mit Einführung einer sulkusfixierten Hinterkammerlinse, Sonderform der Intraokularlinse (OPS 5-144.3f) und
- die Extrakapsuläre Extraktion der Linse [ECCE]: Linsenkernverflüssigung [Phakoemulsifikation] über sklero-kornealen Zugang: Mit Einführung einer sklerafixierten Hinterkammerlinse, Sonderform der Intraokularlinse (OPS 5-144.3g)
jeweils der Ziff. 31351 EBM zu. Darüber hinaus werden die o.g. Maßnahmen über korneale Zugänge (OPS 5-144.5e, OPS 5-144.5f und OPS 5144.5g) ebenfalls der Ziff. 31351 EBM zugeordnet.
Als Sonderformen von Intraokularlinsen werden im OPS die Multifokale Intraokularlinse, die Torische Intraokularlinse (5-149.21), die Akkommodative Intraokularlinse (5-149.22), Sonstige (5-149.2x und 5-149.x) und Nicht näher bezeichnete Intraocularlinsen (5-149.y) aufgelistet. Angesichts dieser Zuordnung ist der Senat der Überzeugung, dass auch die Implantation von Sonderlinsen - wie hier bei dem Kläger - grundsätzlich eine Leistung der GKV sein kann.
cc) Ab der Version 2007 des Anhangs 2 zum EBM wurde allerdings ein "A" zur Kennzeichnung von Kategorien neu eingeführt. Intraokulare Eingriffe, deren Kategorie mit einem "A" gekennzeichnet ist, sind nur dann berechnungsfähig (und zu Lasten der GKV durchführbar), wenn eine medizinische Begründung zur Implantation einer Sonderform der Intraokularlinse und eine Genehmigung der zuständigen Krankenkasse vorliegt.
Die zitierten OPS 5-144.3e, OPS 5-144.3f und OPS 5-144.3g sowie die OPS 5-144.5e, OPS 5-144.5f und OPS 5144.5g sind jeweils mit X2A versehen, so dass für die Durchführung eine medizinische Begründung und die Zustimmung der Beklagten erforderlich waren. Beides lag hier jedoch nicht vor, so dass es sich bei den streitigen Operationen nicht um Leistungen der GKV gehandelt hat. Insbesondere konnte auf eine Zustimmung bzw. Genehmigung der Beklagten nicht bereits deshalb verzichtet werden, weil der Kläger das Verfahren der Kostenerstattung nach § 13 Abs. 2 SGB V gewählt hat. Denn die Kostenerstattung tritt, wie oben dargelegt, lediglich "anstelle der Sach- oder Dienstleistung". Für die Gewährung als Sachleistung besteht jedoch als materielle Anspruchsvoraussetzung ein Zustimmungserfordernis. Nichts anderes kann insoweit für das Verfahren der Kostenerstattung gelten, zumal dieses keine "Besserstellung" der am Kostenerstattungsverfahren teilnehmenden Versicherten bezweckt. Im Übrigen kann das erst nach den streitigen Operationen vorgelegte Attest der behandelnden Augenärzte vom 10.11.2010 nicht als medizinische Begründung für die Implantation von Sonderlinsen qualifiziert werden. Dort äußern die behandelnden Ärzte nämlich nur die Einschätzung, dass die Operationen medizinisch indiziert gewesen seien. Eine Bewertung zur Erforderlichkeit von Sonderlinsen wird jedoch nicht abgegeben.
b) Angesichts dessen kommt es nicht mehr darauf an, ob es sich bei der Implantation einer asphärischen Intraocularlinse um ein Verfahren der refraktiven Augenchirurgie handelt, das der Gemeinsame Bundesausschuss (GBA) unter Ziff. 13 in die Anlage II (Methoden, die nicht als vertragsärztliche Leistungen zu Lasten der Krankenkassen erbracht werden dürfen) der "Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses zu Untersuchungs- und Behandlungsmethoden der vertragsärztlichen Versorgung - Richtlinie Methoden vertragsärztliche Versorgung" (MVV-RL) aufgenommen hat.
c) Bei der nicht zweifelhaften - von den behandelnden Ärzten in dem Bericht vom 10.11.2010 bestätigten - medizinischen Indikation zur Durchführung einer Kataraktoperation waren im Jahr 2010 bei Wahl einer Sonderform der Intraokularlinse keine (anteiligen) Kosten zu übernehmen (vgl. LSG NRW, Urteil v. 18.06.2015 - L 16 KR 769/14). Etwas anderes folgt auch nicht aus dem durch das GKV-VStG vom 22.12.2011 (BGBl. I 2983) mit Wirkung vom 01.01.2012 eingefügten § 33 Abs. 9 SGB V. Danach gilt zwar die in § 33 Abs. 1 Satz 5 SGB V normierte Mehrkostenregelung auch für Intraokularlinsen beschränkt auf die Kosten der Linsen. § 33 Abs. 9 SGB V ändert jedoch für den Kläger mangels Rückwirkung an der Rechtslage nichts. Vielmehr handelt es sich um eine gesetzliche Neuregelung zur Beseitigung einer zum Teil für unbefriedigend gehaltenen Situation. Für die Auslegung als echte Neuregelung spricht insbesondere auch die Begründung in den Gesetzesmaterialien (BT-Drs. 17/6906, 54). Der Regierungsentwurf führt u. a. aus, dass mit der neu eingeführten Mehrkostenregelung nunmehr sichergestellt werde, dass Krankenkassen die Kosten medizinisch notwendiger Intraokularlinsen einschließlich der für diese Versorgung notwendigen ärztlichen Leistungen auch dann übernähmen, wenn Versicherte eine Sonderlinse wählten. Anhaltspunkte, die für eine Klarstellung sprechen könnten, finden sich nicht. Ebenso wenig hat das Gesetz vom 22.12.2011 eine Rückwirkung des § 33 Abs. 9 SGB V angeordnet.
d) Ein Anspruch ergibt sich auch nicht aus der Rechtsprechung des BVerfG und des BSG zur grundrechtsorientierten Auslegung der leistungsrechtlichen Regelungen des SGB V (vgl. BVerfG, Beschluss v. 6.12.2005 - 1 BvR 347/98, BVerfGE 115, 25; BVerfG, Beschluss v. 29.11.2007 - 1 BvR 2496/07, NZS 2008, 365; BSG, Urteil v. 04.04.2006 - B 1 KR 12/04 R, BSGE 93, 153 - D-Ribose m.w.N. - ab 01.01.2012: § 2 Abs. 1 a SGB V). Der Anspruch setzt voraus, dass ein Versicherter unter einer lebensbedrohlichen oder regelmäßig tödlich verlaufenden oder zumindest wertungsmäßig damit vergleichbaren Erkrankung leidet, für die schulmedizinische Behandlungsmethoden nicht zur Verfügung stehen oder ausgeschöpft sind und dass für die vom Versicherten gewählte Methode eine auf Indizien gestützte, nicht ganz fern liegende Aussicht auf Heilung oder wenigstens auf eine spürbare positive Auswirkung auf den Krankheitsverlauf spricht. Dabei muss aber auch die "außervertragliche" Behandlung nach den Regeln der ärztlichen Kunst (§ 15 Abs. 1 SGB V) durchgeführt werden.
Der Anspruch scheitert bereits daran, dass der Kläger weder unter einer lebensbedrohlichen noch unter einer wertungsmäßig damit vergleichbaren Erkrankung gelitten hat. Anhaltspunkte dafür, dass der bei dem Kläger vorhandene Graue Star zur Vermeidung einer (absehbar bevorstehenden) Erblindung ausschließlich durch Implantation einer asphärischen Intraokularlinse behandelt werden konnte, liegen nicht vor. Auch der Bericht der behandelnden Ärzte vom 10.11.2010 trifft keine solche Aussage, sondern stellt vielmehr darauf ab, dass die durchgeführten Operationen medizinisch indiziert gewesen seien. Im Übrigen ist zu berücksichtigen, dass selbst eine hochgradige Beeinträchtigung der Sehfähigkeit nach der Rechtsprechung des BSG nicht mit einer Erblindung auf eine Stufe gestellt werden (vgl. BSG, Urteil v. 03.07.2012 - B 1 KR 22/11 R, BSGE 111,168 Rn. 17 - Avastin).
2. Angesichts der obigen Ausführungen kann offen bleiben, ob zwischen dem Kläger und seinen behandelnden Ärzten ein wirksamer Behandlungsvertrag mit einem daraus resultierenden fälligen und einredefreien Vergütungsanspruch zustande gekommen ist. Sofern der behandelnde Arzt den Kläger vor Durchführung der streitigen Operationen allerdings nicht darüber informiert haben sollte, dass Kosten, die nicht von der Beklagten übernommen werden, von ihm selber zu tragen sind (§ 13 Abs. 2 Satz 3 SGB V) und der Kläger diese Beratung nicht schriftlich bestätigt haben sollte (§ 13 Abs. 2 Satz 4 SGB V in der hier noch anwendbaren Fassung), könnte der Honoraranspruch gegenüber dem Kläger und somit gleichzeitig dessen Kostenerstattungsanspruch gegenüber der Beklagten ausgeschlossen sein (vgl. Schifferdecker in: Kasseler Kommentar, § 13 SGB V, Rn. 27; Wagner in: Krauskopf, § 13 SGB V, Rn. 12; Kingreen in: Becker/Kingreen, SGB V, 4. Aufl. 2014, § 13, Rn. 9).
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
4. Anlass, die Revision zuzulassen, hat nicht bestanden (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 und 2 SGG)
Tatbestand:
Der Kläger nimmt die Beklagte auf Kostenerstattung für Kataraktoperationen in Anspruch.
Der 1932 geborene Kläger ist bei der Beklagten mit Anspruch auf Kostenerstattung (§ 13 Abs. 2 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch - SGB V) versichert. Im Jahr 2010 bestand bei ihm ein fortgeschrittener Grauer Star (Katarakt) mit Visuswerten von 0,2 auf beiden Augen. Am 13.09.2010 und 20.09.2010 unterzog sich der Kläger ambulanten Operationen und ließ sich Intraocularlinsen in das linke und rechte Auge einsetzen. Im Rahmen dieser Operationen wurden asphärische Linsen - Linsen mit einer besonderen Oberfläche zur Vermeidung von Abbildungsfehlern - eingesetzt.
Nach Abschluss der Operationen beantragte der Kläger bei der Beklagten unter Vorlage diverser Rechnungen die anteilige Erstattung der von ihm aufgewandten Kosten. Dies lehnte Beklagte am 04.11.2010 im Rahmen eines mit dem Kläger geführten Telefonats ab und teilte mit, dass es sich bei den durchgeführten Operationen um außervertragliche Leistungen gehandelt habe.
Mit dem hiergegen erhobenen Widerspruch vertrat der Kläger die Auffassung, es sei nicht einsichtig, dass eine Kostenerstattung vollständig abgelehnt werde, zumal die Behandlung medizinisch notwendig gewesen sei. In diesem Zusammenhang legte der Kläger ein Attest der ihn behandelnden Augenärzte vom 10.11.2010 vor. Diese führten dort u.a. aus, dass aufgrund des vorliegenden Katarakts beidseitig die Operation des rechten Auges am 13.09.2010 und des linken Auges am 20.09.2010 medizinisch indiziert gewesen sei. Die Qualitätskriterien zur Abrechnung über die Kassenärztliche Vereinigung (KV) seien erfüllt.
Den Widerspruch wies die Beklagte zurück (Widerspruchsbescheid vom 09.06.2011).
Im Klageverfahren hat der Kläger Rechnungen über einen Gesamtbetrag von 4.901,62 EUR vorgelegt und im Wesentlichen geltend gemacht: Die Beklagte sei im Rahmen der gewählten Kostenerstattung verpflichtet, ihm 25 % der aufgewandten Kosten zu erstatten. Es habe sich bei den durchgeführten Operationen nicht um Maßnahmen der - durch den Gemeinsamen Bundesausschuss (GBA) ausgeschlossenen - refraktiven Chirurgie gehandelt, da ausschließlich der bei ihm vorhandene Graue Star behandelt worden sei. Die streitige Implantation der asphärischen Linsen sei nach Angabe des behandelnden Augenarztes/Chirurgen zur Verbesserung seiner Sehfähigkeit notwendig gewesen.
Der Kläger hat beantragt,
die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 03.11.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 09.06.2011 zu verurteilen, ihm die Gesamtkosten für die ambulanten Augenoperationen i.H.v. 4.901,62 EUR zu 25 %, mithin i.H.v. 1.225,41 EUR, zu erstatten.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat sich auf den angefochtenen Bescheid sowie auf die Rechtsprechung des Landessozialgerichtes (LSG) Niedersachsen-Bremen gestützt und entgegnet: Bei den durchgeführten Maßnahmen handele es sich bei der bis zum 01.01.2012 geltenden Rechtslage um eine nicht der vertragsärztlichen Versorgung zuzuordnende neue Behandlungsmethode. Darüber hinaus hätte der behandelnde Arzt den Kläger auf seine Kostenlast hinweisen und seine Vergütungspflicht schriftlich vereinbaren müssen. Da dies, soweit ersichtlich, nicht geschehen sei, sei der Kläger keinem fälligen Vergütungsanspruch ausgesetzt, so dass ihm vor diesem Hintergrund keine erstattungsfähigen Kosten entstanden seien.
Durch Urteil vom 21.05.2015 hat das SG die Beklagte antragsgemäß verurteilt. Bei der streitigen Operation habe es sich nicht um eine neue Behandlungsmethode gehandelt, da Katarakt-Operationen im Einheitlichen Bewertungsmaßstab (EBM) aufgeführt seien, ohne dass zwischen dem Einsatz unterschiedlicher Linsen differenziert werde. Abgesehen davon sei nicht einsichtig, aus welchen Gründen der Einsatz monofokaler, sphärischer Linsen eine von der Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) erfasste Behandlungsmaßnahme darstelle, die Implantation von Sonderlinsen jedoch eine ausgeschlossene neue Behandlungsmethode. Hierfür spreche auch die zum 01.01.2012 eingeführte Mehrkostenregelung des § 33 Abs. 9 SGB V. Der Gesetzgeber habe mit dieser Regelung rückwirkend klargestellt, dass die Implantation einer Sonderlinse den Eingriff nicht zu einer neuen Behandlungsmethode mache. Entgegen der von der Beklagten vertretenen Auffassung sei ein wirksamer Behandlungsvertrag zwischen dem Kläger und den behandelnden Ärzten zu Stande gekommen. Spätestens mit Zahlung des Honorars sei ein wirksamer Vertrag geschlossen worden.
Gegen das ihr am 03.06.2015 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 22.06.2015 Berufung eingelegt. Sie hält an ihrer erstinstanzlich vertretenen Auffassung fest.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 21.05.2015 zu ändern und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er verteidigt das angefochtene Urteil und trägt vor: Zwar habe es sich bei der streitigen Maßnahme nicht um eine Standardoperation gehandelt. Allerdings habe der behandelnde Arzt ausdrücklich zur Implantation asphärischer Linsen geraten. Die Implantation dieser Sonderlinsen sei medizinisch indiziert und ausschließlich geboten gewesen, um eine adäquate Behandlung sicherzustellen. Insofern sei diese Konstellation durchaus mit einer notstandsähnlichen Erkrankungssituation vergleichbar.
Weiterer Einzelheiten wegen wird Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichts- und Verwaltungsakte.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist begründet. Der Kläger hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Zahlung des mit der Klage geltend gemachten Betrages und wird durch den angefochtenen Bescheid vom 04.11.2010 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 09.06.2011 nicht im Sinne des § 54 Abs. 2 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) beschwert. Daher war das Urteil des SG Düsseldorf vom 21.05.2015 zu ändern und die Klage abzuweisen.
1. Nach § 13 Abs. 2 SGB V in der hier maßgeblichen, bis zum 01.01.2011 geltenden Fassung können Versicherte - wie hier der Kläger - anstelle der Sach- oder Dienstleistung Kostenerstattung wählen (Satz 1). Der Leistungserbringer hat die Versicherten vor Inanspruchnahme der Leistung darüber zu informieren, dass Kosten, die nicht von der Krankenkasse übernommen werden, von dem Versicherten zu tragen sind (Satz 3). Der Versicherte hat die erfolgte Beratung gegenüber dem Leistungserbringer schriftlich zu bestätigen (Satz 4). Anspruch auf Erstattung besteht höchstens in Höhe der Vergütung, die die Krankenkasse bei Erbringung als Sachleistung zu tragen hätte (Satz 8).
Da Kostenerstattung lediglich "anstelle der Sach- oder Dienstleistung" gewählt werden kann, löst die Wahl der Kostenerstattung den Leistungsanspruch des Versicherten nicht aus dem System der GKV heraus (Schifferdecker in: Kasseler Kommentar, § 13 SGB V, Rn. 32 m.w.N). Daher müssen Krankenkassen nur Kosten solcher selbst beschaffter Behandlungen erstatten, die sie allgemein als Sach- oder Dienstleistung zu erbringen haben (BSG, Urteil v. 08.09.2009 - B 1 KR 1/09 R, BSGE 104, 160), also solche Leistungen, die in den Leistungskatalog der GKV fallen und insbesondere dem Wirtschaftlichkeitsgebot (§ 12 SGB V) entsprechen (Joussen in: BeckOK-SGB V, § 13 Rn. 9 m.w.N).
a) Diese Voraussetzungen sind nicht erfüllt. Denn der Kläger hätte die Implantation von asphärischen Intraocularlinsen nicht als Sachleistung beanspruchen können.
aa) Die hier streitige Implantation von asphärischen Intraocularlinsen wird zwar dem Grunde nach von dem gemäß § 87 Abs. 1 SGB V zu vereinbarenden Einheitlichen Bewertungsmaßstab (EBM) - hier: dem EBM 2010 - erfasst. Bei dem EBM handelt es sich um den abschließenden Katalog der Gebührenordnungspositionen, die in der ambulanten vertragsärztlichen Behandlung abrechnungsfähig sind. Der EBM benennt in Ziff. 31350 intraocularere Eingriffe der Kategorie X1 (obligater Leistungsinhalt: Chirurgischer Eingriff der Kategorie X1 entsprechend Anhang 2) und in Ziff. 31351 EBM intraocularere Eingriffe der Kategorie X2 (obligater Leistungsinhalt: Chirurgischer Eingriff der Kategorie X2 entsprechend Anhang 2) als abrechnungsfähige Leistungen. Anhang 2 des EBM nimmt hierbei die Zuordnung der operativen Prozeduren nach § 295 SGB V (Operationen- und Prozedurenschlüssel - OPS) zu den Leistungen der Kapitel 31 und 36 des EBM vor. Eine Leistung ist damit nur dann vollständig erbracht und abrechnungsfähig, wenn bei der Berechnung ambulante und belegärztliche Operationen nach dem OPS kodiert bzw. kodierbar sind (vgl. auch § 295 Abs. 1 Satz 4 SGB V).
bb) Anhang 2 des EBM 2010 ordnet
- die Extrakapsuläre Extraktion der Linse [ECCE]: Linsenkernverflüssigung [Phakoemulsifikation] über sklero-kornealen Zugang: Mit Einführung einer kapselfixierten Hinterkammerlinse, Sonderform der Intraokularlinse (OPS 5-144.3e),
- die Extrakapsuläre Extraktion der Linse [ECCE]: Linsenkernverflüssigung [Phakoemulsifikation] über sklero-kornealen Zugang: Mit Einführung einer sulkusfixierten Hinterkammerlinse, Sonderform der Intraokularlinse (OPS 5-144.3f) und
- die Extrakapsuläre Extraktion der Linse [ECCE]: Linsenkernverflüssigung [Phakoemulsifikation] über sklero-kornealen Zugang: Mit Einführung einer sklerafixierten Hinterkammerlinse, Sonderform der Intraokularlinse (OPS 5-144.3g)
jeweils der Ziff. 31351 EBM zu. Darüber hinaus werden die o.g. Maßnahmen über korneale Zugänge (OPS 5-144.5e, OPS 5-144.5f und OPS 5144.5g) ebenfalls der Ziff. 31351 EBM zugeordnet.
Als Sonderformen von Intraokularlinsen werden im OPS die Multifokale Intraokularlinse, die Torische Intraokularlinse (5-149.21), die Akkommodative Intraokularlinse (5-149.22), Sonstige (5-149.2x und 5-149.x) und Nicht näher bezeichnete Intraocularlinsen (5-149.y) aufgelistet. Angesichts dieser Zuordnung ist der Senat der Überzeugung, dass auch die Implantation von Sonderlinsen - wie hier bei dem Kläger - grundsätzlich eine Leistung der GKV sein kann.
cc) Ab der Version 2007 des Anhangs 2 zum EBM wurde allerdings ein "A" zur Kennzeichnung von Kategorien neu eingeführt. Intraokulare Eingriffe, deren Kategorie mit einem "A" gekennzeichnet ist, sind nur dann berechnungsfähig (und zu Lasten der GKV durchführbar), wenn eine medizinische Begründung zur Implantation einer Sonderform der Intraokularlinse und eine Genehmigung der zuständigen Krankenkasse vorliegt.
Die zitierten OPS 5-144.3e, OPS 5-144.3f und OPS 5-144.3g sowie die OPS 5-144.5e, OPS 5-144.5f und OPS 5144.5g sind jeweils mit X2A versehen, so dass für die Durchführung eine medizinische Begründung und die Zustimmung der Beklagten erforderlich waren. Beides lag hier jedoch nicht vor, so dass es sich bei den streitigen Operationen nicht um Leistungen der GKV gehandelt hat. Insbesondere konnte auf eine Zustimmung bzw. Genehmigung der Beklagten nicht bereits deshalb verzichtet werden, weil der Kläger das Verfahren der Kostenerstattung nach § 13 Abs. 2 SGB V gewählt hat. Denn die Kostenerstattung tritt, wie oben dargelegt, lediglich "anstelle der Sach- oder Dienstleistung". Für die Gewährung als Sachleistung besteht jedoch als materielle Anspruchsvoraussetzung ein Zustimmungserfordernis. Nichts anderes kann insoweit für das Verfahren der Kostenerstattung gelten, zumal dieses keine "Besserstellung" der am Kostenerstattungsverfahren teilnehmenden Versicherten bezweckt. Im Übrigen kann das erst nach den streitigen Operationen vorgelegte Attest der behandelnden Augenärzte vom 10.11.2010 nicht als medizinische Begründung für die Implantation von Sonderlinsen qualifiziert werden. Dort äußern die behandelnden Ärzte nämlich nur die Einschätzung, dass die Operationen medizinisch indiziert gewesen seien. Eine Bewertung zur Erforderlichkeit von Sonderlinsen wird jedoch nicht abgegeben.
b) Angesichts dessen kommt es nicht mehr darauf an, ob es sich bei der Implantation einer asphärischen Intraocularlinse um ein Verfahren der refraktiven Augenchirurgie handelt, das der Gemeinsame Bundesausschuss (GBA) unter Ziff. 13 in die Anlage II (Methoden, die nicht als vertragsärztliche Leistungen zu Lasten der Krankenkassen erbracht werden dürfen) der "Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses zu Untersuchungs- und Behandlungsmethoden der vertragsärztlichen Versorgung - Richtlinie Methoden vertragsärztliche Versorgung" (MVV-RL) aufgenommen hat.
c) Bei der nicht zweifelhaften - von den behandelnden Ärzten in dem Bericht vom 10.11.2010 bestätigten - medizinischen Indikation zur Durchführung einer Kataraktoperation waren im Jahr 2010 bei Wahl einer Sonderform der Intraokularlinse keine (anteiligen) Kosten zu übernehmen (vgl. LSG NRW, Urteil v. 18.06.2015 - L 16 KR 769/14). Etwas anderes folgt auch nicht aus dem durch das GKV-VStG vom 22.12.2011 (BGBl. I 2983) mit Wirkung vom 01.01.2012 eingefügten § 33 Abs. 9 SGB V. Danach gilt zwar die in § 33 Abs. 1 Satz 5 SGB V normierte Mehrkostenregelung auch für Intraokularlinsen beschränkt auf die Kosten der Linsen. § 33 Abs. 9 SGB V ändert jedoch für den Kläger mangels Rückwirkung an der Rechtslage nichts. Vielmehr handelt es sich um eine gesetzliche Neuregelung zur Beseitigung einer zum Teil für unbefriedigend gehaltenen Situation. Für die Auslegung als echte Neuregelung spricht insbesondere auch die Begründung in den Gesetzesmaterialien (BT-Drs. 17/6906, 54). Der Regierungsentwurf führt u. a. aus, dass mit der neu eingeführten Mehrkostenregelung nunmehr sichergestellt werde, dass Krankenkassen die Kosten medizinisch notwendiger Intraokularlinsen einschließlich der für diese Versorgung notwendigen ärztlichen Leistungen auch dann übernähmen, wenn Versicherte eine Sonderlinse wählten. Anhaltspunkte, die für eine Klarstellung sprechen könnten, finden sich nicht. Ebenso wenig hat das Gesetz vom 22.12.2011 eine Rückwirkung des § 33 Abs. 9 SGB V angeordnet.
d) Ein Anspruch ergibt sich auch nicht aus der Rechtsprechung des BVerfG und des BSG zur grundrechtsorientierten Auslegung der leistungsrechtlichen Regelungen des SGB V (vgl. BVerfG, Beschluss v. 6.12.2005 - 1 BvR 347/98, BVerfGE 115, 25; BVerfG, Beschluss v. 29.11.2007 - 1 BvR 2496/07, NZS 2008, 365; BSG, Urteil v. 04.04.2006 - B 1 KR 12/04 R, BSGE 93, 153 - D-Ribose m.w.N. - ab 01.01.2012: § 2 Abs. 1 a SGB V). Der Anspruch setzt voraus, dass ein Versicherter unter einer lebensbedrohlichen oder regelmäßig tödlich verlaufenden oder zumindest wertungsmäßig damit vergleichbaren Erkrankung leidet, für die schulmedizinische Behandlungsmethoden nicht zur Verfügung stehen oder ausgeschöpft sind und dass für die vom Versicherten gewählte Methode eine auf Indizien gestützte, nicht ganz fern liegende Aussicht auf Heilung oder wenigstens auf eine spürbare positive Auswirkung auf den Krankheitsverlauf spricht. Dabei muss aber auch die "außervertragliche" Behandlung nach den Regeln der ärztlichen Kunst (§ 15 Abs. 1 SGB V) durchgeführt werden.
Der Anspruch scheitert bereits daran, dass der Kläger weder unter einer lebensbedrohlichen noch unter einer wertungsmäßig damit vergleichbaren Erkrankung gelitten hat. Anhaltspunkte dafür, dass der bei dem Kläger vorhandene Graue Star zur Vermeidung einer (absehbar bevorstehenden) Erblindung ausschließlich durch Implantation einer asphärischen Intraokularlinse behandelt werden konnte, liegen nicht vor. Auch der Bericht der behandelnden Ärzte vom 10.11.2010 trifft keine solche Aussage, sondern stellt vielmehr darauf ab, dass die durchgeführten Operationen medizinisch indiziert gewesen seien. Im Übrigen ist zu berücksichtigen, dass selbst eine hochgradige Beeinträchtigung der Sehfähigkeit nach der Rechtsprechung des BSG nicht mit einer Erblindung auf eine Stufe gestellt werden (vgl. BSG, Urteil v. 03.07.2012 - B 1 KR 22/11 R, BSGE 111,168 Rn. 17 - Avastin).
2. Angesichts der obigen Ausführungen kann offen bleiben, ob zwischen dem Kläger und seinen behandelnden Ärzten ein wirksamer Behandlungsvertrag mit einem daraus resultierenden fälligen und einredefreien Vergütungsanspruch zustande gekommen ist. Sofern der behandelnde Arzt den Kläger vor Durchführung der streitigen Operationen allerdings nicht darüber informiert haben sollte, dass Kosten, die nicht von der Beklagten übernommen werden, von ihm selber zu tragen sind (§ 13 Abs. 2 Satz 3 SGB V) und der Kläger diese Beratung nicht schriftlich bestätigt haben sollte (§ 13 Abs. 2 Satz 4 SGB V in der hier noch anwendbaren Fassung), könnte der Honoraranspruch gegenüber dem Kläger und somit gleichzeitig dessen Kostenerstattungsanspruch gegenüber der Beklagten ausgeschlossen sein (vgl. Schifferdecker in: Kasseler Kommentar, § 13 SGB V, Rn. 27; Wagner in: Krauskopf, § 13 SGB V, Rn. 12; Kingreen in: Becker/Kingreen, SGB V, 4. Aufl. 2014, § 13, Rn. 9).
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
4. Anlass, die Revision zuzulassen, hat nicht bestanden (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 und 2 SGG)
Rechtskraft
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